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Ottendorfer Zeitung : 03.07.1907
- Erscheinungsdatum
- 1907-07-03
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1811457398-190707035
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1811457398-19070703
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1811457398-19070703
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Ottendorfer Zeitung
-
Jahr
1907
-
Monat
1907-07
- Tag 1907-07-03
-
Monat
1907-07
-
Jahr
1907
- Titel
- Ottendorfer Zeitung : 03.07.1907
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k)oUMebe Kunälckau. Deutschland. *Wie aus Kiel gemeldet wird, behandelte Kais er Wilh elm die an der Regatta teil nehmenden Franzosen mit großer Liebenswürdig keit und gab wiederholt dem Wunsche einer A n- näherung an Frankreich Ausdruck. * Der Bundesrat stimmte dem Ent wurf zur Abänderung des Gesetzes betr. die Ab wehr von Viehseuchen und der Vorlage über den Verkehr mit Geheimmitteln zu. * Halbamtlichen Meldungen zufolge werden Anfang Juli in Baden-Baden neue Verhand lungen mit den süddeutschen Regierungen wegen der Schiffahrtsabgaben stattfinden. * Den ausgeschiedenen Schutztruppen angehörigen in Südwestafrika wird nach einem Regierungserlaß falls sie auf Heim beförderung verzichten und sich verpflichten, als Ansiedler im Lande zu bleiben, das Heimreise geld als Ansiedelungsbeihilfe gezahlt. Aus geschiedene Schutztruppenangehörige werden beim Kaufe von Regierungsland hinsichtlich des Preises bevorzugt, wenn sie ein eigenes Ver mögen von mindestens 2000 Mk. nachweisen können. Diejenigen ausgedienten Schutztruppen angehörigen, welche auf eigener Farm wohnen, können ein unverzinsliches Darlehen bis zum Höchstbetrage von 6000 Mk. bewilligt erhalten und finden hierbei gegenüber andern Bewerbern in erster Linie Berücksichtigung. Ofterreich-Ungarn. *Jm neugewählten österreichischen Parla ment erklärte der Ministerpräsident Frh. v. Beck, er werde immer für fortschrittliche Ideen Verständnis zeigen und unter allen Umständen dem Recht zum Siege verhelfen. Aus diesem Gmnde hoffe er auch zu den Parteien der Opposition erträgliche Beziehungen Herstellen zu können. * Jm österreichischen Abgeord netenhause kam es zu einer Kund gebung gegen den ungarischen Minister präsidenten Wekerle. Der österreichische Ministerpräsident Baron Beck erschien mit Wekerle in der Ministerloge im Abgeordneten hause. Wekxrles Erscheinen erregte die allge meine Aufmerksamkeit der Abgeordneten. Plötz lich brachen die kroatischen Abgeordneten aus Istrien und Dalmatien in den Ruf aus: „Ab zug Wekerle!", worauf dieser die Loge verließ. Der Vorfall zeigt, daß die Kri s e inUngarn trotz der beruhigenden Meldungen des Ministe riums noch nicht überwunden ist. Ffrankreich. * Angesichts der Lage im Winzeraufstands gebiet wird die Lage des Kabinetts Clemenceau immer schwieriger. Mehrere Abgeordnete stellten in der Kammer bereits den Antrag, Clemenceau in denAnklagezustand zu versetzen und konnten nur mühsam bewogen werden, ihre Anträge zurückzuziehen. Die Winzer erklären nach wie vor, auf ihren Forde rungen beharren zu wollen und verlangen nach drücklichst von der Regierung Schutz vor den Weinfälschern durch ein Gesetz, das einwandfrei jede Weinpantscherei zur Unmöglichkeit mache. Höchst willkommen ist der Negierung in dieser Klemme die in Macon vorgenommene Ver haftung zweier Ausländer, eines Russen und eines Österreichers, die im Verdacht stehen, im Einvernehmen mit einem als Korporal im 134. Regiment dienenden Weinhändlerssohn Versuche in anti-militaristischer Richtung unter nommen zu haben. Wenn die Verdachtsgründe auch keine schwerwiegenden sind, so wird Clemen ceau diese Angelegenheit doch zugunsten des Kabinetts auszunutzen wissen. Italien. * Die Kammer hat debattelos den hundert sten Jahrestag der Geburt Garibaldis, des Befreiers Italiens, den 4. Juli d., zum Nationalfeiertag erklärt. England. *Die Debatte im Unterhause über die von der Negierung vorgeschlagene Reform des Oberhauses, wonach dieses nicht mehr endgültig über Annahme oder Ablehnung von Gesetzesvorlagen entscheiden kann, endete mit der Annahme des Regierungsvorschlages, für die 432 gegen 147 Stimmen abgegeben wurden. Der Antrag auf Abschaffung des Oberhauses wurde mit 315 gegen 100 Stimmen abgelehnt. Luxemburg. * In der Kammer kam es gelegentlich der fortgesetzten Beratung der Thronfolge frage zu überaus erregten Auftritten, so daß die Sitzung zeitweilig unterbrochen werden mußte. Die Mitglieder der Kammer stehen zum Teil dem neuen Hausgesetz des Großherzogs, wonach seine Tochter ihm in der Regierung folgen soll, durchaus ablehnend gegenüber. Man hofft aber in Regierungskreisen, daß die Kammer im Sinne der Regierung entscheiden wird. Holland. * Die einzelnen Kommissionen derHaager Friedenskonferenz sind eifrig mit den ihnen zugewiesenen Arbeiten beschäftigt. Man hofft in dem ersten Streitpunkt, der sich ergeben hat, nämlich die Stellungnahme Deutschlands und Englands zum Oberprisengericht zu einer Einigung zu gelangen. In der Schieds gerichtskommission äußerte der amerikanische Delegierte den Wunsch, daß Artikel 3 aus sprechen solle, daß die Signatarmächte es nicht nur als nützlich, sondern auch als wünschens wert bezeichnen, daß eine oder mehrere fremde Mächte den im Widerstreit befindlichen Staaten aus eigenem Antrieb ihre guten Dienste und ihre Vermittelung anbieten. Ferner beantragte der erste Delegierte Argentiniens, Pena, die Haager Konferenz möge den Wunsch aussprechen, daß kein Souverän oder Staatschef ein Schieds richteramt in irgend einem Streitfall zwischen zwei souveränen Nationen annehmen möge, bevor diese ihm nicht die Versicherung ge geben hätten, daß sie sich nicht darüber haben einigen können, ihren Fall dem ständigen Schiedsgerichtshof im Haag zu unterbreiten. Balkanstaaten. * Die Pforte hat die Erhebung des e r - höhten Einfuhrzolles von 3 Prozent infolge Protestes der Botschafter bis auf weiteres wieder aufgehoben. * Die außerordentliche rumänische Parla mentssession ist geschlossen worden; eine Kom mission wird sich während der Ferien mit der Agrarreform beschäftigen. Oer Peters-f)ro2eK. Nächster Zeuge ist der Abgeordnete Bebel. Er erklärt, das; er die Sache zuerst im März 1896 be sprochen habe, veranlaßt durch ein Buch des Dr. Peters: „Meine Emin Pascha-Expedition". Er habe annehmen müssen, daß Dr. Peters ein grau samer und gewalttätiger Mensch war. Mit Aus nahme der sreikonservativen Partei hätten allo Redner das Verhalten des Dr. Peters verurteilt; namentlich taten das Dr. Lenzmann und Eugen Richter von den Freisinnigen, Dr. Lieber vom Zentrum und Dr. Hammacher von den National liberalen. Der Kolonialdirektor Dr. Kayser habe damals mehrmals in der Sache das Wort ergriffen und das Verhalten des Auswärtigen Amts und der Kolonialabteilung gegen Dr. Peters verteidigt. — Hieraus erhebt sich Dr. Peters und bemerkt: Herr Abgeordneter, Sie sind von der Emin-Pascha-Ex- pedition ausgegangcn und stellen mich als einen un gerechten, grausamen und rücksichtslosen Menschen hin. Sie haben das auch schon früher getan. Sie tun das aber immer, ohne auf die besonderen Ver hältnisse hinzuweisen, unter denen die Emin-Pascha- Erpedition tatsächlich vor sich ging. Sie sagen, ich hätte einen Häuptling niederschießen lassen, nur weil er nicht vom Wege gegangen sei. Sie vergessen aber ganz, daß wir uns jm Kriegszustände befanden, und daß der Häuptling zu unseren Feinden gehörte. Es wird hierauf der sogenannte Tuckerbrief ver lesen. Es heißt darin, Dr. Peters sei mit der Jagodja nach afrikanischem Recht verheiratet ge wesen, und er habe sie deshalb nach ihrem Ver kehr mit Mabruk als Ehebrecherin hängen lassen. — Bebel verliest weitere Stellen aus dem Buche des Dr. PeterS über die Emin-Pascha-Expedition, um angebliche weitere Grausamkeiten nach dessen eigenen Zugeständnissen zu konstatieren. Er ver fällt dabei in erregten, heftigen Ton und spricht in scharfer Form auf Dr. Peters, ein, so daß R.-A. Dr. Rosenthal nm den Schutz des Vorsitzenden bittet. Bebel habe kein Recht, hier eine anklagende Rede zu halten, er sei doch jetzt nicht Anklageredner im Reichstage, sondern Zeugs in einem Prozeß. — Zeuge Abg. Bebel: Wenn ich anderswo jemand die Wahrheit sage, so sage ich sie ihm auch ins Gesicht. — Dr. PeterS (erregt): Es wird immer wieder ver gessen, daß wir damals durch ein aufrührerisches Gebiet zogen. — R.-A. Dr. Rosenthal bedauert im Anschluß hieran, daß Bebel sich nicht die Mühe ge nommen habe, vor diesen Verhandlungen auch das Buch des Herrn v. Tiedemann zu lesen. — Bebel: Das ist ja noch schöner. Ich denke, wenn man das Buch des Dr. Peters selbst gelesen hat, braucht man nicht noch die Schriften seiner Verteidiger zu lesen. — Zeuge Dr. Paasche: Ich bin aus ehrlicher Über zeugung dem Begnadigungsgesuch für Dr. Peters beigetreten. Ich bin der ehrlichen Ansicht, daß Dr. Peters Großartiges für unsere Kolonien ge leistet hat. — R.-A. Dr. Rosenthal: Kennen Sie das Peterssche Buch über die Emin-Pascha-Expe- dition? — Zeuge Abg. Dr. Paasche: Ich habe es mit größtem Interesse gelesen und den Mann be wundert, der mit 24 Schwarzen eine Welt durch- guert hat. Ich bewundere den Mann, dem seine Leute so treu waren, daß unter den schwierigsten Verhältnissen nicht einer meuterte, sondern daß sie treu und ausdauernd zu ihm hielten. Ich sage mir was muß der Mann für einen Einfluß auf seine Leute gehabt, und wie gut muß er sie behandelt haben. ES ist ganz unmöglich, daß er die Grau samkeiten begangen hat, die man ihm zugeinutet hat. — Es wird dann der Polizeisekretär und frühere Lazarettgehilfe Otto Neuhaus-Altona vernommen. R.-A. Dr. Bernheim hält ihm vor, daß er im Jahre 1896 an eine bestimmte Person einen Brief geschrieben habe, wonach Dr. Peters ihm selbst erzählt habe, er hätte einen schwarzen Träger mit 250 Hieben zu Tode gepeitscht. — Vors.: Haben Sie die Wahrheit geschrieben? — Zeuge Neuhaus: Ja, es ist aber möglich, daß ich übertrieben habe. Dr. Peters hat nur so etwas erzählt von dem Totschlägen des einen Trägers. Ich glaube aber, ich habe damals etwas renommiert. Ich war da mals krank und hatte das Malariafieber. — — Bert. R.-A. Dr. Bernheim: Was weiß Herr Bebel von den Versuchen, Dr. Peters wieder in ein Amt zu bringen. Witterte man nicht Morgenluft, als Kolonialdirektor Dernburg ins Amt kam? — Dr. Peters: Es hat sich niemals um eine Wiederein stellung gehandelt, sondern um meine Rehabilitierung, und ich erhielt den Titel Reichskommiffar a. D. schließlich zurück. — Abg. Bebel: Ich habe nie von einer Wiederanstellung gehört, höchstens können es vage Gerüchte gewesen sein. — Abg. Dr. Arendt: Es bestanden niemals Bestrebungen, Dr. Peters wieder in ein Reichsamt zu bringen, es hat sich immer nur um Wiederherstellung seiner Ehre gehandelt und um den Kampf gegen ein Urteil, das wir nicht für richtig halten. In Frankreich wurde das Urteil gegen Dreyfus mit Hilfe der Sozialdemokratie aufgehoben. Auch das Urteil gegen -Dr. Peters ist politisch verfehlt, und Herr Bebel sollte mit dafür eintreten, daß volle Klarheit ge schaffen wird. — Abg. Bebel: Selbstverständlich. — Abg. Dr. Arendt: Ich habe mich niemals dabei von politischen oder Parteirücksichten leiten lassen, sondern nur immer das Bestreben gehabt, der Wahrheit zum Siege zu verhelfen. — Abg. Bebel: Ich denke nicht daran, die Sache parteipolitisch auszuschlachten. Sie wird im Reichstage genau geprüft werden, darauf können Sie sich verlassen. — Dr. Peters: Und ich hoffe, daß ich da auch Ge legenheit zu neuen Beweisanträgen haben werde, damit die Urteile umgestoßen werden. — Abg. Bebel: Wenn Dr. Arendt solche beantragt, so werde ich ihn durchaus unterstützen. Am Freitag wird zuerst das Zeugnis der Kolonial- schriftstellcrin Frida v. Bülow verlesen. Die Zeugin gibt an, daß sie Dr. Peters im Jahre 1885 kennen gelernt habe. Zwei Jahre später sei sie als Kranken pflegerin nach Afrika gegangen und dort. in Sansibar mit Dr. Peters wieder zusammengetroffen. Sie erklärt freimütig, daß sie eine gewisse Neigung zu ihm gefaßt und daß auch er sich für sie inter essiert habe, so daß beide hofften, sich heiraten zu können, was sich aber später nicht ausführen ließ. Sie gibt weiter an, daß Dr. Peters von den Ein geborenen hoch geschätzt wurde, und sie habe oft ge sehen, daß in den Hütten der Schwarzen sein Bild neben dem des Deutschen Kaisers hing. Sie weiß von Grausamkeiten oder gar sadistischen Neigungen des Dr. Peters nicht das geringste. Jm Gegenteil, er war sehr aufmerksam und konziliant gegen jeder mann, und auch im Verkehr mit den Eingeborenen hat er diesen die größte Hochachtung abgenötigt. — Hieraus wird das Zeugnis des früheren Gouver neurs von Ostasrika, jetzigen Kabinettschefs des Königs von Württemberg, Frhrn. v. Soden, ver lesen. Er gibt an, daß es in der Natur der Sache lag, wenn Dr. Peters am Kilimandscharo mit den Eingeborenen in Konflikt kam. Seine Stellung dort war sehr schwierig. Ein Mann ohne den Ehrgeiz und ohne die Tatkraft des Dr. Peters wäre gar nicht hingeganocn oder hätte befürchten müssen, totgeschlagcn zu werden, wenn er nicht die nötige Energie besaß und. auch anwendete. Die deutsche Oberhoheit dort war damals nichts weniger als gefestigt, die Verbindung zwischen dem Kilimandscharo-Gebiet und der Küste zeit weilig unterbrochen. Wahrscheinlich habe auch die englische Mission die Massai mit Waffen versehen.— Der gleichfalls kommissarisch vernommene Abg. von Kardorff gibt an, daß er stets die Strafen des Mabruk und der Jagodja für durchaus berechtigt gehalten habe. Die gleiche Ansicht teilte auch Major v. Wißmann. Die ersten beiden Verfahren gegen Dr. PeterS hätten mit Freisprechung geendet; als dann der Tuckerbrief erschien, wurde das Verfahren wieder ausgenommen und auch weitergeführt, als man die Fälschung des Briefes schon erkannt hatte. — Dr. Peters erklärt, daß er nunmehr die beiden Disziplinarurteile vorlegen wolle. Es heißt in dem ersten, daß Dr. Peters des Dienstvergehens schul dig und deshalb mit Entlassung zu bestrafen sei. Es wird dann das zweite Urteil verlesen. Das Gericht hat das Urteil der ersten Instanz bestätigt und ebenfalls auf Dienstentlassung und Tragung der Kosten erkannt. Gegen das Urteil der ersten Instanz war eingewendet worden, daß die Regie rung die Anklagepunkte kannte und trotzdem die Untersuchung nicht nur nicht einleitete, sondern den Angeschuldigten noch beförderte. Der Gerichtshof gibt dies als möglich zu, es kann aber für den Gerichtshof vollständig gleichgültig sein, ob dis Negierung früher die Sachlage anders beurteilt hat. Der Gerichtshof habe lediglich das vorliegende Material zu prüfen. Die Ladung der vorge schlagenen Zeugen werde als unerheblich abgelehnt. — Als erster Sachverständiger spricht der frühere Gouverneur von Ostafrika, Generalleutnant a. D. v. Liebert: Kurz vor der Expedition des Dr. Peters war die Zilewski-Expedition in einer schweren Katastrophe untergegängen, nur ein kleiner Rest konnte sich nach der Küste retten. ES ist mir unbe greiflich, wie die Berliner Richter sagen konnten, daß das Kilimandscharo-Gebiet damals ein ruhiges Gebiet gewesen sei. Wißmann hat dort jahrelang gekämpft. Von Bülow und Wolfgang waren dort gefallen. Jm Jahre 1900 drohte ein neuer Auf stand. Er wurde nur unterdrückt, weil Major Johannes an einem Tage 19 aufsässige Häuptlings hängen ließ. 1891, als Dr. Peters hinkam, war das Gebiet in Hellem Aufruhr. Doktor Peters mußte versuchen, diesen zu unterdrücken. Man darf die dortigen politischen Verhältnisse nicht mit unsern juristischen Erwägungen aus der Linden straße in Berlin verquicken. Sachverständiger Freiherr v. Pechmann: Alle dem, was Generalleutnant v. Liebert eben gesprochen hat, kann ich nur voll kommen beistimmen. Ich habe auch kein Wort hin zuzufügen. Sachverst. Eugen Wolff: Ich habe 1892 dieselben Gebiete bereist, die Dr. Peters bei der Emin-Pascha-Expcdition ebenfalls durchquert hat. Ich habe nicht einen Schuß abzugeben brauchen. Alles war recht schön und friedlich. Dr. Peters hat für seine Popularität immer gesorgt. Er hat sich gern an große Herren wie den Großherzog von Weimar herangemacht. Er war sehr ehrgeizig und wollte mehr werden als nur Reichskommissar. Er wollte Gouverneur werden. Dr. Peters war in Sansibar nicht angesehen, weil er mit Schuhen in die Moscheen ging und auch seinen Hund dahin mitnahm. Auch hat er die mohamme danische Frauenwelt nicht genügend respektiert. — Oberstabsarzt Dr. Becker erklärt: Er gehöre zur „Peters-Partei". Tas werde ihn aber nicht hindern, sich objektiv zu äußern. Er bekundet, daß Wißmann im Jahre 1891 am Kilimandscharo einen schweren Kampf hatte, also wenige Monate vor der Ankunst des Dr. PeterS. Mau kann daher nicht annchmen, daß kurze Zeit nachher schon wieder alles ruhig ge wesen sein soll. Man kann auch kaum glauben, das; die freien Sultane ohne weiteres sich ihm gefügt hätten. Zweifellos hat ihnen die neue Herrschaft nicht gepaßt. — Dr. Friedl-Martin erklärt, daß Frhr. v. Pechmann und Jahnke nach seiner Ansicht Privatbeamte waren. Er müsse daher ihrs Mit wirkung beim Kriegsgericht als eine Farce bezeichnen. Auch war Dr. Peters nicht allein dem Kaiser und dem Reichskanzler verantwortlich, sondern er stand auch zur Verfügung des Gouverneurs v. Soden. Todesurteile konnte er wohl im Kriege fällen, mußte sie aber immerhin dem Gouverneur später melden. Hierauf wird der Vorsitzende der katholischen afri kanischen Mission Pater Acker vernommen. Er be kundet: Dr. Peters hat den Ruhm, Ostafrika dem Vaterlands gewonnen zu haben. Er ist unter schwierigen Verhältnissen ins Innere gelangt und hat die deutsche Flagge gehißt. Aber ich muß sagen: Ich habe früher immer behanptet, die Sache Peters sei ansgebauscht. Leider muß ich sagen, daß nach der heutigen Verhandlung ich die Angelegenheit nicht fo günstig ansehe, wie früher. Der englische Bischof Smittv kann keine Legenden berichtet haben. Dis Schwarzen haben nicht nur Fehler, sondern auch gute Seiten. Blau hat nur Strenge walten lassen nnd die Gerechtigkeit und Güte vergessen. An den Ausständen in Afrika sind meist die Europäer schuld, weil sic zu strenge sind. — Wegen des Pcter- und Paullagcs fällt am 29. dis Sitzung aus. K Auf SMolZ Sernburg. 1) Roman von C. Wil d.*) 1. Schloß Bernburg war ein stolzer, imposanter Bau, mit seinen hohen Bogenfenstern und spitzen Türmchen an eine längst vergangene Zeit er innernd. An den altersgrauen Wänden kletterte üpoiger Efeu empor, dessen immergrüne Ranken sich bis hinauf zu den Fenstem spannten und dem etwas düsteren Gebäude einen freundlicheren Anblick verliehen. Eine breite steinerne Freitreppe führte aus dem blumengeschmückten Vorhof in das Schloß. Auch hier in den hohen, geräumigen Gemächern war man dem Stile der guten alten Zeit treu geblieben, überall kostbare Stoffe, reich ge schnitzte Möbel, eine gediegene, aber finstere Pracht, denn alle Farben waren in dunklen Tönen gehalten, jede lichtere Nuance schien sorgfältig vermieden zu sein, gleichsam, um all' diesen altertümlichen Formen und Mustern nichts von ihrer Originalität zu rauben. Ein geheimnisvoller Zauber schien dieses alte Schloß in seiner grünen Einsamkeit zu umspinnen; kein reges Leben und Treiben, keine fröhlichen Stimmen, kein froher Sang, alles war öde und wie ausgestorben. Selbst die Sonnenstrahlen, die ihre goldigen Reflexe auf dem dunkelgebohnten Parkettboden fpielen ließen, schienen matter und weniger glänzend zu sein, beleuchteten sie doch nur eine einsame Pracht, denn kein menschliches Wesen, P Unberechtigter Nachdruck wird verfolgt. nichts regte sich in den mit so viel Geschmack und Reichtum ausgestatteten Gemächern. Da kam es flüchtig und leise über eine Seitentreppe herabgehuscht. Eilt Mädchen war es auf der Grenzscheide zwischen Kind und Jungfrau; die kleine, zierliche Figur zeigte weiche, aber noch unentwickelte Formen, aus dem runden, leicht gebräunten Gesichtchen lachten zwei hübsche Rehaugen lustig in die Welt; alles an diesem Geschöpfe atmete Frohsinn und Sorg losigkeit. Mit vorsichtigen Schritten kam sie daher, Neugier, Staunen nnd Bewunderung in den kindlichen Zügen. „Wie schön, wie herrlich und doch wie un heimlich," flüsterten die vollen, kirschroten Lippen leise vor sich hin. „Ein wahres Zauberschloß Dornröschens — und ein ganzes Jahr lang soll ich inmitten all' dieser geheimnisvollen Herrlichkeit existieren! Ich komme mir bald selbst wie eine Märchenprinzessin vor." Sie hielt inne und blickte etwas scheu um sich. „Es ist wohl nicht ganz in der Ordnung, daß ich ohne Erlaubnis mich hereingewagt, dieser Schloßflügel soll nur für den Baron allein reserviert sein," fuhr sie in ihrem Selbstgespräche fort. „Die andern Menschen kinder seiner Umgebung müssen in modern eingerichteten Zimmern wohnen und durch modern gebaute Türen aus und ein gehen, ein wahrer Tyrann, dieser Baron! Und ich hatte ihn mir stets als einen echten Helden vorgestellt! Freilich, wenn man meinen Bruder reden hört —" sie unterbrach sich — „um Himmels Willen, es kommt jemand!" Ohne sich lange zu besinnen, öffnete sie so geräuschlos als möglich die erste beste Tür und schlüpfte in das Gemach. Ängstlich horchend blieb sie unbeweglich stehen. Ja, sie hatte sich nicht getäuscht, Männerschritte näherten sich und jetzt hörte sie auch das klangvolle Organ des Barons: „Hierher, mein lieber Benno, hier sind wir ungestört und vor Lauschern sicher." In wahrer Todesangst blickte das Mädchen um sich; um keinen Preis der Welt hätte sie hier ertappt werden mögen. Gertrud Halden war eine resolute Natur; im nächsten Moment schon hatte sie ein sicheres Versteck gefunden. Als die beiden Herren ein traten, war das Gemach leer und Fräulein Gertrud kauerte, zwar in etwas unbequemer Stellung, aber wohl verborgen, hinter einem der langen, dunklen Vorhänge, die das einzige Fenster des Gemaches verhüllten. „Nimm Platz, Benno," sagte der Baron, „ich habe viel mit dir zu sprechen, du bist der einzige Mensch, dem ich mich ohne Rückhalt anvettrauen mag; ich habe viel gelitten, mein teurer Freund!" „Deine Briefe sagten mir schon, daß du dich unglücklich fühlst, versetzte Benno Halden, „du darfst dich deinem Kummer nicht zu sehr hingeben, Valentin." Ein schmerzlicher Seufzer war die Erwide rung des Barons. „Du ahnst wohl kaum die Größe meines Unglücks," begann er nach einer Pause, „ich bin ein finsterer, menschenscheuer Mann ge worden, der es nicht mehr wagt, einem ehr lichen Menschen offen ins Auge zu sehen — o, Benno, wenn mir noch vor einem Jahre jemand das vorher gesagt hätte, ich würde ihn einen Narren, einen Wahnsinnigen gescholten haben! Und nun, wie elend, wie grenzenlos elend bin ich geworden! Ich bin der Gatte einer Diebin —" „Valentin!" rief Halden, entsetzt auffahrend. „Du zweifelst an meinen Worten, ach, Freund, dieselben sind leider nur zur wahr! Estrella kann nichts Wertvolles und Glänzendes sehen, ohne es, ist sie unbeobachtet, sich anzu eignen. Diese Leidenschaft mag krankhaft sein, ein trauriges Erbteil ihrer Mutter, wie ich leider zu spät von ihrem Vater erfuhr, aber man hat mir das verheimlicht, und als ich selbst die unselige Entdeckung machte, da war Estrella schon seit Wochen meine Gattin. Sie kennt ihre Sucht, sich Fremdes anzueignen, auch recht gut, allein sie kann und mag sie gar nicht bekämpfen, und das ist das schlimmste. „Armer, armer unglücklicher Freund!" „Ja, du hast recht, mich so zu nennen, denn ich bin es doppelt — das Wesen, das ich unaussprechlich liebte, hat mich in jeder HinM schmählich getäuscht und hintergangen. Estrella wurde meine Gattin, nicht weil sie mich lieble, sondern weil sie hoffte, als meine Gattin in die Gesellschaft eingeführt zu werden, und da dies mm aus begreiflichen Gründen nicht geschieh, haßt sie mich, bettachtet sie mich als ihren Kerkermeister, und in einem gewissen Sinne bin ich es auch geworden, denn wie könnte ich es wagen, sie unter fremde Leute zu bringen! Bei der ersten besten Gelegenheit würde sie ßw vergessen und den Namen ihres Gatten
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