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Ottendorfer Zeitung : 09.01.1907
- Erscheinungsdatum
- 1907-01-09
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1811457398-190701095
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1811457398-19070109
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1811457398-19070109
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Ottendorfer Zeitung
-
Jahr
1907
-
Monat
1907-01
- Tag 1907-01-09
-
Monat
1907-01
-
Jahr
1907
- Titel
- Ottendorfer Zeitung : 09.01.1907
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Steuerhinterziehung. Wegen wissentlich falscher Steuererklärung wurde eine Anzahl Personen^ in Solingen mit hohen Geldstrafen belegt, emer mit hinterzogenen Beträgen von 15 000 Mk. Eine furchtbare Azetylengas-Explosion hat sich im Hotel Bellevue im Ostseebad Göhren ereignet. Wahrscheinlich war die Leitung während der vergangenen kalten Tage einge froren und das sich entwickelnde Gas konnte nicht entweichen. Mit einem furchtbaren Knall, der das ganze Hotel erzittern machte, flog die Anlage, die sich in einem Anbau befand, in die Luft. Sämtliche Fenster wurden samt den Kreuzen herausgerissen, die Türen zertrümmert und die Wand des anstoßenden Konzertsaalcs eingedrückt. Das Dach des Anlageraumes wurde mehrere hundert Meter fortgeschleudert. Der Luftdruck ließ die Fensterscheiben selbst noch in etwa 600 Meter von der Anfallstelle entfernten Gebäuden zerspringen. Tod während der Vorstellung. An einer Aufführung der Räuber im Stadttheater zu Gießen wirkte der Schauspieler Max Herrscher als Franz Moor mit, obschon er stark an In fluenza litt. Es war ihm aber nicht mög lich, seine Rolle zu Ende zu spielen. Der letzte Akt konnte nicht aufgeführt werden, und nach kurzer Zeit war der erst zwanzigjährige, sehr begabte Schauspieler tot. Schrecklicher Unfall. Auf der Zeche Ludwig bei Recklinghausen wurde Bergmann Kutzke beim Auffahren des Förderkorbes mitten durchgeschnitten. Er war sofort tot. Einen schlimmen Ansgang nahm in der Silvesternacht in Mannheim eine harmlose Schneeballschlacht, die sich zwischen einer Anzahl jugendlicher Arbeiter entspannen hatte. Aus dem Schneeballwerfen kam man ins Raufen, und der 18 Jahre alte Eisendreher Nikolaus Weismüller schlug den 17 Jahre alten Schreiner Aloys Trunk mit einem blind geladenen Terzerol auf den Kopf. Dabei schnappte der Hahn zu, und die Waffe entlud sich mit gräß lichem Erfolg. Die Hirnschale Trunks wurde auseinander gerissen, und der junge Mann war auf der Stelle tot. Der Täter ist verhaftet. In den Schacht gestürzt. Auf dem Friedensschachte zu Olnitz stürzten die Berg leute Borrmann und Meyer mit dem Brems gestell 28 Meter tief in den Bremsschacht hinab. Beide waren sofort tot. Sie haben die Sicher heitsvorrichtungen nicht beachtet. Niederträchtige Rache. In Wittkowitz hat ein Postgehilfe, der wegen Nachlässigkeit im Dienste von seinem Vorgesetzten Postmeister Nitschmann angezeigt und diszipliniert worden war, sich an diesem in niederträchtiger Weise gerächt. Da er die Kraft des Mannes fürchtete, veranlaßte er durch eine falsche Meldung dessen Entfernung und erschlug dann in seiner Ab wesenheit die junge Frau des Postmeisters mit dem Hammer. In einem Streit «m 2V Pfennig er schlug der Gelegenheitsarbeiter Goldbaum in Elbing den Matrosen Carau mit einem 4-Pfund- Gewicht. Der Tod trat nach Zertrümmerung der Schädeldecke sofort ein. Der Mörder wurde verhaftet. Gefährlicher Übermut. In Frankenthal feuerte der 19 jährige Fabrikarbeiter Wand aus Übermut aus einem mit Papierpfropfen ge ladenen Gewehr einen Schuß auf den gleich altrigen Maschiuenführer Kißel ab. Am Unter leib schwer verletzt, brach dieser zusammen. Sein Zustand ist hoffnungslos. Auf sonderbare Weise verunglückt. Im nicberbayrischcn Orte Markelkofen ging ein Privatmann auf die Entenjagd und brach auf einem nur leicht zugefrorenen Teiche ein. Beim Bersuch, sich herauszuarbeiten, ging das Gewehr des Jägers los, und der Schuß ging dem Unglücklichen durch den Kopf, so daß er tot ins Wasser zurücksank. Künstlerschtcksal. Die frühere Hofopern- iängerin Anna Hauser, die 1879 bis 1899 an der Wiener Hofoper engagiert war, hat dort aus Furcht vor Erblindung Selbstmord verübt. Verhaftete Schmuggler. Bei Neutral- Moresnet wurde eine Anzahl Personen von den belgischen Behörden verhaftet, die mit Alkohol gefüllte Gummibehälter um den Leib trugen, um Alkohol nach Belgien zu schmuggeln. Von der Spielhölle in Vaals. Das Spiel in Vaals wird toller getrieben als je zuvor. Wenn man den Versicherungen Ein geweihter glauben darf, werden jeden Abend Vermögen verloren und gewonnen. Die Haupt triebfeder im Derbyklub ist der ungarische Graf Stary; dieser ist zwar aus Holland aus gewiesen, wohnt aber in Aachen. Da ihm aber der Aufenthalt in Holland vorübergehend (weniger als 24 Stunden) gestattet ist, umgeht er das Verbot, indem er in geschlossenem Wagen abends nach Vaals fährt und nachts nach Aachen zurückkehrt. Die Vaalser Orts behörde denkt über das Spiel jetzt milder wie vor einigen Wochen. Angeblich gehören der Unterbürgermeister als Präsident, der Bürger meister als Mitglied der ebenfalls das Spiel betreibenden „Vereeniging" an. Nach deutschem Muster. Die Einsetzung von Pariser Wächtern nach dem Muster der deutschen Nachtwächter wird in Paris probe weise erfolgen, und zwar zunächst als Privat unternehmen. Der Polizei-Präfekt Lepine behielt sich die Genehmigung dazu vor und will in Deutschland ergänzende Studien machen. Verhaftung einer Verbrecherbande. Die ungarische Gendarmerie verhaftete nach hartem Kampfe eine aus dreißig Zigeunern bestehende Räuberbande, die in der Gegend von Szatmar zahlreiche Verbrechen verübt hat. Eine Menge geraubter und gestohlener Gegenstände wurde den Räubern abgenommen. Großer Brand in einem englischen Arsenal. In Portsmouth brach in ver schiedenen Vorratsmagazinen in der Nähe des Arsenals Feuer aus, das, durch heftigen Wind angefacht, sehr bald bedrohliche Ausdehnung an nahm. Nachdem die Truppen herbeigerufen und von den im Hafen befindlichen Schiffen Feuer löschabteilungen mit Spritzen auf dem Brand platz erschienen waren, gelang es gegen 3 Uhr morgens, des Feuers Herr zu werden. Von den in den Magazinen lagernden Ausrüstungs gegenständen eines Armeekorps sind Sachen im Werte von vielen tausend Pfund vernichtet worden. Raubmord an einem Eremiten. Etwa 2 Kilometer von der Stadt Freiburg (Schweiz) entfernt liegt an waldigem Felshang die kleine Ein siedelei Madelaine. Sie wurde seit langen Jahren von einem frommen Eremiten Pater Guardian bewohnt. Da er seit Tagen nicht mehr gesehen worden war, wurden Nachforschungen angestellt. Man fand den Einsiedler tot mit von Axthieben zerschmettertem Schädel und tief im Blute liegend im Küchenraum der Ein siedelei. Die kleine Eremitage war vollständig ausgeplündert. Auf offener See in Brand geraten ist der Dampfer „Lindholmen". Wie Meldungen aus Farsund (Norwegen) besagen, entstand das Feuer im Schiffssalon. Da es sich als unmög lich erwies, den Brand zu löschen, steuerte man auf Lister zu, wo das Schiff auf Grund gesetzt wurde. Weder das Schiff noch die Ladung waren zu retten. Ein Kellner und zwei Passa giere sind verbrannt. Auch die gesamte Post ist verloren. Kohlengasvergiftung. Der Bäckermeister Ogmanobitsch in Belgrad, dessen fünfjähriger Sohn sowie zwei Gesellen wurden morgens in der Backstube tot aufgefunden. Das Unglück ist auf mangelhafte Beschaffenheit des Backofens zurückzuführen. Gerickrskatte. Aschaffenburg. Der 20 jährige Erdarbeiter Adam Schaub aus Gräfendorf, der im Oktober un berechtigterweise eine preußische Schaffneruniform trug, damit an mehreren Tagen hier spazieren ging und Schwindeleien ausführte, dann am 21. Oktober in derselben Uniform nach Frankfurt und zurück fuhr, bei dieser Gelegenheit die Fahrkarten kon trollierte und den Passagieren beim Ein- und Aus- steigen half, ferner auf Befragen erklärte, daß er sich im Schaffnerdicnst ausbilde, wurde von der Strafkammer zu 3 Monat 8 Tage Gefängnis ver urteilt. Dortmund. Die hiesige .Arbeiterzeitung' hatte dem Vorsitzenden des Gewerbegerichts Oberhausen Parteilichkeit zugunsten der Arbeitgeber vorge worfen. Der Redakteur Franke von der.Arbeiter zeitung' wurde dieserhalb mit vier Wochen Gefängnis bestraft. Vie großen Toten -es Iahres M6. Fürstlichkeiten. Prinz Karl von Baden, Stifter der gräflich Rhenaschen Familie, 3. Dezember in Karlsruhe. Napoleon, Herzog von Bassano, Obersthof meister der Kaiserin Eugenie, der Letzte seines Geschlechts, 8. Mai in Paris. König Christian IX. von Dänemark, 29. Ja nuar. Prinzessin Wilhelmine von Hohenzollern 9. September in Forlo. ' Herzogin Wilhelm zu Mecklenburg, Schwester des ff Prinz-Regenten Albrecht von Braunschweig, 25. März im Schloß Marly. Prinz Eugen Murat, verunglückte mit dem Automobil 26. Juli bei Mitterteich. Herzog Konstantin von Oldenburg, russischer General, 19. März in Nizza. Erzherzog Otto von Österreich, 1. November in Wien. Albrecht Prinz von Preußen, Regent des Herzogtums Braunschweig, 13. September in Kamenz. Prinzessin Friedrich Karl von Preußen, 12. Mai in Friedrichroda. Prinz Heinrich Vik., Neuß j. L., General der Kavallerie und Diplomat, 2. Mai in Trebschen. Prinzessin Mathilde von Sachsen - Koburg und Gotha, 6. August in Davos. Wilhelm, Prinz zu Schaumburg - Lippe, 4. April in Nachod. Luise, Prinzessin zu Schaumburg-Lippe, Schwiegertochter des vorigen, 4. April in Nachod. Prinz Leopold von Schwarzburg-Sonders hausen, Bruder des regierenden Fürsten, 20. April in Berlin. Diplomaten, hoher Adel, Hof ch argen usw. Graf Karl v. Behr, parlamentarisch im Reichstag wie im preußischen Parlament tätig gewesen, 10. Juni auf Behrenhoff. Graf Heinrich Coudenhove, Diplomat und Kenner asiatischerVerhältnisse, l4.MaiaufStockau. Herzog!, braunschweigischer Hofmarschall Graf Alexander v. Keller, 6. Juli auf Schloß Stedten. Fürst Paul Metternich-Winneburg, zweiter Sohn des berühmten Metternich, Diplomat, 6. Februar in Wien. Kammerherr Arthur Frhr. v. Pittritz und Gaffron, 25. Januar in Breslau. Sergius Fürst Radziwill, 26. Februar in Wien. Graf George v. Schlieben-Sanditten, Schloß hauptmann von Königsberg, 25. Februar in Berlin. Bernhard Graf v. Schwerin, Herrenhaus mitglied, 18. Februar auf Ducherow. Mini st er und Staatswürdenträger. Herzog v. Almodovar, spanischer Minister des Äußern, 23. Juni in Madrid. Der preußische Minister der öffentlichen Arbeiten Hermann v. Budde, Vertreter des Mittellandkanals, 28. April in Berlin. Langjähriger österreichisch-ungarischer Reichs kriegsminister Frhr. Edmund v. Krieghammer, 21. August in Ischl. Deutscher Gesandter in Caracas (Venezuela) Alfred Pelldram, 22. Februar in Berlin. Elsaß-Lothringischer Staatssekretär a. D., Max v. Puttkamer, 5. März in Baden-Baden. Staatssekretär des Äußern Dr. Oswald Frhr. v. Richthofen, rechte Hand des deutschen Reichskanzlers, unermüdlicher Arbeiter, 17. Januar, an den Folgen eines Schlaganfalles nach geistiger Überanstrengung. Der langjährige bayrische Finanzminister Frhr. Emil v. Riedel, 13. August in München. Hessischer Staatsminister Dr. Karl Rothe, besonders verdienstvoll auf dem Gebiet der wirt schaftlichen und sozialen Gesetzgebung, 29. Januar in Darmstadt. Unterstaatssekretär Dr. v. Schraut, Urheber der elsaß-lothringischen Steuerreform, 8. Januar in Straßburg i. Els. Staatsminister Karl v. Thielen, preußischer Minister der öffentlichen Arbeiten a. D., Be gründer des glänzenden Aufschwunges des preuß. Eisenbahnwesens, Vater des preuß. Wasser straßennetzes, 11. Januar in Berlin. Staatsbeamte. Direktor der Münze in Berlin Karl Conrad, 16. April in Berlin. Wirk!. Geh. Oberregierungsrat Otto Gaebel, Präsident des Reichsversicherungsamtes, 2. Juli in Berlin. Geh. Negierungsrat Oskar Knack, Bureau direktor des Reichstages, 17. März in Berlin. Der Oberbürgermeister von Essen, Erich Zweigert, 27. Mai in Essen. Militärs. Österreichisch-ungarischer Feldmarschalleutnant Eduard Ritter v. Bergler, Spezialist sür Artill. Wissenschaft, 25. September in Mödlingen. General Blanco, der letzte spanische General gouverneur auf Cuba, 4. April in Madrid. Kontreadmiral a. D. Konrad Diedert, Kom mandant der alten „Hansa", 18. September in in Oldenburg. Qsterr.-ungar. Feldzeugmeister Ludwig Fa- bini, 9. September in Jglau. General der Kav. Max von Hagenow, zu letzt Gouverneur von Metz, bekannt durch seinen Depeschenritt vor Orleans 1870, 14. Februar in Metz. Hauptmann Wilhelm von Hannecken, lang jähriger Inspekteur der chinesischen Armee, 14. April in Berlin. Vicomte Kodama, Generalstabschef der japanischen Armee, 23. Juli in Tokio. Generalmajor z. D. Jakob Meckel, der Reorganisator der japanischen Armee, 6. Juli in Gr.-Lichterfelde. Französischer Generalissimus General Felix Saussier, bekannt durch seine Flucht aus der deutschen Kriegsgefangenschaft, Anfang Januar in Paris. Nordamerikanischer Generalleutnant und langjähriger Höchstkommandierender der ameri kanischen Armee Shofield, 5. März in New Jork. Der Direktor von Petersburg, General Dimitrij Trepow, 15. September in Peterhof. Russischer Vizeadmiral Tschuknin, Komman dant der russischen Schwarzmeer-Flotte, ermordet 12. Juli in Sebastopol. Parlamentarier. Reichstags- und Landtags-Abgeordneter I. A. Breuer, Zentrumsmann, 1. Dezember in Großmönchsdorff. Sozialdemokratischer Reichstags-Abgeordneter August Dreesbach, 25. November in Berlin. Nationalliberaler Abgeordneter Ernst von Eynern, 2. November in Barmen. Reichstags-Abgeordneter Jens Jessen, (Däne) 22. Juli m Kopenhagen. Chefredakteur der ,Kreuzzeitung', früheres Mitglied des Reichstages und Landtages Prof. Dr. H. Kropattchek, 29. Juni in Berlin. Rechtsanwalt Julius Lenzmann, bedeutendes Mitglied der freisinnigen Volkspartei, 21. März in Berlin. Graf Ludwig Reventlow, Mitglied des Reichstages sür Rinteln, deutschsozial, Führer der wirtschaftlichen Vereinigung, 22. Mai in Wiesbaden. Eugen Richter, Begründer und Führer der freisinnigen Volkspartei, schlagfertiger Redner, Mitglied des Reichstages und preußischen Ab geordnetenhauses, 10. März in Berlin. Geh. Reg.-Rat Karl Sattler, nationalliberaler Abgeordneter und Parteiführer, 13. Juli. Karl Schurz, bekannter Deutsch-Amerikaner, mehrmals amerikanischer Staatssekretär und Botschafter in Berlin, 14. Mai in New Jork. buntes Allerlei. ob. Zweifelhaftes Kompliment. Wirtin: „Fräulein Robinson hat für diesen Tanz keinen Tänzer. Wörden Sie anstatt mit mir mit ihr tanzen?" — Gast: „Aber gewiß, gnädige Frau, ich bin über den Tausch erfreut------ er, „bestanden, gut bestanden! Siehst du, jetzt uehe ich an der Schwelle meiner ersehnten Laufbahn und will nun ein tüchtiger Baumeister werden. Freust du dich nicht mit mir?" Und der jubelnde Klang seiner tiefen Stimme, das Helle, hoffnungsfrohe Leuchten seiner dunklen Äugen blieb ihr allzeit unvergeßlich. Sie nickte ihm mit strahlendem Lächeln zu: „Ich wußte es im voraus, daß du das Examen vorzüglich bestehen würdest," erwiderte sie stolz und freudig, „und gratuliere dir aufrichtig zu deinem Grfolg. Aber daß du uns nun so bald hier verlaffen willst, bedaure ich wahrlich von Herzen." Sie hatte ihre Hände bisher fast ängstlich auf dem Rücken verschlungen gehalten, als ob sie dort etwas verbergen wolle; nun reichte sie ihm mit lieblichem Erröten eine kleine Brief tasche dar, auf der sein Namenszug, von einem Kranz Vergißmeinnicht umgeben, in goldfarbigem Leder eingestickt war. ,^Sieh, dies kleine An denken habe ich für dich gearbeitet," sagte sie schüchtern, „es soll dich überall in der Ferne begleiten!" In strahlendem Entzücken ruhten seine Augen auf der zierlichen Gabe, aber als er mit einigen Worten danken wollte, wies sie nur schelmisch auf die gestickten blauen Blümchen hin. „Vergiß mein nicht", Herr Student, das ists der beste Dank," rief sie lächelnd und lief, ihm s voran, ins Haus zurück, den Ellern Georgs! glücklich bestandenes Examen zu verkünden. Wenige Tage daraus reiste Georg nach ! München, um an der dortigen Universität! zunächst Kunstgeschichte Zu studieren, was Eli- j sabeth mit großem Stolze ihren Freundinnen erzählte. Sie vermißte ihn zuerst recht sehr und fand es still und langweilig daheim ohne ihren treuen Gefährten, zu dessen Eltern sie oft mals gegen Abend hinüberschlüpfte, um in ihrem gemütlichen Ladenstübchen mit ihnen von Georg zu plaudern. Dann mußte sich ihr Prinzeßchen auf das harte stsiflehnige Sofa setzen: der alte Seeström rückte sich bedächtig die große Horn brille zurecht, um ihr mit vergnügtem Schmun zeln Georgs ausführliche Berichte über seine Studien und Erlebnisse vorzulesen, und seine gute Mutter, den Stcickstrumpf >n den stets fleißigen HäniM, hörte mit glückstrahlendem Gesichte zu. Jeden ersten Sonntag im Monat erhielt auch Elisabeth von Georg einen Brief, den sie ebenso regelmäßig beantwortete. Er schrieb ihr in seiner ruhigen, rein sachlichen Weise, die ihrem kindlichen Verständnis oft überlegen war, welche Begeisterung sür seinen künftigen Beruf ihn erfüllte, dessen Studium seine Zeit und Gedanken fast ausschließlich in Anspruch nähme. Es fteute sie von Herzen, daß seine Nachrichten so zufriedenstellend lauteten, doch fühlte sie sich im stillen ein wenig gekränkt, anscheinend so wenig von ihm vermißt zu werden. Sie mußte ihren Freundinnen auf ihre scherzenden Fragen über seine Sehnsucht nach ihr gestehen, daß er niemals ein Wörtchen davon geichrieben habe, und in mädchenhastem Slolz versuchte sie, dem wohlmeinenden Rat, nun auch nicht mehr beständig des fernen Freunoes zu gedenken, fortan Folge zu leisten. wo hatte sie sich im Lauf der Jahre -all mählich an Georgs Abwesenheit gewöhnt, wenn sie sich auch des Wiedersehens mit ihm während seiner Ferien, die er meist daheim verlebte, stets von Herzen erfreute. Sie konnte sich zwar nicht verhehlen, daß er ihrem jugendlichen Frohsinn gegenüber doch gar zu ernst und verständig ge worden sei, und seine fast ängstliche Zurück haltung und Schüchternheit bei ihrem jetzt seltenen Zusammensein die unbefangene Herzlich keit ihrer Kinderfreundschaft doch etwas beein trächtigte. Er hatte sein Studium auf der Hoch schule in Berlin vollendet und war in Spandau als Freiwilliger in ein Garderegiment ein getreten. Zum Osterfeste, an dem Elisabeths Ein segnung stattfinden sollte, kam er zum erstenmal auf Urlaub nach Hause. Er gedachte sie zu überraschen, aber schon auf dem Heimweg vom Bahnhof, wo ihn sein Vater abgeholt, begegneten ihr beide unvermutet wenige Schritte vor dem Seeströmschen Laden. Sie blickte mit unverhohlen freudigem Er staunen zu seiner hohen Gestalt, der der tadel lose Uniformrock ganz vorzüglich kleidete, fast bewundernd empor, während ein dunkles Rot sein gebräuntes Antlitz überflog. „Gelt, Prinzeßchen, das ist eine gelungene Überraschung," sagte der Vater schmunzelnd, „wenn sie auch halt einen Tag zu früh cinge- irofsen ist. Doch dafür haben wir auch die Freude, unser Prinzeßchen schon heut hier zu sehen, das wahrlich unsern langen Jungen ganz verwundert betrachtet. Ja, ja, das nölige Gardemaß hat er hall erreiaü, und dir zu Ehren ist er auch in das „Elijabeih"-Regiment eingelrelen," juhr Herr Seeström neckend fort und wies nicht ohne Stolz auf den gestickten Namenszug in Georgs Achselklappen. Sie hob sich neugierig auf die Fußspitzen und las lachend den Anfangsbuch staben ihres Namens von seiner Schulter. „Wie hübsch und stattlich siehst du aus, Georg," sagte sie herzlich, „und wie freue ich mich, daß du nun morgen meiner Kommunion hier beiwohnen kannst. Siehst du, jetzt ist deine kleine Freundin auch bald „ein erwachsenes Mädchen" geworden, das sich fortan sehr ver ständig benehmen muß," fügte sie mit komischem Seufzer hinzu. Sie blickte ihn verwundert an, als er mit steifer Verbeugung die Hacken zu- iammenjchlug und die Hand grüßend an die Mütze legte. „Nun mußt du noch „zu Befehl, gnädiges Fräulein", sagen," lachte sie schelmisch, und indem sie sich tief und feierlich vor ihm ver beugte, fügte sie voll neckendem Übermut hinzu: „Willkommen daheim, Herr Vaterlandsoerlei diger !" „Willkommen, Prinzeßchen," sagte er herz lich, „heute, an deinem letzten Kmdheitstage, nicht wahr, gestaltest du mir noch diese Anreoe. Doch jetzt laß mich die Mutter begrüßen, die mich gewiß längst mit Sehnsucht erwartet, aber morgen, in der Frühe schon, komm' ich zu euch herüber, dir Glück und Segen zu dem festlichen Tage zu wünschen." Er legte wieder grüßend die Hand an die Mütze und eilte mit schnellen Schrillen seiner Ärmer entgegen, deren kleine, zarte Gestalt er vor der Lür ihres Ladens innig ans Herz drückte. ÄL 2 (Fortsetzung :ogt.)
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