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Die „Vttendorser Zeitung' erscheint Dienstag, Donners tag und Sonnabend abends. Bezugspreis^ vierteljährlich I Mark. Durch die Post bezogen ,,20 Mark. Lokalzeitung für die Ortschaften Ottendorf-Okrilla mit Moritzdorf und Umgegend. Mit wöchentlich erscheinender Sonntagsbeilage „Illustriertes Unterhaltungsblatt", sowie der abwechselnd erscheinenden Beilagen „Handel und Wandel", „Feld und Garten", „Spiel und Sport" und „Deutsche Mode". Aanahm« von Inserat« bi, vormittag i, Uhr.s Inserate werden mit w p fiir di« Spaltzitl« berechn« rabellarischersSatz nach besonderem Tarif Druck und Verlag von Hermann Rühl« in Groß-Gkrilla. Für die Redaktion verantwortlich Hermann Rühl« in Groß-Dkrilla No. 11. Freitag, den 25. Jann ar 1907. 6. Jahrgang. Oertliches und Sächsisches. Dttendors-Vkrilla, den 2^. Januar O Die Nalionallibcralen des 4. sächsischen Reichstagswohlen haben, wie von uns bereits mitgeteilt wurde sich in letzter Stunde süi die Unterstützung der Kandidatur Dr. Barge erklärt und von der ursprünglich in Aussicht genommenen offiziellen Förderung der Kandidatur Wetzlich abgesehen. Der Wahlausschuß für die Kandidatur Wetzlich schreibt uns hierzu: Der überraschende Beschluß der Nationalliberalen hat in weiten Kreisen der Wählerschaft von Dresden Neustadt großes Befremden erregt und u. a. in der am Donnerstag Abend in Radebeul abgehaltenen reformerischen Wahlversammlung, in der viele Nationolliberale zugegen waren, zu lebhaften Auseinandersetzungen geführt. Wir enthalten uns jeder Kritik des Vergehens der National- liberalen, geben es vielmehr jedem national- liberalen Wähler anheim, aus dem folgenden seine Schlüsse selbst zu ziehen. In der er wähnten Versammlung erklärte Herr Direktor Fröhlich-Radebeul, ein hochanges-hener National- liberaler des Kreises, folgendes: Der National- liberale Verein Dresden-Land, Gruppe Lößnitz- ortschasten, .hatte gegen eine verschwindende Minorität sich für energische Unterstützung der Kandidatur Wetzlich ausgesprochen. Dieser Beschluß ist durch das Eingreifen des National- liberalen Deutschen ReichSverbandS in Dresden umgesloßen worden. Die Rücksichtnahme auf die Kandidaturen Dr. Heinze (DreSden-Altst.), Dr. Junck (Leipzig) und Dr. Stresemann (Annaberg) sollen schwerwiegender gewesen sein als die Wünsche und der so gut wie einmütig gefaßte Beschluß dee organisierten Nalional- liberalen des Kreises. Widerspruch, den die Bekanntgabe de» Beschlusses der Parteileitung selbst bei Nationalliberalen in der Radebeuler Versammlung anwesenden Wählern fand, und die unverkennbare Sympathie für die Kandidatur Wehlich, die auch au» den Ausführungen de« Herrn Direktors Fröhlich hervorging, lassen hoffen, daß der Beschluß der nationalliberalen Parteileitung dem Erfolge der Kandidatur Weylich wenig Abbruch tun wird. sI Die Sozialdemokratie wird nervös. Ueber den Wahlkampf im 4. sächsischen Rkichs- tagSwohlkrcise (Dresden-Neustadt wird uns ge schrieben: Die intersioe Arbeit, welche die nationalen Parteien leisten, ist der Sozialdemokratie recht unbequem, und cs berührt sie höchst peinlich, daß überall in eine bisher kaum ge kannten Weise agitiert wird, hat doch allein der reformerische Kandidat Herr GlaserinnungS- meister Wetzlich gegen 40 Vorträge gehalten, dergleichen auch eine nicht geringe Anzahl der Kandidat der Konservativen Herr General major z. D. Schmalz. Die nationalen Gedanken, die hierdurch in die Wählerschaft hineingetragen werden, äußern unverkennbar ihre Wirkung und stellen den Sieg de» Genossen August Kaden ernstlich in Frage. Bedauerlicher weise geben sich die Anbänger des Herrn Dr. Barge viel Mühe die Wähler irre zu machen und so der Sozialdemokratie zu helfen. Sie suchen absichtlich die Tendenz des Wahlkampfe» zu verschleiern, indem sie die großen nationalen Fragen in den Hintergrund drängen und aus die wiederholt gestellte klare Frage, ob sie in der Stichwahl für oder gegen das Vaterland stimmen werden, die Antwort verweigern. Sie verherrlichen zum Ersatz dafür unt r dem Jubel der Sozialdemokraten die russischen Bomben werfer und Mordbuben, und der nationalsoziale Herr Dr. von Mangoldt, der Herrn Dr. Barges Versammlungen leitet, ist nicht böse, wenn ihm di« Genoffen —; wie in dem Linkeschen Bad geschah — versichern, seine Reden könnte ruhig auch ein Sozialdemokrat halten, ohne dabei be seinen Genossen Anstoß zu erregen. Die Sozial demokratie hat aber da» Vertrauen, daß sie an fänglich in diese Hilfe setzte, verloren und fängt m letzter Stunde an, die nationalen Versamm lungen in ihrer altbekannten Weise durch künstlich nszenierte Geschäftsordnungsdebatten und wüsten Raddau zu stören. Indessen die Nervosität mit der das geschieht, vereitelt den Erfolg. Das eigle sich, wie anderwärts, so ganz besonders irastisch am Dienstag abend in der reformerischen Versammsung in der Reichskronc zu Dresden. Hier forderte der Versammlungsleiter, als der Raddau losging, kurz und bündig sofort alle, die „nicht Ruhs halten konnten und wollten" auf, den Saal zu verlaffen. Die Genoffen ühlten sich durch diese Aufforderung getroffen und etwa 700 Mann verschwanden, frohlockend darob, daß Herr Wetzlich jetzt vor leeren Bänken prechen könnte. AVer auch dieser sein aus- zestellle Effekt mißglückte, denn alsbald strömten zunderte von nationalen Wählern, die bis du- stn nicht hinein gekonnt hatten, in den Saal, rillten die Bänke aus, und statt vor einem eeren Saale sprach der national» Kandidat vor dichtgesüllten Bänken und erntete rauschenden Beifall und freudige Arstimmung. —* Der Januar, der sich bisher höchst un winterlich zeigte, hat mit Beginn seines letzten Drittels eine fast barbarische Kälte gebracht- In der Nacht zum Sonntag trat wieder Frost und nachmittags leichter Schneefall ein, der sich in der Nacht zu Montag sorlsetzte und ein volles Winterbild erzeugt hat. Dabei herrschten am Montag morgen bei äußerst kalter östlicher Luftströmung 5 Kältegrade und im Laufe des Tages nahm die Kälte bei schneidendkaltem heiteren Welter noch zu. Dienstag und Mittwoch setzte die Kälte scharf ein. Morgen« sind 21—23 Grad Kälte. —* Auf die aus einer mangelhaften Ver packung der Drucksachen den andern Sendungen erwachsenden Gefahren wird postseitig von neuem hingewiesen. Bei größeren Drucksachen die unter Band verschickt werden sollen, bietet sich als wirksamstes Mittet zur Vermeidung breiter Spalten die Anlegung eines Kreuz bandes an Stelle des einfachen Streifbandes. Kann man sich aber hierzu nicht entschließen dann sollte man dich wenigsten» ein au» guten Papier gefertigte» Streifband so eng wie nur möglich um die Drucksache legen und außer dem eine feste kreuzweise Umschnürung mittels Faden» oder Gummibandes herumschlingen. Bei Drucksachen, die in größeren Briefum schlägen zur Absendung kommen sollen, sind tunlichst Umschläge anzuwenden, deren Vor schlußklappe sich nicht am breiteren oberen Rande, sondern an der schmalen Seile befindet. Jedenfalls sollte man die Verschlußklappe mittels eines zungenartigen Ansatzes iu einen äußeren Schlitz des Umschlages einstecken. Noch eins sei den Briefschreibern hier zu ihrem eignen Besten nahegclegt, die Ver wendung von Briefumschlägen normaler Größe. Je kleiner und schmäler die Form einer Briessendung, desto größer di« Gefahr ihrer Verschiebung in eine Drucksachensendung. Radeberg. Der hiesige Rabattsparverein erzielte im ersten Jahre seine Bestehens einen Umsatz von rund 1275000 M. und zahlte den Kunden seiner Mitglieder 64 050 M. in Rabatt-Spormarken. 4712 eingelöste Spar bücher im Werte von 45 564,17 M. wurden verbrannt, Dresden. Am 11 Januar war ein großer Hirsch durch den Garten des Neustädter Seminars vom PrieSnitzgrunde aus in ein Grundstück auf der Jägerstraße geraten, hatte sich mit dem Kopfe in einem dort aufgestellten Fuchseisen verfangen und dieses mit fortge- riffen. Das von großen Schmerzen geplagte Tier hatte sich zum Wald zurückgcwandt. Da am nächsten Tage Hofjagd war, so schoß man den Hirsch nicht sofort ab, sondern glaubte ihn bei dieser Gelegenheit zum Schuß bringen zu können Doch hat man ihn damals nicht zu Gesicht bekommen. Vorige Woche nun traf ein Foistaffeffor des Langebrücker Reviers das Tier in der Nähe der Heidemühle an und schoß es ab. Es ist zu verwundern, daß der Hirsch so lang« existieren konnte. —* Einen prächtigen Anblick bietet zurzeit die Elbe durch ihren starken Eisgang. Der außerordentlich heftig austretende Frost hat den noch ziemlich stark mit Wasser gehenden Fluß in kurzer Zeit mit einer schwimmenden Eisdecke bekleidet, wie sie an Massigkeit sonst nur nach Aufbruch des Eises beobachtet werden kann. Dabei fällt da« Wasser dabei sichtbar. Zeigle der Pegel noch am Montag einen Wasserstand von über Null an, so ist er in den letzten 2 Tagen bald um 1 Meter gefallen. An den Elbufern kann man dies deutlich an den zurück- gelassenen EiSbeständen beobachten. An ver schiedenen Stellen beginnen sich die Eismassen schon festzusetzen. Für die Eiskellereien kommt >er strenge Frost gerade recht gelegen. Auch tringt das Einholen und Bergen des Eises manchem Arbeitslosen einen sehnlich erwünschten Verdienst. Pirna. Einem 37 jährigen Manne von Pirna wurde vor einigen Tagen im Carola- MS zu Dresden durch Operation eine Kugel oberhalb der rechten Kniescheibe entfernt, die derselbe nunmehr reichlich 29 Jahre im Knochen verkapselt mit sich herumgetragen hat. Bei Gelegenheit des Radeberger Schießens war der seinerzeit achtjährige Junge dem Schießstande zu nahe gekommen, woselbst eine Kugel abprallte, an einen Baum anschlug und )em Jungen ins Bein fuhr. Wiederholt ist ärztliche Hilfe in dieser Reihe von Jahren in Anspruch genommen worden, ohne daß jedoch das Geschoß gefunden werden konnte. Riesa. Ein hiesiger Fleischerlehrling, der sch aas irgend welchen Gründen schon seit acht Tagen aus seiner Lehrstelle entfernt und wahrscheinlich ziellos umhergetriebeu hat, wurde gestern Vormittag auf dem Heuboden seine» Lehrherrn entdeckt, wo er vor der grimmigen Kälte Schutz gesucht hatte. Der Zustand, fin dem man ihn betraf, war allerdings so, daß er sogleich von jder herbeigerufenen Savitäls- olonne in» Krankenhaus verbracht werden mußte. Der junge Mensch hatte sich Hände und Füße erfroren. Wurzen. Au» Wurzen schreibt man: Eine seltene kirchliche Begräbnisfeier sand sieser Tage in Wurzen statt. Ein Katholik. Eisendrrher W. war am Herzschlag plötzlich auf dem Wege zur Arbeitsstätte gestorben. Seine Frau und seine Stiefkinder sind evangelisch-lutherischer Konfession. Der Ver storbene war mit dem Wunsche seiner evangelisch-lutherischen Familie bei Lebzeiten einverstanden, daß, wenn möglich, bei seinem ev. Hinscheiden auch der evangelische Geistliche ein Wort des Trostes zu den Hinterbliebenen spreche. Der Wunsch des schnell Dahin geschiedenen ist nunmehr in Erfüllung ge gangen. Das volle Recht deö katholischen Pfarramts, den »Katholiken zu beerdigen, ist gewahrt worden. Aber zur Beerdigung am letzten Freitag gingen der funktionierende katholische Pfarrer Lange und der evangelisch lutherische ArchidiakonuS Lösche, beide im Ornat, hinter dem Sarge zur Friedhosskapelle. Erst hielt, nach einem einleitenden Liede eines Männer- chores, der zuständige katholische Geistliche vom Altäre au» die Einsegnung der Leiche nach katholischem Ritus seine Leichenrede; hierauf betrat der evangelische Geistliche den Altar, um den evangelischen Hinterbliebenen seinen Trost zu spenden. Nach einem Schlußliede begleiteten beide Geistliche die Leiche zur Grabstätte, wo dir katholische Pfarrer die Beerdigung vor nahm. — Der ganzen seltenen Feier wohnte eine große Anzahl Männer und Andächtig« bei. Chemnitz, Eine Aufsehen erregende Affäre die aus ein Haar der gleicht, die sich kürzlich in Limbach abspielte, ist in dem nahen Siegmar an den Tag gekommen. Schon seit zehn Jahren wurden den Einwohnern von Siegmar und Reichenbrand anonyme Schmäh briefe und Postkarten in Mengen zugeschickt. In ungezählten Briefen wurden die Adressaten auch einer Anzahl Vergehen und Verbrechen bezichtigt. Die Briefe waren wie die seinerzeit in - Limbach teils mit verstellter Handschrift, teils durch ausgeschnittene und aufgeklebte Buchstaben aus Zeitungen hergestellt. Jetzt endlich nach jahrelangen Bemühungen ist e» gelungen, die anonymen Briesschreiber, die sich gerade die angesehensten Einwohner der beiden genannten Orte als Opfer ausersehen hotten, zu ermitteln. Die Ueberraschung war um so größer, als eS sich bei der Feststellung des HoupttäterS um einen angesehenen Ein wohner Siegmars handelt, um den Fabrikanten Heun in Firma Klinger und Heun. Nachdem ich erdrückendes BlweiSmateriol gegen diesen angehäuft hat, hat H>un die Täterschaft ein- gesianden. Auch die Frau des Heun hat gestanden, an der Briejichreiberei bcieiligt gewesen zu sein. Die Staatsanwaltschaft hat nunmehr die Voruntersuchung gegen Heun eingeleitet. Si« ist im Besitz eines ganzes Stoße» von anoymen Briefen und Postkarten. Werden Eine schwere Verletzung erlitt in einer hiesigen Spinnerei eine ledige Arbeiterin, )ie mit d m Haar dem Volant der Krempel zu nahe gekommen war und von ihm erfaßt wurde, sodaß ihr die Kopfhaut loSgeriffen wu»de. Die Aermste wurde nach dem Kranken- Hause gebracht. Zwickau. Hier wurde nacht» der Porzellanmaler Hofmann von zwei Männern überfallen und lebensgefährlich verletzt. Der Verdacht der Täterschaft lenkt sich auf zwei Porzellanmmaler, die seitdem verschwunden sind. Johanngeorgenstadt. Nahe der sächsischen Grenze bei Johanngeorgenstadt gelangt dem nächst eine neue böhmische Lokalbahn, die 13 Kilometer lange Strecke Annathal Rotau Reudek zur Ausführung. Die kommissarische Begehung hat bereits stattgesunden. Die neue Eisenbahnlinie, deren Baukosten auf zwei Millionen Kronen veranschlagt sind, erschließt eine wohl dichtbevölkerte, aber unter ungünstigen Wirtschostsverhältniffen leidende Gegend. Plauen i. V. lieber »ine verhängnisvoll« Brandkatastrophe, die rin große» industriell«» Etablissement vernichtet und leider auch zwei Menschenleben gefordert hat. schreibt der Vogtl. Anz.: Kurz nach 6 Uhr morgen» er tönte Feuerlärm und eine mächtig« Feurrsäul» loderte bald empor. Der Himmel war so von den Flammen gerötet, daß die Bahngäste, die mit dem 8 Uhr-Zuge in Plauen ankamen, das Feuer schon von weitem bemerkten, Die in der Mühlgaffe an der Goltzsch gelegene große dreistöckige Kommgarnweberei der »Gebrüder Chevalier brannte bi» j^auf die Umfassungs mauern nieder. Bei dem schnellen Umsich greifen de» Feuers und der furchtbaren Kälte konnte in der Fabrik nichts gerettet werden. 200 Arbeiter sind brotlo«. Entstanden ist da» Feuer im ersten Stockwerk der Fabrik durch die Explosion einer Petroleumlampe durch di« ein Webstuhl in Brand geriet. Da» Feuer verbreittte sich sofort auf die leicht entzündlich«» Wollstoffe im ArbeitSraum, und die Ardener die eben ihren Dienst antreten wollten, mußten, ohne an Rettung denken zu können, sofort den Ausgängen zueilen, um ihr eigene» Lrben zu sichern. Zwei Arbeiterinnen sind leider jbei dem Brande um» Leben gekommen, die 20jährig: Weberin Lina Dillner und die 17 jährige Weberin Weiß. Die Leichen der beiden sind leider ins heute noch nicht ge sunden aber es besteht kein Zweifel mehr über ihr trauriges Schicksal, und es kann höchsten» angenommen werden, daß die Leichen ganz verkohlt sind oder erst später in den Trümmern gefunden werden. Schwere Verletzungen erlitt noch der 40 Jahre alte Weber Homme, der sich so lange am Sim» festhielt, bis seine Kräfte versagten und er in das Springtuch der Feuer wehr hinunterfiel. Der Materialschaden beträgt etwa 500000 Mark.