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poliEbe Kunäschau. Zur Wahlbewcgunq. Oberbürgermeister Boddin-Nixdorf hat die Kandidatur im Kreise Teltow-Beeskow- Storkow für die Nationalliberalen an genommen. — Die christlich-soziale Partei des Wahlkreises Essen, die bei der letzten Reichs lagswahl eine eigene Kandidatur aufstellte, be schloß diesmal die Unterstützung des national- liberalen Kandidaten Wiedenhoff. — Im Wahl kreis Mülhausen hat der liberale Kandidat Rechtsanwalt Dietz die Kandidatur mit der Be gründung wieder niedergelegt, daß eine liberale Kandidatur in Mülhausen aussichtslos sei. — In Metz ist die Einigung zwischen Liberalen zustande gekommen. Der bisherige liberale Kandidat Obrecht hat auf die Kandidatur ver zichtet, und man hat sich auf den Rechtsanwalt Gregoire geeinigt. — In maßgebenden Kreisen wird behauptet, daß die Reichstagswahl im Wahlkreis Emden-Norden ungültig sein werde, weil angeblich in Norden die Wählerliste einen Tag verspätet ausgelegt wurde. — Im Wahlkreise Hohensalza - Mogilno- Strelno wurde als gemeinsamer deutscher Kandidat der Kammerherr Freiherr v. Schlichting aus Wierzbiczany aufgestellt. * * * Deutschland. X Der Kaiser beabsichtigt dem Vemehmen nach, in den nächsten Tagen auf Jagdschloß Hubertusstock in der Schorfheide Aufenthalt zu nehmen. * Prinz Friedrich Leopold von Preußen ist zum General-Inspekteur der 1. Armee-Inspektion ernannt worden. *Auf der letzten Vertrauenskonferenz von Vertretern der organisierten Bergarbeiter des Ruhrgebiets wurde beschlossen, nach Abschluß der R ei ch s t a g 8 w ghl en den Grubenverwaltungen abermals die Forderungen der Arbeiter zu unterbreiten und sür den Fall einer Nichtannahme derselben sich die Entschei dung über die weiteren Schritte vorzubehalten. *Der bisherige Reichstagsabgeordnete und bayrische Landtagsabgeordnete Joseph Aigner (Zentrum) ist gestorben. Osterreich-Ungarn. * Königin Marie, die Witwe Georg V. von Hannover, die in Gmunden im 89. Lebensjahre verstorben ist, wird wahr scheinlich auch in Gmunden beigesetzt werden. Endgültige Bestimmungen darüber wird indes der Herzog von Cumberland, ihr ältester Sohn, noch treffen. * Im österreichischen Abgeordneten hause wurde nach heftiger Debatte die Gesetzes vorlage, die die Anzahl der Herrenhausmit glieder auf 170 festsetzt, in allen Lesungen an genommen. Frankreich. * Die Kammer, die ihre Sitzungen wieder aufnahm, wählte Brisson zum Präsidenten, Etienne, den ehemaligen Kriegsminister, zum Vizepräsidenten. * Zwischen der Telefunkenstation auf dem Eiffelturm in Paris und der Station Berlin hat ein Austausch von Depeschen stattgefunden. Man hält es für möglich, daß in dieser Richtung eine regelmäßige draht lose Verbindung hergestelll werden kann. Die Telefunkenstation des Eiffelturmes verkehrt auch bereits mit England. Außerdem werden in Paris neue Apparate angeschafft werden, die eine Telefunkenverbindung mit Algerien ge statten dürften. England. * Die Frauenrechtlerinnen, die in letzter Zeit so oft von sich reden machten, haben alle englischen Frauen aufgefordert, sich zur W a h lr e ch ts fr a g e zu äußern. Wie ver lautet, ergab die Rundfrage eine große Mehr heit gegen das Stimm- und Wahlrecht der Frau. Schweiz. * Bundesrat Brenner, der Chef des Justiz departements, hat über die Frage, ob das schweizerische Bundesgericht die Rechtsprechung in Prozessen wegen der marokkanischen Bank übernehmen soll, mit Mitgliedern des Bundesgerichts in Lausanne konferiert. Es ist sehr wahrscheinlich, daß die Bundesversammlung mit dem Mandat für das Bundesgericht einver standen ist. Italic». *Der Papst sandte einen neuen Brief an die Bischöfe nach Paris, in dem er abermals gegen die Bestimmungen des Trennungsgesetzes Stellung nimmt. Spanien. * Im Ministerrate beschäftigte man sich ein gehend mit der Lage in Marokko. Der Minister des Auswärtigen erklärte, daß der Der neue Schah von Persien. Der Nachfolger des am Mittwoch verstorbenen Beherrschers Persiens, Muraffer-eddin, ist sein ältester Sohn Mohammed Ali Mirza, der am 21. Juni 1872 geborui wurde, also 35 Jahre alt wird. Da jeder morgenländische Herrscher seinen Nachfolger als seinen natürlichen Rivalen betrachtet, ist Mohammed Ali Mirza während der Regierung seines Vaters wenig hervorgciretcn. Die Erziehung, die er erhielt, ist eine sorgfältige. Er beherrscht das Russische und Französische ziemlich geläufig und hat sich namentlich mit der Literatur seines Vaterlandes vertraut gemacht. marokkanische Kriegsminister Gebbas auf dem besten Wege sei, die Ordnung im Lande herzu stellen und daß das Ansehen der Regierung im Lande seit einigen Tagen wieder merklich zunehme. Rustland. * In Regierungskreisen herrscht angesichts der sich täglich mehrenden Attentate der revo lutionären Partei große Verwirrung und Rat losigkeit. Das kam in einem Ministerrat zum Ausdruck, der unter Vorsitz des Zaren in Zarskoje Selo abgehalten wurde. Während die einen Einführung der Diktatur, für die Admiral Dubassow, Geneneral Scalon und General Rennenkampf als Kandidaten genannt wurden, ferner Verlängerung des Belagerungs zustandes über Petersburg und Verschiebung der Einberufung der Duma empfahlen, traten andre für Aushebung der Gewaltmaßregeln und Ein- schlagung einer versöhnlicheren Politik. ein. Stolypin sprach sich gegen die Hinaus schiebung des Zusammentritts der Duma aus, halte aber viele sehr berechtigte Klagen gegen das völlige Versagen der politischen Geheim polizei anzuhöcen. * In Lodz wurde auf offener Straße der Gendarmeriechef Ober st Patkoerschossen. Ferner wurden zwei Passanten getötet und fünf verwundet. Die Attentäter entkamen. Balkanstaaten. * Die sieben Torpedoboote, die von der türkuschen Regierung in Italien K Getreu bis in äen Hoä. 5) Erzählung von Martha Neumeister. (Fonikvung > Fest und fester drückte der junge Ritter die schöne Spanierin im Wirbel des Tanzes an sein Herz und führte sie dann an ein entlegenes Plätzchen in einem Seitengemache, wo eine künstliche Felsgrotke beide vor jedem Lauscher verbarg. Er nahm ihr leise die Maske vom Gesicht, und als sie tier aufatmend, voll süßer Verwirrung in ihrer blühenden jungen Schön heit vor ihm stand, da senkten sich seine leuch- renden, siegesfrohen Augen mit wonnetrunkenem Blick tiei in die ihrigen. Leidenschaftlich zog er sie an seine Brust und drückte seinen Mund beiß und innig in ihr wallendes, duftendes Haar, auf ihre weiße Stirn, ihre halb geöffneten, laufrischen Lippen. „Ich liebe dich, du mein süßes Mädchen," flüsterte er leise, „nun sage auch du mir, hast du mich lieb?" In ihren strahlenden Augen las er die Antwort, und mit überströmendem Glücksgefühl küßte er ihr das bebende „Ja" von den Lippen. Willenlos lehnte sie in seinem Arm, an seinem Herzen, dessen stürmischen Schlag sie wie traumbesangen fühlte. Da empfand sie ein leises, eigenartiges Knistern unter dem Kleide aus ihrem eigenen, pochenden Herzen; es war der Brief von Georg, den sie dort vor ihrem Weggange verborgen, und wie ein tödlicher Schreck durchzuckte es sie. „Was hast du, Elisabeth, was fehlt dir?" fragte er zärtlich und blickte erschrocken in ihr plötzlich erblaßtes Antlitz. „Nichts, nichts — nur ein leichter Schwindel, — es ist schon vorüber", erwiderte sie, sich ge waltsam bezwingend, und wand sich sanft aus seinen sie umschlingenden Armen, „aber laß uns jetzt hier sortgehen, Kurt, man könnte uns vermissen." „Was schadet es, Liebchen, wenn man uns auch entdeckt," sagte er wieder in seinem leichten, sorglosen Ton, „bald erfährt es ja doch die ganze Stadt, daß ich dich mein nennen darf, denn morgen früh komme ich zu deinen Eltern, dich als mein geliebtes Weib mir zu erbitten." Sie blickte ihn mit seligem Lächeln an, und während sie die Masken wieder anlegten und Arm in Arm in den Tanzsaal schritten, flüsterte er ihr zärtlich zu: „Heute abend nur, Geliebte, laß uns noch still verschwiegen das süße, junge Glück unsrer Liebe genießen." Und das taten sie auch mit vollen Zügen, wie ein süßer Märchentraum von Jugend und Liebe und ewigem Glück dünkte ihnen dieser Fastnachtsabend, wo sie, geschützt durch die Maskenfreiheit, Hand in Hand, nicht voneinander ließen, wo sie im rauschenden Wirbel des Tanzes in seliger Bereinigung dahinflogen und, in lauschigen Ecken verborgen, sich süße Liebes worte zuflüsterten. Spät abends, daheim, in ihrem stillen Mädchenstübchen, da schmiegte Elisabeth in über strömendem Gefühle ihr glühendes Antlitz an das Gesicht der Mutter, die ihr ernst und forschend in die Augen sah, und während sie ihr in rückhaltlosem Vertrauen die Erlebnisse des Abends gestand, entfiel der Brief von Georg beim Entkleiden ihrem Gewände. bestellt worden waren, sind in Konstantinopel eingetroffen und am 3. Januar im Bosporus eingefahren, damit sie der Sultan von Jildiz- Kiosk aus sehen könne. Hierauf wurden sie nach ihrem Ankerplätze am Goldenen Horn gebracht. Amerika. * Eine ansehnliche Mehrheit im Senat der Ver. Staaten stellte fest, daß nichts in dem amerikanisch-japanischenVertrage japanischen Kindern das Recht garantiert, öffent liche Schulen in den Ver. Staaten zu besuchen, und forderte eine Änderung des Vertrages mit Japan, um die Einwanderung von Kulis zu beschränken. (Wie sehr sich auch die beiderseitigen Regierungen bemühen, ihre Beziehungen als „befriedigend" hinzustellen, die Tatsachen wider sprechen ihnen.) Afrika. *Der Sultan von Marokko richtete eine Note an das diplomatische Korps, worin dieses aufgefordert wird, den Europäern daS Überschreiten des Weichbildes der Stadt Tanger zu verbieten, damit Unglückfälle ver mieden werden. * Englischen Blättermeldungen zufolge be findet sich Raisuli bei dem Stamme der Omarra, wo er seine ihm treu gebliebene Mannschaft durch allerhand Gesindel zu ver stärken sucht, um mit seiner Truppe Tanger anzugreifen. Sollte sich dieses Gerücht be stätigen, so wäre in Marokko mit einem Schlage eine sehr schwierige Lage geschaffen, weil die bisher sorgsam aufgeschobene Landung spanisch- französischer Truppen dann unverzüglich statt finden müßte. Asten. *Der Schah von Persien Muzaffer- eddin, der nach 10V-jähriger Regierung infolge von Wassersucht gestorben ist, hat noch während seiner Krankheit dafür Sorge tragen wollen, daß der innere Ausbau seines Reiches sich in freiheitlichen Formen vollzieht. So gab er seinem Volke die Verfassung, die er auch seinen Sohn, den jetzigen Schah Mohammed Ali Mirza, beschwören ließ. Kaum aber hat Muzaffer die Augen geschlossen, so kommen (allerdings aus englischer Quelle) Nachrichten, die besagen, der neue Schah werde die Ver fassung zurückziehen und das Parlament aus einanderjagen. Nach derselben Quelle steht dem Lande aber noch Schlimmeres bevor. Es heißt, der dritte Sohn des verstorbenen Schahs mache Ansprüche auf den Thron und habe bereits 10 000 Mann gesammelt, um seinen Bruder zu entthronen. Jedenfalls geht Persien unruhigen Zeiten entgegen. *Aus Anlaß des Thronfolgers ist es in Persien schon zu Unruhen gekommen, die auch Europäer in Mitleidenschaft zogen. In der Hauptstadt Teheran wurden zwei Ange stellte einer englischen Firma von persischen Kosaken angegriffen. Ebenso wurde ein Kurier angehalten, der Briefschaften für die englische Gesandtschaft überbrachte. Die Gerüchte von einer england-feindlichen Stimmung im Lande des Schahs scheinen sich demnach zu bestätigen. *Die japanische Regierung wird dem Parlament in einigen Tagen einen Gesetz entwurf vorlegen, der die Beschränkung der Ein wanderung in japanisches Gebiet bezweckt. *Der Vizekönig von Indien Lord Minto und der bei ihm zu Besuch weilende Emir von Afghanistan tauschten überaus herzliche Begrüßungen aus. Km Krankenbett des Schahs. A Von dem Zustande des verstorbenen Schahs von Persien in seinen letzten Lebens tagen berichtet der ,New Aork Herald': Es ist charakteristisch für den Schah, daß er eine furcht bare Angst vor dem Tode hatte. Nach allem, was man hört, befand sich der Schah seit Wochen in traurigem Kräfteverfall,' über und über war er mit Wunden bedeckt; denn die Wassersuchtsbeulen sind aufgesprungen. Es war unmöglich, den Kranken zu bewegen, ja, er durste kaum berührt werden. Er lag sprachlos, die Frauen umgeben kine Lagerstatt. Da- der Thronfolger anwesend war, ist es zu keiner Zwischenherrschaft gekommen; der zweite Bruder hat alle Ansprüche aufgegeben und der dritte ist nicht in der Lage, Schwierigkeiten zn bereiten. In einem Interview mit dem Arzt, der den Schah täglich sieht, äußerte der Mediziner: „Wir Arzte selbst sind erstaunt. Ich selbst saß neben dem Schah, als er völlig bewegungslos lag; der Puls ging nicht; hastig fühlte ich nach dem Herzschlage, ob er noch am Leben sei. Ich war überzeugt, daß das Lebe« er loschen war. Da, wie durch ein Wunder, öffnete er die Augen und lebte wieder auf. Professor Damsch ist ganz erschöpft von all den Nachtwachen, die er unternahm in der Über zeugung, daß das Ende unmittelbar bevorftehe. Eines Tages meinte er plötzlich: „Ich habe mir immer eingebildet, ich wüßte etwas von Krankheiten, aber ich fange an zu glauben, daß ich überhaupt nichts weiß." In Wahrheit spottet der Fall aller Wissenschast, auf die wir Ärzte angewiesen sind. Hier handelt es sich um einen Fall, in dem allem Anscheine »ach das Herz völlig von Albumin (Eiweißstoff) ein geschlossen ist. In jedem gewöhnlichen Falle be deutet das sofortigen Tod. Der Schah lebt weiter.. . . Sein Fall mag in die Heilgeschichte übergehen als ein Fall unerhörter menschlicher Widerstandskraft, der noch besonders auffällig ist, weil er ein Dutzend längst angenommener ärztlicher Dogmen widerlegt." Von l>1ak unä fern. Zelluloid-Explosion, 21 Personen Ge lötet. Ein schweres Unglück, das 21 junge Menschenleben vernichtete, hat sich in Geispols heim bei Straßburg i. Els. ereignet. In der Osenfabrik Hubert u. Komp, entstand eine Zelluloidexplosion, bei der sechzehn Mädchen und fünf Jünglinge, sämtlich im Alter von 16 bis 17 Jahren, umkamen. Die Fabrik gehört einer Londoner Firma. Ein Augenzeuge berichtet: Des morgens gingen wie gewöhnlich die vierzig Arbeiter in der Osenfabrik an ihre Beschäfti gung. Ein Teil stand bereits vor den Stanz maschinen, ein andrer Teil war noch im Flur. Plötzlich schlug in dem Raum, in dem die Stanzmaschinen arbeiteten, eine kolossale Flamme auf. Offenbar war aus dem Ofen ein Funken in einen mit Zelluloidabfällen gefüllten Korb gesprungen. Der Raum hatte nur eine Ausgangs tür, und diese war durch die Flamme versperrt. Einige Arbeiter und Arbeiterinnen versuchten, durch die großen Fenster zu entweichen, aber die Flamme trieb alle in eine Ecke, und hier auf einem Naum von zwei Quadratmeter ver zehrte eine Stichflamme die 21 jungen Menschen. Nur noch die Schädel und die großen Schenkel knochen konnten aus den völlig verkohlten Körpern geborgen werden. Der Brandschaden wird auf 35 000 Mk. geschätzt. Die Toten stammen sämtlich aus Geispolsheim. Ihr Schicksal hat den ganzen Ort in Trauer versetzt. Geispolsheim ist ein kleiner Ort, der 15 Kilo meter von Straßburg entfernt liegt. Ein großer Bergrutsch, der aber keinen Schaden angerichtet zu haben scheint, ist in der Nähe von Koblenz vorgekommen. Auf dex Strecke Koblenz-Boppard erfolgte ein großer Bergrutsch in der Nähe von Cappellen. Da weitere Rutschungen eintreten können, werden ausgedehnte Sprengungen vorgenommen, um die dicht vorbeiführende Bahnlinie zu schützen. Die Genickstarre im Ruhrbezirk ist seit etwa 14 Tagen im Schwinden begriffen. Im ganzen Monat Dezember wurden 9 Krankheits- und 5 Verdachtsfälle gemeldet. Durch Brandstiftung wurden in Roch (am Rhöngebirge) fünf Häuser und sieben ge füllte Scheunen eingeäjchert. Glücklicherweise kamen Menschenleben nicht in Gefahr. Bom Zug überfahre«. In Dahlhausen an der Ruhr wurde der Eisenbahntelegraphist Haverkamp, Vater von fünf Kindern, vom Eil zug überfahren und getötet. Wieder durchzuckte sie das eigentümliche Kältegefühl, das sie beim Knistern des Briefes während Kurts stürmischer Werbung so plötzlich empfunden. Sie bückte sich tief herab, um ihre Erregung zu verbergen, hob den Brief empor, und mit ruhiger Beherrschung sagte sie ernst, indem sie ihn langsam entfaltete: „Siehst du, Mutter, kurz bevor wir heute abend fortgingen, erhielt ich diesen Brief von Georg, in dem er mir mit rührend herzlichen Motten schreibt, daß er mich lieb hat, seit frühester Kindheit schon, und mich, nun er Bau meister geworden, als sein Weib heimführen möchte. Es tut mir so aufrichtig leid, ihm durch meine Antwort wehe tun zu müssen, denn ich habe ihn wahrlich von Herzen lieb, aber — aber — ich kann ihm doch nicht angehören," und sie barg ihr tränenüberströmtes Antlitz am Herzen der Mutter, die sie liebevoll um faßt hielt. „Weine nicht, mein Kind," sagte diese in ihrer ruhigen, sanften Weise, „du bis jetzt erregt und bedarfst dringend der Ruhe. Heute sollst du mir nichts mehr erzählen, morgen wollen wir alles verständig mit dem Vater besprechen. Gott segne dich, mein Kind, wie du dich auch entscheiden magst." Elisabeth küßte ihrer Mutter stumm und innig die Hand. „Bleib' doch bei mir, Mütter chen," bat sie zärtlich, als sie sich niederlegte, und wie sie als Kind so gerne getan, wenn irgend ein quälender Gedanke sie beim Ein schlafen beunruhigte, legte sie leise die Hand der Mutter auf ihre brennende Stirn, als könne die kühle, sanfte Berührung dem Wirbel t ihrer wechselnden Gefühle und Vorstellungen Einhalt gebieten. In tiefem Sinnen saß Fra» von Rerhausen neben dem Bette ihrer Tochter, bis Elisabeth endlich sanft eingeschlafen war., Aber wirre Träume beunruhigten ihren Schlummer. Sie sah sich wieder als Kind mit den Nachbarssöhnen fröhlich im Gatten tummeln, da plötzlich kam Kurt hinzu in seiner glänzenden Uniform und störte ihre harmlosen Spiele. Keck und übermütig drängte er die andem zur Seite, die scheu, und verlegen zurückwichen, und neckte und haschte sich voll jubelnder Freude mit ihr umher. Sie wollte auf Georg zulaufen, der ihr mit traurigem Lächeln winkte; Kurt eilte ihr nach, fast hatte er schon ihr flatterndes, weißes Kleid ergriffen, da strauchelte er und fiel mit dem Kops vornüber in das Gartenhäuschen, das Georg ihr erbaut. Laut stöhnend und regungs los blieb er liegen, und in tödlichem Schrecken stürzte sie zu ihm hin. Aber schon stand Georg neben ihm und untersuchte sein schmerzendes Knie, das er sich wohl schwer verletzt, so sorg sam und geschickt, wie er stets alles getan und blickte sie dabei mit seinen ernsten Augen unter den dichten zusammengewachsenen Brauen traurig und vorwurfsvoll an, indem er auf das zusammengestürzte Häuschen zeigte. Leise weinend ging sie ins Haus zurück und sah aus dem offenen Fenster ihres Stübchens ihm zu, wie er den Verwundeten aufrichtete und liebevoll unterstützte. Sie hatte sich auf das Fensterbrett gestellt, um sich den beiden, denen sie tröstende Worte zurufen wollte, be merklich zu machen, da plötzlich verlor sie das Gleichgewicht und stürzte hinaus, indem sie wie