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Nr. 1». 4 April IS28. Verlag: T M «Srlner. Aue Beiblatt. Sla-lveror-nelensitzung in Aue am 2. April. Da« durchgefallene kommunistische Bauprogramm. — Der Stellenplan zur Besoldungsordnung abgelehnt. Wenn in den Sitzungen der Gemeindeparlamente die kommunistische Wahltrompete ertönt und die Sowjetjünger mir immer neuen Utopien die Werbetrommel rühren, dann macht sich der nüchterne und vernünftige Staatsbürger von vorn herein auf Ueberraschungen gefaßt. Daß diese Ausführungen der KPD.-Leute aber gar so hanebüchen mit der ehrlichen Auffassung und mit dem guten Verständigungswillen ihrer Amtskollegen umspringen würden, hatte wohl kaum einer der Tribünenbesucher am gestrigen Nachmittag und Abend gedacht. Das einzig versöhnende Moment bildete inmitten der Hetz- unL Hatzreden der Kommunisten der eine Umstand, daß die Lachmuskeln und das Zwerchfell der Hörer gründlich in Be wegung gerieten. Wenn ein Linksradikaler mit seinem Sowjet- Heimweh im Herzen (Zuruf: Ab nach Rußland!) resignier: er klärt: „Bleib' im Land und verhungere redlich", wenn ein anderer im Brustton Ler Ueberzeugnng von „hyginischen" Methoden und „inventuellen" (— eventuell!) bürgerlichen Marxisten redet, während von allen Seiten die Zurufe er tönen: „Mensch, das Fremdwort verstehst Du ja nicht", „Sie reden im Finstern", „Herr Vorsteher, sind Sie noch da", dann bleibt kein Auge trocken. Nur schade, daß dem verständigen Zeugen dieser unfrei willigen Situationskomik immer wieder das Bewußtsein auf- dämmert, daß er sich im Saale der Stadtverordneten befind«, jener Männer, in deren Hände die Geschicke einer aufblühen- ben Stadt liegen, jener Männer, die er selbst durch seinen Simmzettel zu Verfechtern seiner staats- und kommunal politischen Ideen und Maximen berufen hat. Gegen 5 Uhr nachmittags eröffnete Vorsteher Frey die Sitzung und schnitt mit einem Bericht Uber das Ergebnis der Lebensmitte lprüfung die Tagesordnung an, die mit ihren 10 Punkten kaum ahnen ließ, daß sie das Kollegium bis Mitternacht zusammenhalten würde. Schon der stoische Gleichmut, mit dem die Herren rechts und links den langatmi gen Bericht über die Proben bei Hackfleisch, Käse, Speiseöl und Fett entgegen nahmen, ließ vermuten, baß man die Nede- kräfte für ein würdigeres Verhandlungsobjekt aufsparte. Uebrigens gaben die 554 Probeentnahmen Les Chemikers Weber nur in 39 Fällen Anlaß zu Beanstandungen. Nur die Milch gab bei einer Probe Klage über zu starke Entrahmung, 2 Proben Butter wiesen zu starken Wassergehalt auf, in einem Falle war Speiseöl mit Mohnöl verschnitten. Der Nat harre am 28. Februar von Lei' allgemein befriedigenden Zuständen des Lebensmittelhandels Kenntnis genommen. Die Stadt verordneten tun wortlos dasselbe. Ein Rundschreiben des Sächsischen Gemeindetages teilt mit, daß es seinen Vorstellungen gelungen ist, in der Sache einer gerechteren Beteiligung der Gemeinden an den Kraftverkehrslinien die gewünschten Erfolge zu erzielen. Wie bekannt, durften bislang die Gemeinden wohl eine größere Garantiesumme bei Einrichtung einer Kraft wagenverbindung stellen, eine Summe, die man bei Unrenta bilität der Linie einbüßte, während von einer Beteiligung am Gewinn im Falle des Reüssierens keine Rede war. Die neue Regelung sieht eine Abrechnung für jede Einzcllinie vor und bestimmt, -aß bei eventuellem Üebcrschuß eine anteilige Rück vergütung an die Gemeinden in Frage kommt. Stv. Fabian (komm.) kann es sich nicht versagen, die günstige Lösung als einen strahlenden Erfolg für seine Partei zu buchen (wahrscheinlich, weil die KPD. jeden Antrag auf Er öffnung einer Autobusverbindung abgelehnt hat!), doch wird ihm vom Ersten Bürgermeister Hofmann gebührend hcnn- geleuchtet. Stv. Hentschel rückt das Verkchrsproblcm ins rechte Licht, weist auf die schwarz-gelben Straßen hin, die vom Staatsfiskus übernommen sind und gibt zu bedenken, daß bei entsprechendem Ausbau der stark heruntcrgewirtschafteten Landstraßen unserer Berge kaum ein nennenswerter Ueber- schuß der Kraftverkehrs-Aktiengesellschaft Sachsen vorhanden sein werde. An Stelle der verstorbenen Fran Pastor Oertel ist em Mitglied in den Wohlfahrtspflege-Ausschuß zu wählen. Die einzig zuständige Stelle, die Arbeitsgemeinschaft Auer Frauenvereine, bringt für den erledigten Sitz Frau Iustizrat Raabe in Vorschlag. Die bürgerliche Fraktion, um deren Interessenvertretung es sich in diesem Falle (-Ver hältniswahl!) handelt, schließt sich durch Stv. Lenk dem Vor schlag an. Obwohl damit die Angelegenheit erledigt war, steht der Stv. Lein (komm.) auf und nennt als Kandidatin der KPD. Frau Luise Seidel, Schwarzenberger Straße. Bür germeister Ziegler versucht vergeblich, den Herren der äußersten Linken die Nonsens ihres Handelns klar zu machen, und La Vorsteher Frey eine Abstimmung zuläßt, muß in ge- Heimer Wahl den Kommunisten klargemacht werden, daß im Saale immerhin noch 15 Stimmen Recht und Sitte Rechnung trogen. Frau Iustizrat Raabe gehört somit dem Wohlfahrts ausschuß an. Stadtrat Wagner hat die Rechnung der Stadt bank auf das Jahr 1926 geprüft und für richtig befunden. Geringfügige Aenderungsanträge des Revisors betreffen lediglich buchungsteckmische Seiten. Der Rat hat die Rechnung richtig gesprochen, ihm schließt sich das Kollegium an. Der Reingewinn der Stadtbank beläuft sich 1926 auf 12 154 NM. Lebhafte Debatte löst ein Nachtrag zum Orts gesetz über die Vergnügungssteuer aus, ein Nachtrag, der die Pauschsteuern für Einrichtungen der Volks belustigungen nach einem Vielfachen des Einzelpreises berechnet und die diesbezüglichen Auer Sätze in etwa wenigstens den in andern Orten üblichen anglcicht. Vizevorsteher Roller (komm.) wendet sich namens der KPD. gegen den Nachtrag, er redet von unerträglichen Härten, vom Recht der Aermsten auf wohlfeile Lustbarkeit und verlangt besondere Berücksichti gung der Wetterverhältnisse (-Einbuße der Budcnbesitzer bei Rcgenwetter!) Bürgermeister Ziegler hält dem entgegen, daß man selbstverständlich nicht an eine automatische Regelung denke und von Fall zu Fall entscheiden könne. Wenn man übrigens hört, daß auf solchen Volksbclustigungsplützen dm- lang eine Bude von 5 Metern Länge pro Tag sage und schreibe eine Reichsmark Vergnügungssteuer zahlte, so kann man Vie Erschließung einer solchen Steuerquelle nur begrüßen. Zudem betragen die gleichen Sätze in nahen Ortschaften das Vrer- und Fünffache des bisherigen Auer Satzes. Stv. Pempel (bürgerl.) wünscht eine Differenzierung der Besteucrungs- quoten nach der Lage reip. der Entfernung der Festrummel plätze vom Bahnhof, da sowohl der Transport, wie auch der Besuch der Karussells und Achterbahnen usw., mit zu be rücksichtigen seien. Ein diesbezüglicher Antrag Dr. Mitzsa; - kes, für besondere Fälle eine 30prozentige Ermäßigung em- tretcn zu lassen, erledigt sich durch Ablehn ung derGesamr- uorlage mit l3 Stimmen. Bürgermeister Ziegler ruft vcn Kommunisten ein vielsagendes: „Auf Wiedersehen" zu. Reibungslos erfolgt Annahme einer Verordnung über das Alter der Führer von Fuhrwerken km Stadtbezirk. Stv. Sonntag (soz.) referiert über die Vor lage, die das Mindestalter der Kutscher auf 16 Jahre festsetzr. Vizevorftehcr Zettel (komm.l berichtet über geplante bauliche Herstellungen im städtischen Frei bad. Der Bauausschuß sieht eine Erneuerung des Becken bodens als notwendig an, da man Undichtigkeiten des Dassin« festgestellt hat. (Man vermutet Abzug des Wassers in «Inen alten Stollen.) Die Neugestaltung der Sohle würde 4800 Reichsmark kosten. Ferner bringt der Rat für dringliche Herstellung und Neuanschaffung — Schleuse, Wege, Gebäude- anstrich, Fernsprecher, Kleiderablage, Fahrradschuppen und Zaun — die Summe bon 4850 RM. in Vorschlag. Dagegen sieht der Rat von einer Renovierung der Bastinsohle ab. Stv. Fabian beantragt die Uebernahme des Stadtbades in den Verwaltungsbereich des Fürsorgeausschusses. Die Abstimmung ergibt Annahme der Ratsvorlage. Die Anregung Fabians wird als Material dem Rat und dem betreffenden Ausschuß überwiesen. Der Sparkas sen-Reingewinn für 1927 beläuft sich auf 27 865 RM. Während Stv. Aichinger sein Er staunen ausdrUckt über den geringen Gewinn bei den hohen Umsätzen -er genannten Kaste, konstatiert Erster Bürgermeister Hofmann, daß die Spartätigkeit zwar löblich gewachsen, Laß aber eine Stärkung der Sparkassen nach dem Rückschlag durch Inflation und Wirtschaftskrise nur zu wünschen sei und daß diese Stärkung allein eine fernere Entwicklung der Kassen gewährleisten. Auf eine Frage des Stv. Heidel nach der voraussichtlichen Höhe der Aufwertungsquote anr- wartet Bürgermeister Hofmann, daß diese Quote noch nicht festzulegen sei. Doch werde sie wahrscheinlich ebenso viel be tragen wie die der Hypothekengläubiger, vielleicht sogar diese nach überschreiten. Die Abstimmung erbringt einstimmig die Nichtigsprechung der Abrechnung. Jetzt kommen die beiden Hauptpunkte der Tagesordnung, zur Behandlung, zwei Bevatungsgegenstände, welche die hef- tigstcn Redeschlachten entfachen. Zunächst einiges aus Lem Wohnungsbauprogramm -er Stadl für das Haushaltjahr 1928/29. Für das verflossene Jahr sind 64 000 RM. an Woh nungsbauhypotheken für Private und Genossenschaften mehr bewilligt worden als aus der Wohnungsbauanleihe von 300 000 NM. Mittel verfügt werden konnten. Deckung soll geschaffen werden durch weitere Aufnahme von 75 000 NM. möglichst bei Ler Landesversicherungsanstalt. Aus den für städtische Bauten im Jahre 1927/28 zur Verfügung gestellten Beträgen bleiben vielleicht 20 000 bis 30 000 RM. frei. Es kann demnach für 1928/29 gerechnet werden mit folgenden Mitteln: 100000 RM. aus dem staatlichen Ausgleichsstock, 290 000 NM. städtischen Anteil an Ler Mietzinssteuer und 10 000 NM. Steuerertrag aus Len städtischen Gebäuden, zu sammen: 400000 NM. Das Bauamt hat vorgeschlagen, im neuen Jahre zu errichten: s Zwei Gebäude auf dem Eichert nach dem Typ, der im vorigen Jahre bereits gebaut worden ist. Die Baukosten betragen 70 000 NM. Gesamtkosten. Eine Woh nung von 2 Zimmern uird Zubehör kostet hier etwa 325 RM. Iahresmicte. b) 2 weitere Gebäude mit je 6 dreiräumigen Wohnungen. Die Baukosten betragen 92 000 RM. Die zwciräumtge Woh nung kostet etwa 310, die dreiräumige 440 RM. c) Ein 12-Familicnhaus an der unteren Gellert- straße mit dreiräumigen Wohnungen. Me Baukosten sind 94 000 RM. Eine Dreizimmerwohnung kostet ca. 430 RM. 6) Ein Geschäftshaus an der unteren Ecke des Eichertplatzcs, entsprechend Lem an der oberen Ecke be reits errichteten Geschäftshause. Der Nat legt Wert darauf, daß noch ein weiterer Dau, entsprechend dem im Vorjahre errichteten Asyl, errichtet wer den möchte, weil dieser Typ außerordentlich billig ist und sich als Mittel zur raschen teilweisen Behebung der Wohnungs not bewährt hat. Das zu erbauende Asylhaus soll etwa in der Größe des vorjährigen Asyls errichtet werdeen, und Sohr -er Knechl. Roman von Arno Franz. (Urheberrechtsschutz durch Verlag Oskar Meister in Werdau.) <4. s-orlictzung.! „Ob ich da mal eintrete," fragte sich Sohr und fügte hinzu: „Aber was sollst du hier? Und doch mußt du irgend etwas beginnen. Könntest ja um Arbeit nachfragen oder um Unter stützung bitten. — Unterstützung — also betteln? — Ja betteln, was sonst — mit dreißig Mark in der Tische und einem Man chesteranzug auf dem Leib, ohne Heim und Herd, ist man eben nicht viel mehr wie ein Bettler. Also bücke dich, Sohr, und werde dir — über dich selber klar," und ging an den Hunden vorbei über den Hof, stieg die Freitreppe hinauf und trat in den Flur. Auch hier geräumig und sauber wie überall. Eine alte Truhe, ein noch älterer Schrank, das war alles, was da auf gestellt war. An den Wänden hingen dicke Erntekränze aus goldgelben Aehren geflochten und umwunden mit blauen Bän dern. Am Boden, der aus Steinfließen bestand, spielte ein Knabe von sechs Jahren mit Bleisoldaten. Der sah kaum auf, als Sohr den Flur betrat. „Mutti, ein Mann," rief der Junge und spielte weiter mit seinen bleiernen Kriegern. Aus einer Tür trat eine Frau, groß und wuchtig, die sah aus wie ein Mann. Blond war sie und blauäugig. Sie blieb an der Tür stehen und musterte Sohr, wie etwa ein Stabsarzt einen Rekruten mustert, auf seine körperlichen Qualitäten hin, dabei hielt sie Len Kopf leicht zur Schulter geneigt und sah von der Seite, wie Menschen tun, die kurzsichtig sind. „Sind denn die Hunde nicht draußen?" frug sie. „Doch," sagte Sohr, und sie schüttelte den Kopf. Sie schien offenbar erstaunt, daß die Hunde nicht angeschlagen hatten und blickte Sohr noch schärfer an. „Handelsmann oder Reisendes" tarierte sie bei sich, trai noch einen Schritt vor und fragte: „Sie wünschen?" Sohr schwieg einen Augenblick, überlegte und stieß dann hervor: „Ich bitte um eine Unterstützung." Da kam sie ganz an ihn heran. Ihr Blick glitt an ihm nieder bis zu den Füßen. „Bettler," sagte sie, „das hätte ich nicht vermutet." Sohr biß sich auf die Lippen, aber dann sagte er doch: „Bittender nur, nicht Bettler/ Sie aber antwortete kurz: „Unsinn — das ist dasselve. Sic sollten arbeiten, das Zeug dazu hätten Sie, scheint mir." „Haben Sic Arbeit?" frug Sohr. Und sic ging einen Schritt an ihm vorbei, ihn so zwin gend, ihr zu folgen, um sein Gesicht besser sehen zu können. Einen Augenblick schwieg sie, dann sagte sie: „Ja," und Soyr erwiderte: „Ich nehme an." „Haben Sie Papiere?" „Nein, nur einen Ausweis über meine Perlon." „Der genügt mir. Bitte, geben Sie her." Sohr reichte ihn hin. Sie nahm ihn, dankte, sah aber nicht hinein, sondern g:ng nach dem Hofe, Sohr anffordernd, ihr zu folgen. Aus den Stalltüxen blickten Knechte und Mägde. Als sie die Herrin sahen, fuhren sie zurück. „Gutes Regiment," dachte Sohr und trabte der Voran- schreiten-cn nach, die vor dem gegenüberliegenden Gebäude Halt machte. „Hier werden Sic schlafen," sagte die Frau, öffnete die Tür und trat in ein geräumiges Zimmer, das zu ebener Erde lag. Sohr folgte. Mitten im Zimmer blieb die Frau stehen, zog die Börse, entnahm ihr ein Dreimarkstück und gab cs Sohr mit den Worten: „Bitte, der Miettaler. Das ist bei uns von alters- her Brauch." Sohr zitterte die Hand, als er ihn nahm. „Das wäre erledigt und somit gehören Sie zu uns," sagre sie, „und nun das andere: Ich gebe sechzig Mark Lohn nu Monat, trage aber alle Abgaben. Wenn Sie etwas leisten, zahle ich im nächsten Monat siebzig. Sogenannte Revolutions errungenschaften, wie Deputate und dergleichen, gibt cs bei mir nicht, dafür erhalten die Leute anständige Weihnachtsge schenke und den doppelten Monatslohn zum Erntefest. Be züglich der Arbeit haben Sie den Weisungen -es Hofmeisters Folge zu leisten, jedenfalls haben Sie ein Paar Pferde zu übernehmen. Im übrigen werden Sie ja selbst wissen, wie sich ein gesitteter Mensch zu betragen hat." Im Hinausgehcn drehte sie sich noch einmal um. „Geweckt wird früh halb vier Uhr. Gute Nacht." Sohr stand bewegungslos, versteinert, gänzlich unfähig zu reden oder irgend etwas zu tun, so hatte das Wesen dieser Frau und die Art, wie sie mit ihm sprach, auf ihn gewirkt. Keine Frage hatte sie gestellt, nur diktiert, hatte nicht einmal entfernt In Erwägung gezogen, daß auch er Wünsche haben konnte. Nichts mw dmn allen. Einfach: hier bist du. hwr schläfst du, dar bast du ,u tun, bas bekommst du — ausr Schluß! Nicht einmal ihren Namen hatte sie für nötig be funden zu nennen. So war mit ihm noch nie verfahren worden. So hätte er einen Schweinehirten nicht engagiert. Er sah die Gestalt, die von ihm fort ging und über den Hof schritt, in nichts zerrinnen, wie alles andere, was um Ihn war, auch. Er sah überhaupt nichts mehr, war gar nicht mehr da, nur sein Körper stand seelenlos im Raum. Der Zustand dauerte wohl fünfzehn Minuten und hätte zum vollkommenen Zusammenbruch geführt, wenn ihn nnyt ein Mädchen beendet hätte, Las, mit einem Teller in der Hano, in Sohrs Zimmer trat. Es war die Mamsell Kerst, das Ebenbild ihrer Herrn:, ebenso groß, ebenso stark, ebenso gesund, nur mindestens zehn Jahre jünger. „Hier schickt die gnädige Frau Essen und läßt sagen, Sie möchten den Teller hinüberbringen, wenn Sie fertig wären." Sohr hörte nicht, was das Mädchen sagte nnd verstand nicht, was es wollte. Er rührte sich nicht und antwortete nicht. Da wurde Grete Kerst dringlicher. „Esten sollen Sie," herrschte sie ihn an, und da er das immer noch nicht zu kapieren schien, wurde sic ungehalten: „Mensch, fassen Sie schwer, Sie sollen essen und den Teller In die Küche bringen, wenn Sie fertig sind." Da dämmerte es Sohr. „Ich soll -" „Ja, ja — nur los und dann den Teller in die Küche." „Das sagt —" „Die gnädige Frau, jawohl." Da war es mit Sohrs Beherrschung aus. Das war zuviel für ihn, weil es zu ungewöhnlich und zu neu war. Mit einem Satz stand er vor dem Mädchen und schüttelte es an den Schultern. „He, du," donnerte er heraus, „sag' deiner Frau, sie soll —," aber da besann er sich, ließ das Mädchen los und öffnen die Tür. „Tragen Sie den Teller selbst zur Küche, mitsamt dem, was darauf ist und lassen Sie sich hier nicht wieder sehen. Verstanden! So, und nun dalli." . Draußen war Mamsell Kerst und lief mehr, als ste ging, nach Len: Herrenhaus. So einen rabiaten Kerl hatte es auif Finkenschlag noch nicht gegeben. „Wag gafft ihr hier herum!" schnauzt« Sohr Knrchü und Megde an. die wie vorhin, so jetzt wieder, an den Ste.lltürev tuschelten. (Fortsetzung folgt.)