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pv 149, 29, Juni 1912. Nichtamtlicher Teil, MrsmNltt f. d. Dtlch». «uch?-nd,r 7S0S Die erste Instanz, das Königliche Tribunal in Budapest, erließ in der Sache ein Urteil am 1, Dezem - ber 1910. Das Gericht führt aus, Bedingung für den Schutz seinicht, daß das Werk in dem Ursprungslande noch Inder- selbenWeise geschützt werde, wie in dem andern Land, für dessen Gebiet der Schutz beansprucht werde; dieserhalb sei die Behauptung der Beklagten, Kläger könne sich auf das un garische Recht nicht berufen, weil in Italien ein ausschließ liches Recht der Veröffentlichung und Berbreitung der Traviata nicht mehr bestehe, durchaus grundlos. Das Gericht unter sucht dann den weiteren Einwand, daß in der zweiten Schutz periode ein Urheberrecht nicht mehr bestehe, es verwirft den selben, es weist darauf hin, daß Artikel 9 Absatz 2 des italie nischen Gesetzes ausdrücklich von dem »Urheberrecht« — <> 1 r 1 t t o ck' a » tore — spreche; das Recht auf die 5 Pro zent entstamme lediglich der Tatsache der geistigen Schöpfung, es sei daher ein Urheberrecht, Das Gericht verweist dann weiter auf Artikel 41 des Gesetzes, der demjenigen Strafe an droht, der es verabsäumt, die in Artikel 30 vorgeschriebene Erklärung abzugeben; es betont, daß nach Artikel 41 Absatz 2 außerdem der Schadenersatzanspruch dem Inhaber des Ur heberrechts zuerkannt ist; daraus ergebe sich klar, daß es sich um ein Urheberrecht handle und die Ansprüche im Falle der Verletzung sich keineswegs in dem An spruch auf Zahlung der 5 Prozent erschöpften. Die Königliche Tafel — Appellhof — stellte sich durch Urteil vom 25. Oktober 1911 auf denselben Stand punkt, In dem Urteile ist scharf zum Ausdruck gebracht, daß der ausländische Urheber in einem Vertrags- staate auch mehr Rechte genießen könne, als in seinem Heimatsstaat. Sobald feststehe, daß Tra viata noch in Italien geschützt sei, müsse sie in Ungarn nach Maßgabe des ungarischen Gesetzes geschützt werden. Die Königliche Tafel bejaht ebenfalls die Frage, ob in der zweiten Schutzperiode des italienischen Rechts ein Urheberrecht bestehe; sie schließt sich in der Begründung dieser Ansicht den Gründen des ersten Richters an. Sie betont weiter, daß der Umstand, daß der Schutz innerhalb der zweiten Periode ein be« s ch r änk te r s e i, auf die Bemessung des Schutzes nach Maß gabe des ungarischen Rechts einflußlos sei, die bezügliche Be stimmung des Artikels 9 des italienischen Gesetzes könne in Ungarn nicht angewendet werden. Am 24. April 1912 hatte der oberste Gerichts hof, die Königliche Kurie, sich mit dem Fall zu be fassen. Er entschied in demselben Sinne wie die Vor instanzen. Bezüglich der Frage, ob Traviata in Italien ur heberrechtlich geschützt sei, enthalten die Gründe folgende Aus führungen: Nach den klaren Bestimmungen des Artikels 30 ergebe sich, daß das Recht auf die 5 Prozent ein dem Rechts nachfolger gewährter Vorteil sei, dessen unmittelbare Quelle das Urheberrecht des Urhebers selb st bilde, und den sich der Bezugsberechtigte nicht durch irgend einen andern Rechtstitel verschaffen könne. Man könne es da her nicht als eine einfache Gewinnbeteiligung be trachten, die nur unter dem kommerziellen Gesichtspunkt zu be werten sei, vielmehr sei fe st zu st eilen, daß das Werk in Italien Schutz und gerichtliche Unter stützung im Sinne der italienischen Gesetz gebunggenieße. Die Königliche Kurie hat dann weiter geprüft, ob der Schutz, den Ungarn gewährt, über die Schuy- dauer in Italien hinausgeht; sie verneint dies; sie erwägt, daß in Ungarn der Schutz sich auf die Lebensdauer und 50 Jahre nach dem Tode erstreckt, daß in Italien aber der Schutz sich auf die Lebensdauer und 80 Jahre nach dem Tode erstreckt und daß es gleichgültig ist, ob die unerlaubten Handlungen in der ersten Hälfte der 80 Jahre oder in der zweiten begangen wor- Börsoiblatt für den Deutschen Buchhandel. 79. Jahrgana, den sind. Somit überschreite die Schutzdauer in Ungarn keineswegs die Schutzdauer in Italien. Diese ungarischen Urteile sind für die Frage des Schutzes der italienischen Werke von höchster Wichtigkeit, vor allem um deswillen, weil sie samt und sonders nicht den ge ringsten Zweifel darüber haben, daß das in Italien während der zweiten Periode ge« währte Recht ein Urheberrecht ist. Sehr interessant ist in dieser Beziehung die Beweisführung in den Gründen des Urteils der Kurie, namentlich die scharfe Gegenüberstellung zwischen urheberrechtlichem Bezugsrecht und Gewinnbeteiligung, wie auch die Zurückführung der Bezugsberechtigung auf die Tatsache der Schaffung eines Schrift- bzw. Tonwerks, also die Tatsache, die für die Existenz des Urheberrechts die maßgebliche ist. Die ungarische Recht sprechung, die insoweit als eine fest stehende anzusehen ist, steht im Einklang mit der italienischen Literatur und Praxis. Es besteht inJtalien kein Zweifel, daß auch in der zweiten Periode ein Urheberrecht von dem Gesetze anerkannt wird, und es hat auch Wohl seit der Geltung des Gesetzes ein Zweifel nicht bestanden. Ist nun Traviata in der zweiten Periode in Italien ge schützt, so ergibt sich anderseits, daß derInhalt des Schutzes sich in jedem Lande nach dem Rechte dieses be urteilt, mit andern Worten: nur bezüglich der Schutz- dauer ist die I c x ori^inis bzw. Isx patrius maß gebend, im übrigen aber die Icx kori. Daß dieser Grundsatz auch mit Bezug auf Italien Anwendung findet, hat bereits im Jahre 1906 Röthlisberger in seinem Kom mentar zu der Berner Konvention ausgeführt, vgl. S. 112, Nr. 4: »Ein in der zweiten Schutzperiode der freien Wieder gabe gegen Tantiemepflicht befindliches italienisches Werk wird also in den andern Ländem nicht etwa auf Grund dieses Systems, sondern vollständig gegen Wiedergabe geschützt, sobald nur überhaupt noch eine Schutzfrist im Ur sprungsland besieht. Umgekehrt sind die Verbandswerke in Italien, wie die italienischen Werke, von einem gewissen Zeit raum an in bezug aus das Vervielfältigungsrecht, nicht aber in bezug aus die anders geordneten abgeleiteten Rechte, nur nach Maßgabe des ckomains public paz-ant geschützt.« Be kanntlich steht die Rechtsprechung des Reichs gerichts auch auf dem Standpunkt der Maßgcblichkeit der I-ox loci für den Inhalt des Schutzes, und sie erkennt an, daß in Gemäßheit dessen der Ausländer in einem Vertragsstaat mehr Rechte genießt als in seinem Heimatsstaate. Bereits in den Ent scheidungen in Strassachen Bd. 32, S. 43 hat das Reichs gericht dies anerkannt; dieneueste Entscheidung, diediese best 8 tigt, datiert vom 23. Januar 1911, sie ist von Lobe in Heft 4 der Zeitschrift »Gewerblicher Rechtsschutz« S. 138—146 veröffentlicht worden. Folgender Satz erscheint darin von her vorragender Wichtigkeit: »Unvereinbar mit Artikel 2 der Berner Übereinkunft ist die Meinung des Urteils, daß der Schutz, den ein Urheber in einem Verbandsland zu beanspruchen habe, niemals weiter reichen könne, als der Schutz, der seinem Werk im Ursprungsland zukommt. Das Gegenteil ist bereits in der Entscheidung Bd. 32, S. 41—43 ausgesprochen. Allerdings ist in der Übereinkunft von 1886, die vorliegend ausschließlich in Betracht kommt, der Schutz im Einfuhrland (Verbandsland der Anspruchserhebung) noch nicht völlig unabhängig vom Recht des Ursprungslandes gestaltet, wie es in den neuesten Vereinbarungen geschehen ist (Revidierte Übereinkunft vom 13. November 1908, Reichsgesetzblatt 1910, S. 965). Grund sätzlich steht aber auch Artikel 2 Absatz 2 der Übereinkunft von 1886 auf dem Standpunkt, daß in jedem Verbands- land fremde Werke, die zu den in Artikel 4 aufgeführten gehören, nach den innern Ge- I0Z1