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9156 Börsenblatt f. d. Ltschn. Buchhandel. Nichtamtlicher Teil. ^ IS1. 17. August ISIS. daher nicht ganz genügen. Bei älteren Gehilfen werden wohl Zeugnisse aus früheren Stellungen meist vorgelegt werden können. Auch diese werden dann kein ganz voll ständiges Bild von der Bewährung des Gehilfen und seinen Leistungen geben, wenn dieser gerade in der letzten Stellung, in der er sich zur Zeit der Kündigung noch befindet, be sondere Fortschritte gemacht oder eine neue Art von Tätigkeit ausgenommen hat; jedoch wird in diesem Falle die Er kundigung des Geschäftsherrn, der len Gehilfen anstellen will, bei dem Geschäft, wo der Angestellte zurzeit in ge kündigter Stellung steht, die nötige Ergänzung liefern. Vorläufige Bescheinigungen, die sofort nach der Kündigung und vor dem Austritt aus dem Geschäft dem Gehilfen aus gestellt werden, werden vom Gewerbe deshalb nicht sehr hoch bewertet, weil jeder Geschäftsinhaber, vor allem wenn der Gehilfe eine lange Kündigungszeit hat und nicht das volle Vertrauen des Geschäftsinhabers genießt, eine vorläufige Bescheinigung häufig so vorsichtig wie möglich abfasfcn wird, um sich nicht während des Restes der Beschäftigung des Gehilfen jedes Einflusses auf seine Leistung und Führung zu begeben. AuS dem Gesagten geht hervor, daß sich die aufgeworfene Frage nur schwer allgemein entscheiden läßt; häufig wird nur von Fall zu Fall bestimmt werden können, ob der Mangel des Zeugnisses aus der augenblicklichen gekündigten Stellung die neue Anstellung überhaupt hindert und in welchem Grade. 3. Die Beantwortung der Frage, ob man trotz vor liegenden Zeugnisses Erkundigungen einzuziehen pflegt, hängt von der Bedeutung ab, die von dem Geschäftsherrn dem Engagement beigelegt wird, von der Wichtigkeit der zu be- setzenden Stellung, oder ob man den von dem Anzustellenden gewonnenen Eindruck ergänzen zu müssen glaubt. Jeden falls sind solche besonderen Erkundigungen sehr häufig, zumal wo es sich um die Besetzung wichtiger Posten handelt, und gegenüber einem vorhandenen Zeugnisse wohl von aus schlaggebender Bedeutung sowie auch geeignet, ein fehlendes Zeugnis vollwertig zu ersetzen. (Düsseldorfer Handelskammer.) »Die kleinen Mittel.» Kürzlich hat sich der Staatssekretär des Äußeren, Herr von Kiderlen-Wächter, gelegentlich seines Aufenthalts in Kissingen von einem französischen Journalisten interviewen lassen und dabei der »kleinen Politik« das Wort geredet, jenen Maßnahmen von Fall zu Fall, die vielleicht die Vorbedingung für eine Politik großen Stils sein können, aber weit weniger Enttäuschung als die so oft versagenden »großen« Mittel mit sich bringen. Diese Resignation, zu der sich hier ein leitender Staatsmann bekennt, illustriert besser unsere politische Lage als langatmige Auseinander setzungen über das, was geschehen könnte, um uns mit einem Schlage aus aller Misere herauszureißen. Denn erstens geschieht ja doch nichts, und zweitens weiß außer Herrn Langewiesche niemand, was geschehen muß, um die Menschen der von ihnen erträumten Glückseligkeit teilhaftig werden zu lassen. Und auch dieser weiß keinen andern Rat als »arbeiten und nicht ver zweifeln«. Wo aber die großen Mittel versagen, muß zu den kleinen gegriffen werden, jenen, die, wie Herr von Kiderlen-Wächter sagt »vielleicht die Vorbedingung für eine große Politik werden können«. Das hat man auch im Buchhandel erkannt, und lange, bevor dieser Staatsmann in Ermanglung eines Besseren die »kleinen Mittel« als Allheilmittel empfahl, haben wir auf sie als die wirksamste Waffe im Kampfe gegen die Konkurrenz der Auch, buchhändler hingewiesen. Denn auch im Buchhandel haben die großen Mittel, unter denen noch dazu jeder etwas anderes versteht, versagt, weil für ihn keine anderen Lebensbedingungen gelten als für alle übrigen Berufsstände. Daß wir trotzdem mehr erreicht haben als andere wirtschaftliche Vereinigungen, danken wir in erster Linie unserer geschlossenen Organisation und dem von ihr geführten Kampfe um den Ladenpreis, in dessen Schutze auch der kleine Geschäftsmann vorwärtskommen kann, ohne fürchten zu müssen, von einer übermächtigen Konkurrenz erdrückt zu werden, sobald er selbst das Seinige tut, sich erfolgreich zu behaupten. Denn das Beste und Wirksamste muß immer von jedem selbst geschehen, da auch die Zu gehörigkeit zum Börsenverein noch keine Anwartschaft auf ein sorgenlose- Dasein gibt. Wenn jeder Einzelne in derselben Weise seine eigenen Interessen wahrnehmen würde wie dieser die Interessen der Gesamtheit, so wäre damit ihm und den anderen in weit wirksamerer Weise gedient, als wenn man alle Last auf die Organisation wälzt, statt sein bescheidenes Teil selbst zu tragen. Dafür, daß dieser noch genug zu tun übrig bleibt, sorgen schon die wirtschaftliche Entwicklung und unser politisches Leben, die ihre Wellenschläge auch in den Buchhandel werfen und seine Organisation zwingen, zu allen Erscheinungen durch Förderung oder Abwehr Stellung zu nehmen, je nachdem sie sich als nütz- lich oder schädlich erweisen. Hier die Politik der kleinen Mittel als das Evangelium einer großen Vereinigung zu Preisen, wäre verkehrt, weil diese Dinge unter andere Gesichtspunkte gestellt werden müssen, als die Tätigkeit eines Geschäftsmanns, der nur einen kleinen Kreis zu überblicken braucht und zunächst keine andere Rücksicht als auf sich selbst und seine Interessen zu nehmen hat. Ein Verein dagegen, der nur aus der Hand in den Mund lebt, ohne seine Tätigkeit unter eine große leitende Idee zu stellen, kann so wenig seiner eigentlichen Aufgabe gerecht werden wie ein Staat, der nicht schon in der Gegenwart die Voraussetzungen für die Zukunft schafft. Aus diesem Grunde ist auch das von Herrn von Kiderlen-Wächter empfohlene Rezept im Grunde genommen nichts anderes als das Eingeständnis, daß es uns an großen Gesichtspunkten zur Durchführung fruchtbarer Ideen fehlt. Schuld daran, daß sich der Staat bescheiden mit »Fallenstellen« begnügt und zuwartet, was sich sängt, ist vielleicht auch hier die Über lastung mit Kleinarbeit, die Notwendigkeit, seine Kräfte in einer Summe von »kleinen Mitteln« zu verzetteln, so daß für große Aufgaben nichts übrig bleibt. Ganz in die gleiche Lage würde auch der Börsen- verein kommen, wenn man ihn auf die Dauer mit Arbeiten überlasten würde, die ebensogut, ja unter Um- ständen besser, von dem Einzelnen oder den Ortsvereinen übernommen werden können, weil ihr Wert mehr oder weniger von den differenzierten örtlichen Verhältnissen abhängt und nur von Fall zu Fall beurteilt weiden kann. Hier sind die kleinen Mittel nicht nur am Platze, sondern können auch durch die Art ihrer Anwendung groß und bedeutungsvoll werden, wenn man sie nicht nur gelegentlich benutzt, sondern in ein gewisses System bringt. Ja sie könnten auch Fragen einer Lösung ent- gegenführen, die in ihrer allgemeinen Fassung schon deswegen nur einer individuellen Behandlung zugängig sind, weil auch im Geschäfts- leben nur Hand von Hand gewaschen wird und Leistung und Gegen leistung nicht im Verhältnis gegenseitiger Abneigung zueinander stehen dürfen. Oder ist man allen Erfahrungen zumTrotz wirklich noch der Meinung, daß der Verlag zu einer allgemeinen Erhöhung des Rabatts übergehen wird, unbekümmert darum, wie sich der einzelne Sortimenter zu ihm stellt? Eine solche Entwicklung ist nicht anzunehmen, ganz abgesehen von der Frage, ob sie über haupt im Interesse des Sortiments liegen würde. Weit wahr scheinlicher rst dagegen, daß nicht Sortiment und Verlag, sondern Sortimenter und Verleger sich mit einander über diese Frage verständigen werden und zwar im Sinne einer Gegenseitigkeitspolitik, die nicht durch die bloße Zugehörigkeit zum Buchhandel, sondern durch die materiellenGrundlagen der gegen seitigen Beziehungen bestimmt wird. Damit ist aber dem Sorti menter schon der Weg vorgezeichnet, den er zu gehen hat, um schwer erfüllbare Wünsche an den Verlag in unschwer zu er- reichende Forderungen an den Verleger umzuwandeln. Daran ändert auch der Monopolcharakter des Buches, die Not- Wendigkeit der Einbeziehung gewisser unentbehrlicher Werke nichts, da seine eigentliche fruchtbringende Tätigkeit nicht in der Bücher- Besorgung, sondern im-Vertriebe besteht Denn es hat, wie wir schon früher betonten, volkswirtschaftlich gar keinen Zweck, wenn sich in dieselbe Arbeit, die eine Firma leisten kann, drei oder vier Firmen teilen, während keine daran denkt, einmal Neuland aufzusuchen oder