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Wilsdruffer Tageblatt Das Wilsdruffer Tageblatt ist das zur Veröffentlichung der amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschast Meisten, des Stadt rats zu Wilsdruff, des Forstrentamts Tharandt und des Finanzamts Nossen behördlicherseits bestimmte Blatt alle anderen Stände des Wilsdruffer Bezirks Anzeigenpreise laut aufliegendem Taris Nr. 4. — Nachweisungs-Gebühr: 20 Rpfg. — Dorgeschriebene Erscheinungstage und Platzvorschriften werden nach Möglichkeit berücksichtigt. — Anzeigen - Annahme di; vormittag; w Uhr. m Kür L" Richtig»»! Ler Lurch Nernrus üLcrmil- Fernsprecher: Amt Wilsdruff Nr.206 letten Anzeigen üderneh. Nationale Tageszeitung für tandwirtschast und Da, .DülsLrufier Tageblatt» erscheint an allen Werktagen nachmittags 4 Uhr. Bezugspreis monatlich 2,— AM. Drei Haus, bei Postdestellung 1,80 RM. zuzüglich Bestellgeld. Einzelnummern 10 Rpfg. Alle Bostonstalten und Post- voten, unsere Austräger u. 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Wie der Fall auch ausgehen mag, die Welt ist in diesen Monaten des Kriegsgerüchtes weit über Italien und Abessinien hinaus in einen Wirbel von Un ruhe hineingezogen worden. Am unruhigsten wurde selbstverständlich Italien, das die schwere Aufgabe übernahm, riesige Truppen- Mengen mit all ihrem Bedarf an Kampfmaterial und Lebensmitteln ins ferne Land zu transportieren. Über diesen kostspieligen Transport hinaus, der allein durch die Durchschifsung durch den Suezkanal — die Suezkanal A.-G. war bisher die einzige Nutznießerin des Konflikts zwischen Italien und Abessinien — stattliche Summen er fordert, heißt es für das Inland, all die Vorbereitun gen zu treffen, die erforderlich sind, um dort für den Fall eines Kriegswinters die Rohstoffreserven für die Aufrecht erhaltung der.Betriebe heranzuschaffen. Richt zu reden von den Nahrungsmitteln für die Zurückgebliebenen. Als schwerster Mangel hat sich in diesen Monaten die un genügende Selb st Versorgung Italiens auf allen wichtigen Gebieten herausgestellt. Weder in der Ernährung noch in der Industrie kann Italien aus den Austausch mit dem Auslande verzichten. An Getreide Muß es nach dem heutigen Stand der Landwirtschaft jähr lich 2» Prozent, an Fleisch 45 Prozent ans dem Ausland einführcn, um den Eigenbedarf zu decken. Bedeutend größer sind die Rohstoffeinfuhren für die Industrie, da Italien ein fast völlig rohstoffarmes Land ist. Um seinen Textilbedarf zu decken, muß es 80 Prozent Wolle und 99 Prozent Baumwolle im Ausland kaufen. Seinen Kohlenbedarf deckt es mit 95 Prozent, seinen Mineralöl bedarf mit 99 Prozent im Ausland. Kupfer ist so gut wie gar nicht im eigenen Land vorhanden, nur 47 Prozent des Metallbedarfs werden im Mutterland erzeugt. Diese Zahlen sprechen eine beredte Sprache, sie ge währen einen schüchternen Einblick in die u n g e h eu r en Anforderungen, die in diesem Augenblick an den italienischenStaatssäckel gestellt werden. Allzu reich gefüllt ist er ohnehin nicht. Besondere Notmaß nahmen mußten längst in Kraft gesetzt werden, um dem Finanzbedarf einigermaßen gerecht zu werden. Die starre Golddeckung wurde auf unbestimmte Zeit aufgehoben. Die letzten Goldreserven werden angegriffen. Nach angeblich Vorheriger Verständigung mit Frankreich hat sich Rom neuerdings entschlossen, seine Bestände an französischen Staatsrenten in Höhe von etwa einer Milliarde Lire ab zustoßen und dafür Gold einzulösen. Denn ohne Gold kann Italien heute weder seine Rüstungsaufträge noch seinen sonstigen Heeresbedarf in der Welt beschaffen. Gold und Barzahlung verlangen vor allem die großen Wirtschafts staaten der Welt, bei denen Italien ohnehin tief in der Kreide sitzt. Von Krediten wollen sie nichts wissen; denn die internationale Hochfinanz ist selbst wohlhabenderen Staaten gegenüber seit Jahr und Tag wenig krcditbereit. Lange Zahlungsziele lehnt die Industrie der Welt ab. Sie ist im Zweifel über den Ausgang des großen Abenteuers. Das Beispiel der englischen Grubenbesitzer, die sich unter dem Schutz des Staates geweigert haben, Kohle nach Italien zu liefern, solange die alten Schulden nicht bezahlt sind, ist bekannt. Ebenso bekannt ist der Fall der Londoner Metallfirmen, die unter Hinweis auf die ausstehenden Zah lungen Italiens ihre Lieferungen einstweilen zurückgestellt haben. Selbst das goldreiche Amerika hat in der Frage der amerikanischen Rohbaumwoll-Lieferungcn den englischen Standpunkt eingenommen, der besagt: Erst Schulden abdecken, dann weiterliefern. Was Wunder, daß Italien unter diesen Umständen überall da Bestellungen ausgibt, wo es zu einigermaßen annehmbaren Preisen Waren bekommt. Das Bild der Liefer st aalen hat heut? eine völlige Ver schiebung erfahren,-und diese Tatsache dürfte auch in den kommenden Monaten, gleichgültig, ob der Krieg Tat sache wird oder nicht, im internationalen Wirt schaftsleben von allergrößter Bedeutung sein. Ganz Europa ist mit italienischen Aufträgen überzogen worden. In Ungarn kauft Italien Pferde, in Polen Uniformen, in der Türkei Kohlen, in Südslawien Mais, Getreide und Holz, in Japan angeblich sogar Stiefel, in der Tschechoslowakei Flaschen für Bier und Mineralwasser, in Ost- und Süd afrika Obstmarmeladen und Gefrierfleisch, in Rumänien Erdöl. Wie stark die Rückwirkungen dieser Käufe auch auf andere Länder sind, beweist die Tatsache, daß beispiels weise Spanien dank dem starken italienischen Eigenbedarf an Zitronen seine in den letzten Jahren stark verminderte Zitronenausfuhr wieder hat steigern können, beweist in größeren Zahlen die Tatsache, daß die USA., die in deu MWn will WWW MW. Abessinien will die Genfer Vorschläge annehmen. Unter gewissen einschränkenden Bedingungen. Die Vorschläge des Fünferausschusses werden in Addis Abeba weiter eingehend geprüft. Im großen und ganzen betrachtet man sie als annehmbar. Allerdings steht die Regierung auf dem Standpunkt, daß sie gemäß ihren früheren Zusagen über wirtschaftliche Zugeständnisse, die allen Ländern gleiche Rechte einräumen, nicht in der Lage sein wird, Italien Sonderzuge, ständnisse einzuräumen, da diese unter Um ständen Streitigkeiten mit den anderen interessierten Großmächten bringen könnten. Im übrigen hat der Kaiser die Schaffung einer besonderen Polizei, die für die Sicher heit der in Abessinien lebenden Europäer sorgen soll, bereits vorbereitet. Was die Kontrolle des Sklaven schmuggels an den Grenzen anbelangt, so ist man hier der Ansicht, daß dies die Aufgabe der anliegenden Länder sei, durch die der Schmuggel erfolge. In der Frage der Aufnahme ausländischer Berater in die abessinische Regierung ist man nach wie vor zu Zugeständnissen bereit. Der Völkerbund solle seine Kandidaten — Europäer oder Amerikaner — Vor schlägen, der Kaiser behalte sich jedoch seine Ein willigung vor. Man betrachtet diese Formulierung als eine be- dingte Annahme der Vorschläge des Fünferaus schusses. Allerdings dürften damit die Wünsche Italiens keineswegs erfüllt werden. Der Fünferausschuß müßte also versuchen, einen neuen Weg der Verständigung zu finden. Der Aegus an die Weltpresse. Das große Festessen, das der K a i s e r v o n A b e s - sinien für die in Abessinien weilenden Vertreter der Weltpresse veranstaltete, nahm in Anwesenheit von 85 Pressevertretern einen glänzenden Verlauf. Im Verlaufe des Abends nahm der Kaiser das Wort zu einer Ansprache, in der er nochmals wiederholte, daß er niemals ein Mandat, welcher Form es auch sei, annehmen werde, das die Unabhängigkeit seines Landes verletzen werde. Er sagte u. a.: über zweitausend Jahre unserer Freiheit haben unsere Fähigkeit gezeigt, uns ohne Protektorat selbst zu regieren. Als Führer des Kaiser reiches und Beschützer meines Volkes werde ich im Kriegsfälle selbst das Heer gegen den Feind führen, aber Gott wird zu verhindern wissen, daß unser Streit mit Italien einen blutigen Ausgang nimmt. Wir können Italien keine wirtschaftlichen und Gebietszugeständnisse gewähren, ohne eine Gegenleistung zu erhalten. Als unabhängiger Staat wachen wir über unsere Freiheit. Auch Italien wünscht Abänderungen. Obwohl die Vorschläge des Fünferausschusses dr italienischen politischen Kreisen auch weiterhin mit größter Skepsis beurteilt werden, so unterläßt man es doch jetzt allgemein, die Vorschläge rundweg abzulehnen. In ihrer gegenwärtigen Form seien sie allerdings, wie an zuständiger Stelle erklärt wird, sirr Italien nicht annehm bar, falls nicht noch einschneidendeÄnderunge« vorgenommen werden sollen. In dieser Absicht werden, wie man hinzusetzt, die Vorschläge des Fünserausschusses in Rom von der italienischen Regierung zur Zeit einer Prüfung unterzogen. Wie nasch diese Prüfung durch geführt werden kann, läßt sich noch nicht übersehen. Die WleWtv KüMMnitimM Wie die englische Zeitung „DailyMail" auS Rom berichtet, sei die i t a l i e n ! s ch e R e g i e ru n g nach Prü fung der Vorschläge des Genfer Fünferausschufses zu der Überzeugung gelangt, daß Italien jetzt nur noch der einzige Weg bleibe, an die Waffen zu appellie ren, um seine gewünschten Ziele in Ostafrila zu erreichen. In ähnlicher Weise äußern sich auch die Berichterstatter der englischen Zeitungen „Morningpost"", „Times" und „Daily Telegraph" die besonders darauf hinweist, daß der von Aloisi beabsichtigte Besuch in Rom aufgegeben werden mußte, weil Mussolini erklärt habe, er wünsche keinen Rat von Gens anzunehmen. Gleichzeitig weist „Daily Telegraph" darauf hin, daß Mussolini seine endgültige Entscheidung noch verschoben habe, um seine militärischen Vorbereitungen letzten Jahren in ihren Erdöllieferungen aus Westeuropa so gut wie verdrängt worden waren, heute wieder als Lieferant auftreten, denn Rumänien ist vollauf mit Erdöl lieferungen nach Italien versorgt. Der rumänische n Ausfuhr st eigerung an Erdöl um 6 1, DPro - zent lagen feste Liefcrungsverpflichtungen Italien gegen- über zugrunde. Das völlig ungenügende Vorhandensein eigener Rohstoffe, besonders an Erdöl, das sich jetzt sür Italien so bitter bemerkbar macht, ist Anlaß zu einer groß zügigen Suche nach eigenen Erdölvorkommen im Lande gewesen. Mag sein, daß die Suche neue Quellen erschließt. Für den Augenblick gehört die italienische Erdölversorgung zu den größten Wirtschaftssorgen des italienischen Staates. Daß eine derartig starke Warenbewegung auch auf den übrigen Märkten, über den Kreis der Beteiligten hinaus, fühlbar wird, liegt auf der Hand. So haben seit Monaten die Versicherungssätze sowohl wie die Tarifsätze für Frach ten im internationalen Verkehr vieler Länder nicht un erheblich augezogen, Wcizeupreise stiegen, Kapitalflucht setzte eiu. In einen Wirbel von Unruhe geriet die Welt....