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2. Beilage zu Nr. 88. Sonnabend, den 27. IM 1901. Vaterländisches. sMiUheilungm aus dein Leserkreise sind der Redaktion stets willkommen. Der Name des Einsenders bleibt unter allen ilmständen Geheimnis; der Redaktion. Anonl;me Zuschriften können nicht berücksichtigt werden.) Wilsdruff, den 26. Juli 1901. — Am heutigen Freitag Mittag gegen ^12 Uhr verunglückte Herr Bahnassistent Schneider von hier auf hiesigem Bahnhofe beim Rangiren, indem er von einem Wagen fiel und so unglücklich zu liegen kam, daß ihm der linke Arm zermalmt wurde. Dem Verletzten, der in das hiesige Krankenhaus überführt wurde, mußte der ganze Arm amputirt werden. — Die mit der Lieferung der China-Denkmünzen beauftragte Stuttgarter Metallwaarenfabrik W. Mayer und F. Wilhelm in Stuttgart, hat als erste Auflage 40000 Stück aus lcgirtcm Bronzegeschütz und 50000 Stück aus legirtem Stahlgeschütz hergestellt. Auf der Vorderseite sieht man über einem großen VV die Kaiserkrone und ringsum den erhöhten kranzartigen Rand die Inschrift: „Den sieg reichen Streitern. 1900 China 1901." Die Rückseite zeigt in erhöhter Umrahmung eine sinnbildliche Darstellung: den seine Schwingen weit ausbreitenden Adler über allerlei Gewürm und Gethier. Der Entwurf rührt bekanntlich vom Kaiser her, das Modell von Pros. W. Swott in Berliu. Damit die Denkmünze am Bande getragen werden kann, ist oben ein kleiner Ring angebracht. — Deuben. Durch Erhängen entleibt hat sich am Mittwoch Vormittag auf dem Boden des väterlichen Hauses der 19jährige Gußstahlfabrikarl eiter Arthur Uhlmann in Deuben. Die Ursache zu dem verzweifelten Schritte des jungen Mannes ist unbekannt. — Zitzschewig. Von einem schweren Schicksals schlage ist die Familie Große in Zitzschewig betroffen worden. Am Sonnabend spielte das 2L°jährige Söhnchen Erhardt auf dem Hofe, als cs von seinem Vater zum Essen gerufen wurde. Als der kleine, liebe Kerl dem Rufe folgen wollte, wart ihm ein Windstoß seinen Stroh hut in das Wasserbassin, natürlich wollte er ihn wieder haben, verlor aber das Gleichgewicht, fiel in das Wasser und ertrank. Den tiefbetrübten Eltern bringt man all gemeine Theilnahme entgegen. — Eine Acelylengäs-Epplosion ereignete sich am Dienstag früh 8'/i Uhr im Hofraum des Klempnermeistcrs Walther in Brießnitz. Der 16 Jahre alte Lehrling war beauftragt, den Gasometer der in der Kirche befind lichen Acetylengasanlage zu rcpariren. Als er jedoch mit der Löthflamme dem Apparat nahe kam, entzündete die Stichflamme die zurückgebliebenen Gase und der ziemlich große Kessel zerbarst vollständig. Der Lehrling erlitt nur unerhebliche Brandwunden. — Eine neue Kraftquelle hat die Motoren- und Motor fahrzeugfabrik von Moritz Hille in Dresden-Löbtau mit einem Apparat geschaffen, der in Verbindung mit Gasmotoren eine äußerst billige motorische Kraft liefert. Dieser Originalkraft-Gasmotor mit selbstthätigem Kraft- gaserzcuger hat fast das Aussehen eines gewöhnlichen Stubenofens, der mit dem Gasmotor in Verbindung gebracht ist. Der letztere saugt das Gas, welches aus der in dem Ofen glühenden Kohle gebildet wird, auf, und dieses gicbt die motorische Kraft. Der ganze Apparat ist von sehr einfacher Konstruktion. Es ist nicht zu verkennen, daß es in einer Zeit, wo die Brcnnstofffrage eine ganz besonders ernste Tagesfrage ist, das lebhafteste Interesse aller industriellen Gewerbetreibenden finden dürfte. Die Betriebs kosten stellen sich pro Pferdckraft und Stunde bei kleineren Motoren ans ca. 3 Pfg., bei großen sogar nur auf 1'Z Pfg. Die Anlage erfordert sehr wenig Raum, geringe Abwartung, keinen besonderen Schornstein und keine beson dere Konzession. - Landgericht Dresden. Unter dem Namen „Otto Selle" richtete der schon mehrfach wegen Betrugs abgeurthcilte Gärtnergehilfe. Heinrici) Oswald Böhme aus Herzogswalde an eine hiesige wohlhabende Dame einen Bettelbrief, schilderte die eigene Lage m den duster sten Farben und erreichte durch den Schwindel ein reich liches Almosen. 6 Monate Gefängniß und 2 Wochen Haft bilden die Strafe. — Militärgericht. Mit einem schon lange gesuchten Deserteur, der die Umgegend von Nossen, Wilsdruff, Löthain und das Elbthal in der Nähe von Dresden un sicher gemacht hat, beschäftigt fick das Kriegsgericht der 23. Division in der Person des l878 in Löbtau geborenen, vom Kriegsgericht derselben Division im Jahre 1899 wegen Fahnenflucht, Preisgabe von Dienstgegenständen, Dieb stahls und Betrugs mit 8 Monaten Gefängniß und Ver setzung in die zweite Klasse des Soldatenstandes vorbe straften Ulan der 1. .Eskadron des 17. Ulancn-Regiments in Oschatz, Gustav Arthur Ziller, der sich wiederum wegen Fahnenflucht, Preisgabe und Beschädigung von Dienst- gegenständen, Sittlichkeitsvergehens, Raub, Sachbeschädig ung und Diebstahls zu verantworten hat. Im Herbst vorigen Jahres entfernte sich Ziller aus der Kaserne, um sich dem Dienst im Heere dauernd zu entziehen, und trieb sich in der Umgegend von Meißen, Wilsdruff und Dresden umher. Am 6. Dezember v. I. soll Z. auf dem Ritter antsweg zwischen Löthain > nd Robschütz den Handarbeiter Pohle angefallen und ihn des Jackets, des Hutes und des Halstuchs beraubt haben. Für die auf gewaltsame Weise erlangten Sacken ließ :. seinen Uniform-Mantel dritter; Garnitur und die Feldmütze für P. zurück, der die Sachen auch anzog, weil er nichts Anderes hatte. Um sich un kenntlich zu machen, hatte Z. die Achselklappe vom Mantel entfernt. Den ganzen Winter und im Frühjahr will er in Ziegeleien und auf Schiffen gearbeitet und sich dadurch seinen Lebensunterhalt verschafft haben. Am 24. Mai soll Ziller aus dem Eiskeller des Fleischermeisters Zschäckel in Briesnitz, mit dessen Lokalitäten er vertraut war, eine Sckweinskeule im Werthe von 11 Mk. 20 Pfg. gestohlen haben. Gelegentlich einer Revision in den Ziegeleien nach verdächtigen Personen fand man Ziller in einer solchen schlafend vor, worauf seine Festnahme erfolgte. Aus der Ortszelle zu Stetzsch versuchte Z. auszubrechen, doch miß lang ihm dies, da man von dem Ausbruchsplan Kenntniß erlangte. Nack kurzer Beweisaufnahme wird die Ver handlung vertagt, weil der Hauptzeuge Pohle nicht er schienen ist. — Dresden, 25. Juli. Bei einer Verhandlung des Kriegsgerichts, welcher Prinz Johann Georg präsi- dirte, kam es heute zu einer aufregenden Szene. Der Mißhandlung und der Anstiftung hierzu war der Unter offizier Otto Aug. Thiel von der 3. Komp, des Schützen- regimeuts Nr. 108 angeklagt. Der Schütze Schreiber war von diesem mit Schlägen traktirt worden und sollte von der Mannschaft auf Veranlassung des Thiel „ge-. , schäftet" werden. Aus Furcht vor diesem Akt halte sich Sch. den Hals zu durckschneiden versucht. Ans Befragen des Prinzen, warnm der Zeuge Schreiber habe Selbst mord begehen wollen, brachte dieser keil! Kort heraus und verfiel in schwere Krämpfe. Der anwesende Stabs arzt erklärte, daß Sch. nicht mehr vernehmungsfähig sei, worauf der Vorsitzende die Verhandlung vertagte. — Die Mißhandlung des Soldaten Lunckwitz wäre wahrscheinlich nickt in die Oeffentlichkeit gedrungen, wenn nicht der Reichstagsabgeordnete für den Meißner Kreis, Gäbel, alle Hebel in Bewegung gesetzt hätte, um dm beschränkten Soldaten von seinem LooS zu befreien. Nachdem sich die Mutter desselben, eine Gäbel bekannte Hausfran in Nossen, an diesen gewendet hatte, er möchte ihren Sohn, der bereits fünfviertel Jahre diene, den es nickt zum Vesten gehe, und der noch nickt auf Urlaub ge kommen sei, einen Neujahrsurlaub verschaffen, hat Gäbel, der den Lunckwitz als geistig schwach kannte, sich zunächst an das Regiments-Kommando, als sein Ansuchen an dieser Stelle vergeblich blieb, au das Generalkommando des 12. Armeekorps gewendet und zugleich den Versuch gemacht, dem Lunckwitz wegen Nichtbrauchbarkeit die Be freiung vom Militärdienst zu erwirken. Als auch dies bei dieser Instanz erfolglos blieb, trug Herr Gäbel die Sache dem sächsischen Militärbevollmächtigten in Berlin, Herrn Major Krug von Nidda, vor und erhielt endlich durch diesen die Mittheilung, daß die Entlassung des Lunckwitz ans dem Militärdienste wegen seiner allzngroßeu Beschränktheit verfügt worden und daß über die an ihm ausgeübten Mißhandlungen die Untersuchung eingeleitct worden sei. — Dresden, 25. Juli. Der König hat dem Vor tragenden Rath im Justizministerium Geheimen Justizrath vr. Karl Heinrich Börner den Titel Geheimer Rath mit dem Range eines Ministerialdirektors verliehen. — Der Fürst von Bulgarien traf in der Nacht vom Mittwoch zum Donnerstag in Dresden ein und setzte früh 4 Uhr die Reise nach Bayreuth fort. — Gegen die Ausführung der geplanten Thalsperre im Weißeritzgcbiet hat eine große Anzahl Fabrik- und Hausbesitzer bei der Köuigl. Amtshauptmannschaft protestirt. Die Petenten sind durch aus keine Gegner der Thalsperre, sie verkennen auch keineswegs den großen Nutzen derselben, sie halten aber für den thatsächlichm Ersatz aller den Bewohnern im großen Sperrengebiete durch Dammbrüchc zugefügten Schäden eine staatliche Garantie für unbedingt erforder lich. Die Thalsperren sollen nicht vom Staate, sondern durch eine zu dem Zwecke noch zu biloende Genossenschaft gebaut werden, deren Grundlage und System noch nicht bisher erörtert worden ist. Der Staat hat zunächst nur die Vorarbeiten durch seine Organe ausführen lassen. Daß der Staat für den Ersatz der durch nichtstaatliche Unternehmer-Bauwerke entstandenen Schäden die Garantie übernehmen würde, ist kaum anzunehmen. — Dresden, 23. Juli. Das Preisw.ttsiugen sächsischer Mannerchöre in der „Internationalen Kunstaus stellung" schließt mit einem häßlichen Mißton ab, indem der „Leipziger Männcrcbor" gegen das Urtheil der Preis richter, das ihm den zweiten Preis zusprach, in aller Form Protest erhoben und auch den Preis (bestehend auS dem Ehrenpreis der Stadt Dresden, dem „Dresdner Nach- richten"-Preis und dem „Dresdner Bürger"-Preis) zur Verfügung der Kommission gestellt hat. Die Kommission der „Internationalen Kunstausstellung Dresden 1901" hat hierauf dem „Leipziger Münnerchor" den Bescheid zu gehen lassen, daß sie sich nicht eher mit der strittigen An gelegenheit befassen könne, als bis eine Sitzung des für sie iufallibelen Preisrichterkollegiums hierin ein letztes Wort gesprochen habe. Eine solche Sitzung auzuberaumen, sei aber nicht vor Ende August und Anfang September möglich, da sich die Mehrzahl der Preisrichter auf Reisen befinde. Der Schritt des „Leipziger Männerchors" wird von vielen Seiten lebhaft bedauert und ist der Chor zweifellos schlecht berathen gewesen. — Dresden, 24. Juli. Eine Entgegnung auf die in Verbindung mit der Jnhaftbehultung des Redakteurs Quanter von der „Dresdner Rundschau" gegen das Detectiv- Bureau Jahncke erhobenen Anschuldigungen veröffentlicht heute der Direktor desselben in den Dresdner Blättern. Er bestreitet darin entschieden, der „Dresdner Rundschau" Unterlagen für ihre bekannten Skandalartikel geliefert zu haben und erklärt, noch niemals ein Material, in welchem Prozeß es auch immer sei, anderweitig verwendet zu haben, als lediglich im Interesse seiner Auftraggeber. In der in den „Dresoner Nachrichten" veröffentlichten Erklärung findet sich übrigens ein Satz,derin derim„DresdnerAnzeiger" stehenden Annonce nickt enthalten ist. Dieser lautet: „Mich zwingt die Nothwendigkeit undum Jrrthümerzu vermeiden, zu der Bemerkung, daß an dem Tage der Verhaftung des Herrn Redakteurs Quanter die Kriminalbehörde in dem Stellcnveruiittclungs- und Detekfivbnreau Wolff in Dresden eine Beschlagnahme des gejammten Materials, aus Grund dessen Herr Redakteur Quanter den bekannten Artikel verfaßte, vornahm. Es ist möglich, daß diese Beschlag nahme die Veranlassung gegeben hat zu den in den Zei tungen kursirende Notizen." — Dresden, 25. Juli. Ein junges hübsches Mäd chen ging dieser Tage in der Blasewitzer Straße mit leider ellenlanger Schleppe, welche die ihr folgenden Per sonen durch das Aufwirbeln des Staubes arg inkom- modirte. Ein Herr trat infolgedessen an sie heran und bat höflich, sie möchte doch ihre Schleppe in die Höhe nehmen, worauf sic etwas spitz antwortete, das sei ihre Sache. Im Nu waren aber fünf Herren zusammen, gaben sich die Häude und tanzten um die betreffende Dame herum, daß sie nicht fortkonnte, ä la Leipziger Karneval. Nach dem das vorbei war, blieben die genannten Herren noch, die Hände zusammengefaßt, stehen und fragten die Dame nochmals höflich, ob sie nun ihre Schleppe in die Höhe nehmen wollte, worauf sie beschämt ein leises „Ja" flüsterte und, die Schleppe in der Hand, davonging. — Ein guter Magen. Im Gasthaus „Stadt Meißen" in Dresden stellte sich Abends gegen 11 Uhr ein junger Mann ein und erbrachte den Beweis, daß es auch heute noch Menschen mit außerordentlich guten Magen giebt. Zunächst entnahm er dem eintretenden Fischmann folgende Delikatessen, um sie sofort zu verzehren: IRoll- mops, einige eingelegte Zwiebeln und 2 Oelsardinen. Hier auf trank er eine Taffe Kaffee mit Milch und aß eine neue sauere Gurke dazu. Nachdem er dies verzehrt hatte, bestellte er beim Kellner ein Kotolett mit Gurkensalat und Kartoffeln, sowie Semmel und ging nunmehr mit einigen Gästen eine Wette ein, daß er noch zwanzig harte Eier essen könne, was er auch sofort ausführte. Dazu trank er ein Gläschen Nordhäuser, eine Tasse Kaffee und drei Flaschen Selterswasser. Vorher hatte er bereits acht Glas Bier zu sich genommen. Das genügt! — Brand. Bei dem Gewitter, das am Dienstag Nachmittag über die hiesige Gegend ging, scklug der Blitz in das Stall- bezw. Niederlagsgebäude der Grube Himmels fürst, welches in unmittelbarer Nähe des Huthauses steht. Der Blitz fuhr in die Räume, in denen die Zünder ver wahrt werden. Gezündet hat der Blitz nicht; doch war ein dichter Qualm entstanden. — Roßwein. Dreiundsechzig Jahre lang wohnte der kürzlich hier im 83. Lebensjahr unverheirathet verstorbene Tuchmacker Herr Wilhelm Brenner in einem und demselben Log iS mit Kost. Im Jahre 1838 wanderte er iliRoßwein ein und mieihete ein möblirtes Zimmer in der Wohnung der Eltern der Frau des inzwischen verstorbenen Herrn Schuhmachermeisters Hase in der Querstraße hierselbst. Darin blieb er bis zum Ende seines Lebens. — Roßwein, 25. Juli. Gestern Abend in der 11. Stunde brach in dem früher Grundmannschen, jetzt dem Strumpfwaarenfabrikauteu Hermann Krondorf und Weichert gehörigen Hause in der hiesigen Frohngasse Feuer aus, das so schnell um sich griff, daß das Haus von der Feuer wehr nicht gerettet werden konnte. Doch wurde das danebenMende Haus der Alteiseuhäudlerin Wittwe Preiß vor dem Uebergreisen der Flammen bewahrt. Die Bauart der Frohngasse ist eng; sie ist mit alten Gebäuden bebaut. Glücklicherweise herrschte Windstille. - Döbeln, 25. Juli. Seit acht Tagen ist der hiesige Malermeister M. jr, der in gutem Ansehen stand, spurlos verschwunden, was hier erhebliches Aufsehen er regt hat. Den Mann hat jedenfalls die Nichterfüllung der auf Errichtung einer G lasmanufaktur (Schleiferei re.) gesetzten Hoffnungen kopflos gemacht. In seiner Abwe senheit ist nun über sein Vermögen der Konkurs eröffnet worden. — lieber die Lage der Chemnitzer Maschinen industrie hat ein dortiges Blatt eine Anfrage an die bctheiligten größeren Firmen gerichtet. Die Antwort ist leider zum größten Theile keine günstige. Nicht in einem einzigen Betriebe hat anscheinend die Arbeiterzahl vermehrt werden können und nur sehr wenige Firmen konnten be richten, daß voll gearbeitet werde. Verhältuißmäßig günstig ist die Lage in einer Anzahl größerer Werke, so in der Maschinenfabrik Germania, in der Kappler Maschinen fabrik, in der Maschinenfabrek Schimmel u. Co. und in