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dürfen. Sie begrüßte mich in ihrer lebhaften, wortreichen Weise und half mir mit ihrem munteren Geplauder über die halbe Stunde, welche unserem Aufbruch zur Kirche voranging, hinweg. Ich hörte Harrys Wagen unten vorfahren, und dann erschien Alice und brachte mir in seinem Namen das wundervolle Brautbouquet — zugleich flüsterte sie mir zu, Harry habe meinen Vater aufgesucht. Endlich war es Zeit, in die Kirche zu fahren. Als ich in Kranz und Schleier auf die Schwelle meines schönen, freundlichen Mädchenstübchens trat, empfing mich Harry, der mich hier erwartet hatte, und an seinem Arm schritt ich hinab ins Wohnzimmer. Jetzt legte mein Vater meine Hand auf seinen Arm und führte mich zum Wagen — Fräulein Osborne folgte, während Harry und Herr Osborne den zweiten Wagen bestiegen. Von der Ceremonie selbst weiß ich nicht viel, nur daß Harry und mir Fragen vorgelegt wurden, die wir mik einem Ja beantworteten, worauf der Geistliche unsere Hände inein anderlegte und die alte ehrwürdige Trauungsformel über uns aussprach. Unter Orgelklang verließen Harry und ich das Gotteshaus als Mann und Frau — diesmal fuhren wir Beide allein zusammen. — — — — Von dem weiteren Verlauf des TageS habe ich nur noch eine verworrene Erinnerung; ich weiß, daß wir das Speise zimmer bekränzt und den Husch festlich gedeckt daheim vor fanden — in der Mitte der Tafel stand eine große Vase mit einem großen, herrlich duftenden Rosenstrauß, und am Duft erkannte ich sofort, daß die Blumen aus Cottiswalde von meinem Lieblingsbaum stammten! Alice beobachtete mich, als ich den Strauß in die Hand nahm, und ich sah sie sich die Augen wischen. Harry war lebhaft, fast ausgelassen, wie ich ihn noch nie gesehen hatte, und mitunter wechselte er einen triumphiren- den Blick mit Herrn Osborne. Mein Vater saß ernst, aber nicht fiusterblickend oben am Tisch; von Zeit zu Zeit sah ich ihn forschend meinen Gatten ansehen, und jedesmal, wenn dies geschah, vermied es Harry, dem Auge meines Vaters zu begegnen! — Herr Osborne brachte in wohlgesetzten Worten ein Hoch auf die Gesundheit des Brautpaares aus, aber wir saßen unendlich lang bei Tisch, und ich athmete erleichtert auf, als die Tafel endlich aufgehoben wrde. (Fortsetzung folgt.) Girr schöner? Akt öer? 'Uretät. Eine historische Skizze. Alte aktive Militärs findet man heutzutage in Deutschland nur noch im Offizier-, selten im Unteroffizierstande, im Stande der Gemeinen aber gar nicht. Anders war es vor hundert Jahren bei der preußischen Armee bestellt. Da kam es vor, daß gemeine Soldaten bis an die 50 Jahre in Aktivität sich befanden^ Der Grenadier Kuhlbrodt diente seit Stiftung des Wolframs- dorfschen Regiments volle 48 Jahre in demselben und hatte manche Schlacht und Belagerung mitgemacht, oft dem Tode getrotzt, manche Wunde davongetragen und manche Narbe als vollgültige Ehren zeichen aufzuweisen. Nunmehr nahte die Zeit, diesen Veteranen zu versorgen. Zu dem letzten Geburtstag, den der 73jährige im Regiment zubrachte, veranstaltete sein Fähnrich, ein Graf zu Dohna, eine würdige Feier. Er hatte den größten Theil der Offiziere zu einer Festlichkeit, deren Zweck er ihnen nicht nennen zu dürfen vorgab, eingeladen und überraschte dieselben nicht wenig, als er ihnen verkündigte, daß sie mit ihm den 73. Geburtstag Kuhlbrodts feiern möchten. Der Greis in der Grenadiermontur vermochte vor Rührung kein Wort hervorzustammeln, eine Thräne rollte in den weißen Bart, und treuherzig reichte er jedem der Herren die Hand. Dann nahmen ihn die Offiziere in ihre Mitte und ließen ihn seine Erlebnisse und Thaten erzählen, wobei er vergnügt sein Pfeifchen schmauchte. Unter rauschendem Tusch der Regimentsmusik wurde er, als man sich zur Tafel begab, vom Grafen Dohna an den Ehrenplatz geführt, wo er trotz allen Sträubens sich niederlassen mußte. Mit bebender Stimme stammelte der Greis einige Worte des Dankes. Nun fragte man ihn, was er sich an diesem seinem Ehrentage wünsche, er bat aber nur, man möchte doch nicht so viele Unistände mit ihm machen. Seine Gesundheit wurde darauf bei Pauken- und Trompetenschall aus einem großen Deckelglase getrunken, worüber sich der Alte innig freute. Leutnant v. N. überreichte ihm darauf mit einer kurzen Anrede ein Gedicht und einen Eichenkranz, allein das Geburtstagskind war in seiner Be scheidenheit nicht zu bewegen, den Kranz aufzüfetzen. Da schlug der Leutnant v. L. vor, diesem würdigen Greise einen monatlichen Gehalt auszusetzen. Die übrigen Herren stimmten bei und setzten ihm eine Pension auf Lebenszeit aus. Mit Musik wurde der Veteran dann nach seinem Quartier gebracht, wo er beim Scheiden nochmals jedem Einzelnen mit warmem Händedruck dankte. Die Offiziere dankten ihrerseits dem Fähnrich Grafen Dohna, daß er ihnen eine solche herzerhebende Freude bereitet habe, jedenfalls ein Beweis, daß in dem Offizierkorps dieses Regiments ein hoher, menschenfreundlicher Geist wohnte. Man vergesse nicht, daß dies im Jahre 1788 geschah, also in einer Zeit, wo eine rohe, die Menschenwürde oft tief beleidigende Behandlung der Gemeinen seitens der Offiziere noch an der Tagesordnung war, und deshalb verdient dieser Zug reiner Menschlichkeit des Grafen Dohna der Vergessenheit entrissen zu werden. Einst im Mai. Neber mir am Frühlingshimmel Lichte Wolkenstreifen zieh'n, Und durch meine Seele gleiten Längst vergess'ne Melodien: Auch ein Frühlingsmorgen war es, Ganz wie heute sonnig klar, Nnd die lauen Lüfte spielten Mir ums jugendblonde Haar. Ganz wie heut ein drängend Blühen Und ein Grünen durch das Land, Nnd wir beide selig gingen Durch die Auen Hand in Hand. , Wachst Du auf aus Deinem Traume Längst verklungene Jugendzeit? Nur das Herz blieb jung, sie selber Hinter mir so weit, so weit. Karl Theodor Schulz. König HfchuLcrcongkorn unö Königin Sswoycr von Siam. — Irnu WotHn. (Zu den Porträts S. 1.) König Tschulalongkorn, der Beherrscher des hinterindischen Reiches Slam ist im Jahre 1853 geboren, aber man sieht ihm seine 47 Jahre nicht an. Er erscheint jugendlich rüstig. Sein Gesicht zeigt den gelbbraunen Teint, und auch sonst hat es den gewöhn lichen siamesischen Typ, wenn auch vielleicht nicht ganz so prononcirt, wie bei den anderen Siamesen. Die hervorstehenden Backenknochen, die tiefbraunen, etwas geschlitzten Augen und das struppige, schwarze Haar besitzt auch er. Er trägt einen kleinen schwarzen Schnurrbart, dessen Spitzen herabhängen. Das Auftreten des Königs ist durch aus königlich, selbstbewußt. Seine Augen blicken fest und eine gewisse Energie ausdrückend. Sein Gang und Wesen haben etwas Hartes, Abgerissenes, seine Sprache ebenso. Er spricht ein nicht ganz flüssiges Englisch. Durchaus gesellschaftlich gewandt und von einer regen Pflichttreue und großen Arbeitskraft beseelt, ist er un ablässig bemüht, seinem Lande und Volke europäische Sitte und Kultur einzuimpfen. Bei seinen längeren Reisen in Europa inter- essirten ihn besonders in Deutschland die Armee-Einrichtungen, die er in seinem Lande auch nachgeahmt hat. — Die Königin Sowoya ist eine kleine, ziemlich starke, ca. 30 Jahre alte Dame, deren Ge sichtsausdruck kein besonderes Interesse bietet. Sie zeigt den echten Typ einer Siamesin, die kurzen Haare und die vom Betelkauen schwarz gefärbten Zähne. Eine europäische Sprache versteht sie nicht. Sie ist eine Schwester des Königs. Auch dessen erste, frühere Frau, die, sozusagen, abgesetzt wurde, als ihr Sohn, der frühere Kronprinz, starb, war eine Schwester von Tschulalongkorn. — Frau Botha, die Gemahlin des Generalissimus des Buren heeres, ist eine geborene Engländerin. Bekanntlich weilt sie jetzt in Europa. Apfetöiebe. (Zu den Bildern S. 4 und 5.) Fröhlicher Humor lächelt uns aus Hugo Kauffmanns „Apfel dieben" entgegen. Ein paar Aepsel zu stehlen ist am Ende keine Todsünde, und so sei auch dem Bürschchen oben im Baum ein ebenso glückliches Entwischen gegönnt wie seinem flinken Schwesterchen, das geschickt die Zaunlücke zu benutzen weiß.