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und somit den Segen des Friedens nimmermehr zu stören! — Majestät sind, hoffe ich, nun mit mir zufrieden! — Was ich zu vergeben hatte — alles — gab ich hin!" „Alles nimmermehr!" rief der Kaiser, jetzt die Hand des Prinzen herzlich fassend. „Scheuchen Sie diesen bangen Trüb sinn aus dem Herzen! Bleibt Ihnen deun nicht eine Perle, die nach Ihrer eigenen Meinung köstlicher ist, als alle Kronen der Welt?" „Bettler werben nicht um Perlen, Sire!" entgegnete Prinz Louis finster. „Unser Vetter Louis Charles von Bourbon ist ein Fürst von Königlichem Stamme! Den fürstlichen Besitz lassen Sie unsere Sorge sein!" sprach Kaiser Franz begütigend. „Doch wir disputiren später über diesen Punkt, mein Prinz! Jetzt führe ich Sie in das blaue Prinzessinnenzimmer Marie Antoinettes. Ich denke, die Stätte, an welcher sich das beglückte Jugendleben der Mutter entfaltet, wird dem Sohne ein theures Denkmal der so früh Dahingeschwundenen sein. Und in dem Hauche ihres Geistes, der noch heute den trau lichen Raum umschwebt, als ob sie gestern geschieden wäre, werden sich auch die Dissonanzen Ihrer schmerzlich erregten Seele lösen." Mit diesen Worten nahm Kaiser Franz den Arm des Prinzen und führte ihn aus dem Gemach. Fast willenlos ließ es Prinz Louis geschehen, und bald schritten sie durch lange Korridore und prächtige Zimmerreihen, bis endlich Kaiser Franz vor einer glänzend weißen, reich mit Gold verzierten Thüre stehen blieb. Ein leiser Druck auf den bronzenen Drücker, und — ein kleines-Paradies, ein Stückchen blauer Himmel selber that sich auf. Grad' der Thür gegenüber aber hing, umwogt von himmelblauen Atlaswolken, das lebensgroße Bild Marie Antoinettes! — In der ganzen zarten Lieblichkeit der kaum erschlossenen Mädchenknospe hatte es die geniale Künstlerhand wiederzugeben verstanden. Es war, als ob warmes Leben in der zarten Gestalt pulsirte, als ob der süße Mund, die sonnigen Augen dem Eintretenden lächelnd entgegengrüßen würden! — Prinz Louis blieb betroffen auf der Schwelle stehen. Schmerzbebend schaute er in die holden, ach so wohlbekannten Züge. „Mutter! Mutter!" rang es sich dann erschütternd aus der gequälten Seele, und überwältigt sank er wie gebrochen vor dem geliebten Bilde in die Knie. Sekunden und Minuten schwanden. Kaiser Franz war längst von der Schwelle zurückgetreten und hatte die Thür leise hinter sich zügezogen. Prinz Louis rührte sich nicht. Leise hatte sich die Thür wiederum aufgethan. — Prinz Louis hörte es nicht. — Wie ein holder Genius schwebte es jetzt heran. — Ein Engelsköpfchen lehnte sich an die Wange des Knienden. — „Louis Charles," flüsterte es ihm zärtlich leise ins Ohr — — da war das holde Wunder der Erlösung gethan! — Zwei selige Menschenkinder knieten nunmehr eng um schlungen vor dem Bilde Marie Antoinettes, und lächelnd schauten die strahlenden Augen auf das junge Paar herab. — Der Sohn Ludwig XVI. hatte seinen Königsthron ver loren, doch seine Königin hatte er wiedergefunden! Und die sonnige Gegenwart vermochte es die Schatten der trüben Ver gangenheit zu besiegen und mit ihrem strahlenden Glanze, mit ihrer Wonne jene für immer zu verdrängen. Gräfin Fersen lebte in dem Maienglück ihrer Kinder einen neuen Frühling. Warmer Sonnenschein zog in ihr Herz und ließ endlich ihre wunde Seele sauft genesen. Auch Herzogin Luise nahm warmen Antheil an dem Glücke ihres Lieblings. Sie sandte aus dem fernen Weimar die zärtlichsten Glückwünsche, und ihr hoher Gemahl, Herzog Carl August war vollends so recht in seinem Elemente! Er scherzte und neckte wieder nach Herzenslust, und die Freude lachte ihm dabei aus den Augen. — Nur fand er es immer wieder höchst bedauerlich, daß des Prinzen Alterthums forschung auf der Kunitzburg nunmehr ein Ende gefunden habe und der Gleisberg wieder einsam und verlassen in die Lande schauen würde. Frau Christiane dachte freilich in diesem Punkte anders. — In dem Glückstaumel, der die gute Alte erfaßt hatte, war es ihr noch ein besonderes Hochgefühl zu wissen, daß der durchaus salonunfähige Gleisberg sammt seinem Räuber nest, der alten Kunitzburg, sammt der armseligen Strohdach hütte und sammt Tannenwald und Tannendunkel jetzt endgültig abgethan war. — Unermüdlich sprach sie nur noch von der künftigen, stolzen Heimstätte ihrer Herrschaften, von dem prächtigen Schlosse in den Tiroler Bergen, welches Kaiser Franz dem jungen Paare als Brautgabe verehrt hatte! — Sie sah sich selber schon mit einem mächtigen Schlüssel bunde klimpernd durch die weiten Säle jenes Zauberschlosses wandeln. Und mit besonderer Vorliebe ertheilte sie im Geiste ihre Befehle zum Empfange des Kaisers Franz. Denn dieser wollte, so oft er im Tiroler Hochland den Gemsbock jagen würde, bei ihrer gnädigen Herrschaft huldvoll Einkehr halten. — Sie hörte schon deutlich die muntere Jagdfanfarc schmettern und sah den Kaiserlichen Jagdzug in den weiten Schloßhof reiten. Und sie belächelte mit überlegener Miene im Voraus die allseitige Verwunderung darüber, daß Seine Majestät grad' diesem ausländischen Marquis und seiner Gemahlin folch allerhöchste Auszeichnung erweise. Nur eins gab es, was ihr manchmal wehmüthig die Augen trübte, dies war der Abschied von dem treuesten der Verehrer, von Freund Kuhlemann! Wenn sein Blick stumm beredt den ihren suchte, dann empfand sie wohl eine tiefe Rührung, doch tapfer widerstand sie allemal solch zarter Werbung. — „Pflicht geht über Liebe!" sprach sie dann stets zu sich selbst, und im Glanze dieser neuen Märtyrerkrone fühlte sie sich beinahe ihrer heiligen Schutzpatronin ebenbürtig. Als der Schnee von den Bergen schmolz und wieder sonniger Lenz ins Land zog, da flog die Kunde von der Vermählung der lieblichen Komtesse Maria von Marquis de Brize ius Schloß von Weiniar, und von dort fand sie auch den Weg in die Herberge zum „Rothen Pfennig". Grad wie damals, als die schwedische Gräfin ankam, waren die guten Leute von Kunitz wieder einmal vollzählig versammelt. Die schöne Rose kredenzte freilich nicht mehr die Krüge, sie .war längst Frau Försterin und saß heut, selbst ein Gast in der kühlen Wirthsstube neben ihrem Eheherrn. „Alle Donnerwetter!" rief dieser jetzt, als er die große Neuigkeit vernahm, „alle Donnerwetter! Die Jungfer Gräfin hat's dem Herrn Marquis just nicht bequem gemacht, sie zu hofiren! Solchen Hundsweg oft zu erklettern würde ich mich schönstens bedanken!" Als Freund Findeklee aber weiter poltern wollte, da ward ihm mit einem munteren Hoch auf das junge Paar das Wort kurz abgeschnitten. Jubelnd erhoben Alle ihre Gläser, und sie durften dies heut mit leichtem Herzen thun. Der Franzos war aus dem Land gejagt, die Ehre des Vaterlandes wieder hergestellt, und Alle freuten sich, daß trotz der Verderbniß dieser Welt doch auch noch Lieb' und Treue unter den Menschen kindern wohnen! Komtesse Maria und Marquis de Brize halten es bewiesen. Elektrische Anlage am Wiagava-Iall. (Zu dem Bilde S. 1.) Immer mehr gewinnt in unserer Zeit die Elektrizität Boden, und es liegt nur daran, sie billig beschaffen und sicher weiterleiten zu können, um sie zur Allherrscheriu zu machen. Deshalb ist man daran, die ungeheure Kraft die in den Wasserfällen liegt, in Elek trizität umzusetzen. So hat man bereits die Kraft des Rheinfalles und besonders auch die der Niagara-Fälle in ausgiebigstem Maße verwerthet. Eine ganze Industriestadt ist dort an den Niagara- Fällen schon erstanden. Papierfabriken, chemische Fabriken ver schiedenster Art, Metallraffinerien rc., alle in großartigstem Maß- stabe angelegt, sind im Laufe von 2—3 Jahren errichtet worden und beziehen ihre Kraft ausschließlich aus der elektrischen Centrale am Wasserfall, von der aus überdies noch die 42 üw entfernte Stadt Buffalo beleuchtet wird. Wie billig der elektrische Betrieb sich dort stellt, mag man daraus erkennen, daß jetzt bereits von Europa Kupfererze auf dem Seewege nach der neuen Industriestadt „Niagara-Falls" gebracht werden. Dort werden sie verhüttet; das gewonnene Kupfer aber wird wieder nach Europa zurücktrans-