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kaum ihm selbstbewußte Zeichen vo» Verdruß ver schwand sofort wieder hinter dem gewohnte» ange nehmen Lächeln. „Darf ich um Ihre Mitthciluug bitten, Herr Criminalrath?" fügte er seiner geschmeidigen Höflich- kcit hinzu. „ES handelt sich nm einen seltsamen Fall, Herr von Tiirkcnbnsch. Ich komme, mir von Ihnen direetc Auskunft über eine Frage zn erbitten, die mich heute Abend stark beschäftigt hat. Kennen Sic Herrn Georg Hage?" „In Waldhammcr? Der Arbcitcrkönig?" forschte der Staatsanwalt, während sich seine dunkeln Angcn mit einiger Spannung ans mich richteten. „O ganz gewiß kenne ich ihn! WnS ist mit dem Alaune?" „Entschuldigen Sic vorher nach eine Frage. Ist Hages Nuf wirklich so fleckenlos, wie mir unser Birkner versichert? Oder was liegt gegen ihn vor? Meine Frage verfolgt durchaus keine Nebenzwecke, Herr Staatsanwalt, und ich bitte deshalb höflich nm eine ebenso offene Antwort." „Nnu wohlan. Diese Auskunft können Sie sofort haben. Gegen Hages Ruf ist meines Wissens von unserm beiderseitigen Gesichtspunkte nichts ciuznwcndcn, Herr College. Er ist zwar, offen gestanden, in höheren und höchsten Kreisen nicht ganz wohl ungeschrieben wegen einiger Vorgänge im tollen Jahre. Man hat ihn aber damals nichts anhängcn können, denn er ist klng, der alte Demagoge. Das hierauf bezügliche Akten stück mnß sich noch in Ihren Schränken finden. In bürgerlicher Hinsicht aber, die uns jetzt allein berührt, gilt Herr Georg Hage für einen vollkommen recht schaffenen Mann. Ja, cr erfreut sich iu seinen Kreisen einer allgemeinen Achtung und Beliebtheit." Die letzten Worte hatte Herr von Türkcnbnsch, der bis dahin äußerst fciu gelächelt hatte, wieder mit ernster Miene gesagt. „Hm, Hm. Und doch schreibt mir der Mann hier von einer wider ihn cingelcitctcn Untersuchung, von HanSsnchung, Beschlagnahme und dergleichen ange nehmen Dingen." „Was? Untersuchung? Gegen den Hage?" Das Erstaunen des Herrn von Türkcnbnsch übcr mcinc Mitthcilnng war ein so offenbar uatürlichcS und nn- gckünstcltcö, daß ich die schwache Spur eines tcimcu- Pcn Verdachtes, als könne hier irgend etwas vorge- aangcn sein, was ich vielleicht nicht erfahren sollte, sofort als unbcgündct wieder fallen ließ. Ich über reichte also dem Staatsanwalt stillschweigend daö an mich gelangte Schreiben. Herr von Türkcnbnsch faltctc dasselbe zunächst mit vornehmer Ruhe nnd Gelassenheit auseinander. Beim Lesen aber verließ ihn bald dieser Glcichmnth. Zu nächst begannen nun seine Augenbrauen wieder ihr vcrräthcrischcs Spiel, bald aber preßten sich auch seine feinen Lippen fest aufeinander und sogar die Hand begann alsbald cin wenig in nervöser Weise zu zittern, während die feinen Finger den Brief scheinbar unbe wußt zerknitterten. Eine Weile schwieg der Staatsanwalt noch, dann begann cr das Schreiben noch cinmal Wort für Wort sorglich zu durchlcseu und trat endlich nahe an mich heran. „Bitte nm Ihre offene Meinung über den selt samen Fall, Herr College," sagte cr mit ciucr Stimmc, auö welcher plötzlich alle weiche Geschmeidigkeit ge wichen schien. „Meine Meinung, Herr von Türkcnbnsch?" cr- wicdcrtc ich anöwcichcnd. „Nnn, ich war im Gründe gekommen, um —" „Die meinige zu hören?" ergänzte der Staatsan walt. „Gut, ich will mein „Credo" hcrsagcu. lieber mcinc Osfcnhcit sollen Sic dabci nicht zu klagen haben. Ich glaube also zunächst, daß Sic mir nicht ganz trauen. Bitte, ich irre da nicht und kenne auch die heiklen Punkte meiner Stellung ziemlich gcnnn. Ihnen behagen zunächst die Weisungen nicht, denen die Staatsanwaltschaft hin und wieder uachzukommcn hat. Sic wünschen nnö so völlig nnabhängig wie die Richter." „Ganz recht," bestätigte ich. „Jene Weisungen bieten mir bei den wechselnden Vrinzipien unscrs heutigen StaatölcbcuS nicht die volle Garantie der Parteilosigkeit, wie ich sic für die Staatsanwälte wünschen mnß." „Gut, deshalb also trauen Sic den Staatsanwälten im Allgemeinen nicht vollkommen. Ich glaube aber ferner, daß Sic mir inöbcsondcrc noch etwas weniger trauen, weil ich daö Unglück habe, dem Adel anznge- hörcu und zn den höheren Kreisen der Residenz in ziem lich nahen Beziehungen zn stehen." „Herr von Türkenbnsch!" rief ich fast erschrocken übcr dcn Scharfblick dcö ManncS, welcher das Innerste der Seele zn ergründen schien. Ich fühlte mich zu gleich gereizt durch die kaum verhüllte Ironie seiner Rede nnd doch wieder angenehm berührt durch den aristokratische» Wohllaut seiner Stimme und diel cigenthümlichc Wärme, welche sich, von seinen dunklen Angcn auSstrahlcnd, übcr dic scharfen Worte breitete. „Und nun, mein lieber Herr Criminalrath," fuhr der Herr Staatöauwalt fort, indem er meine Hand erfaßte, „nun glauben Sic auch mir. Haben nur es in unserem Falle, wie ich fast fürchte, mit einer jener Proecdnrcn zn Ihn», welche ihre rechtliche Blöße mit dem Lappen politisch polizeilicher Nützlichkeit bedecken, so stehe ich denselben doch so völlig fern, wie Sic selbst. Ich würde mcinc Hand nic zu einem derartigen Zwitlcrvcrfahrcn hcrleihcn. Sind wir nnn einver standen ? Habe ich die Barricadcu, welche znm Schaden der Gerechtigkeit zwischen dem Untersuchungsrichter und dem StaatSanwalte anfgcrichtct waren, glücklich hinwcggcränmt?" „Vollkommen," sagte ich mit dem Tone herzinnigster Ucbcrzcngung und drückte die feine Hand, die während der letzten Worte in der meinen geruht hatte. „So lasse» Sic uuö zur Sache komme»!" fuhr der Staatsanwalt, in de» Gcschäftöton cinlcnkcnd, fort. „Unser gegenwärtiger Fall ist unzweifelhaft ein höchst cigcnthümlichcr. Irgend cin gchcimnißvvllcö Faktum liegt hicr vor und wir müsscu dcmsclbcu um so sicherer auf dcn Grnnd zn kommen suchen, als cö sich auch möglicher Weise nm eine Gcsetzübcrschrcitung, ja sogar nm cin wirkliches Verbrechen handeln könnte. Ein solches setze ich natürlich blos als Möglichkeit voraus," setzte Herr Türkcubusch vorsichtig hinzu. „Ich halte aber gerade die Voraussetzung dieser Mög lichkeit für unbedingt uöthig, um nufer amtliches Einschreiten überhaupt zu rechtfertigen." „Sic wvllcn also wirklich in dieser Sache Anträge stellen, Herr Staatsanwalt?" Er sah mich etwas erstaunt an. „Wollen?" wiederholte cr mit cinigcr Schärfe. „Handelt cr sich hicr in dcr Thnt um nuscru Willen oder müsscu wir nicht viclmchr? Herr Georg Hage scheintvoransznsctzcn, daß die Hauösnchnug und Beschlag nahme durch uns erfolgt sei. Folglich haben die Personen, welche jene Akte vorgenommc» haben, sich mindestens nicht zu erkennen gegeben, oder wohl gar den Schein erregt oder geduldet, daß die Handlung von dem zuständigen Gerichte auSgegangcn sei. Wer kann sagen, warum diese Praxis gefallen hat? Mag aber der Grund sein, welcher cr wolle, so sind wir doch, glaube ich, cö nicht blos dem Herrn Hage, sondern auch unserer eigenen Ehre schuldig, dcr Sache auf dic Spur zn kommen. „So wären wir cinvcrstnndcn, Herr von Türken bnsch?" sprach ich. „Fahren wir also morgen früh nach Waldhammcr hinüber. Sic gestalten doch, dach ich Sic begleite, Herr Criminalrath?" '' --- Statt allcr Antwort crfaßtc ich noch cinmal dic feine Hand dcö Staatsanwaltes nnd entfernte mich dann, während Herr von Türkcnbnsch in dcn Concert- saal znrückkchrtc. Wie gründlich man sich in cincm Mcuschcn tänschcn kann, dachte ich beim Zubettgehen, kcineSwcgcS über diese Wahrnehmungen besonders erbant. Denn vor allem soll der Untersuchungsrichter cin erfahrener Physioguom sein. Freilich Hütte ich wohl dcn Lavatcr kcnucn mögen, der den scharfen Blick dieser dunkeln Augen und daö jetzt blos glatt höfliche, dann herb ironische nnd gleich darauf herzgewinnende freundliche Lächeln unseres Staatsanwaltes in allen Fällen richtig gedeutet hätte. Am andern Morgen zn früher Stunde rasselte be reits unser Wagen durch die noch menschenarmen Straßen der Sindt. Nur hicr uud da schob sich an cincm Fcnstcr dcr Vorhang bci Scitc, um ciucr de- raugirtcu Nachthaube uud einem verschlafenen Franen- gcsichtc darnntcr einen neugierigen Blick anf die frühen Reisenden zu gewähren. „Die gelbe Kutsche! Der Uutcrsuchuugsrichter! Dcr Staatsanwalt." Ich hätte wohl dic hnndcrt vcrschicdcuen Bctonungcn, mit wclchcn diese bcdcutnngSvollcn Worte gesprochen nnd den Tag übcr hnndcrtfach wiederholt wurden, hören nnd cin wenig slndircn mögen. Es wäre dies sicher ein ganz interessantes psychologisches Studium gewesen." Zn einer Fortsetzung unseres gestrigen Gespräches kam cö übrigens zunächst nicht. Zwar vor dem alten Birkner, dcr draußen nuf dem Bocke ucbcu dem Kutscher saß, hätten wir nnö nicht zu gcnircn brauchen, selbst wenn cr unsere Unterhaltung Wort für Wort gehört hätte. Aber cö gab da oben noch andere Reisege fährten. Uuö gegenüber anf dem Rücksitze des offenen Wagcnö saß zunächst mein Protocollführer Senf, dem man mit Rücksicht anf seine zehnjährigen Schrcibcr- dicnste dcn Titcl Aetnnr vcrliehcn hnttc. Wic schwer cö mir scit meincr Ankunft in Erlcnstcin gcwordcn war, dem nnangcnchm demüthigcn Menschen anch nur daö durch unsere amtlichen Beziehungen gebotene Ver trauen zu gewähren, daö wage ich hicr kaum zu sagen, denn heutzutage müsscu Dbcrbcamteu mit Uutergcbcncn zu jcdcr Zcit auölvmmen können, sic habcn nicht mchr das Recht, ihre Werkzeuge selbst zu wählen. Schon daö aufgedunsene, mchligwcißc Gesicht, ohne alle Augen brauen, von dünnen semmelblonden Löckchen umrahmt, wollte mir nicht gefallen, vor Altem aber erregten mir dic wasscrblancn Angcn, dic nnstät nnd unhciui- lich hintcr dcr glitzerndem Stahlbrille hin nnd her wanderten, stets cin unbeschreibliches Mißbchagcn. Ncbcn ihm hnttc cinc cbcn so ungcmüthlichc Person Platz genommen. Sehr glanblich, daß dcr Inspektor Albrecht ein so äußerst geschickter Polizist war, wic dcr Staatsanwalt von Türkcnbnsch von ihm rühmte. Wer aber mag sich im offenen und vertraulichen Ge spräche gehen lassen, wenn der schweigsame Manu dort auf dem Rücksitze mir ciu „Ja" oder „Nein" hcr- auögicbt, aber daher trotz dcr hnlbvcrschlcicrtcu Augen nicht blos bis in daö Eingeweide hincinsicht, sondern mit dcn dolchspitzigcn Angcn gleichsam auch zu hören nnd zu fühle» scheint. (Fortsetzung folgt.) Vermis ch t e s. — (Tcplitzcr Ausstellung). Am verstossene» Sonn tage war der Besuch dcr Ausstellung cin besonders starker. ES wurden an diesem Tage 2876 Eintrittskarten ä 30 Kr. gelost. Unter Hinzurechnung der Besitzer von Saison- und Freikarten kann dic Anzahl der Besucher am Sonntag auf weit über 4000 veranschlagt werden. Leider war das Wetter nicht sehr günstig. Die Gcwcrbcvcrcinc von Aussig, Tctfchcn, Dux und Brux waren in omiwro zum Besuch der Ausstellung erschienen. Sonntag Bormittag fand cinc gcmcinschaftlichc Versammlung der Mitglieder des hiesigen Gcwcrbcvcrcms und der eben genannten auswärtigen Gcwerbcvcreinc in dcr Schön- pricsner Bicrhalle statt, bei welcher Gelegenheit beschlossen wurde, daß jeder dieser Bcrciue 2 Delegirte zur Theilnahme an dem Gewerbctage nach Prag zu entsenden habe. Dcr Ver kauf dcr Loose war in dcn lctzten Tagen recht lebhaft, bisher wurden schon gegen »600 Loose abgcsetzt. — Durch dic Taubcn-Liebhaberei wurden dieser Tage zwei Menschenleben gefährdet. Der Sohn eines Webers in der FricdrichSfcldcr Straße in Berlin war am Morgen schon zu seine» Lieblinge» auf de» Bode» gestiegen, um sie zu inspi- zircu, und bci dicscr Gelegenheit mit dem Sohne des Wirthcs, der wiederholt dic Abschaffung dcr Tauben gefordert, in Streit gcrathen. Dcr Streit kam auf dem Dache zum Austrag. Dcr cinc dcr Knaben saß rittlings auf dem Dache und erwehrte sich des Gegners, dcr ihn an dcn Beinen zog, durch AuSthcilcn von Stößen, dabei verlor er aber das Gleichgewicht und beide Knaben rollten zum Entsetzen gcgcmibcrwohnenden Zeugen dic schiefe Ebene herab. Durch große Geistesgegenwart ist der Emc gerettet worden. Er ergriff dcn Ucbcrbau ciucr Dachlnke und hielt sich daran fest. Der Andere schic» »»rettbar ver löre»; er kollerte bis qn den Nand des Daches, wo cr jedoch glücklicherweise in der Gosse liegen blicb, bis ein Dachdecker ihn in Sicherheit brachte., Trotzdem ist die Sache nicht so glücklich abgelcmfcn, wie man Anfangs vcrmuthctc, denn der Knabe liegt in Folge des gehabten Schreckes schwer krank dar nieder. — Heftige Regen- und Gcwittcrstürme habcn vorigen Sonntag viele Theile Englands hcimgefucht und sehr bedeuten den Schaden eingerichtet. Die Niederungen von Liverpool und Birkenhead wurden durch dcn unaufhörlichen Regen überschwemmt. In dcr Umrunde von Chester und Derby stehen Felder und Chausseen unter Wasser, und die Saaten sind arg beschädigt worden. In Sheffield wurden dic Fundamcntc von 5 im Bau begriffenen Häusern weggcschwcmmt. Im Dcaner Walde habcn große Strecken Landes das Aussehen eines großen Sees, auf dem hin und wieder dic Wipfcl von Bäumen hervorschcn. Dcr Eiseubahnvcrkchr zwischen Bangor und Chester ist unter brochen. Dcr in Holyhcad um 2 Uhr Nachmittags fällige irische Postzug mustte, nachdem cr in Holywcll angelnngt, »ach Ehester zurückkehrc», da dic ganze Linie unter Wasser stand. Mehrere Brücken sind zerstört, dcr Viaduct in Llandulas ist unsicher geworden. In Nord-Staffordshire regnete cs 30 Stun den hindurch ununterbrochen. Die Flüsse Sow und Trent traten aus ihren Betten, und Tauscndc von Acker» standen ai» Montag unter Wasser. Aehnliche Berichte liegen anS Nord- Wales, AarnSlcy, Chester, Gloucester uud anderen Ortschaften vor. Ne, K Von Kobumlun nach Uromwii. tfegeleg enh, S. Staats bah Vo» Diwmlo.n »ach Koluuulun. eite». n c >i. Von 8e1mnäuu nach Ilmlonluwll'bvtxobou früh 2 3 t III) - 6 16 Vorm. 7 23 ") - 0 10 *) - 11 12 Nachm. I 6III) - I 2 t - 4 I - ü 38 - 8 54 *) —") Couricrzug ohi Von 8eliuiul»u »ach Huutxvu. früh 6 — - 0 35 Nachm. 12 — - 1 — III) - 2 — - 4 — Abds. 6 50 - 8 35 III) NachtS 11 15 - 1 — III) e3. Cl. III) mit 3.Cl. Von Huutnon, von 8 früh 7 27 *) - II 5 Nachm. 1 26 - 2—III) - 3 28 Abds. 5 2!) - 8 25 *) - 0 25 III) NachtS 12 40 - 1 50 III) *) Anhalt, in Krippen. ebnit/. 8o!uuulun früh 7 30 Vorm. 11 30 Nachm. 5 38 Abds.O —b.Neust. Abf von, Hauptzc früh 6 — Na 7 10 8 60 10 30 10 50 11 23 Nachm. 12 45 I >0 I 45 3 10 5 37 6 II Ank. früh 7 52 10 18 10 58 Nachm. 12 20 2 43 3 23 - 4 40 7 24 8 6 ahrt des Dampfbootes »llamt: von, Bahnhof: chm. 3 45 früh 6 17 Nachm. 4 2 5 5 7 30 5 10 5 20 0 10 5 28 5 36 10 35 5 45 6 50 11 10 7 — 8 — 11 35 8 5 8 15 Nachm. I — 8 25 8 40 I 30 0 — !> 10 2 — 0 30 3 30 Nedactio», Druck und Verlag von Th. Legler Sc H. Zeuner in Schandau.