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Fricdcnöwcrk der ehrlichen Holländer, welche während der Dauer ihrer Herrschaft die lobenöwerthesten Anstrciigungeii machte», die Eingeborenen z» eivili siren und z» belehren, Fortgang genvninien hätte! Die Matrosen erzählten dem Untcrstcncrmann, die holländisch-ostindischc Eompagnic habe seiner Zeit Geistliche und Schullehrer für die meiste» Dörfer ihrer Herrschaft cruaunt; die Eingeborene» wurde» ii» Lese» und Schreibe» der formosa»ischc» und der holländischen Sprache unterrichtet und oicle Tausende auf diese Weise zum Ehristcuthnm bekehrt. Ein alter Pirat bemerkte: „Selbst fünfzig Jahre nach der Vertreibung der Holländer fand mau Biele in der Umgegend dcö Hafens Tai-wan, welche Holländisch verstanden, und diese Sprache lesen und schreiben konnte». Daö haben schon mehrere Weiße bestätigt, die unsere Insel besuchten." Aaron entgegnete gespannt: „Dann wäre cö ja gar nicht unmöglich, daß sich noch Neste von Christcn- thnm ans der Insel vorfändcn." Der Matrose lächelte. „Daö meine ich auch. Ich selbst bin ein halber Ehrist, denn ich kann sogar daö christliche Krenz schlagen." Alsbald machte er der braune Dagale daö Zeichen dcö Kreuzes so corrcct, als ob er ei» Pater Kapuziner wäre. „Das hat mir schon mein Großvater gezeigt, dessen Vor- fahrcn zmn Christcnthmnc bekehrt worden waren, als die Spanier Ki-lnng in ihrer Gewalt hatten und die Missionäre von dorther auöscndctcn. Es gewährt Schlitz von Gott, lehrte mir mein Groß vater, und ich sollte cö mir in Stunden der Gefahr anwcndcn." „Hat cö dcmr gcholfcn?" „Gewiß. Meine Kameraden machen cs mir häufig nach und auch dcucn hilft dcr Zauber." Smith ritt nachdenklich weiter. Was könnte ans diesem Lande, ans diesem Volke werden, wenn dcr Same dcö Christciithmnö dasclbst zum Aufgchcn gebracht würde? Die Ostküstc hätte alle Eigenschaften für eine große Missionö- und Colonisati>msstalion, da sie von keinem Staate abhängig ist, die Ein geborenen weder an Confntse, noch an Buddha, nicht einmal vorwiegend an Mohamed glauben! Er träumte davon, hier zn bleiben und ans der schönen Pflanzung Don Toribio's mir sich und seiner Liebe zn leben, bis ihn die Ankunft nm Hause des alten Pflanzers gewaltsam ans seinen Himmeln riß nnd der leidigen Gegenwart zurückgab. Er war sehr erstaunt, daß ihm Niemand cnt- gcgcnkam. Smith ließ sich vom Pferde hcrabhcbcn nnd öffnete so leise als möglich die Thür des HanscS, hieß seine Begleiter draußen warten nnd trat auf die Hanöflnr. Da kam zuerst die Mutter, Domin Toribio, aus einem Scitcnzimmcr, und empfing ihn mit nngcwohlitcr Kälte und Förmlichkeit. Einige Augenblicke darauf erschien auch Scraphinc, leichenblaß, mit Thräncu in den Ange» und in äußerster Erregung. Sic erhob ihre schönen Hände ein wenig und legte daun den Finger auf de» Mmid. Aaro» verstand sic mir halb, allein er merkte wohl, daß etwas Außerordentliches daselbst vorgefallcn sein müsse. So traten alle Drei bei Dou Toribio cm. Dcr Verwundete saß in einem Lchnstnhle, mit Kissen bedeckt. Sein Gesicht glühte fieberhaft; als er dcö Eintrctcndcu ansichtig wurde, zuckten ans seinen Augen Blitze. „Haha, Scmior Aaron!" sagte er mit Erbitterung in stockendem Englisch „Sic kommcn wohl, um mir den Gnadenstoß zu gcbcn? — Jhrc niedrigen, schändlichen Pläne sind entdeckt!" Dcr Steucrmmm stutzte. Bald aber hatte er seine Nnhe wieder erlangt. „Wnü sagen Sic, Scnnor?" gab cr mit dcr größte» Kälte im To» zurück. „Ich will nicht hosfe», daß Sic irre reden, daß sich die eine oder die andere Ihrer Wunden verschlimmert hat? Lassen Sic mich doch sehcn, wic cö mit Ihnen steht." Dabei fühlte cr ihm bedächtig den Pnlö, nnd fuhr fort: „Sie haben cimm sehr heftigen Fiebcr- nnfnll, Scnnor, ich muß Ihnen znr Ader' lasse», die Hitze bringt Sie sonst um!" Aaron nahm eine Lanzette ans seinem Bestecke. „Wäre cö möglich?" sagte dcr alte Spanier kleinlaut. „In, ja, ich fange an cö selbst zn glanbc», denn ich habe einen entsetzlichen Kopfschmerz. — Also Sic habcu mcincr Tochter keine entehrenden Anträge gemacht?" fahr cr fort. „Scnnor", erwiderte Smith, „waö fällt Ihnen mir ei»? Beleidigen Sie Donna Scraphina nicht. Wäre ich nichtswürdig genug gewesen, so etwas z» thnn, sie hätte mich mit Verachtung zurückgewicscn und es Ihne» wohl zuerst gesagt". „Ich verlange eine runde Erklärung", drängte der alte Pflanzer, „ob Sie Scraphinc keine Anträge gemacht, mit ihr keine Anschläge zur Entführung geplant haben? Dcr Friese erhob stolz nnd kalt das Haupt. „Ich versichere auf Ehrenwort, daß ich ihr keine! Anträge gemacht habe". Er fühlte sich dadurch! 222 keiner Lüge schuldig, da Scraphinc ihm selbst die Flucht angctragcu hatte. „Sprich, Scraphinc", fuhr dcr Alte fort, „ist dcm wirklich so?" „Ja, licbcr Vater!" antwortete daö Mädchen fest nnd kühn; „alles klebrige ist Vcrlenmdnng nnd bos hafte Verdächtigung". „Aber, mein Gott", nahm Don Toribio wieder daö Wort, „Phra-Sit, der Führer, den Du micthen wolltest, hat cö mir ja selbst gesagt". „Ich weiß von keinem zu micthciidc» Führer, lieber Vater", crwicdcrte sic wcincnd; „aber dicscr Phra-Sit ist dcr nichtöwürdigste Malahc, dcu cö geben kanu, cr verdient keine Schonung mehr. Am letzten Sonntage war ich im Orangcnwäldchcn nnd pflückte Früchte für Euch. Da gesellte dcr gclb- häntigc Malahc sich zn mir und war schr unverschämt. Ich stieß ihn zurück und drohte ihm, es meinem Vater sagen zn wollen, der würde ihm zeigen, wer cr sci. „Und ich, cntgcgnctc dcr Bösewicht, werde ihm glaubhaft zn machen wissen, daß Ihr mit dem Engländer dnrchzngche» Willens seid". — Hier begann Scraphinc noch stärker als bisher zn weinen und schien ganz außer sich. Die kleine Schlange hatte richtig spccnlirt. „Wartc, gelbhäutigcr Hallnuke, dcr Dn cö gewagt hast, Deine schmutzige Haud nach dcr Tochter eines Weißen, »ach einer edlen Spanierin zu erheben!" schrie dcr Alte im heftigsten Zorn. „Ich werde Dich zn finden wissen, ich will Dich züchtigen, daß Du zeitlebens daran denken sollst. — Weine nicht, meine liebe Scraphinc", fügte cr Hinz», „bcrnhige Dich nur! Ich habc Dir großes Unrecht gethan, ich weiß cö. Nun, ich will Dir nnch von Manilla cin Paar dinmantnc Ohrgchängc kommcn lasscn, wie sic mir die Königin von Spanien haben kann!" So ging cs noch ciiic gute Wcilc fort und Alles kam wieder in'S rechte Gleis. Auch die Mutter war völlig überzeugt, daß ihre Tochter nie an heimliche Flucht aus dcm Vatcrhause dcnkc und verdammte die Frechheit des falschen Malnycn, bedauerte auch einmal über das andere Mal, daß zwei Damen von guter Abkunft unter so bösen halbwilde» Menschen leben müßten. Da wäre es doch ans den Philippinen noch viel besser zn leben gewesen, weil man dort die Spanier unbestritten als Menschen höherer Nasse gelten lasse. Sic umarmte die Tochter auf daö Zärtlichste mid küßte sic. Dcm „cnglischcu Arzte" wurden tausend Entschuldigungen gemacht. Aaron bewunderte im Stille» die Geistesgegenwart Scraphi- ncn'S, welche die drohende Gefahr für ihre Liebe zu beschwören gewußt hatte, empfand aber doch auch einen gewaltigen Ncspcct vor dcr immcnscn Schlau heit dieser verführerischen Evastochter. Natürlich ließ nun Aaron daö Aderlässen sei» mid begab sich wieder wic chcmalö, von Scraphinc geführt, in daö Scitcngemnch, wo eine Collation seiner harrte. Dort erzählte sic ihm denn, wic Alles zusammcuhing. Dcr schündlichc Malahc hatte nämlich zwölf Dublonen auf Abschlag verlangt. Kaum sah cr sich im Besitz derselbe», so vcrricth cr dcm Vater, was cr von dcm Gchcimniß kannte. „Aber vertraue mir, liebster Aaron", fuhr sie fort, „wir haben zwölf andere malahischc und chinesische Arbeiter und fünf dagalischc Frauen von den Phi lippinen, sic licbcn mich Alle, dcnn ich bin menschlich und freundlich gegen sic, ich finde gewiß Einen oder Eine darunter, der oder die uns als Führer dienen kann. Ich verspreche demselben eine gute Ausstattung nnd sichere ihm zu, ihn bei anderen Europäern fern von Formosa untcrznbringen, dann könne» wir auf ihre Treue rechnen". Scraphinc Ivar an dicscm Abend so weich nnd süß, ihre Angen glänzten so von Liebe nnd Zärtlichkeit, daß cs Aaron schwer gcmig fiel, sich von ihr loö- znrcißcn. Kanm hatte er sic in seine Arine geschlossen, als die Mutter die Thür öffnete nnd de» Bootsmann eintrctc» ließ, der znr Abfahrt mahnte. Wirklich sank auch die Sonne bereits stark im Westen. Scraphinc kredenzte dem rauhen Bootsmami zwei Gläser Tafia (Zuckcrbranntwein) nud gab ihm endlich die ganze Flasche mit. „Hier, trinkt und rudert herzhaft", sagte sic, „mid bringt uns den englischen Doctor recht bald heil und ganz wieder, dcnn ohne ihn hätte mein armer Vater das Leben nicht mehr". Dann machte Scraphinc cin Packet für Aaron zurecht, dem sic Allcö cinvcrleibtc, was dic Pflanzung Schönes an edle» Früchten hcrvorbrachtc. Sic drüektcn sich noch einmal die Hand und Smith ging. Dic Matrosen halfen ihm wieder anfs Pferd und bald kam man am Ufer an, bestieg daö Boot und erreichte den Schooncr noch eine Viertelstunde vor Sonnenuntergang. Selbstverständlich halte dcr jimge Sccmann die Geliebte von der Ncisc dcö Schooncrü nach den Philippinen unterrichtet und Scraphinc bangte des halb sehr dem Tage entgegen, der das Nnnbschiff wieder aus dem Süden bringen sollte. — Zehntes Kapitel. Eö war neun Uhr Abends; dcr Kapitän zechte mit den beiden Patronen der Dschonken am Steuer bord. Aarou ging in seine Kajüte nnd legte sich nieder, vermochte jedoch nicht zu schlafen, dcnn alle seine Gedanken waren bei Seraphinen. Da öffnete sich die Thür nnd herein schlich der ehrliche Koch Cristoval, setzte sich neben die Koje dcö Untcrstcuer- mannö und flüsterte dicscm in'S Ohr: „Hcntc ging cö schr unruhig zu am Bord, Mr. Smith! Als Sic an'ö Laud gcfahrcn warcn, ricf dcr Kapitän dic Mannschaft ans dic Schnnzc znsnmmim nnd hielt folgende Anrede an nnö: „.Kameraden! Ihr habt nun in diesen sechs Wochen den gefangenen Engländer kennen gelernt. Er ist im hohen Grade brauchbar, daö sicht Jeder ciu, aber trauen können wir ihm mm imd nimmermehr. Ich merke es ihm an, cr denkt Tag nnd Nacht an dic Flucht. Wcun ihm mm dieselbe gelingt, waö doch immerhin nicht unmöglich ist, waö wird cr thnn? Er kcnnt unsere Schlupf winkel; cr wird sic dcm ersten besten cnglischcu Kriegsschiffe anzcigcn. Dann ist cö nm nnö geschehen. Haben wir nicht Formosa mehr, wo wir ans der Lauer liege» kömicn, so müßte» wir weiter hinaus i» daö öde Meer, wo cs nichts zu faugcn gicbt. Ich habc dcmnach einen Entschluß gefaßt, dcu ich Euch mitthcilcu will. Ihr werdet prüfen, ob mein Vor schlag nicht dcr bcstc ist. Wir wollen den Engländer noch einige Wochen am Scgclwcrk arbeite» lasse»; Ihr wißt, wic schlecht cö bci »»s damit bestellt ist, da wir keine» Scgclmachcr habe». Hat cr Allcö fcrtig, so wolle» wir u»ü deU Kerl vom Halse schaffen nnd zwar anf folgende Art: Ich suche cineö Abends Gelegenheit an ihm, Ihr steht nm unö her nnd nehmt Partei. Dcr Streit wird hitzig, ich stoße ihm mein Messer inö Herz. Ihr Ander» folgt »ach und damit ist'S gcthan". So sprach dcr Hcmptma»»; die Mannschaft bcrathschlagtc hicrcmf scincn Vorschlag". „Nmi, nnd daö Ergebniß war —?" fragte Aaron in begreiflicher Spannung. „Dic Meinungen warcn schr gcthcilt", begann dcr ehrliche Eristoval wieder; „mir einige blutdürstige Ungeheuer stimmten bedingungslos für Jhrc Er mordung, Stcncrmann, alle klebrigen aber verweigerten ihre Einwilligung. Sic hätte» Niemand beleidigt, wären eine brave Seele, wcöhalb also unnütz grausam sei»? hieß cö da. Man solle Sie sorg fältig bewache» mid nicht mehr an'S Land fahren lasscn, daö war dcr Endbeschluß. — „Ihr wollt cö so", sngtc dcr Kapitän entrüstet, „so tragt dcnn auch die Folgen Euerer Thorhcit. Ihr werdet sie bald erleben." „Nun mein Werther Mr. Smith", schloß der brave Schiffökoch, „jetzt wissen Sie, wie die Sache steht und waö dcr Kapitän gcgcn Sic im Schilde führt. Ich fürchte, cr läßt nicht von seinem Vor haben ab; nehmen Sie also Jhrc Maßregeln darnach. Wcnu nnd wo ich Ihnen dabei bchülflich sein kann, soll cö mit Freuden geschehen. Gebe Gott, daß ich Sie zn begleiten im Stande bin, denn ich habc daö Lcbcn auf dicscm verwünschten Piraten recht satt. Sie nehmen mich doch mit, Mr. Smith?" Dcr Gefragte schüttelte dcm Koche dic Hand. „Sobald mir Gott die Freiheit schenkt, sollen Sic nicht Zurückbleiben, das verspreche ich Ihnen. Ein Christ und ehrlicher Mensch, denke ich, dcr cö wohl mit seinem Nächsten meint, darf nicht den Piraten dienen. Eö wird sich schon noch cin anderer Platz für Sic anf Gottes Erde finden. Ich vergesse Ihnen nicht, daß Sie die einzige mitfühlende Seele an Bord dieses SchooncrS warcn nnd sind!" „Ich danke Ihnen, Air. Smith!" „Nnn aber lassen Sie mich über Mittel sinnen, recht bald diesem Kerker zn entfliehen. Sie könne» dcukc», Cristoval, wic mir »ach dicscr E»tdcck»ng zu Mmhe ist. Also auf dicsc Art sollte ich iu meinen jungen Jahren endigen!" — sagte Aaron mehr zu sich selbst. — „Nein! ich muß dcm Mörder zuvor- kommcn, muß mich zn retten suchen und sollte ich dabei untcrgehcn!" Dcr Stcncrmann wandte sich ab, mit scincn Ge- dankcn bcschäftigt, während der Koch hinaiiöschlüpfte und noch im Gehen sngtc: „Gott erleuchte Sic, Mr. Smith, denn ich armer, ^müssender Crcole weiß mir nicht zu helfen. Denken Sie für mich mit nach nnd zählen Sic bci dcr Ausführung Ihrer Pläne auf den ehrlichen Cristoval! Gute Nacht, Mr. Smith!" Aaron war sich selbst überlassen, schlief aber erst nach vier Uhr früh auf einige Augenblicke cin, so schr nahnnm ihn die Sorgen nm seine Befreiung in Anspruch. Mit Sonncuaufgaug ging der Schooncr nebst den beiden Küstenfahrzeugen unter Segel und alle drei Schiffe steuerten dircct nach Süden, nach Samar zn, welches etwa 600 Seemeilen oder 150 geographische Meilen von Formosa entfernt liegt. Dcr Wind war außerordentlich günstig nnd daö Schiff flog vor einem steife» Nordost wie ei» Bogel dahin. Gegen