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Beilage zu Nr. 44 der Sächsischen Elb Zeitung. Schandau, Sonnabend, den 31. Mai 1879. Tagcsgeschichtc. Gachfen. Der „P. A." schreib!: Jin Oktober vor. Jö. wurde ein Dienstknecht in Haft und Unter suchung genommen, weil derselbe dem Tngcarbeitcr Friedrich August Krebs ouö Waltersdorf zugestandcu haben sollte, daß er im Jahre 1875 daö beim Gc- mcindcvorstaud Zschachlitz in Waltersdorf bei König stein stattgcfnndcnc Schadenfeuer angelegt nud dafür von Zschachlitz 30 Thaler erhalten habe. Gleichzeitig hatte Krebs zn dritten Personen geäußert, daß ihm Zschachlitz Geld geboten habe, wenn er seine Gebäude in Brand stecke. Diese Angaben Krebs' hatten sich aber als ebenso frivole, als rein erfundene dargcstcllt und waren nur eine Rache für Einschreiten Zschnchlitz'S iu seiner Eigenschaft als Gcmcindcvorstand gegen daö Exccdircn und die Trunkenheit Krebs'. Natürlich konnte der Gcmcindcvorstand Zschachlitz diese Be leidigungen Krebs' nicht ungestraft hingchcu lassen und dcnuucirtc gegen Lctzcrcn wegen vcrlünmdcrischcr Beleidigung. Krebs, dem als schon bestraften Manne besonderes Vertrauen und großer Glaube einem so gut beleumundeten Maune wie Zschachlitz gegenüber nicht zu schcukcu ist, mag die Tragweite seiner Worte nicht geahndet, sonst würde er sie wohl unterlassen haben, denn das kgl. Gcrichtöamt Schandau vcrurlhciltc ihn wcgc» vcrlänmdcrischcr Beleidigung des Gcmciudc- vorstandS Zschachlitz zn 4 Jahr 4 Monaten Ge fängnis;, nnd würde noch höher gegriffen haben, wenn cS nicht den trunkenen Zustand Krebs' berücksichtigt hatte. Auch das königl. Bezirksgericht, welches auf deu Einspruch Krebs' gegen diese Strafe am ver gangenen Freitage in öffentlicher Sitzung darüber zu entscheiden hatte, erkannte durch Bestätigung der Strafe dieselbe vollkommen gerechtfertigt an. Der kürzlich in Meißen verstorbene Hausbesitzer nnd Mühlstcinhäudlcr Patschan hat in seinem Testa mente die löbliche Bestimmung getroffen, daß seinen zahlreichen Micthbewohncrn, die alle nicht mit irdischen Gütern überhänft sind, 1 Quartal Micthzins geschenkt und keinem unter Jahresfrist gekündigt werden soll. Aus Lommatzsch meldet man: Zu einer wahren Kalamität sind seit einigen Tagen für die hiesige Ge gend die Maikäfer geworden, die in so unglaublicher Menge dem Erdboden entschlüpfen, daß sic dcö Abends durch ihr Umhcrschwirrcn cincu Ton hcrvorbriugcn, der dem Rauschen eines StnrmcS nicht unähnlich ist und bereits viele Bäume, namentlich die Nnß-, Kirsch- und Ahornbänmc, fast kahl gefressen haben; infolge dessen erläßt die Königliche AmtShanptmannschaft Meißen eine dringende Verordnung, die möglichste Vertilgung der Käfer betreffend. Während übrigens diese lästigen Thicrc hier und in den nach Nossen zn gelegenen Ortschaften in wahrhaft kolossaler Menge anftratcn, sind sie iu deu sümmtlichcu Wciubcrgsortcu Cvöwig bis Radebeul Heuer förmlich eine Seltenheit. Um der Arbeit des Kiudcrwartcus enthoben zu sein, vergiftete vor einige» Tagen ein Kindcrmüdchcn das einzige ein Jahr alte Kind eines Gutsbesitzers in Woltisch bei Lommatzsch, indem eö dem Kinde erst einmal drei Köpfchen von Phoöphorstrcichhölzcrn in die Suppe kochic und, da dies den beabsichtigten Zweck nicht erfüllte, nach drei Tagen demselben noch acht Stück solcher Köpfchen bcibrachtc, worauf daö Kind starb. Obschon sich bei der Sektion ein An zeichen von stattgehabtcr Vergiftung nicht fand und nur erst noch die chemische Untersuchung den Nach weis davon zu liefern hat, so ist daö fragliche Kiudermädcheu doch, da dasselbe die That unum wunden gestanden hat, iuö Bezirksgericht Meißen abgcführt worden. Im Noseuthalc bei Leipzig war am vergangenen Sonntag Nachmittag in der 4. Stunde eine Gesell schaft vou etwa 12 Personen spazieren gegangen, welche sich auf der linken Seite der großen NoscMhalwicsc befand, als der Regen immer heftiger wurde, nud welche sich deshalb sehr beeilte, daö schützende Dach der Häuser zu erreichen. Ans einmal befand sich die ganze Gesellschaft in einem Fcucrmccrc, während der im Momente nnchfolgcitdc Donner davon Zeugnis; ablcgtc, daß der Blitz in unmittelbarster Nähe cingc- schlagen haben müsse, von der Gesellschaft aber waren 4 Personen, 3 Damen und 1 Herr, welche zusammen ein Stück vor den Ucbrigcu hcrgegaugen waren, ver schwunden. Als sich die Letzteren von ihrem Schreck erholt hatten, fanden sie ihre Begleiter zerstreut auf der Erde liegend ans, und stellte cs sich sehr bald heraus, daß der Blitz gerade in den Regenschirm der einen Dame, der 18 Jahre alten Tochter eines Gewerb- trcibcndcn in Leipzig, cingcschlagcn halte. Die Damc, welche sammt ihren beiden Begleiterinnen und dem Herrn nicht wußte, wie ihnen geschehen war, kam sehr bald wieder zu sich, hatte aber mehrfache Brandwunden an der linken Seite der Stirn, an der auch die Haare versengt waren, sowie am Oberkörper und dein einen Fuße erlitten, auch fehlte ihr der Ohrring ans dem linken Ohre, nicht minder waren die Kleider arg be schädigt und namentlich die Zengsticfelchc» in Stücken von den Füßen hermücrgcrisscn, während der Schirm stock zersplittert nnd ein paar Stäbe dcö Schirm- gcstcllö zcrbrochcn waren. Auch die Kleidung der übrigen 3 Personen war znm Theil zerrissen, ohne daß dieselben an ihrem Körper Spuren der Einwirknng dcö Blitzes davon getragen hatten. Die nnmitlclbar betroffene Damc, wclchc nachher vou ihren Begleitern mittelst einer Droschke nach Hanse gebracht wurde, muß zwar noch daö Bett hüte», hat aber sonst merk würdigerweise nicht den geringsten weiteren Schaden erlitten. Die am vorigen Sonnabend in der Oclöuitzcr Gegend (Voigtland) anfgctrctcncn Gewitter haben arg getobt nnd schwere» Schade» «»gerichtet. I» Tischen dorf ward eine Fra» vom Blitz erschlage»; i» Bobcn- »c»kirchc» ist der Besitzer dcö Gasthofs mit sammt scincm Grundstück, das der Blitz cntzüudct hatte, ver brannt; er gcricth bei seinen Bemühungen, zu rette», i» die Flamme». I» Altmnimögrü» erschlug dcr Blitz drei Stück großes Niudvich, ebenso erschlug er iu Willitzgrün wie iu Troödorf je zwei Ochsen. Mkeuße». Kaiser Alexander von Rußland trifft am !>. Jmn zn einem vier- bis fünftägigen Aufenthalt in Berlin ein, er wird von den drei jüngsten Groß fürsten begleitet sein nnd sich mit dem Edinburgher Hcrzogöpanr (Tochter nnd Schwiegersohn) in Berlin ein Rendezvous gcbcu. Sämmtlichc russische Gäste werden im rnssischcu Botschaftöhotcl abstcigcn. Dcr Großfürst Thronfolger hat sich entschieden geweigert, an der Gratulationövisitc sich zn bcthciligcn. Der Zar hatte einen Spczialgcsnndtcn zu seinem Sohne geschickt, nm diesen zu bewege», ihn »ach Acrli» z» begleite». Der Gcncral stellte schließlich dem Thron folger vor, daß dessen Weigerung den leidenden Zar miss Krankenbett werfen könnte. In seiner Anfregnng soll der Ccsarcwitsch anögcrnfcn haben: „Schließlich wäre cö doch besser, daß der Zar ans dem Kranken bette liegt, als — Rußland." Damit hatte natürlich die erregte Unterredung mit dem Bolen dcö Zaren und dessen Sohne ihr Ende. Baiern. Daö oberbaierischc Schwurgericht vcrurthciltc in contumaciam wcgcu Aufforderung zum Hochvcrrath und Beleidigung dcö dcnlschcn Kaisers nnd des Reichskanzlers den Frhrn. Ernst v. Linden zu 4 Jahre« Festung und 6 Monaten Ge fängnis;, den Buchhändler Schabclitz ^iu Zürich zu 15 Mouatcu Festung und 2 Monaten Gefängnis;. — Das Militärgericht zn Würzburg verhandelte dieser Tage gegen den Sccoudclicutcnaut Frhrn. Rudolf Schenk v. Gehern und 3 Unteroffiziere wegen militärischen Verbrechens dcö Mißbrauchs dcr Dicnstgcwalt u. A. Frhr. Schenk v. Gehern, 34 I. alt, seit 1874 Lieutenant, früher Nechtspraktikant, ist beschuldigt, iu 66 Fällen thcils durch eigenhändige Mißhandlungen, thcils durch Kommnudircu von Untergebenen zu dienstwidrigen Handlnngcn die ihm übertragene Dicnstgcwalt mißbraucht zu haben. Daö Urthcil lautete für ihn auf 2 Jahre Festungshaft und DicustcSentlassnng; für die Unteroffiziere auf 4, rcsp. 2 Monate Gefängnis; nud 25 Tage Mittcl- arrcst. /euiUeLorr. Neunzig Tage unter den Seeräubern auf Formosa. Erlebnisse dcö friesische» Stcuermamls Äanm Zmilh, bearb. von O. G. (Fortsetzung.) Neuntes Kapitel. „Alle Mann auf Deck!" ertönte das Eommaudo des Kapitäns gerade, als das Boot mit Aaron Smith am Schooncr anlcgtc. Eö war erst halb fünf Uhr Abends und man sollte die Ausladung der Prise fortsctzen. Es geschah mit großem Eifer; man stapelte die Güter thcils an Bord des Piraten zn einer an sehnlichen Höhe auf. Dcr Kapitän sagte dcr Mann schaft, daß cr die ganze Ladnng, mit Ausnahme dcr Lebensmittel und Getränke, auf Samar, der östlichsten der Philippinen, zu versilbern gedenke. Er wollte sie deshalb zwei alten Freunden, Patronen vou chinesischen Küstenfahrern, anvcrtranen, und hatte bereits au dieselben einen Boten abgeschickt. Wirklich langten sie auch schon uiit ihren Dschonken nm folgenden Morgen bei dem Schooncr au. Das Einlndc» nahm daher sogleich scincu Anfang. Dcr niederländische Kapitän und sein Snpercargo machten dabei sehr snnre Mienen. Noch immer hatten diese Herren gehofft, das; ei» Kreuzer zur Erlösung des beraubten Schiffes erscheinen würde, und sie wollten es durchaus nicht begreifen, wie fiel auf so freche Weise um ihr Eigcnthum kommen konnten. Ein Vcrsnch znr geheimen Verständigung mit dem einzigen Europäer au Bord, unserm Steuer- manu Aarou, scheiterte au dessen dnrch die Umstünde gebotener Vorsicht. „Wir sind Alle dcö TodcS, wenn dcr malnyischc Teufel nuö auch uur zusammen sprechen sicht", flüsterte Smith dem Holländer zn, „ich kann Ihnen leider nicht das Geringste nützen, bin ich nicht selbst Gefangener an Bord? Warten wir ab, biö Gott Hülfe schickt. Dem sauberen Piraten wird daö Handwerk gewiß recht bald gelegt werden!" — Noch am selben Tage rief dcr Kapitän den jnngcn Fricscn zu sich nnd hob folgcndcrmaßcn an: „Smith, ich muß die Küstenfahrer biö Samar und vielleicht noch weiter südwärts begleiten, falls wir auf Samar keinen Markt finden, sonst könnten dieselben den spanischen Zollknttcrn in die Klanen fallen. Wir werden also fünfzehn bis zwanzig Tage abwesend sein. Fahrt demnach an'ö Land und nehmt an Pflastern nnd Arzneien mit, was Don Toribio während unserer Abwesenheit nöthig haben kann. Richtet Euch so ein, daß Ihr vor Sonucnuutcrgang bestimmt wieder zurück seid". Schlau ergänzte dcr Pirat: „Hoffentlich habt Ihr. so viel Verstand, nm etwaigen Gelüsten zur Flucht nicht Naum zu gebe». Eine Flucht durch Formosa würde Euch durchaus nicht gelingen, Ihr würdet entweder von den chinesischen Behörden auf- gcgriffcn oder von den wilden Völkcrstümmcn im Innern dcr Insel todtgeschlngcu werden. Ans keinen Fall erreichtet Ihr jemals die Westküste. Bleibt also gntwillig und Ihr werdet cö nicht bereuen!" Mit diesen Worten entließ ihn der Kapitän. Dcr vcrdntztc Stcucrmann packte also ein, was er nöthig hatte und ließ sich an's Land rudern. Bei dem Hause am Ufer fand cr cin Pferd, mau hob ihn hinauf und so ritt der Friese, von zwei Matrosen gehalten, langsam und ans großen Umwegen dcr Pflanzung zn. Seine eigenen Wnndcn waren dcr Heilung nahe nnd so hatte sich auch seine Seclcustimmuug bedeutend verbessert. Dcö Kapitän'S Warnung nahm cr sich nicht schr zn Hcrzen; cr wnßlc, das; cö eine Thorhcit sein würde, daun die Flucht versuchen zu wollen, wen» fünf bis sechs starkbcwaffnctc Matrosen ihn umgaben, und gedachte, eine bessere Gelegenheit znm Entwischen zu entdecken. Zum crstcu Male, seitdem er Formosa betreten hatte, schenkte er dcr ihn um- gcbcndc» Natnr größere Aufmerksamkeit, nud fand, das; die von den Chinesen Tai-wan genannte, 60 deutsche Meilen lange nnd im Durchschnitt 12 Meilen breite Insel wirklich cin schr schönes Land sei. Namentlich der Theil dcö Landes, den die Chinesen inne haben, kann als ganz vorzüglich gelten. Die Luft ist stets rciu und heiter; daö Land bringt alle Arten von Korn in Fülle hervor, da cö durch znhlrcichc vou deu Bcrgcu hcrabströmcude Flüsse gut bewässert ist. Dcr Bodcu liefert Weizen und Reis im Uebcrflnssc. Die meisten Früchte Jndicnö, wie Orangen, Bananen, Ananas, Cocos- nüssc u. dcrgl. findet man auf Formosa, obgleich die Insel nicht mehr unter deu Trope», soudcrn zu drei Vicrthcile» nördlich, nnd zn einem Vicrthcil südlich von dem Wendekreis dcö Krcbscö liegt. Aaron weidete seine Angcn an dcr herrlichen Vegetation rings nmhcr nnd gedachte daran, daß auch die Früchte Europas hier ebenfalls so gnt ge deihen würden, da diejenigen, welche man eingcführt hat, Pfirsiche, Aprikosen, Feigen, Trauben, Knstauicn und Granatäpfel, sowie eine vortreffliche Art Wasscr- mcloucn recht gnt fortkommcn. Auf der Pflanzung Don Toribio'ö sah Aaron, daß Tabak nnd Zucker vortrefflich gedeihen und die Matrosen in seiner Be gleitung — eigentlich seine Wächter — versicherten ihm, Neis sei in solcher Fülle ans der Insel vor handen, daß die ziemlich unfruchtbare Provinz Fokicu in China hauptsächlich auf Formosa für ihren Unter halt angewiesen wäre. Zucker wird iu Masse und vou so vortrefflicher Qualität gcwomum, daß dcr nördliche Theil von China hauptsächlich von hier auö damit versehen werden kann. Diese beiden Zweige dcr Lnndwirthschnft sollen fast die ganze zwei Millionen zählende chinesische Einwohnerschaft auf dcr Insel beschäftige», während der Handel bei nahe ausschließlich iu den Häiidcu der betriebsamen Fokicn-KauflcMe ist. Smith heimelte es recht sehr an auf dieser fricd- samcu Insel, welche freilich ihrer einsamen Lage und ihrer Küstengestattlmg wegen seit Jahrhunderten als der Zufluchtsort und dcr Handelsplatz zahlreicher -Seeräuber verrufen gewesen ist, denen noch keine Regierung ernsthaft beizukommcn vermochte. Wie schon müßte cö sich auf dieser Insel leben, wenn das