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Stuäenten streik. Der Streik der studierenden Mediziner in Halle a. S. nimmt allmählich gröbere Bedeutung an. Jetzt wird ge- meldet, dab die Professoren der medizinischen Fakultät den dre Vorlesungen nicht besuchenden Studenten die Ver sicherung gegeben Hüven, daß sie mit ihnen in bezug auf die Behandlung der ausländischen Studierenden überein stimmen. Die Professoren haben eine entsprechende Ein gabe an daS Kultusministerium gemacht. Der erste Studentenstreik, von dem man in der Ge schichte der Universitäten spricht — damals nannte man es den „lateinischen Krieg' — ging fröhlich aus. DenjStudenten in Wien -war wegen ihrer Rauflust das Waffentragen verboten und ihre Auflehnung dagegen mit Maßregelungen beantwortet worden. Da verließen sie die Universität, ließen die Professoren allein sitzen, bildeten unter ge wählten Hauptleuten „Fähnleins' und zogen am Laurentiustag 1514 nach Wels in Oberösterreich, um dort dem Kaiser Maximilian l. ihre Sache vorzutragen. Der bewilligte ihre Forderungen, gab ihnen ein reichliches Zehrgeld auf die Heimreise, und so ging dieser Streik mit einer feuchten Spritzfahrt zu Ende. Später, im 18. Jahrhundert, rotteten sich einmal alle Jenenser Burschen zusammen, boykottierten ihre Pro fessoren und wollten nach Erfurt übersiedeln. Auch diesmal wurden die Musensöhne von der hohen Obrigkeit durch Nachgeben besänftigt; und so ist es noch sehr häufig bis in unsere Tage gegangen. Meist handelte es sich nur um irgendwelche Sauf- und Raufrechte der wilden jungen Leute. Das ist nun inzwischen anders geworden, der Student untersteht als Staatsbürger nicht mehr einer gesonderten Gerichtsbarkeit, sondern wie alle anderen Menschen der bürgerlichen Polizei und dem Amtsgericht, hat keinerlei gesetzliche Vorrechte mehr und meistens wohl auch nicht die Lust, sie zu verlangen; treibt doch fast jeder Student ein „Brot studium", darf also, um durchs Examen in Amt und Beruf zu kommen, nicht allzuviel bummeln. So hat denn der neueste Studentenstreik in Halle a. S, auch nur eine ernste Seite und mit der alten Wildheit nichts mehr zu schaffen. Dort haben alle Kliniker, d. h. die Medizinstudenten in höheren Semestern, die nach Bestehen des ersten Examens (des Physikums) schon an der Krankenbehandlung selbst in Len Kliniken lernen, den Unioersitätsbesuch eingestellt. D. h. die deutschen Kliniker. Und sie erklären, nickt eher wieder antreten zu wollen, als bis die Bevorzugung der Ausländer an der Universität aufgehört habe; zum mindesten erwarteten sie, daß fremde Studenten ebenfalls nur nach Bestehen des Physikums zu den Kliniken zugelassen würden. Der Auszug der Hallenser — in Halle ist jeder dritte Kliniker ein Fremder — hat ungeheures Aufsehen gemacht. In Berlin bereitet sich ähnliches vor. Viel- leicht ergreift die Bewegung unsere sämtlichen Uni versitäten. DieGießener Studenten streiken seit Dienstag schon und haben den Besuch der Kliniken gänzlich ein gestellt. Es. handelt sich um folgendes. Zunächst nehmen die Fremden unseren eigenen Landeskindern die besten Plätze in den Hör- und Krankensälen weg, weil keine Bestimmung besteht, dab erst nach Platzanweisung an die deutschen Studenten die anderen belegen dürfen. Unsere eigenen zukünftigen Ärzte, für deren Heranbildung auf den Uni versitäten der deutsche Steuerzahler schwer beitragen muß, sitzen auf den obersten Bänken weit weg vom Operations tisch. Um diesen herum drängen sich die Charakterköpfe aus Serbien, Galizien, Polen, Portugal, Argentinien usw., die fortgesetzt durch ihre Zwischenfragen den Unterricht aufhalten, weil sie erstens zu geringe medizinische Kennt nisse und zweitens zu wenig Praxis im Deutschen haben. Sie verwechseln „das Leber' und „den Lunge', ver wechseln sogar .rechts' und „links' und zwingen den Professor dazu, sich eigentlich fortgesetzt nur mit ihnen ab zugeben. Außerdem sind vielen von ihnen die einfachsten Begriffe der Asepsis nicht beizubringen; sie kommen immer wieder mit schmutzigen Fingern ans Krankenbett. Dafür setzt der preußische Staat aber doch nicht alljährlich viele Millionen für Universitätswesen in seinen Etat, um solche Leute hochzupäppeln. . Der Hallenser Streik geht nur von den Medizmern, und nur von benen der klinischen Semester auS. Aber auch in anderen Fächern ist der Zudrang von Fremden ungeheuer, ganz besonders auf den Technischen Hochschulen; überall im Auslande, wo bisher deutsche Ingenieure Hin berufen wurden, melden sich jetzt Landeskinder, die auf deutschen Hochschulen gelernt haben. Wir ziehen also die Konkurrenz förmlich groß. Wenn La unsere Studenten endlich zu streiken anfangen — nicht, um nicht arbeiten zu brauchen, sondern, um besser arbeiten zu können —, so haben sie recht, dreimal recht, und unsere Sympathien nMen sie in ihrem Kampfe geleiten. Vie Marine unserer vunäesgenossen. Von Graf Bernstorff, Koro.-Kapt. a. D. Die Erneuerung des Dreibundes wird nicht nur von den Beteiligten, sondern auch außerhalb als eine Tatsache betrachtet, die in ihrer Bedeutung für die Erhaltung des friedens nicht unterschätzt werden darf. Immerhin ist sie der gegenwärtigen kritischen Lage keine absolute eoensgarantie, und es erscheint daher angebracht, sich ... m bon der maritimen Macht unserer Bundesgenossen zu machen, die bei einem Zusammenstoß der Großmächte auem oen Gegnern im Mittelmeer entgegentreten müssen, La es für Deutschland vollkommen ausgeschlossen ist, sie zur See auch nur durch Entsendung eines Torpedobootes «u unterstützen. N sanzen verfügen Italien und Österreich über allerk^Ee (9 Italien, 22 Österreich), unter denen sich noch dn?» »wei fertige Dreadnoughts befinden, die auAeUn ""r bis 20000 Tonnen Wasserverdrängung M beide als schwere Artillerie je zwölf ^^ENttmeter-Geschübe führen. Bemerkenswert ist aber hierbei der Unterschied in der AuMellMg v-c Turms zu je drei Geschützen, denn während das italienische Linien schiff zwar ebenso wie das österreichische alle 12 Geschütze kür Breitseitfeuer verwenden kann, vermag es für Bug- und Heckfeuer nur je einen Turm ins Feuer zu bringen, während der Österreicher über zwei Türme, also sechs Geschütze, voraus und achteraus verfügt. Da die neuesten Schiffe beider Marinen nicht vor Mitte resp. Herbst nächsten Jahres verwendungsbereit sein werden, ist auf einen er heblichen Zuwachs vorderhand nicht zu rechnen. An Panzerkreuzern kann Italien neun, Osterreich-Ungarn nur drei für den Ernstfall bereit halten, deren schwerstes Kaliber 25-Zentimeter- resp. 24-Zentimeter-Geschütze sind. Bei der geringen Größe, 5000—10 600 Tonnen, ist naturgemäß auch die Panzerung und die Geschwindigkeit der Schiffe keine sehr bedeutende. Letztere beträgt nur 19—24 See meilen; eine Schnelligkeit, die mit den Anforderungen an moderne Panzerkreuzer nicht mehr in Einklang zu bringen ist. Trotz der sehr guten Leistungen, die die italienische Marine während des Türkisch-Italienischen Krieges auf- ruweisen hatte, kann nick" b-stritten werden, daß hier bei Wochenblatt für Wilsdruff" für das t. (Quartal 1913 ent ¬ gegen. — Wollen Hie also das „Wochenblatt für Wilsdruff" ohne Unterbrechung weiter er ¬ halten, so müssen Sie es schon jetzt bestellen. Mei Nachlieferung H bereits erschienener Wummern be- I rechnet die Z'ost 10 H Hrtraspesen. Abonnieren Sie deshalb sofort! schon jetzt Abonnements auf das Mas cle«- öl-ieMagel-) ven Marinen der Anschluß an ein modernes Monen- programm noch nicht völlig erreicht ist. Italien allerdings bemüht sich, den Mangel an großen Kampfschiffen zu be seitigen und hat Linienschiffe von 26 000 Tonnen im Bau. An sogenannten geschützten Kreuzern sind vorhanden, d. h. fertig und bereit, fünf italienische und vier österreichische, zusammen also neun, die aber bis auf „Admiral Spaun" !27 Seemeilen). sämtlich nur 19—22 Seemeilen laufen, rlso auch nicht modern zu nennen sind. Torpedoboots zerstörer sind 24 italienische und 13 österreichische bereit, and dazu kommen 36 italienische Hochseetorpedoboote und 14 österreichische. Im großen und ganzen ist also die Seemacht unserer Vundesgenossen gewiß nicht zu verachten, und bei dem vortrefflichen Geist, der in beiden Marinen herrscht, wird nn Gegner es nicht leicht finden, sie niederzukämpfen. Im eigensten Interesse beider Nationen aber sowohl als auch m unserem eigenen liegt es, den Ausbruch eines Krieges rach Möglichkeit hintanzuhalten, bis sich den ausgezeichneten Armeen entsprechende Flottenkräfte zur Seite stellen können. Selbstverständlich aber darf diese Möglichkeit nur so lange in Betracht gezogen werden, als sie mit Ehren rufrecht erhalten werden kann. Bei Erweiterung des Flottenprogramms, die besonders für Osterreich-Ungarn eine zwingende Notwendigkeit ist, wird der,befreundete Rachbarstaat nicht umhin können, ebenfalls einen plötzlichen großen Schritt in der Deplacementssteigerung zu tun, genau so, wie er uns nicht erspart geblieben ist, damit nicht das herbe Wort des Admirals Wilhelm o. Tegetthoff eine bittere Wahrheit bleibe: „Unsere Marine ist sehr arm selig und wird auch so bleiben!' Ein Wort, das der aus gezeichnete österreichische Marineschriststeller Max Schloß in seinem Artikel über die Indienststellung des ersten österreichischen Dreadnoughts „Viribus unitts" seinen Landsleuten zuruft, indem er dabei offen und energisch für ein großzügiges Äauvrogramm eintritt. Ob die weltpolitische Lage noch so lange ruhig bleiben ivird, um Italien und Österreich die wünschenswert? Stärkung ihrer Seemacht zu gestatten, ist eine Frage, -reu Beantwortung heute ein müßiges Rätselspiel sein oürde und auf die w'-- einzugehen keinen Zweck hat. Oie Salkan^virren. Wer ernstlich geglaubt, daß zu Weihnachten wieder Friede auf Erden sein werde, dessen Hoffnungen könnten leicht zunichte werden. Die Äalkanverbündeten sind weder untereinander noch über die Angelpunkte des Friedens mit der Türkei einig. Die Interessen aller laufen weit aus einander und dürften schwer unter einen Hut gebracht werden können. Am meisten macht den Diplomaten die abweichende Haltung Griechenlands zu schaffen, das sich mit der Türkei noch in vollem Kriegszustand befindet und auch heute noch nichts von dem Waffenstillstand wissen will. Eröffnung der Friedenskonferenz. London hatte Montag seinen groben Tag. Mittags 12 Uhr begann die erste Sitzung der Friedensdelegierten in dem altehrwürdigen vom König von England zur Ver fügung gestellten St. James-Palast. Den Vorsitz in der ersten Sitzung führte Sir Edward Grey, der die Delegierten begrüßte. Diese Sitzung ist nur eine rein formelle. An den weiteren wird Grey natürlich nicht mehr teilnehmen, sondern die Delegierten unter sich lassen. Da man be fürchtet, daß irgendein Fanatiker in den Palast eindringen könne, so sind die strengsten Vorsichtsmaßregeln getroffen worden, um das zu verhindern. Die gewöhnlichen Militärschildwachen sind durch zahlreichePolizeimannschaften verstärkt worden. Zuerst trafen Lie türkischen Delegierten im Palast ein, denen in Abständen von einigen Minuten die Missionen Serbiens, Montenegros und Bulgariens folgten. Zuletzt kamen die Griechen. Es heißt, daß die Türkei ihre Einwendungen gegen die Teilnahme Griechen lands an den Verhandlungen zurückgezogen hätte, weil die übrigen Balkanmächte sich mit Griechenland solidarisch erklärten. Die Balkanverbündeten sind entschlossen, ge schlossen vorzugehen und ihre Gebietsforderungen eu bloa zu vertreten. Französische Hetze gegen Deutschland. Französische Blätter, besonders der „Temps", laufen wieder über von Verdächtigungen gegen Deutschland und seine Politik. Das nimmt die offiziöse „Nordd. Allg. Ztg.' zum Anlaß zu folgender Erklärung: „Im Laufe dieser Woche beginnen in London die Besprechungen der Botschafter, denen allgemein zuversichtlich entgegengesehen wird, und die eine ausgesprochen friedliche Tendenz haben. Ihr Gelingen wird wesentlich von dem Vertrauen ab hängen, das die Mächte einander entgegenbringen. Wir können daher nur unserm Bedauern Ausdruck geben/ daß angesehene französische Blätter, an der Spitze der „Temps', auch in diesem Augenblick ihre Verhetzung gegen Deutschland fortseben, dem vor allem die An stachelung der Türkei zur Fortsetzung des Kriegs untergeschoben wirh. So ist in der Freitagnummer des „Temps' die Behauptung aufgestellt, daß Deutschland auf die Wahl der türkischen Delegierten einen dem Frieden nachteiligen Einfluß ausgeübt habe. Ferner wird die flonzessionierung einer Stadtbahn in Konstantinopel an ein deutsches Konsortium mit deutschen Waffenlieferungen in Zusammenhang gebracht. Die hetzerische Tendenz dieser Rachricht tritt besonders deutlich hervor, da der „Temps' wissen mußte, daß zu dem Konsortium auch die Französische Ottomanbank gehört. Dieses Gebaren des „Temps' und anderer angesehener französischer Organe ist jetzt, wo die Mächte sich zur friedlichen Erörterung der Lage ver einigen, besonders bedenklich. Wer in diesem Falle der Friedensstörer ist, wird jeder sehen, der eine beliebige Rümmer dieser Blätter in die Hand nimmt." * Aussichtslose Verhandlungen? Namentlich in Bulgarien erwartet man nicht viel von ver ganzen Friedenskonferenz, ist dort vielmehr sehr fliegerisch gestimmt. So schreibt das regierungsoffiziöse Blatt „Mir", die Mehrheit der Kammer sei gar nicht damit einverstanden, daß die bulgarische Armee noch vor den Toren Konstantinopels Halt mache. Die Deputierten lehnten vielmehr ein Scheitern der Friedensverhandlungen herbei und wären bereit, alle notwendigen Kredite zu be willigen und die Regierung bis zum Ende des Krieges zu unterstützen, der nach ihrer Ansicht mit dem Einzuge der Verbündeten in die türkische Hauptstadt zu enden hätte. Die gleiche pessimistische Auffassung von der Lage hat ein vom Kriegsschauplatz zurückkehrender Schweizer Militär- rttacho. Nach dessen Ansicht haben die Londoner Friedens oerbandlungen keine Aussicht auf Erfolg. Der Krieg werde vielmehr in höchstens 14 Tagen mit aller Macht fortgesetzt werden, da die Türkei die Friedensbedingungeu der Balkanstaaten keinesfalls annehmen und Adrianoyel sowie Skutari nicht preisgeben werde. Die Aussichten für die Fortsetzung des Krieges für die Türkei seien jetzt sehr günstig, weil aus Kleinasien noch wenigstens eine viertel Million Truppen auf dem Wege nach der Tschataldscha- Linie begriffen seien, Bulgarien aber in jeder Beziehung vollkommen erschöpft wäre. Man schätzt Bulgariens bis herige Gesamtverluste auf mindestens 65000 Tote und Schwerverwundete. Tätigkeit der türkischen Flotte. Die inzwischen vielfach angezweifelten Meldungen vom Auslaufen der türkischen Flotte scheinen doch auf Wahrheit zu beruhen, wenn auch noch keine amtliche Be stätigung vorliegt. Ein Telegramm aus Konstantinopel meldet nämlich: Wie in dem Kriegsministerium nahe stehenden Kreisen verlautet, sind gestern der Kreuzer -Medjidije' und zwei Torpedobootszerstörer aus den Dardanellen auSaelaufen und von acht grieLLchen