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WchnM für WM Beilage zu Nr. 180. Donnerstag, de» 1. September 1913. Zeichnet die 3. Kriegsanleihe. Abermals ergeht an das gesamte deutsche Volk die Aufforderung: Schafft die Mittel herbei, deren das Vaterland zur weiteren Kriegführung notwendig bedarf! Seit mehr als Jahresfrist steht Deutschland einer Welt von Feinden gegenüber, die ihm au Zahl weit überlegen sind und sich seine Vernichtung zum Ziel gesetzt habeu. Ge waltige Waffentateu unseres Heeres und unserer Flotte, großartige wirtschaftliche Leistungen kennzeichnen das abge laufene Kriegsjahr und geben Gewähr für einen günstigen Ausgang des Weltkrieges, den in Deutschland niemand ge wünscht hat, auf dessen Entfesselung aber die Politik unserer heutigen Gegner seit Jahren zielbewußt hinge arbeitet hat. Aber noch liegt Schweres vor uns, noch gilt es, alles einzusetzen, weil alles auf dem Spiele steht. Täglich und stündlich wagen unsere Brüder und Söhne draußen im Felde ihr Leben im Kampfe für das Vater land. Jetzt sollen die Daheimgebliebenen neue Geldmittel herbeischaffen, damit unsere Helden draußen mit den zum Leben und Kämpfen notwendigen Dingen ausgestattet werden können. Ehrensache ist es für jeden, dem Vaterlande in dieser großen, über die Zukunft des deutschen Volkes ent scheidenden Zeit mit allen Kräften zu dieueu und zu Helsen. Und wer dem Rufe Folge leistet uud die Kriegsanleihe zeichnet, bringt nicht einmal ein Opfer, sondern wahrt zu gleich sein eigenes Interesse, indem er Wertpapiere von hervorragender Sicherheit und glänzender Verzinsung erwirbt. Darum zeichnet die Kriegsanleihe! Zeichnet selbst und helft die Gleichgültigen aufrütteln! Auf jede, auch die kleinste Zeichunng kommt es an. Jeder muß nach seinem besten Können und Vermögen dazu beitragen, daß das große Werk gelingt. Von den beiden ersten Kriegs anleihen hat man mit Recht gesagt, daß sie gewonnene Schlachten bedeuten. Auch das Ergebnis der laut heutiger Bekanntmachung des Neichsbank-Direktoriums zur Zeichnung aufgelegten dritten Kriegsanleihe muß sich wieder zu eiuem großen entscheidenden Siege gestalten! Mas wirä auf äem Kalkan? Aus der Flut der schier unübersehbaren, auf ihre größere oder geringere Wahrscheinlichkeit kaum zu prüfenden Mitteilungen läßt sich ein wirkliches Bild vom tatsächlichen Stand der Dinge nicht gewinnen. Alles bleibt vorläufig unklar und verschwommen. Das eine ist jedenfalls fest- zustellen, daß der Vierverband trotz aller Anstrengungen es nicht vermocht hat, die Balkanstaaten ohne weiteres auf feine Seite zu ziehen, wie es die Ententepresse so und so oft als unmittelbar bevorstehend ankündigte. Selbst Serbien, das den äußeren Anlaß zum Weltkrieg gab, fügt sich nicht gutwillig. Einige der letzten Meldungen mögen hier Platz finden: London, 31. August, „Daily Telegraph" erfährt aus Rom, daß Serbien auf die Note des Vieroerbandes bereits eine vertrauliche Antwort erteilt habe. Da diese jedoch unbefriedigend laute, setze der Vierverband seine Unterhandlungen mit Serbien fort, um dieses zu weiteren Konzessionen an Bulgarien zu bestimmen. Sofia, 31. August. Ministerpräsident Radoslawow erklärte Agrariern gegen über, das Kabinett werde ungeändert an seiner bisherigen Politik festhalten und jede anderen Bestrebungen energisch unterdrücken. Die Gerüchte, die von einer Auslösung der Sobranje in der nächsten Zeit wissen wollen, werden hier als wahrscheinlich bezeichnet. Sofia, 31. August. Die Antwort Serbiens an den Vieroerband hält man hier durchaus nicht für befriedigend. Was Serbien zugesteht ist zu wenig, um die bulgarischen Ansprüche zu befriedigen. Namentlich verweigert Serbien die sofortige Abtretung der strittigen Gebiete und die Ausdehnung Bulgariens über den Wardar hinaus. Bulgarien wird unter allen Umständen an seinen Forderungen festhalten. Sofia, 31. August. Der Mangel an Streichhölzern beginnt sich in Bulgarien in recht empfindlicher Weise fühlbar zu machen. 20 Waggons Streichhölzer, die in Österreich bestellt worden sind, werden in Rumänien zurückbehalten, da die rumänische Regierung ihre Durchfuhr nicht gestattet. Athen, 31. August. Die im Ägäischen Meer und den griechischen Gewässern kreuzenden englischen Kriegsschiffe erhielten den Befehl, sich unverzüglich der griechischen Küste zu nähern. Man nimmt hier allgemein an, daß diese Verfügung der englischen Re gierung eine Verschärfung der Blockade der griechischen Küste bezweckt. Haag, 81. August. In Serbien werden nach dem Konstantinopeler Korre spondenten des „Nieuwe Rotterdamsche Courant" immer mehr Stimmen laut, die die Frage aufwerfen, ob es nicht besser wäre, sich mit den Feinden zu verständigen und sich von dem Verbände, der nichts Gutes im Sinne bat und auch nichts für Serbien tun kann, abzuwenden. Bemerkens wert ist, daß Rußland sein Gesandtschaftspersonal aus Cettinje und Sofia bis auf je einen Attache zurückgezogen hat, und die russischen Gesandten selbst abwesend find. Die englischen Gesandten sollen alles abmachen, damit Rußland von der entstehenden Unzufriedenheit nicht getroffen werde. Aus allem steht man, daß die Verhältnisse mehr wie je in Fluß sind und daß die stolzen Hoffnungen des Vier verbandes auf äußerst luftigem Boden stehen. Griechen land ist bedrängt und geärgert, Bulgarien unzufrieden, Serbien mißgestimmt. Demgegenüber hat der Vieroerband kgum etwas auf die Gutseite zu buchen. bnglanä als KunäesgenoNK Rückwärts, unaufhaltsam rückwärts geht es im Osten mit den Heeresmassen des Zaren. Jetzt heißt es: Richtung Minsk, und der eigentliche Westen des gewaltigen Reiches wird hoffentlich bald ganz und gar von dieser Geißel der Menschheit, den Henkersknechten des Moskowitertums gereinigt sein. Sie fühlen es selbst, die Herren Pansla- visten in Petersburg und alle ihre willigen Helfer in Kaiserschlössern und Zeitungsstuben, daß sie an einem ent scheidenden Wendepunkt des Krieges stehen, und daß die Welt vorläufig vor einer weiteren Ausbreitung der Kosakenherrschaft bewahrt bleiben wird. Mit England im Bunde hatten sie geglaubt, es mit Tod und Teufel aufnehmen zu können — und nun finden sie sich in einer Lage, wie Rußland sie wvhl in seiner ganzen Geschichte noch niemals schrecklicher durchlebt hat. Kein Wunder, daß die russische Gesellschaft aus England nicht gut zu sprechen ist. „Was macht du britische Dreimillionenarmee?" — Diese Frage schwebt auf aller Lippen, und die unglückliche „Hoffnung auf den Mai", mit der man in London und Paris sich selbst wie die Bundesbrüder an der Newa den ganzen schweren Winter hindurch vertröstet hatte, sie hat die bittersten Empfindungen in den Gemütern zurückgelassem Der „tote Punkt im Westen" hat es nach der allgemeinen Überzeugung der Russen verschuldet, daß ihre Heere sich nutzlos in den Karpathen verbluteten, daß sie aus Galizien vertrieben wurden und schließlich ganz Kongreß- Polen, Litauen und Kurland räumen mußten. Die Engländer haben auf diese schmerzerfüllten Klagen ini Grunde nur die kühle Antwort, daß es ganz in der Ord nung sei, daß Rußland die Hauptbücde des Krieges zu tragen habe, denn er sei ja aus seinem Konflikt mit Österreich ent standen! Das klingt verdammt wenig bundesfreundlich, entspricht aber durchaus echt britischer Gemütsverfassung, von der sich nur die Russen eine falsche Vorstellung ge bildet hatten, als sie sich durch das Versprechen englischer Waffenhilfe in den Kampf treiben ließen. Im übrigen: ein bißchen mitgeblutet haben ja die Kitchener-Soldaten im Westen schließlich auch, das waren sie schon den fran zösischen und belgischen Bundesgenossen schuldig, auf deren Gebiet sie als Herren schalteten und walteten. Auch an den Dardanellen müssen sie schon ihre Söldnerscharen, vor allem aber ihre kanadisch-australischen Hilfsvölker mit ein setzen, denn dort will natürlich England das letzte Wort sprechen, wenn es erst einmal gelungen ist, den Weg nach Konstantinopel freizumachen. Und um die Hauptsache nicht zu vergessen: die britische Admiralität hat auch ein oder das andere Unterseeboot durch die neutralen dänischen Gewässer in die Ostsee durchgeschmuggelt, um der russischen Flotte bei ihren Operationen im baltischen Meere beizustehen. Für eine Großmacht wie England gewiß ganz kolossale Opfer, nicht wahr? Wie hätten auch die Maulhelden an der Themse mit ihnen renommiert, wenn die Russen ans Ziel gelangt, durch Galizien nach Schlesien eingedrungen wären und dann halb Deutschland nach ostpreußischem Muster in eine Wüste verwandelt hätten. Dann hätte natürlich England den Löwenanteil au der Siegesbeute für sich in Anspruch genommen. Wie die Dinge aber in Wirklichkeit stehen, muß es sich einst weilen noch etwas bescheiden, im Hintergründe halten — so schwer es auch englischen Naturen fallen mag, den Mund nicht immer am weitesten aufzureißen. Aber die englische Diplomatie — die steht ihren Bundesgenossen nach wie vor mit allen Mitteln zur Ver fügung. Italien hat sie geködert, und auf die Balkanstaaten wird immer noch kräftig gedrückt, um sie allesamt der Türkei auf den Hals zu Hetzen. Serbien und Griechenland werden durch Drohnoten eingeschüchtert, und Bulgarien und Rumänien durch Versprechungen umschmeichelt. Die widernatürlichsten Koalitionen sollen zusammengepreßt werden, nur weil man mit eigenen Kräften nicht weiter kommt, oder weil England seine eigenen Machtmittel für höhere Zwecke aufsparen will. Das geht, so lange es gehen mag. Wenn aber aus dem schönen Kranze der Bundesgenossen erst einmal das stolzeste Blatt heraus gerissen und mitleidslos zerpflückt worden ist, dann ist der verführerische Reiz dieses künstlichen Gebildes für immer zerstört. Der berühmte Kreis, in den Deutschland und Osterreich-Ungarn nach den Ideen weiland König Eduards von England eingeschlossen werden sollte, zeigt jetzt im Osten eine gähnende Lücke, die weder durch Kitchenersche Millionenheere, noch durch Potemkinsche Dörfer ausgefüllt werden kann. Sir Edward Grey scheint bereits eine dunkle Vor ahnung von der Entwicklung zu haben, welche die Dinge jetzt nehmen werden. In seiner langatmigen Erwiderung auf die letzte Reichstagsrede unseres Kanzlers sucht er seine Hände rein zu waschen von jeder Mitschuld am Kriege, und er stammelt sogar auch einiges von der Wiederherstellung des Friedens und von den Bedingungen, unter denen er und „seine" Völker dafür zu haben wären. Herr v. Bethmann Hollweg hat die Wahrheitsliebe dieses englischen Staatsmannes in eine sehr eigenartige Beleuch tung gerückt und keinen Zweifel darüber gelassen, daß zunächst unsere Feldgrauen Friedensbedingungen schaffen werden, nicht diplomatische Federhelden diesseits oder jenseits des Kanals. In Rußland kann dieser Disput zwischen London und Berlin nur sehr gemischte Empfin- Lungen auslösen. Wenn jetzt von Frieden geredet würde — was soll da aus Rußland werden? t^.) Lm eroberten Ossowiec. (Von einem unserer Mitarbeiter im Felde.) Ofsowiee, im August. Als ich gestern einen Tag nach der Räumung die Festung betrat, bot sich noch allenthalben das Bild wüster Zerstörung. Die Hauptwege waren durch starke Auf räumungskommandos schon wieder freigemacht. Munitions- und Proviantkolonnen zogen in langen Zügen ost- und nordwärts, um den Anschluß an die schon weit jenseits der Festung stehenden Truppenteile zu erreichen. Auch die Eisenbahner waren natürlich schon da, um die zerstörten Eisenbahnanlagen wieder herzustellen. Bis dicht an die gesprengte Bobrbrücke hatte ich mit einem Materialienzug bereits fahren können. Der Eindruck, den ich beim Betreten der Festung hatte, war überwältigend. „Wegen ihrer natürlichen Lage ist Osso- wiec fast uneinnehmbar." So hatte erst kürzlich auch eine große deutsche Tageszeitung berichtet. Und in der Tat: die Russen hatten hier ein Bollwerk, das sie geradezu meisterhaft eingerichtet hatten. Unmittelbar vor den mit allen Mitteln modernster Festungsbaukunst geschaffenen Forts ziehen sich große Sümpfe hin, die durch ein Stau werk noch weiter unter Wasser gesetzt waren. Die wenigen Zugangsstraßen, elende Sandwege, waren selbst mit geringen Kräften leicht zu schützen. Uber eine der schnell errichteten Holzbrücken betrat ich die innere Fortlinie. Die Forts hatten augenscheinlich schon ffrüher unter dem Feuer unserer schweren Geschütze schwer gelitten. So bildet das Fort 2 fast nur noch einen einzigen Trümmerhaufen. Mehrere Meter dicke Eisenbetonblöcke waren weit durch die Luft geflogen und hatten das Zer störungswerk vollendet. Was nicht durch unser Feuer ver nichtet war, hatten die Russen kurz vor ihrem Abzüge zu zerstören versucht. Das beweisen die ungeheuren Sprengungen. Immerhin, sie konnten ihr Zer störungswerk nicht in Ruhe vollenden. Wohl stößt man allenthalben auf Spuren furchtbarster Vernichtungsarbeit, wohl sieht man hier und dort noch rauchende Trümmerhaufen. Handgranaten und Sprengkörper liegen allenthalben umher und mahnen zur Vorsicht. Aber wenn man alles überschaut, so sagt man sich doch, daß die Anlagen verhältnismäßig schnell und leicht wiederhergestellt werden können, als Bollwerk gegen die slavische Gefahr. — Im Zentralwerk, das zum größten Teil noch unversehrt geblieben ist, fand ich noch Neste von dem Beutezug der Russen nach Lyck: Schlittschuhe, Fahr- radmantel, photographische Artikel lagen noch wüst durch einander umher. Stundenlang kann man in der Festung herumgehen, überall stößt man auf neue Bilder. An einer Stelle steht noch eine ganze Batterie fingierter Geschütze: Große Holz balken, mit Blech beschlagen, die ihren „Feuerschlund" cn-r drohend gen Himmel richten. So täuschend diese Schein geschütze auch von größerer Entfernung aus aussehen, unsere Truppen lassen sich so leicht nicht täuschen. Daß man auch hier sich nicht weiter hat täuschen lassen, zeigt diese feindliche Stellung. Von besonderen Einschlägen, die irgendwie den Schluß zulieben, daß unsere Artillerie ihr Feuer nach dieser Stelle zusammengezogen hätte, ist keine Spur vorhanden. Als ich gerade wieder die Festung verlassen will, kommen die ersten Flüchtlinge zurück. Froh, von der russischen Willkür und Rücksichtslosigkeit befreit zu sein, kehren sie in die verwüstete Heimat zurück. Viel werden sie nicht vorfinden von ihrer Habe. Die uneinnehmbare Festung Ossowiec ist unser. Sie ist nicht freiwillig geräumt. Unter dem Druck der militärischen Verhältnisse haben die Russen einen ihrer stärksten Stützpunkte preisgegeben, einen Stützpunkt, der eine stete Gefahr für Ostpreußen bildete. Durch die Ein nahme von Ossowiec ist jede Gefahr geschwunden, und diese Tatsache erscheint mir als eine der erfreulichsten Folgen. lpaMe/' Ipe/rcke/rSll/L k/SX.- Aus Stadt und Land. Mitteilungen aus dem Leserkreise für diese Rubrik nehmen wir jederzeit dankbar entgegen. — Verein Heimatdank in der Stadt Wilsdruff. Für den neu zu gründenden Verein Heimatdank in der Stadt Wilsdruff, der im Anschluß an die das ganze Königreich Sachsen umfassende Stiftung Heimatdank die soziale Für sorge für die Kriegsinvaliden und für die Kriegshinter bliebenen in der Stadt Wilsdruff übernimmt, sind schon jetzt eine große Anzahl vorläufige Anmeldungen eingegangen, so daß zuversichtlich gehofft werden kann, daß der Verein in allen Kreisen unserer Bürgerschaft die dringend not wendige Unterstützung finden wird. Mit der Bitte um Förderung der Bestrebungen des Vereins wird an die Bürger- und Einwohnerschaft unserer Stadt herangetreten. Die Gründung des Vereins soll, wie aus der im amtlichen