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Ottendorfer Zeitung : 19.08.1906
- Erscheinungsdatum
- 1906-08-19
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Privatperson
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1811457398-190608196
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1811457398-19060819
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1811457398-19060819
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Ottendorfer Zeitung
-
Jahr
1906
-
Monat
1906-08
- Tag 1906-08-19
-
Monat
1906-08
-
Jahr
1906
- Titel
- Ottendorfer Zeitung : 19.08.1906
- Autor
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Eine riesige Heultonne ist jetzt zur besseren Sicherung des Schiffsverkehrs in dem gesährlichen Fahrwasser vor der Elbe, wo schon manche Schiffsunfülle sich ereignet haben, zwischen dem ersten Elbfeuerschiff und dem äussersten Weserfeuerschiff ausgelegt worden. Die Tonne gibt selbsttätig unter Einwirkung des Windes Heulsignale ab. Besonders wichtig ist dis Einrichtung bei Nebel. Tie schwarze» Pocken. In der Hedwig- wunichgrube in Gleiwitz ist im Borsigwerk der Galizier Michael Siegmund an schwären Pocken ertrankt. Nach amtlicher Verfügung wurden die 60 Galizier derselben Grube sofort geimpft und das Schlafhaus wurde desinfiziert. Eine Weiter verbreitung erscheint ausgeschlossen. Ans den Lüften abgestürzt. Die Luft schifferin Miß Elvira Wilson, die von der Elb- insel Deute bei Hamburg aufstieg, geriet in einen Wirbelsturm, stürzte ab und blieb auf der Stelle rot. Zu einem schweren Zusammenstoß kam es in Wattenscheid bei Essen zwischen zwei Polizsisergeanten und etwa 50 skandalierenden Personen. Die Beamten wurden mit Steinen beworfen, einer erhielt einen Messerstich in die Schuller. Die Haupttäter wurden verhaftet. Ans Eifersucht. In Harburg verübte eine Frau auf offener Straße ein Vitriolattentat auf ein junges Mädchen. Das Mädchen wurde im Gesicht arg zugerichtet und verlor die Seh kraft des einen Auges. Die Tat geschah aus Eifersucht. Schon wieder ein Schülcrselbstmord. In Düsseldorf hat sich ein 14 jähriger Schüler in der elterlichen Wohnung an einem Bettpfoften erhäng:. Im Beruf erschossen. Auf der Ge markung von Kuchelna (Schlesien) wurde der fürstlich Lichnowskysche Wirtschaftsassistent Piet schet auf einem Revisionsgange von Felddieben erschossen. Ehcdrama. Die Heizersehefrau Dietrich in Frankfurt a. M. versuchte sich und ihre drei Kinder im Alter von anderthalb, vier und sechs Jahren durch Einatmen von Gas zu vergiften, da der Ehemann mit einer Fabrikarbeiterin ein Verhältnis angeknüpft hatte und die Familie vernachlässigte. Alle vier wurden in letzter Nimne gerettet. Mordversuch i« einem städtischen Krankenhause. Ein geheimnisvoller Vorfall ivielte sich im städtischen Krankenhause zu Karls ruhe ab. Als die Nachtkontrolle das Zimmer eines jungen Kranken aus Pforzheim betrat, Ürömte ihr ein starker Gasgeruch entgegen. Die Wärter öffneten sofort Tür und Fenster uns fanden den Kranken mit einem Watteknebel Munde bewußtlos auf seinem Lager ausge- streckr. Er wurde zwar ins Leben zurückgerufen, doch hegen die Arzte ernste Besorgnisse. Mit diesem Kranken befand sich bis zum Tage zuvor na junger Bulgare auf einem gemeinsamen Krankenzimmer; dieser hatte sich gegen eine Krankenschwester bei deren Besuch Liebenswürdig- keuen erlaub:, die sonst im Krankenhause nicht Msmttet sind. Infolgedessen wurden dem Bul- gmeu seitens der Oberin ernste Vorhaltungen aemacht und er selbst ausquartiert. Dies hat dm jungen Sohu der Berge in eine derartige Wat gegen seinen Stubengenossen versetzt, daß er in der Stacht zu ihm geschlichen ist und das Attentat auf ihn verübte. Der Bulgare, der üch einer Operation unterzogen hatte, wurde »och in derselben Nacht verhaftet. London, die Stadt der Schmetterlinge. Die Engländer sind auf einen reizenden und bomschen Gedanken verfallen. Sie siedelten nach dem ,B. L.-A.' in den Londoner Parks viele Dutzende buntfarbiger,, schillernder Schmetter- uny« an, die das Entzücken der Besucher dieser Ulmen Plätze Hervorrufen. Es war ein Ver such, und er ist herrlich geglückt. Man hat ihn daher erneuert, aber auf weiteren Flächen. Zu diesem Zweck hat man vor einiger Zeit bei Scarnborough eine kleine Farm geschaffen, wo Man alle Arten von Schmetterlingen, von den Ausschaltern bis zu den Prachtexemplaren der Tropen, züchtet. Gegenwärtig befinden sich -0000 Schmetterlinge auf der Farm, die auf alle Parks der großen Stadt verteilt werden. Außerdem werden 40 000 Puppen in Reserve gehalten, die im Notfall die Lücken vervoll ständigen müssen. So flattern über den Häuptern der Einwohner Londons Schmetterlinge jeder Größe und Spielart, die die Bäume ihrer öffentlichen Anlagen bevölkern. Automobilunfall. Ein Automobil, das von einem Herrn Sabit gelenkt wurde und in dem außer dem Chauffeur Frau Sabit saß, fuhr von Nyon (Kanton Waadt) kommend, nach Genf und stieß mit einem andern Automobil zusammen. Herr und Frau Sabit wurden schwer verwundet. Die Insassen des andern Automobils erlitten ebenfalls Verletzungen. Großfeuer in Mailand. Die Magazine der größten italienischen Kolonialwaren-Jmport- handlung von Paganini, Villani u. Komp, in Mailand sind abgebrannt; der Schaden, der durch Versicherung gedeckt ist, beträgt IV2 Mil lionen Lira. X Der „versiegelte" Leprakranke. Ein angeblich leprakranker Rumänier, der sich zuletzt in London aufgehalten hatte, befand sich in einem versiegelten Eisenbahnwaggon einge schlossen auf dem Bahnhofe in Passau. Der Mann sollte nun nach seiner Heimat abge schoben werden, doch weigerte sich die öster reichische Grenzbehörde, ihn passieren zu lassen, und zwar einerseits wegen seines krankhaften Zustandes, anderseits, weil die Kosten für die Weiterführung des Waggons mit dem Kranken, die sich auf etwa 300 Kronen belaufen, nicht gedeckt sind. Seine Beköstigung geschah durch das Coupefenster. Mit dem bayrischen Staats ministerium wurden infolgedessen Verhandlungen gepflogen, was mit dem Manne anzufangen sei. Nunmehr ist der Bescheid eingetroffen, den Unglücklichen im gleichen Waggon wieder nach Frankfurt a. M., wo er vor seiner Ankunft in Passäu einige Tage geweilt hatte, zurückzu bringen. Mit dem Schnellzuge rollte dann auch der sonderbare Transport wieder von Passau ab. über den belgische» Durst plaudert die ,Frs. Ztgsi wie folgt: Nach der jetzt bekannt gegebenen Statistik wurden in Belgien im Jahre 1905 eine Milliarde und 600 Millionen Liter Bier getrunken. Das sind auf den Kopf der Bevölkerung — die Säuglinge in der Wiege mitgerechnet — etwa 225 Liter im Jahre. Bis auf 25 Mill. Liter wurde die ganze Flüssigkeits menge im Lande selbst hergestellt. Man wird deshalb begreiflich finden, daß sich die Zahl der Brauereien in den letzten drei Jahren um 119 vermehren konnte. Bei all den einem Abstinenzler wenig zusagenden Zahlen sind die Belgier aber doch ein sparsames Volk. Auf der Staats sparkasse liegt nämlich — wie der am 1. August veröffentlichte Ausweis ergibt, ein Vermögen von 1 Milliarde 163 Millionen Frank, fast nur von kleinen Leuten eingezahlt, denn über zwei Millionen Sparbücher weisen nur einen Betrag bis zu 1000 Frank nach. Jeder dritte Belgier hat ein Konto auf der Sparkasse, und das bei einem Bierkonsum, der in andern Ländern nicht entfernt seinesgleichen hat. Ein deutsches Konsulat iu Mukden. Gleich England und Amerika soll nun nach dem ,B. L.-A/ auch Deutschland in Mukden ein Konsulat zum Schutze und zur Beförderung seiner Handelsinteressen errichten. Die Man dschurei bietet in ihrem südlichen und südöstlichen Teile noch immer das Bild des Landes, das von einem harten und verwüstenden Kriege heimgesucht wurde. Insbesondere hat das große Schlachtfeld von Mukden seine traurige Physiognomie behalten. Da und dort liegen Neste von zerschmetterten Wagen, zerrissene Draht- und Stachelgitter durchziehen das gelb braune Feld, die verderbenbringenden Wolfs löcher gähnen hungrig. Man hat noch nicht „aufgeräumt". Die Weltgeschichte aber zieht schon mit kräftigem Schutt über das Schlacht feld, und bald wird die Kultur wieder menschen freundliche Früchte zeiügen. Die japanische Regierung fördert den ökonomischen Aufschwung im Lande nach besten Kräften. Die Sperre, die eine Zeitlang für Handelstransporte durch die Mandschurei verhängt war, ist aufgehoben, da die Japaner nunmehr die Zurückziehung ihrer Truppen und ihres Kriegsmaterials be endet haben und den Kaufleuten wieder den nötigen Schutz für Waren und Menschenleben bieten können. Nur Dalny bleibt noch bis auf weiteres für den ausländischen Handel ver schlossen. Die Japaner haben bisher etwa 50 000 Menschen in der Mandschurei angefiedelt. Unter den neuen Bewohnern sind alle Berufe und Produktionsarten vertreten. Die neue Kultur wird japanisch sein, sowie das Land, obwohl eine chinesische Provinz, dennoch in der Gewalt der Japaner ist. Die Kolonisten arbeiten und erwerben. Aber sie klagen über — Mangel an Frauen. Vorerst war es ihnen verboten, Frauen mitzunehmen. Jetzt, wo es ihnen gestattet ist, ist der Zuzug von Frauen ein überaus spärlicher, und die Ansiedler leiden schwer darunter. In Mukden kommen auf 2000 männliche Auswanderer 500 Frauen, in Fusan 300 Frauen und 600 Männer, in Tidin 800 auf 3000, in Antung 1000 auf 4000, in New Chang 2000 auf 6000. Man hofft jedoch, diesen Übelstand sobald abhelfen zu können, als man bequemere Lebensbedingungen geschaffen haben wird. Der Aufbau von San Francisco geht dem amerikanischen Kriegsminister zu langsam. Er hat besonderen Bericht vom Kommandanten der Erdbebenstätte, General Greely, eingefordert. Alle verfügbaren Arbeiter sind an Bauten von Geschäftshäusern beschäftigt, und dieUnterbringung der Einwohner ist als Nebensache behandelt worden. Infolge des Mangels genügender Handwerker für Häuserbauten müssen 50 000 Menschen noch für unabsehbare Zeit in Zelten schlafen, und die damit verbundenen gesundheit lichen Nachteile veranlassen die Besorgnis von Seuchen. GeriMskatte. Flensburg. Das Kriegsgericht verurteilte den Füsilier Röhling vom Regiment Nr. 86, der aus dem Motorwagen des Majors, Prinz Heinrich XXX. von Reuß, eine Uhr herausgeLrochen hatte und dann fahnenflüchtig wurde, zu 2^ Jahr Zuchthaus und Ehrenstrafen. Rennes (Frankreich). Wegen Unterschlagung von Geldern ist der Hauptmann Rickmann zu drei Jahr Gefängnis verurteilt worden. Der Verurteilte hatte die Veruntreuungen in seiner Eigenschaft als Verwalter der Kasse des 24. Dragoner-Regiments in Dinan begangen. Vie Eltern der Multi-Millionäre. ob. Es ist eine interessante Tatsache, daß wenigstens je vier von fünf amerikanischen Multi-Millionären Söhne von Vätem sind, die nie mehr als 50—60 Mk. wöchentliches Ein kommen hatten, und für die schon diese geringe Summe (nach amerikanischen Verhältnissen) Reichtümer schienen. Der Vater von Andrew Carnegie, obwohl er vom frühen Morgen bis zum späten Abend als Damastweber tätig war, hatte nur sein knappes Auskommen, und als die Handweberei durch die mechanischen Web stühle verdrängt wurde, mußte er seine Sachen verkaufen und mit seinen Söhnen nach Amerika gehen, wo er in einer Baumwollweberei in Alleghany-City Anstellung fand, wo später einer seiner Söhne sich zum vielfachen Millionär heraufarbeitete. Der Vater des Mr. I. D. Rocke feller besaß in Tioga-County im Staate einige Acker Land, und seine Söhne mußten, da das Land nicht genügend einbrachte, um die Familie zu ernähren, für die Nachbarn mit pflügen, eggen und säen. Der „Kupferkönig" Clark, einer der reichsten Männer in Amerika, ist der Sohn eines kleinen pennsylvanischen Farmers, der nie in seinem Leben über 2000 Mk. jährlich ein nahm, während das Einkommen seines Sohnes auf 180 000 Mk. täglich geschätzt wird. Der Vater des Goldkönigs von Kolorado, Stratton, war ein kleiner Bootbauer in Jeffersonville in Jndiania, und hatte so viele Kinder und so wenig Geld, daß er seinen älteren Sohn, den jetzigen „Goldkönig", schon mit vierzehn Jahren zu einem Zimmermann in die Lehre geben mußte. Die Familie Vanderbilts, dessen Reich tum auch bei uns sprichwörtlich geworden ist, lebte in bitterster Armut, und der Begründer der neuen „Dynastie" mußte zwischen seinem 6. und 16. Jahre Zeitungen verkaufen und Hausknechtdienste verrichten. Auch Jay Gould, der bei seinem Tode ein Vermögen von drei Milliarden Mark hinterließ, war der Sohn eines armen Farmers, und er mußte in seiner Jugend seinem Vater derart behilflich sein, daß er nie eine Schule besuchte. Sir Hiram Maxim, der bekannte Erfinder, hatte einen kleinen Mühlenbesitzer zum Vater, dessen Einkommen so klein war, daß der Sohn es durch Land arbeit in der Nachbarschaft vergrößern mußte. Im Alter von vierzehn Jahren kam er zu einem Wagenbauer in die Lehre, und von dieser Zeit an machte er schnell Karriere. George Westinghouse, dessen Bremse ihm unge heure Reichtümer embrachte, war der Sohn eines kleinen Ingenieurs mit geringem Ein kommen. John Mackey, der „Silberkönig", ent stammt einer armen irischen Familie, die nach Amerika auswanderte, um Reichtümer zu suchen. Nach zweijähriger Wanderung durch die Staaten starb der Vater und hinterließ seiner zahlreichen Familie absolut garnichts. Der Vater' Gordon Bennets, des Begründers des Bennet-Cups und Besitzer des ,New-Aork-Herald', erreichte vor einer Reihe von Jahren Boston ohne einen Pfennig Geld in der Tasche, und mehrere Tage lang konnte er seinen Hunger nicht füllen, bis er endlich im Straßenschmutz eine kleine Münze fand, für die er sich Brot kaufte. Der kürzlich verstorbene Multi-Millionär Russell Sage, wohl einer der am wenigsten wohltätigen Menschen auf der Welt, der 4 Milliarden hinterließ, war der jüngste Sohn einer sehr armen Familie mit sechs Ändern und mußte schon mit seinem 10. Jahre als Landarbeiter tätig sein. Auch Pillsburg, der „Mehlkönig", Gates, Leiter Potter Palmer und andre bekannte Mufti- Millionäre entstammen gänzlich armen Familien. John Wannamaker, dessen Reichtum geradezu fabelhaft sein soll, ist der Sohn eines Ziegel- streicherS und auch sein Großvater hatte den gleichen Bems, der die Familie notdürftig vor dem Verhungern schützte. Gemeinnütziges. so Himbeer-Essig, zu Salaten und Tunken außerordentlich beliebt, stellt man auf folgende Weise her: 1 Kilo zerquetschte Him beeren übergießt man mit 1V, Liter starken Weinessig, preßt beides nach 24 Stunden aus, läßt dann den Saft, an warmer Stelle stehend, vergären, was in etwa 3 Tagen genügend vor sich gegangen ist. Der nun fertige'Essig zeigt eine schöne rote Färbung und das volle Aroma der Himbeeren. Er wird filtriert, je nach Ge schmack mit etwas gelöstem und geklärtem Zucker versetzt, auf Flaschen gefüllt, dann gut verkorkt, und mutz an kühlem dunklen Orte liegend auf bewahrt werden. Bei Wunden und Geschwüren ist Honig ein vorzügliches Desinfeküonsmittel, ähnlich wirkend wie Karbolwasser und dergl. Am besten wird derselbe auf einen Lappen gestrichen und aufgelegt. Besonders gut ist es, die Wunden mit Honigwaffer auszuwaschen und diesem einige Tropfen Arnika oder Kalendulatinktur beizumischen. Honig, mit Roggenmehl gemischt, bringt Geschwüre zur baldigen Zeitigung. Auch bei Brandwunden erweist sich der Honig vorteilhaft. buntes Allerlei. Echt. Diener (zu einem andern, der erst vor einigen Tagen bei einem Baron eingetreten ist): „Du, dein Herr gefällt mir gar nicht, ich denke immer, der ist gar kein richtiger Baron, an dem kommt mir vieles verdächtig vor I" — Der andre: „O, der ist schon a echter Baron, ich hab' mich auch hin und her erkundigt. . er hat seine 12 000 Mk. Schulden!" (Mst. Wemq Ein Feigling. Fräulein: „Was ist das doch für ein junger Mensch, der unmer Reißaus nimmt, wenn wir ihm auf der Promenade be gegnen ?" — Freundin: „Ach, der hat mir mal vor mehreren Jahren das Leben gerettet!" geworden, diesen Menschen hier bei euch zu treffen? Ein Individuum, von dem niemand weiß, was es ist und wovon es lebt, solltest du dir doch etwas weiter vom Leibe halten." „Es ist Doktor Geißler, den du meinst, nicht, wahr? Ich denke doch, er ist Journalist." „Möglich, daß er sich so nennt. Aber jeder anständige Redakteur würde sich wahrscheinlich wit Entrüstung dagegen verwahren, ihn als Kollegen anzuerkennen." Richard Sieveking zuckte die Achseln. „Wenn es sich auch so verhielte — er ist einer von Hertas erklärten Günstlingen, und sie würde es ahne Zweifel für einen brutalen Eingriff in ihre Nachtsphäre halten, falls ich mir unterstände, ihm die Tür zu weisen." Löwengaard nahm seinen Arm und zog ihn stn wenig beiseite. „Ein Wort im Vertrauen, lieber Sohn, und du wirst mir's, wie ich hoffe, nicht übel nehmen. Du räumst deiner Frau zu Üel Freiheiten ein. Du bist zu nachsichtig gegen ihre Launen. Auch dem liebenswürdigsten Weib chen muß man hin und wieder einmal den Herrn und Gebieter zeigen." über das kluge, sympathische Gesicht des andern zuckte es wie ein mattes Lächeln.. „Dein Rat ist gewiß gut. Aber es würde mir wahr- ichemüch den letzten Rest von Hertas Zuneigung wsten, wenn ich ihn befolgte. Und für die bloße Feststellung meiner eheherrlichen Autorität R mir dieser Preis vorläufig noch zu hoch." . „Nun, du weißt, ich mische mich grundsätzlich En W eure Angelegenheiten. Aber das da un; Beispiel hätte ich mir so kurze Zeit nach Verheiratung nicht gefallen lassen." Mit einer Kopfbewegung hatte er nach der offenen Tür des Musikzimmers gedeutet, in dem Herta und Bruno Meinardi gerade in diesem Augenblick zufällig wieder ganz allein miteinander waren. Die junge Frau saß mit zurückgelehntem Oberkörper in einem Sessel; der Bildhauer aber stand an ihrer Seite und beugte sich im Eifer des leise geführten Gesprächs tief zu ihr hinab. Die Situation konnte in einem Beobachter in der Tat den Glauben an einen recht ver traulichen Verkehr zwischen den beiden erwecken, und sicherlich war Julius Löwengaard nicht der einzige in der Gesellschaft, der sie bemerkt hatte. Welche aber die Empfindungen Richard Sievekings bei diesem Anblick waren, verriet sich in seinenMienen so wenig, als in seinen Worten. Anscheinend vollkommen gleichmütig wandte er sich wieder gegen seinen Schwiegervater: „Ich verstehe dich nicht. Soll ich Herta etwa verbieten, sich nach ihrem Belieben mit den Leuten zu unterhalten, die nun einmal unsre Gäste sind ? Es ist Wohl begreiflich, daß dieser junge Mann sie besonders interessiert — nicht nur als eine neue Bekanntschaft, sondern auch, weil sie ihn für einen bedeutenden Künst ler hält." Löwengaard machte eine Bewegung mit den Schultern; aber er sagte nichts mehr. Gleich darauf gesellte sich auch Hilde zu ihnen, hängte sich in den Arm ihres Vaters und bat, daß er mit ihr nach Hause gehen möge. „Du unterhältst dich also nicht, steine Schwägerin?" fragte Richard Siveking freund lich. „Sprich es nur ruhig aus. Ich bin gewiß der letzte, es dir zu verübeln." „Nein, das ist nichts für mich," erklärte sie aufrichtig. „Ich bin gewiß noch zu dumm, um Gefallen daran zu finden. Und dann hatte ich auch vorhin einen großen Arger." „Wie? Einen Arger? Ich will doch nicht hoffen, daß jemand in meinem Hause gewagt hat, dir zu nahe zu steten." „Ach, laß es nur gut sein, Richard! Ich schäme mich zu sehr, um es zu erzählen, denn eigentlich trage ich selbst den größten Test der Schuld. Einer von deinen Gästen hat ge glaubt, sich einen Spaß mit mir machen zu können, und ich bin darauf hineingefallen, das ist alles! Nach einer Stunde werde ich nicht mehr daran denken." Da auch andre bereits Miene machten, zu gehen, weigerte sich Löwengaard nicht, den Wunsch seines Töchterchens zu erfüllen. In der Tür zwischen den beiden großen Zimmern trafen sie mit Theodor Meinardi zusammen, der sich offenbar von der Dame des Hauses verab schieden wollte. Er trat um einen Schütt zurück und machte Hilde eine artige Verbeugung. Sie aber sah an ihm vorbei, als wäre da, wo er stand, nur leere Luft gewesen und zog ihren Vater nur noch rascher mit sich fort. „Wer war denn dieser Herr?" fragte Julius Löwengaard. „Ich erinnere mich gar nicht, ihn vorher gesehen zu haben." „O, ein gewisser Meinardi," warf Hilde gering schätzig hin, „der Bruder des neuen Praxiteles und sein Trabant. Es ist kein Wunder, daß du ihn nicht bemerkt hast, denn er stand immer in den Ecken herum, um zu horchen, was die Leute über den großen Kunstler sagten." Sie schnürte sich draußen in der Garderobe die Zipfel des seidenen Kopftuches so fest unter dem Kinn zusammen, als ob sie sich zur Strafe für ihre vorige Unvorsichtigkeit erdrosseln wollte, und es mußte wohl der Abscheu gegen eine nochmalige Begegnung mit dem „Trabanten" sein, der sie dann so eilig die Treppe hin unter stieb. Aber sie hätte dämm nicht so sehr zu eilen brauchen, denn Bruno Meinardi zögerte so lange, daß die beiden Brüder erst die letzten der Fort gehenden waren. „Also wir werden nun auch an andern, als an diesen offiziellen Empfangsabenden auf Ihren Besuch rechnen dürfen?" sagte Herta, und eine merkliche Befangenheit, die ihrem mumeren Wesen sonst ganz fremd war, klang aus ihren Worten. Bruno aber küßte ihr zum Dank für diese Einladung noch einmal die Hand. „Ihre Güte macht mich stolz und glücklich, gnädige Frau. Auf Wiedersehen also — zu nächst wohl auf dem Rosenfest." Dann gingen sie, und die beiden Gatten waren allein. Herta atmete tief auf, und nach dem sie noch ein paar Sekunden lang vor einem hohen Spiegel stehen geblieben war, schickte sie sich an, das Zimmer wortlos zu verlassen. Es setzte sie offenbar in Erstaunen, daß ihr Mann sie durch seine Anrede zurückhielt. ,,Gestatte mir eine Frage, liebe Herta," sagte er m seiner ernsthast ruhigen Weise. „Können dir diese sogenannten Empfangsabende wirklich noch immer Vergnügen bereiten?" E s (Fortsetzung jolgt.)
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