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Ottendorfer Zeitung : 18.03.1906
- Erscheinungsdatum
- 1906-03-18
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Privatperson
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1811457398-190603184
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1811457398-19060318
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1811457398-19060318
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Ottendorfer Zeitung
-
Jahr
1906
-
Monat
1906-03
- Tag 1906-03-18
-
Monat
1906-03
-
Jahr
1906
- Titel
- Ottendorfer Zeitung : 18.03.1906
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poliriscke Kuncilckau. Deutschland. * Der Kaiser begab sich an Bord des „Kaiser Wilhelm II." nach Helgoland, um die dortigen Strandbefestigungen zu besichtigen. * Das Befinden des Ministers v. Budde Hai sich so gebessert, daß der Minister hofft, schon in wenigen Tagen wieder das Zimmer verlaffen zu können. * Die Budgetkommission deS Reichstages setzte die Beratung des Marineetats fort und erledigte den Rest der einmaligen Ausgaben. Sodann beantragte Abg. Erzberger (Zentr.) eine Beschlußfassung, die bezweckt, die laufenden Ausgaben mehr als bisher aus dem Ordentlichen Etat zu bestreiten. Das entspreche der jahrelangen Arbeit des Abg. Richter, dem damit am Tage seiner Bei setzung ein Denkstein gesetzt werde. Die Be ratung darüber wurde ausgesetzt. Das Extra- ordinarium wurde fast ohne Abweichung von den Vorschlägen der Regierung bewilligt, ebenso die Einnahme. Damit ist der Marineetat er ledigt. * Die Dienstvorschrift für das Meldeverfahren und den Nachrichtendienst bei Unfällen, Betriebs störungen und außergewöhnlichen Ereignissen bei der Eisenbahn ist jetzt dahin ergänzt worden, daß auch etwaige telegraphische Mittei lungen für Angehörige nicht verletzter Reisender auf ausdrücklichen Wunsch der letzteren entgegenzunehmen und auf Kosten der Eisenbahnverwaltung abzugeben find. Reisende, die sich in Zügen befinden, bei denen ein Zwischenfall vorgekommen ist, können also in Zulu n,l ihre Angehörigen durch ein gebühren freies Diensttelegramm beruhigen. * Die bayrische Kammer der Reichsräte hat daS Landtagswahl gesetz m dritter Lesung endgültig an genommen. Öfterreich-Ung ar». "Das österreichische Abgeord- netenhaus setzte die Beratung derWahl - reformvorlage fort. Dir Deutschen er klärten, daß sie einem Entwurf, der den Slawen die absolute Mehrheit im Hause gebe, nicht zustimmen könnten. Eine nationale Ver- ständigung in Böhmen sei notwendig. Frankreia«. * Das neueMinisterium ist nunmehr endlich gebildet. Es setzt sich aus Mitgliedern aller hauptsächlichen parlamentarischen Gruppen zusammen. Die einzelnen Mitglieder des neuen Kabinetts find: Sarrien Präsidium und Justiz. Clemenceau Inneres (mit Sarraut als Unterstaatssekretär), Bourgeois Außeres, Etienne Krieg, Thomson Marine, Briand Kultus und Unterricht, Doumergue Handel, Barth ou öffentliche Arbeiten, Ruau Acker bau. Poincar 6 Finanzen, Leygues Ko lonien, Dujardin-Beaumetz Unterstaats« sekretär für die schönen Künste, G 6 rard Un- terstaatssekretär für Post. Das Programm, das das Kabinett Samen der Kammer vor legen wird, bekundet bezüglich der Jnosntar- frage die Absicht der Regierung, ohne Ein schreiten des Militärs durch strenge Anwendung der bestehenden Gesetze die Aufwiegler zu treffen. Die äußere Lage betreffend, erklärt das Ministerprogramm, Frankreich wünsche den mit den Forderungen seiner nationalen Ehre zu vereinbarenden Frieden. Belgien. * Der Senat hat mit 53 Stimmen gegen 31 Stimmen bei 11 Enthaltungen die von der Kammer bereits angenommene Antwerpener Hafen- und Festungsvorlage ange nommen. «panier *Auf der Marokkokonferenz wurde in Erwartung neuer und entscheidender Instruk tionen aus Paris die Einzelberatung in der Kommission fortgesetzt, wodurch der Fertigstellung des endgültigen Vorschlages einstweilen vor- gearbeiter werden sollte. Soviel aber scheint jetzt schon sicher: Die Instruktionen, die die Pariser Regierung inzwischen ihren Vertretern in Algeciras erteilt hat, entsprechen den von den übrigen Delegierten gehegten Erwartungen bestimmt nicht, denn die Regierung zeigt sich weder in der Bank- noch in der Polizeifrage zu irgend einem nennenswerten Entgegenkommen bereit. Unter solchen Umständen ist es durch aus begreiflich, daß die hoffnungsirohe Stim mung, dir ein paar Tage lang die Konferenz beherrscht, langsam wieder zu weichen beginnt. Man sieht immer deutlicher^ daß sich in den Hauptfragen leider keine Einigung erzielen läßt. Ruhland. * Mitglieder des Adels beschlossen die Einberufung eines nationalen Adelskongresses, um die Adligen zum Schutze ihrer Interessen zu vereinigen. Balkanstaate«. * Zehn türkischeSoldaten überfielen einen die bulgarischen Grenzposten inspizierenden Offizier, entwaffneten und miß handelten ihn und führten ihn schließlich in Haft. Die bulgarische Regierung verlangt von der Pforte schleunigste Genug tuung. Amerika. * Der am 11. d. erfolgte Tod des Präsidenten von Argentinien Manuel Quintana dürfte größere politische Veränderungen in der Repu blik nach sich ziehen. Nach einer Meldung aus Buenos Aires wird sich der neue Staatschef, der bisherige Vizepräsident der Republik und Senatspräfident Figueron Alcorta, wie seine besten Freunde versichern, kein« vierzehn Tage behaupten können. Dem Chef der siegreichen Opposition Pellegrini, der im Parlament über eine Zweidrittelmajorität verfügt, wird es ein leichtes sein, eine Verfassungsänderung durch zuführen und selbst Präsident der Republik zu werden. Die Bevölkerung hofft indessen, daß eine Revolution sich werde vermeiden lassen. b-SW-W-S» Aus ciem Keickstage. Der Reichstag erledigte am Dienstag eine Anzahl kleinerer Etats nahezu ohne Debatte. Auch der Gesetzentwurf betr. dte Entlastung des Jnvaliden- fonds wurde debatteloS in zweiter Beratung er ledigt. ES folgte der dritte Nachtragsetat mit den Forderungen für Ostafrika. Abg. Erzberger (Zentr.) griff das ganze bisherige System der Kolonial verwaltung an. Er führte den Fall des Haupt manns Kannenberg und den des GerichtSsckretSrS Koch an, der schon in der Kommission eine Rolle gespielt hat, und beschuldigte die Verwaltung des Vertuschungssystems. In der Errichtung religions loser Regierungsschulen in Ostafrika erblickte er eine Begünstigung deS MohammedaniSmuS. Abg. Bebel (soz.) ergänzte die Ausführungen Erzbergers in einigen Punkten, namentlich in bezug auf den Fall Kannenberg. Kolonialdirektor Erbprinz zu Hohen lohe-Langenburg legte seine Grundsätze über Kolonial politik, über die Vorbildung von Kolonialbeamten und über die Religion« gebrauche der Eingeborenen dar. Er suchte besonders die Befürchtungen des Zentrums zu zerstreuen, als ob wir in Ostafrila den MohammedaniSmuS begünstigten. Am 14. d. steht zur Beratung der freisinnige Initiativantrag auf Beseitigung der landesgesetz- ltchen Beschränkungen deSVereinSrechtS für Frauen durch Reichsgesetz. Abg. Pach nicke (frs. Vgg.): Der Antrag unterscheidet sich von den ähnlichen in früheren Sessionen von uns gestellten Anträgen dadurch, daß er im allgemeinen die lande-gesetzlichen Beschränkun gen de« VcreinSrechts für Frauen beseitigen will, Während die früheren Anträge den Frauen die An gehörigkeit zu Vereinen mit sozialpolitischen Zwecken gestatten wollte. Das Reichsgericht und das Kammer gericht haben die Teilnahme von Frauen an poli tischen Versammlungen und ihre Angehörigkeit zu politischen Vereinen sehr eng begrenzt. Demgegen über macht es nichts auS,ft>aß der Berliner Polizei präsident und der preußische,Minister des Innern den Polizeibeamten eine gewisse Latitüde gegeben haben, Frauen zwar in Versammlungen als Zu schauerinnen, nicht aber als Teilnehmerinnen zu dulden. In Sachsen und Mecklenburg ist es noch ungünstiger. Deshalb wünschen wir, daß das Reich in dieser Frage vorangeht. Abg. Bassermann (nat.-lib.): Meine Freunde sympathisieren mit dem vorliegenden Anträge durch aus. Wenn auch ein Notgesetz zm Regelung dieses Kapitels deS Vereins- und Versammlungsrechts not wendig, so hoffen wir doch, daß der Reichskanzler die Gleichstellung der Frauen endlich herbeiführen wird. Abg. Sindermann (soz.): Meine Freunde werden für dm Antrag Pachnicke stimmen, wenn i wir auch daS gleiche Wahlrecht auch für die Frauen verlangen. Was nützt denn den Frauen das Ver- sammlungkrecht, wenn sie nicht in der Lage sind, in den Parlamenten ihre Anschauungen und Rechte zu vertreten? Mit dem pflaumweichen Auftreten wird nichts erreicht. Wir verlangen Beseitigung aller Gesetze, die die Frauen in ihrer Bewegungsfreiheit hemmen. Abg. M ü l l e r - Meiningm (frs. Vp.): Unser Vereins- und Versammlungsrecht ist ein Überbleibsel des alten Polizeistaates Preußen. Von den dreißig Millionen deutschen Frauen stehen beute schon sieben Millionen im Erwerbsleben. Der Begriff „politische Betätigung*, zu der wir die Frau zu gelaffen wissen wollen, ist allerdings sehr dehnbar. Von den Vereinen bleibt höchstens der Rauchklub „Blaue Wolke" als nichtpolitischer Verein übrig. Das „Ehret die Frauen" ist geradezu eine Ver höhnung, solange man sie auf dem Gebiete des öffentlichen Rechts Unmündigen, Narren und Ver brechern gleichstellt. Die Abgg. Lattmann (wirtsch. Vgg.) und Stychel (Pole), die ebenfalls zum Worte gemeldet sind, sind beim Aufruf nicht im Saale anwesend. Damit schließt die Beratung deS Antrages, der darauf angenommen wird. Darauf geht das HauS zur Beratung des An trages der Polen über, der die Vorlegung eines Gesetzentwurfs betr. Abänderung des §130 Str.-G.-B. fordert. 8 130 Str.-G.-B. lautet: Wer in einer den öffentlichen Frieden gefährdenden Weise verschiedene Klaffen der Bevölkerung zu Ge walttätigkeiten gegeneinander öffentlich anreizt, wird mit Geldstrafe bis zu 600 Mk. oder mit Gefängnis bis zu zwei Jahren bestraft. Abg. tz. Chrzanowski (Pole) begründet den Antrag und verlangt, daß der dem Sinne des ge dachten Paragraphen widersprechenden Interpretation der Begriffs der „Gefährdung des öffentlichen Friedens" sowie der „Anreizung zu Gewalttätig keiten" seitens des Reichsgerichts Einhalt getan werde. Redner geht auf die Bestrafung von Polen auf Grund dieses Paragraphen ein, die entweder Ab zeichen mit dem polnischen weißen Adler oder Postkarten mit polnischen Aufschriften oder mit Abbildungen auS der polnischen Geschichte verbreitet haben. In den Kreisen deS preußischen Volkes sei man überzeugt, dap die Richter mal» käs (in böser Absicht) bei der Auslegung dieses Paragraphen handeln. (Vize präsident Graf zu Stolberg ruft dm Redner zur Ordnung.) Redner legt unter großer Heiter keit außer den obigen Postkarten usw. eine polnische Mütze (Confederatka) ans den Tisch des Hauses, deren Tragen nach Ansicht preußischer Richter unter 8 130 St.-G.-B. fällt. Abg. Stadthagen (soz.) führt Fälle von Verfolgung sozialdemokratischer Redakteure auf Grund deS 8 130 an und polemisiert gegen die zunehmende Anstrengung politischer Tendenzprozcsse. Abg. Dove (frs. Vgg.): Auch wir wünschen eine Beseitigung der Mißgriffe, wie sie auf Grund dieses Paragraphen gar zu häufig Vorkommen. Da wir iu diesem Antrags diese Tendenz zu finden meinen, so stimmen wir ihm bei. Abg. Bachem (Zentr.): Wir werden dem polnischen Anträge zustimmen, sofern ihm die Worte „seitens des Reichsgerichts" genommen und dadurch die Tendenz des Antrages verallgemeinert wird. Die Abgg. Jessen (Däne) und Bruhn (Antis.) sprechen im Sinne deS Abg. Bachem. Abg. v. Chrzanowski erklärt sich mit der Streichung der Worte „seitens des Reichsgerichts" einverstanden. Darauf wird der im Sinne des Zentrums um- geänderte Antrag angenommen. Raubmörder Hennig ergriffen! Ler Stettiner Polizei ist es geglückt, am Mittwoch des Raubmörders Hennig habhaft zu werden, als er einen Fahrrad-Diebstahl ver übte. Der Verhaftete, der sofort den Revolver zog und sich des Beamten durch Schüsse zu er wehren suchte, zeigte auf den ersten Augenblick so große Ähnlichkeit mit Hennig, daß mau sofort Feststellungen in der Richtung vornahm, ob man es mit dem langgesuchten Mörder zu tun habe. Zs stimmte nicht nur die genaue körper liche Untersuchung des Fahrraddiebes mit dem Signalement überein, sondern man sand auch in den Rocktaschen des Fahrraddiebes Doku mente, die auf den Namen Hennig lauteten. Im weiteren Verlaufe stellte die Polizei auf unzweifelhafte Weise fest, daß der Verhaftete der Raubmörder Hennig ist. Wie die Kriminalpolizei ermittelte, hatte der verschmitzte Bursche in Stettin drei Wohnungen und eS steht unzweifelhaft fest, daß Hennig fich bereits seit dem 9. Februar in Stettin aufhält. Es wurde ferner er mittelt, daß der Raubmörder während seines Stettiner Aufenthalts mehrere schwere Einbruchsdiebstähle ausführte. Die Beute brachte er abends nach Berlin, um sie hier mit Helfershelfern zu versilbern. Es war nicht so einfach, den gefährlichen Verbrecher in Polizeigewahrjam zu bringen. Bei seiner Verhaftung bat er fortwährend, man möge ihn doch loSlassen, er sei nur ein armer wandernder Handwerksbursche; als er aber in der Nähe des Polizeireviers angekommen war, riß er fich plötzlich von der Hand des Schutzmanns los. Im selben Augenblick krachte auch schon ein Schuß, den Hennig mit der linken Hand aus einem sechs- läufigen Revolver abgegeben hatte. Die Kugel drang dem Beamten in den Mund und fuhr zur Wange wieder heraus. Glücklicherweise besaß der Verwundete noch soviel Geistesgegen wart, um den Verbrecher mit einem einzigen Mächtigen Stockhieb niederzuschlagen. In be wußtlosem Zustande wurde Hennig in das 6. Polizeirevier gebracht, wo man bei Durch suchung seiner Taschen noch einen neuen amerikanischen Revolver, 20 Patronen, Papiere auf verschiedene Namen und auf Hennig lautend und außerdem 38 Mk. fand. AlS der Schwer verletzte zum Bewußtsein kam, gestand er ein, der gesuchte Raubmörder z« sein. Die ge glückte Verhaftung wmde sofort dem Kaiser telegraphisch gemeldet. Während der schwer verwundete Schutzmann ins Krankenhaus ge bracht wurde, transportierte man Hennig unter starker Bedeckung ins Polizeigefängnis. HennigS Raubmord an dem Kellner August Giernoth dürfte wohl noch in Erinnerung sein. Am 4. Dezember v. war Giernoth von einem Manne, der sich „Inspektor Reimann" nannte, auS seiner Wohnung zum Antritt einer Stel lung in einem Restaurant, das zwischen Wann- see und Klein-Glienicke liegen sollte, sortgelockt worden. Am 9. Dezember wurde die Leiche Giernoths an der Chaussee zwischen Wannsee und Klein - Glienicke aufgefunden und am 11. Dezember auf dem Forstfriedhofe bei Sternschanze beerdigt. Da bei ihr die Uhr und andre Wertsachen sowie einige Legiti- mationspapiere fich vorfanden, so hatten die - zuständigen Behörden, obwohl zwei tödliche Ver letzungen konstatiert wurden, angenommen, daß Giernoth Selbstmord verübt habe. ES wurde aber auch festgestellt, daß schon am Nachmittage des 4. Dezember ein Mann, auf den die Be schreibung des angeblichen Inspektors Reimann paßte, bei dem Bankier Werner in der Friedrich straße das Sparkassenbuch Giernoths versetzt und darauf 550 Mark geliehen hatte. Der Bruder des Ermordeten erkannte aus den ersten Blick, daß die auf einen Wechsel gesetzte, angebliche Unterschrift des August Giernoth gefälscht war. Daraus ging her vor, daß dieser mit jenem unbekannten Manne direkt in die Nähe von Wannsee gefahren und so fort ermordet und beraubt sein mußte. Es handelte sich nun darum, die Spur des Mörders zu entdecken. Man vermutete zwar bald, daß er zu den gewerbsmäßigen Heirats-, Sparkassen buch» und Versatz-Schwindlern gehören dürfte; aber erst im neuen Jahre gelang es, aus Hand schriften mit völliger Sicherheit festzustellen, daß der Lederarbeiter Rudolf Hennig der Mörder ist, der am 6. Februar d. in Berlin verhaftet wurde, auf der Treppe zum Polizeirevier aber den Beamten niederschlug und nach einer überaus gefährlichen und kühnen Flucht über mehrere Dächer aus geradezu wunderbare Weise ver schwand. Fünf Wochen lang wußte er sich allen Nachforschungen zu entziehen. Hennig trägt noch seinen Schnurrbart .und kommt daher bei dem Naubmordoersuch auf den Kammerherrn v. Zitzewitz im Eisenbahnzuge zwischen Biesental und EöerSwalde nicht in Betracht. — — '1' ^on uncl fern Während eines Vortrages gestorben. Während eines Vortrages in einer Versamm lung der Ortskrankenkasse zu Göttingen erlitt der Professor der medizinischen Fakultät Dr. Stolper einen Schlaganfall, an dessen Folgen er gestorben ist. K Vie letrte Kate. 6 s Roman von Karl Schmeling. sFortjetzung.) „Der Gedanke liegt nahe genug," meinte der Hauptmann sinnend. „Übrigens,' fuhr der General fort, „ist der Bursche gewöhnt, an dem Platze, wohin ich das Schreiben gelegt habe, meine zur Postbesorgung bestimmten Privatbriefe zu finden. Hätte er wirklich das Zimmer betreten, so würde ich glauben, er habe das Schreiben an fich ge nommen, und meine achtzehntansend Mark lägen jetzt schutzlos in seiner Stube. Aber ich weiß genau, daß er nicht über die Schwelle gekommen ifi, seitdem ich den verhängnisvollen Brief dort hingetan habe. Oder ob man doch eine oberflächlich gehaltene Frage an ihn richtet?" Der Adjutant antwortete nicht sofort, sondern schien seine Entgegnung erst sorgfältig über legen zu wollen. „Bei der Anficht, welche Exzellenz über den Mann haben," begann er endlich, „sollte ich meinen, derselbe hätte nach dem ihm gewordenen Auftrage es schon von selbst gesagt, wenn er den Brief an fich genommen hätte. Bei der Bedeutung des Gegenstandes muß er ja ver muten, daß nach demselben gesucht worden war. Er dürfte also nichts von dem Schreiben wissen" „Will mir auch so scheinen," murmelte nur der General. „Wäre es anders," fuhr der Adjutant zögernd fort, „ich meine, weiß er um den Brief, und hat er ihn wirklich an sich genommen, so möchten nach Verschweigung dieser Tatsache seine Absichten doch nicht ganz lautere sein, und sür diesen Fall dürste nicht eine oberflächliche Frage, sondern eine Anschuldigung auf den Kopf und eine Durchsuchung am Orte sein. Aber eS fehlt ja nach Ew. Exzellenz Behauptung die Vermutung für jene Tatsache, und ich habe um so weniger Grund, den Mann zu verdächtigen, da er uns soeben, einen Beweis seiner Ehrlich keit gelieferr hat!" Hauptmann von Lillgenheim gab da eine recht gewundene Erklärung, durch welche doch eigentlich nichts gesagt wurde. Sein Chef starrte vor sich hin, wahrscheinlich um den eigentlichen Sinn aus den Worten des Adjutanten herauszufinden. Endlich seufzte der alte Herr tief und schwer und der Hauptmann verbeugte fich dazu. „Ich habe noch genug von der verhängnis vollen Geschichte wegen der Dinger da!" sagte der General mit sichtlichem Unbehagen. „Ich lieb« dergleichen nicht, und daS erste, was uns der Bursche bei einer Anschuldigung entgegen halten würde, wäre gewiß die Angelegenheit mit dem fälschlich verdächtigten Blädcheu. Lassen wir also Heinrich vorläufig auS dem Spiele. Ich muß Ihnen ein Bekenntnis ab legen, liebster Lillgenheim!" Die Unterhaltung der beiden Herren wurde hier durch den mir allerlei Geschirr zurück kehrenden Diener unterbrochen. Der General zog also den Hauptmann in eine Fensternische und ergriff dessen beiden Hände. „Wie Sie wissen, bester Lillgenheim," be gann der alte Herr im Flüstertöne, „habe ich mir vor einiger Zeit einen Landsitz gekauft. Ich gedenke auf demselben meine letzten Tage zu verleben. Die Anzahlung, die ich ge macht habe, entstammt langjährigen Erspar nissen. Leider habe ich in den letzten Jahren nicht so viel wie früher zurücklegen können. Sie wissen es ja, mein ältester Sohn — ver fehlte Militärkarriere — jetzt zweifelhafte Justiz- karriere — o, der Mensch hat mir schon viele graue Haare gemacht, und meine Sorgen seinet wegen nehmen kein Ende; ich bin zu beklagen." Der alte Herr war recht niedergedrückt. Der Untergebene, dem er so rückhaltslos sein Heiz ausgeschüttet, stand in peinlicher Ver legenheit vor ihm. Beide wurden so sehr von ihren Empfindungen in Anspruch genommen, daß fie fich nicht weiter um den Diener kümmerten. Sie hatten denselben auch bei seinem letzten Eintritte schon nicht beachtet; wäre dies der Fall gewesen, so würde ihnen die Veränderung in der äußeren Erscheinung des Menschen leicht ausgefallen sein. Heinrich war nämlich leichenblaß zurückge kehrt und zitterte, als werde er vom Fieber geschüttelt. Erst als er fich überzeugt hatte, daß man ihm keine Aufmerksamkeit schenke, wurde er wieder etwas sicherer und begann seine Arbeit, die er jedoch mit Zerstreutheit ver richtete, während er sich offenbar anstrengte, etwas von der Unterhaltung zwischen dem General und dem Adjutanten zu vernehmen. Seine Entfernung vom Standorte der beiden Herren waren jedoch bedeutend genug, um die leisen Worte der Sprechenden für ihn unver ständlich zu machen. Auch verschlang das I Geräusch, welches seine Verrichtung verursach«, manchen Laut, der vom Fenster her ertönte- Indessen mochte er doch wohl einzelne erregt hervorgeftoßene Ausdrücke genügend verstehen, um zu wissen, wovon zwischen den beiden Herren die Rede war. „Aber lassen wir das!" fuhr der General nach kurzer Pause fort. „Diese achtzehntansend Mark bildeten die letzte Rate der von mir zu machenden Anzahlungen. Sie bätten schon drei Monate nach der Übergabe des Gutes ab getragen sein müssen. Doch war ich gezwungen, de» Verkäufer zweimal um Nachfristen zu ersuchen, weil ich das Geld nicht früher zusammen hatte und keinem Wucherer in die Hände fallen wollte. Da der Verkäufer bereits schwierig wurde, « habe ich mich bei der letzten Fristbewilligung unter Versicherung auf Ehrenwort zu pünktlicher Zahlung verpflichtet. Meine Ehre ist als» engagiert; außerdem gewinnt der tägliche Herr durch nochmalige Säumigkeit bei der Zablmg der letzten Rate das Recht, den Kauf rückgängig zu machen, wodurch ich einen bedeutenden Ten der bereits gezahlten Kaufgelder als Konventional strafe verlieren würde. Somit steht auch pekuniärer Nachteil iu Aussicht, wenn ich nicht zu dem greifen will, waS ich bisher zu ver meiden gesucht habe, nämlich gegen Wucher- ziusen zu borgen. Hätte ich nun daS schnell wieder, so würde ich die ganze Sache als einen Irrtum, eine Handlung der Zer streutheit, meinetwegen des Scherzes, den M der Beteiligte erlaubt hat, aufzufaffen geneigt sein und die fatale Seite der Angelegenheit des Vergessen anheimgeben."
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