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412 »r in die Pfalz, wohin ihm bald da, auf Kinkel folgte. Hier war er, während Kinkel als gemeiner Wehrmann eintra', Adjutant im Stqbe Tiedemanns und befand sich nach der Catasirophc von Rastatt unter den Mcistgravirtcn in den Kasematten der Festung. Seine Verurtheilnng war gewiß, und er entging dem Ctand- rechtStode nur durch eine kühne Flucht, die er mit einigen Schick- falsgenoffen du ch einen unterirdischen Gang der Festung bewerk stelligte, den sie zum Theil mit bloßen Händen selbst erweitert hatten. Karl Schur; entkam glücklich in die Schweiz. Kaum dort angelangt, war sein ganzes Bestreben darauf gerichtet, Kin kel, von besten schrecklichem Schicksal ihn die öffentlichen Blatter unterrichteten, zu befreien. Die Mittel dazu waren kaum in sei nen Händen, als er auch schon auS Werk ging. Die ersten Pläne waren auf Naugardt berechnet; sie scheiterten durch Kinkels Ab führung nach dem Zuchthause von Spandau, lieber die Defrei- ungsversuche, welche auf dem Transporte Kinkels von Köln nach Spandau stattgefundcn haben sollen, schwebt noch ein Dunkel. Schurz sah ein, daß Alles an Alles gesetzt werden müsse, und er war entschlossen. Er ging selbst nach Spandau. Der dem Stand- rechte verfallene Flüchtling wagte sich in die Löwenhöhle. Ver kleidet weilte er dort Wochen und Monate, stets in Gefahr, cr- kai.nt und verlachen zu werden. Bei der ersten Probe zur Aus führung seines Unternehmens hatte er das Unglück zu stürzen und sich schwer zu verletzen. Man glaubte das Bein gebrochen, es war nur verrenkt, aber er lag Wochenlang darnieder. Kaum ge nesen, begann er von Neuem sein Werk. Von ehemaligen Stu denten entdeckt, floh er, kehrte in neuer Verkleidung wieder, er schöpfte alle Möglichkeiten, bis es gelang. Seine bewunderns würdige Umsicht und Ausdauer, sein Muth und seine Verachtung feder persönlichen Gefahr sichern ihm auch die Achtung in den Augen Derjenigen, welche der Parteizwist noch nicht so weit ver blendet hat, um nicht aufopfernde Freundschaft dieser Art als eine Seltenheit zu bewundern. Selbst das Opfer mußte gebracht werden, »seine Aeltern in völliger Ungewißheit über sein Schicksal und seinen Aufenthalt ;u lassen, und er brachte cs, wenn auch mit schwerem Herzen. Anfangs Deccmbcr landeten die Geretteten nach stürmischer Fahrt glücklich in Edinburgh. Kinkel selbst schrieb nach seiner Rettung, daß die letzten Wochen und Tage sei ner Haft, die er schwebend zwischen den drei Aussichten, noch en gere unrettbar zerstörende Haft, gewaltsamen Tod und Befreiung verlebt, die entsetzlichsten seines Lebens gewesen, und daß er sich nur an dem Muth und der Hingebung dieses treuesten Freundes au recht zu erhalten vermocht habe. Sein starkes schwarzes Haar ist nicht nur weiß, sondern auch sehr dünn geworden, und Leute, welche ihn in Edinburgh sahen, schätzten den jugendlichen Mann von 34 Jahren „nahe an die Fünfzig!" Noch ein Jahr, und er hätte als ein Stumpfsinniger im Spinnhause geendet. Dor Kurzem kam in Rom ein englischer Gentleman» an und b^, mit seinokFrgn eine Wohnung in einem der ersten Gasthöfe. EmcS Abeude ging er aus, um in der Stadl umherzuschlender» und seine Ci garre im Freien zu rauchen. LS war Vollmond': er trat iu das Coleseum und sing eben an, sich'dort seinen Träumereien zu überlassen, als er Fuß- Mitte Hütter sich horte. Tiu Manu, ganz wie ein katholischer Priester-e kleidet, ging an ihm so nahe vorbei, daß er ihn mit den, Amie streifte. Der Priester war eben hinter dem Constantinsbog-n verschwunden, als eS John Bull zufällig einfiel, nach der llhr zu sehen: sie war nicht da. Er ellte dem als Priester verkappten Taschendiebe nach, holte ihn ein und forderte sein Eigenthum zurück. Der Priester verstand kein Englisch, un ser Freund kein Italienisch. Dieser machte sich indes! durch Zeichen ver ständlich und Jener gab zitternd die llhr heraus. Zu Hause erzählte er die Geschichte seiner Fran und war sehr erstaunt, als sie ihm lachend ver sicherte, er habe seine Uhr gar nicht mitgenommen, sic liege auf dem Ti sche. Er zog die Uhr heraus; es war nicht die seimge, die in der That auf dem Tische lag. Er war also ohne Wissen und Willen zum Straßen ränder geworden. Am andern Tage ging er auf die Polizei, um die Sache ins Reine zu bringen, und erfuhr dort, der Priester, ein in Rom sehr an gesehener und geachteter Mann, sei schon dagewescn und habe sich be schwert, er sei gestern Abend auf seinem gewöhnlichen Spaziergange von einem Garibaldista Inglese angefallen und durch Drohungen gcnöthigt worden, seine Uhr abzugeben. S, In Rohrau (Oesterreich" stürzte vor einigen Tagen ein Zimmer- gefelle von dem Gerüste des Thurmdaches, welches er repariere, herab, blieb aber mit seinen Kleidern am Stundenzeiger der Thurmuhr hängen Dort längere Zeit zwischen Leben und Tod schwebend, halte er soviel Gei stesgegenwart, das Vordach des Zifferblattes mit den Händen zu fassen und sestzuhalten, bis seine Rettung möglich wurde. Die Höhe des Thur mes beträgt 21 Klafter. Im Dom zu Magdeburg hat am 8. Deeembcr eine Taufe statt- gesunden, die auch für weitere Kreise nicht ohne Interesse sein dürfte. Der Täufling gehörte einem Wehrmann der Berliner Landwehr an, dessen Fran ihn nach Magdeburg begleitet hatte und dort von einem Knaben entbunden worden war. Das ganze Bataillon im Sinne des Worts stand bei demselben Gevatter. Zur Uebernahme der Pathenstelie für den kire, - lichen Art hatte das Bataillon den Major Nobiling (hiesiger Färbermci- stcr), einen Hauptmann, Lieutenant, Feldwebel, Unterossizier und Wehr mann deontirt. Nichtsdestoweniger wohnten die übrigen Mannschaften des Bataillons dem Taufaet bei. Als den Taufzeugen vom Prediger die übliche Frage vvrgelegt wurde, ob das Kind nach dem Ritus unserer Kirche getauft werden solle, ertönte ein tausendstimmiges Ja. Das Kind ist aus die Namen Karl Robert Wehrmann getauft worden. Die „Altonaer Reform" erzählt aus authentischer Quelle den ersten Beginn zu der Lausbahn, die Mamsell Rasmussen (die Gemahlin des Königs von Dänemark), jetzige Gräfin von Dauner, machte. „ES sollte ein neues Ballet ans dem Hoftheater aufgesührt werden und der König befand sich des Abends schon zeitig auf der Bühne, um den Vor bereitungen zuzuschanen, was ihm großes Vergnügen gewährte. In ro- senfarbcner Laune trat er plötzlich in den Kreis derFtgnrantinnen, die sich in scheuer Ehrfurcht in den Hintergrund zurückgezogen hatten und sprach lachend zu ihnen: „Nun Ihr Mädchen, welche von Luch will eine Flasche Champagner mit mir trinken?" Alle schwiegen und blickten verlegen zu Boden. Keine wagte es, die königliche Einladung aujunehmen. Da trat die Rasmussen vor und erwiderte keck: „Ich Majestät, ich'." Der Kö nig, der sie noch nie bemerkt hatte, betrachtete sie aufmerksam mit Wohl gefallen, denn sie zeichnete sich durch die Fülle ihrer Forme» vor vielen ihrer Colleginncn aus. — „Wohlan'." sprach er, ungezogen von ihrer Keck heit und jenen Reizen, „Du mußt aber, ohne Dich umzukleiden, wie Du da bist, de» Wein aus NielS Björas WemhanNung selbst hole». Willst kaS?" „Allerdings will ich daS'." entgegnete sie rasch, ohne ihr Costüm zu beachte»; denn sic war in fleischfarbenem Tricot, ihre ganze KIciduna bestand eigentlich nur aus einem blauen Florschleicr, da sie eine» Genius verstellen sollte, und um die genannte Weiuhandluug zu erreichen, mußte sie drei frequente Straßen passiren. „Das lob ich!" rief der König bei fällig, „Du scheinst den raschen Entschluß zu lieben und Dich weder vor dem Aussehen einer ungewöhnlichen Handlungsweise, noch vor dem Ge- rcke der Leute zu fürchten. Da, laufe zu nnd komme bald wieder l"