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90 Berlin, 15. Marz. D>L„Zcit" enthält heute einen aus führlichen Artikel über die an Preußen ergangene Einladung zur Theilnahme an den Verhandlungen in Paris, und findet in dieser Einladung die Erklärung, daß die Vorbesprechungen zu Ende sind. „Die Einladung an Preußen, — schreibt die „Zeil" — ist durch einen Conferenzbcschluß erfolgt. Diesen Conferenzbeschluß hat Graf Walewski zur Ausführung gebracht. ES ist eine eh- renvolle Genugrhuung, die Preußen dadurch geworden ist. Es Hal sich setzt in Paris so wenig, als früher in Wien zu einer Theilnahme an den Verhandlungen gedrängt. Seine letzte Er klärung ging dahin, daß cs sich der Theilnahme nicht entziehen werde, wenn cs sich von web rein der intercssirten Machten dazu cingeladcn sähe, Nunmehr ist die Einladung von sämmtlichen Confcrenzmachlen erfolgt. Die Annahme dieser Einladung war also eine Pflicht der Consequcnz. ... Preußens Aufgabe in Pa ris kann und wird keine andere sein, als die, auf den gefundenen Grundlagen ein festes Friedcnsgcbaudc erbauen zu helfen, mit dem Materiale, das die letzte Thronrede des Kaisers Napoleon selbst als das beste empfohlen hat: mit Billigkeit und Mäßigung. Die Confcrenzen in Paris werden erst jetzt, wo Preußens Sitz nicht mehr leer steht, den Charakter eines europäischen Congresses annchmen. Wir halten einen vertragsmäßigen Frieden für ge sichert." — Dasselbe Blatt meldet, daß Se. Excellenz der Mini sterpräsident Frhr. v. Manteuffel sich gestern Abend nach Paris begeben hat. — 13. März. Das Lcichenbcgängniß des Generalpolizci- dircctorS v. Hinckeldey hat heute unter größter Theilnahme der gcsammten Bevölkerung stattgefnnden. Se. Majestät der König und die zur Zeit hier anwesenden königlichen Prinzen wohnten dem Trauergottcsdienste in der Wohnung des Verstorbenen bei. — Der vor einigen Tagen im Duell gebliebene Gcncralpo- lizeidircctor Karl Friedrich Ludwig v. Hinckeldey in Berlin war geboren auf dem väterlichen Gute EinncrShausen im Meining- eschcn. Sein Vater war kaiserlicher Rach, seine Stiefmutter eine Schwester des früher» sächsischen Obersten Krug v. Nidda. Nachdem er seine Studien beendet, trat er in den königl. nreuß. Staatsdienst, wurde zuerst Negierungsassessor in Köln, dann Rc- gicrungsralh in Licgnitz, wurde als solcher nach Merseburg ver setzt und später daselbst zum Oberrcgicrungsrach befördert, bis ihm Ende 1848 die Stelle als Polizeipräsident zu Berlin über tragen wurde. Er war ein geistreicher, überaus lebhafter Mann, im Umgänge jovial und gesellig, von seinen Untergebenen verehrt, von den Ceinigen zärtlich geliebt. Seine Witwe ist eine gcborne Fräulein v. Grundherr, des bayrischen Tbercstcnordens Dame; von seinen sieben Kindern ist mir die älteste Tochter erwachsen, der jüngste Sohn noch nicht drei Jahr alt. Sein einziger Bru der ist königl. prcuß. Oberförster, seine Schwester die Witwe dcS als Dichter bekannten königl. sächs. Hauptmanns Friedrich Krug v. Nidda. 16. März. Der heutige „St. A." meldet amtlich, daß Se. Majestät der König die Verwaltung der Stelle des Polizeipräsi denten der Haupt- und Residenzstadt Berlin dem Oberregienmgs- rath und Dirigenten der Abthcilnng des Innern occ königlichen Regierung zu Licgnitz, Freihcrrn v. Zcdlitz-Neukirch, zu übertra gen gcruht haben. — Wic nian hört, hat Herr v. Rochow sich auf sein Ehren wort einstweilen nach seinem Gute Plessow bei Potsdam begeben. Paris, 14. März. Der heutige „Moniteur" meldet, daß der König von Preußen den Ministerpräsidenten v. Manteuffel und den k. preußischen Gesandten zu Paris, Grafen v. Hatzfcldt, zu seinen Bevollmächtigten bei den Confercnzcn ernannt hat. 16. März. Ihre Majestät die Kaiserin ist heute früh ^4 Uhr glücklich von einem Prinzen entbunden worden. Viele Häuser sind decoeirt, Abends findet Illumination statt. — 17. März. Wie der „Moniteur" meldet, hat gestern die Verkaufe des Kronprinzen stattgcfunden. ScineNamen sind: Napoleon Eugenie Lonis Jean Joseph. Der .Papst ist Pathc, die Königin von Schweden Palhin des Kindes. Konstantinopel, 3. März. Ein furchtbarer Sturm hat bei Konstantinopel und bei Varna stattgefunden. Eine große Anzahl Schiffe im Bosporus haben starke Beschädigungen erlitten und mehrere sind zu Grunde gegangen; 17 Minarets sind cingestürzt. Zu Samsun in Kleinasien haben wiederholte Erdbeben stattge funden und bedeutende Verheerungen angcrichtct. Die Bewoh ner campiren unter freien Himmel. Die Gctreideprcise sind be deutend gesunken. Bukarest. Binnen kurzem wird einem langgcfühltcn Be dürf»,ß der hier lebenden Deutschen, und namentlich der Evange lischen (unter denen sich eine große Anzahl sächsischer Untcrthanen befinden) abgcholfcn werden: die baldige Errichtung eines cvan« gelijchen Hospitals und einer Mädchenschulanstalt unter Leitung von Diakonissen ist nämlich durch eine zu diesem Zwecke am 2. Mär; 1855 gegründete Stiftung gesichert. Diese letztere besitzt heule bereits ein Vermögen von 11,000 Thlr. in Capital und Häusern nnd eine jährliche Revenue von 1700 Thlr. Der hie sigen evangelischen Kirche als „Stiftung des ritterlichen Ordens Et. Johanni» vom Spital zu Jerusalem" affiliirt, und unter dem Patronate des durchlauchtigsten Herrenmcisters des gedach ten Ordens Er. königl. Hoheit des Prinzen Karl von Preußen stehend, ist diese Stiftung, obwohl von Haus aus mit geringen Mittel» ausgestaltet, durch reiche Liebesgaben von Bewohnern dieser Stadt auS allen Nationalitäten, Glaubensbekenntnissen und Ständen heute schon so weit angcwachsen, daß unmittelbar zur Ausführung des Werkes geschritten werden kann. Eines der zwei der Stiftung gehörigen Häuser sott mit etwa 400 Ducaten Aufwand zum Diaconissen Lehrhaus aüsgebaut und eingerichtet werden. Es ist die Absicht, schon jetzt 4 Diaconissen zur Be gründung des LehrhauseS hierher zu berufen, und wenn daS „Mutterhaus zu Kaiserswerth" schon jetzt dem betreffenden Ge suche entsprechen kann, so werden die Diaconissen bereits zu Jo hannis d. I. den Unterricht in dcr evaugclischen Töchterschule übernehmen und außerdem eine Töchtererziehungsanstalt eröffnen kömmi. In letzterer sollen eine Anzahl Freistellen errichtet und dazu die Hälfte dcr StiftungScinkünfte verwendct, deren andcre Hälfte jedoch zu dem Fonds für Errichtung des Hospitals ge schlagen werden. Sobald dic Mittel, rücksichtlich deren Ver-