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^ so. 21. April 1910. Nichtamtlicher Teil. BSclknblau f. d. Tpch», Buchhandel. 4745 Nichtamtlicher Teil. Entwurf eines Gesetzes zur Ausführung der revidierten Berner Übereinkunft zum Schutze von Werken der Literatur und Kunst vom 13. November 1908. Erste Beratung im Deutschen Reichstage. <Vgl. Rr. 85 r>. Bl.> «1. Sitzung. Dienstag den 12. April 1910. (Stenographischer Bericht.) Präsident: Wir treten in die Tagesordnung ein. Erster Gegenstand derselben ist die erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Ausführung der revidierten Berner Übereinkunft zum Schutze von Werken der Literatur und Kunst vom 13. November 1908 (Nr. 341 der Drucksachen). Ein Verzeichnis der angemeldeten Kommissare des Bundes rats bitte ich den Herrn Schriftführer zu verlesen. Schriftführer Abgeordneter Engelen: Kommissare für die Beratung des Entwurfs eines Ge setzes zur Ausführung der revidierten Berner Übereinkunft zum Schutze von Werken der Literatur und Kunst: Kaiserlicher Geheimer Ober-Regierungsrat Herr vr. Dungs, Kaiserlicher Geheimer Ober-Regierungsrat Herr Oegg, Kaiserlicher Geheimer Ober-Negierungsrat Herr Robolski und' Kaiserlicher Geheimer Legationsrat Herr vr. Goebel v. Harrant. Präsident: Ich eröffne die erste Beratung. Das Wort hat der Herr Bevollmächtigte zum Bundes rat, Staatssekretär des Reichsjustizamts, Wirkliche Geheime Rat Di-. Lisco. I),-. Lisco, Wirklicher Geheimer Rat, Staatssekretär des Neichsjustizamts, Bevollmächtigter zum Bundesrat: Meine Herren, s' die revidierte Berner Übereinkunft zum Schutze der Werke der Literatur und der Kunst vom 13. November 1908 ist bereits der Gegenstand Ihrer Beratung gewesen und hat nach dreimaliger Beratung am 18. Mai v. I. Ihre Zustimmung erlangt. Ebenso hat der Bundesrat seine Zustimmung zu der revidierten Über einkunft erteilt. Bei der in diesem hohen Hause stattgehabten Beratung ist hervorgehoben worden, daß die meisten Änderungen der Über einkunft mit den bestehenden Neichsgesetzen über Urheberrecht übereinstimmen, und daß es deswegen, um die mit den Gesetzen nicht übereinstimmenden Vorschriften damit in Einklang zu bringen, nur weniger Ergänzungen und Änderungen der Neichs- gesetze bedürfen würde. Diesem Bedürfnis soll der Ihnen vor- liegende Entwurf entsprechen. Mehrere kleine Änderungen werden in der Kommission näher erwogen werden können. Ich darf hier nur auf einige Gesichtspunkte von größerer Tragweite aufmerk sam machen. Auf dem Gebiete der Kinematographie ist durch die im Herbst 1908 stattgehabte internationale Konferenz ein neuer Schutz ein. geführt worden, und zwar nach zwei Richtungen: einmal sollen die Verbandsländer verpflichtet sein, literarischen Werken in diesen Ländern Schutz dagegen zu gewähren, daß sie ohne Erlaubnis des Urhebers zum Zweck einer kinematographischen Darstellung gemacht werden Ferner soll ein originales kinematographisches Werk nicht nur dagegen geschützt werden, daß es in gleicher bild licher Gestalt dargestellt wird, sondern auch dagegen, daß der frei ersonnene Inhalt in einer abweichenden bildlichen Darstellung wiedergegeben wird Beiden Anforderungen kann nach den Vor schriften der deutschen Gesetze nicht genügt werden; es muß also hier das Reichsgesetz abgeändert werden. Von großer praktischer Bedeutung ist die Änderung, die ein getreten ist auf dem Gebiete des Schutzes der Werke der Ton- Börsenblatt silr den Deutschen Buchhandel. 77 Iabw.mio kunst gegen die Wiedergabe durch mechanische Musikinstrumente. Während bisher der Schutz dieser mechanischen Industrien in den Verbandsländern sehr vermieden geordnet war, sollen die Staaten verpflichtet sein, den Tonsetzern grundsätzlich Schutz zu gewähren; der inneren Gesetzgebung ist aber ein weiter Spielraum gegeben, um die Befugnisse durch besondere Vor behalte zu beschränken. Für Deutschland handelt es sich darum, in welcher Weise die Interessen der Tonsetzer und der Musik verleger einerseits, der Fabrikanten anderseits zu berücksichtigen sind; hierbei ist zu würdigen, daß die Interessen der Fabrikanten in Deutschland von so großer wirtschaftlicher Bedeutung sind wie in keinem anderen Lande. Bei den Verhandlungen, die die Reichsverwaltung mit Ver tretern der verschiedenen Jnteressentengruppen geführt hat, hat sich nun herausgestellt, daß eine billige Lösung der Frage nur geschaffen werden kann durch Einführung einer Zwangslizenz, eine Maßnahme, wie sie bereits bei der zweiten Lesung der revi dierten Übereinkunft von dem Herrn Abgeordneten Junck befürwortet worden war. Sollte man von einer Zwangslizenz absehen, so würde die naheliegende Gefahr bestehen, daß sehr kapitalkräftige Fabriken, namentlich ausländische, sich von den Fabrikanten oder von den Komponisten das ausschließliche Recht für so große Be träge überweisen lassen würden, daß dadurch der kleineren In dustrie der Wettbewerb unmöglich werden würde. Für die sehr beliebten Musikstücke würde dadurch eine wirtschaftlich sehr nach teilige Mißbildung von Monopolrechten entstehen. Nach dem Entwurf soll deshalb, wenn der Urheber einem andern zunächst freiwillig die Erlaubnis erteilt hat, das Werk mechanisch wiederzugeben, jeder Dritte die gleiche Erlaubnis von dem Urheber verlangen können, und zwar gegen eine Vergütung, die allerdings dann von dem Gericht festzusetzen sein würde. Es würde naheliegen, im Fall der Zwangslizenz die gleiche Gebühr zu gewähren, die der erste Ausnutzer dem Tonsetzer zugebilligt hat. Aber auch das würde die Gefahr des Monopols nicht be seitigen; denn die großen Fabriken, die sich mit den Tonsetzern zu sehr erheblichen Preisen einigen können, würden sich tatsächlich in der gleichen Lage befinden wie im Falle des Monopols. Die Einzelheiten dieses Systems finden Sie ausgebildet im Artikel 1 Nr. 7 der Vorlage, und ich kann wohl über diese Einzelheiten hier hinweggehen, sie werden Gegenstand der Beratung in der Kommission bilden. Die besprochenen Einschränkungen der mechanischen Industrie haben zugleich die Möglichkeit gegeben, der mechanischen Industrie einen Wunsch zu erfüllen, den sie nach Einführung eines neuen Schutzes hat. Die grammophonischen Werke wenden nämlich große Mittel auf, um bekannte Musiker und Sänger Musikstücke auf Platten und sonstige Vorrichtungen übertragen zu lassen. Für die so bereiteten Platten besteht bisher ein Schutz gegen willkür liche Nachbildung nicht, ein jeder kann durch die wohlfeile Nach formung der teuer hergestellten Originalplatten einen unlauteren Wettbewerb ausüben. Deshalb sollen auf die Platte übertragene persönliche Vorträge als selbständige Bearbeitungen des Original werkes einen vollständig eigenen Urheberschutz genießen. Es ist mit Sicherheit vorauszusehen, daß die Fabriken sich diesen Schutz werden übertragen lassen. Der bloße Schutz des persönlichen Vortrags genügt indes; noch nicht, um die ganze Lücke auszu füllen; denn in zahlreichen Fällen wird das Werk auf die Vor richtung nicht durch den Ton, sondern dadurch übertragen, daß die Platte oder dergleichen durch Lochen, Stanzen, Anordnung von Stiften oder eine ähnliche Tätigkeit zubereitet wird. Diese Arbeit kann oft eine ganz bekannte, rein technische Leistung sein. Es gibt aber auch Instrumente und Tonstücke von solcher Bedeu tung und Eigenart, daß zu der Übertragung der letzteren in das mechanische Gebiet eine künstlerische Leistung gehört. Trifft das letztere zu, was natürlich eine Frage des Einzelfalles ist, so sollen auch diese Übertragungen in gleicher Weise geschützt werden wie der persönliche Vortrag. Die revidierte Übereinkunft hat schließlich Anlaß gegeben, an die Frage heranzutreten, ob der Urheberschutz, der in Deutschland bisher 30 Jahre beträgt, auf 60 Jahre verlängert werden soll. Die internationale Konferenz hat, von dem Wunsche nach einer 612