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4752 Börsenblatt f. d. Dtscl^n. Buchhandel. Nichtamtlicher Teil. 90. 21. April 1910. (vr. Junttrj Im übrigen habe ich die Erkläruna abzugeben, daß wir uns durch unsere Mitarbeit alle Mühe geben werden, um in der kurzen Zeit, die uns noch zur Verfügung steht, dieses wichtige Gesetz zu verabschieden, damit Deutschland in der Lage ist, die Ratifikation der Berner Konvention am 1. Juli d. I. vorzu nehmen. (Bravo! bei den Nationalliberalen.) Präsident: Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dietz. Dietz, Abgeordneter: Es ist erfreulich, einmal konstatieren zu können, daß sich die Reichsregierung nicht hat beeinflussen lassen, die Schutzfrist von 30 bis auf 50 Jahre nach dem Tode des Urhebers zu verlängern. Es ist ganz richtig vorhin schon bemerkt worden, daß die Einflüsse für die Verlängerung wahr scheinlich mehr internationaler Natur gewesen sind als nationaler. Man kann daher den dringenden Wunsch aussprechen, daß die verbündeten Regierungen stets den gleichen steifen Nacken solchen egoistischen Forderungen gegenüber zeigen, wie sie es diesmal getan haben. Unser deutsches Urheberrechtsgesetz ist bislang eines der besten gewesen, die überhaupt existieren; es hat den fort- schrittlichsten Standpunkt von allen anderen eingenommen, und das sollte auch so bleiben und einer rückläufigen Revision nicht unterzogen werden. Es ist gar nicht zu leugnen, daß sich auch bei uns mancherlei gezeigt hat, namentlich in bezug auf den Nachdruck durch die Presse, was tadelnswert ist. Aber das wird immer bei neuen Gesetzen so sein; es wird sich immer zeigen, daß ein neues Gesetz übertreten wird, teilweise aus Unkenntnis, teilweise aus altem Schlendrian. Nicht nur die Gebenden, sondern auch die Nehmen den müssen sich an diese Neuordnung der Dinge gewöhnen. Das Urheberrecht hat in gewissen Teilen viel Ähnlichkeit mit einem Tarifverträge, der zwischen Unternehmern und Arbeitern abgeschlossen wird. Wenn heute z. B. ein Rip van Winkle aus den Kreisen der Zeitungsherausgeber auferstehen und sich einmal den Tarifvertrag ansehen würde, der zwischen den Buchdruckerei besitzern und den Buchdruckergehilfen abgeschlossen ist, mit seinem dickleibigen Kommentar, so könnte er sich ruhig wieder schlafen legen, weil er wahrscheinlich unfähig wäre, sich in die neue Zeit hineinzufinden. Diesen Tarifverträgen gegenüber ist aber das Urheberrecht, welches wir heute beraten, ein wahres Waisenkind an Einfachheit und Klarheit. Wenn der Nachdrucker es unterläßt, nachzudrucken, wird er unbehelligt bleiben, gerade so wie der Zeitungsherausgeber mit seinen Gehilfen in Frieden lebt, wenn er den Tarif aufrecht erhält. Aber zuzugeben ifi, daß der § 18 des Urheberrechts zu recht unangenehmen Differenzen geführt hat. Bereits in der Kom mission zur Vorberatung des Gesetzes von 1901 entspann sich eine sehr lebhafte Debatte darüber, was eigentlich Ausarbeitungen wissenschaftlich-technischen und unterhaltenden Inhalts seien, die das Gesetz ohne weiteres schützt. Besser wäre es gewesen, wenn für jeden Artikel, mag er einen belehrenden oder unterhaltenden Inhalt haben, der Vermerk »Nachdruck verboten« vorgeschrieben worden wäre; dann wären derartige Denunziationen nicht mög lich gewesen. Die Hauptschuld daran trägt allerdings die Unklarheit des 8 18 selbst. Ich glaube nun, daß es in der Kommission gar nicht schwer sein wird, den § 18 so zu gestalten oder zu interpretieren, daß er in Übereinstimmung mit der Berner Konvention bleibt und die Schäden beseitigt, die sich im Verlauf der achtjährigen Gültigkeit gezeigt haben. Als etwas ganz Neues tritt in den Kreis des Urheberschutzes: die Kinematographie. Der 8 12 des Urheberrechts von 1901 soll einen sechsten Absatz erhalten, nach dem der Urheber die Be fugnis hat, die Benutzung eines Schriftwerks zu einer bildlichen Dar stellung, welche das Originalwerk seinem Inhalte nach im Wege der Kinematographie oder eines ähnlichen Verfahrens wiedergibt — zu gestatten. In zweckmäßiger Folge wird der Schutz des Urhebers auch auf das Urheberrecht an Werken der bildenden Künste und der Photographie von 1907 ausgedehnt. Daß die Kinematographie als Kunst jetzt in den Bereich des Urheberrechts gestellt werden soll, berührt hier erst in zweiter Linie. Die Proposition selbst stammt aus Frankreich, wie fast alles, was mit der Urheberrechtsschutzwut — so kann man es wohl nennen — zusammenhängt. Ohne das Vorgehen der Franzosen, insbesondere der Tonkünstler und ihre Einwirkung auf die deut schen Tonkünstler, wäre es wahrscheinlich nicht so weit gekommen, daß wir uns heute mit einem Gesetze zu befassen haben, welches die mechanischen Musikinstrumente und des weiteren auch die Kinematographie in den Schutz des Urheberrechts einbezieht. Zuzugeben ist, daß die Kinematographie eine äußerst wichtige Erfindung ist, die nicht nur der Unterhaltung, sondern auch der Belehrung dient. Wir haben erst in letzter Zeit erfahren, welche wichtigen Dienste sie der Wissenschaft leistet, indem sie Vorgänge im Operationssaal in allen Teilen fixiert und später wiedergibt. Das ist bewundernswert und dürfte uns die Zustimmung zum Schutze der Kinematographie erleichtern, so große Bedenken man auch dagegen haben mag, namentlich soweit der Schutz sich auf den unterhaltenden Teil der Kinematographie bezieht. Es wird nicht lange dauern, so werden uns ganze Opern und Operetten mit Text, Musik und Gesang in farbiger Darstellung vorgeführt werden. Das Problem der farbigen photographischen Aufnahme ist als gelöst anzusehen, und wir werden diese Schaustellungen in einer ans Wunderbare grenzenden Vollendung sehen können. Aber damit wird das Bestreben nach Schutz noch weiter steigen und eine ebenso wunderbare Gestalt annehmen wie die Kine matographie selbst. Einen Vorgeschmack dessen, was uns erwartet, gab bereite der 31. Kongreß der ^goeiatiou lUteraire usw. in Kopenhagen vom 21. bis 26. Juni 1909, der also nach der Berliner Konferenz vom 13. November 1908 tagte. In Kopenhagen wurde unter anderem beklagt, daß der Kinematograph oft in bezug auf die Wiedergabe von Schrift- werken vom urheberrechtlichen Standpunkte nicht zu fassen sei, obwohl — so wurde gesagt — der Autor ein unverletzliches, aus schließliches Recht an der Struktur, am Aufbau seines Stückes, an der Szenenverbindung, kurz an der Dritten, entweder durch ein Schriftwerk oder durch Aufführung zugänglich gemachten szenischen Handlung besitze. Bei dieser Gelegenheit ging Herr Larsen, der Vorsitzende der Vereinigung dänischer dramatischer Künstler, auf eine andere Seite wird —, nämlich auf diejenige der Rechte, die einem Schauspieler zustehen, wenn er durch sein Spiel dem vom Autor gewissermaßen nur skizzierten Werke die wirklich dramatisch-künstlerische Auslegung und damit das eigentliche Relief gibt, dadurch, daß er etwas hervorbringt, was man mit Recht eine Schöpfung — ereat-ion — genannt hat; man denke nur an Monnet, Sully, an Sarah Bernhardt, an die Düse, an Joachim. Darauf erklärte der Baron Rosenkrantz, Romanschriftsteller und Dramatiker in Kopenhagen: Er sei der Ansicht, man solle den Schauspielern eine Art Miteigentum an den von ihnen vor dem Kinematographen- apparat gespielten Werken einräumen, wobei das ursprüng liche Eigentum dem Verfasser des Stückes gehöre. Ein solches Abkommen empfehle sich um so eher, als die Theater direktoren aus Furcht vor der Konkurrenz der Kinemato- graphenanstalten ihren Schauspielern die Aufführung von Rollen vor den Kinematographenapparaten untersagen; somit sollte man auch die Schauspieler an diesen neuen Aufführungen beteiligen. Und schließlich bemerkt dann der Herr Röthlisberger, der Vorsteher des Internationalen Bureaus für Urheberrecht in Bern: Es bereite sich auf diesem Gebiete in den wissenschaftlichen Ansichte-, ein lehrreicher Umschwung vor. In einem in der Juninummer der Zeitschrift Osterrieths veröffentlichten Aufsatz lege Professor Köhler dar, daß er entgegen seinen früheren Anschauungen, nach denen der ausübende Künstler nur ein Individualrecht hätte geltend machen können, zu seinen Gunsten ein eigentliches Urheberrecht anzuerkennen sei, das die ausschließliche Befugnis zur Wiedergabe seines Spiels bedeute, indem letzteres die bloß fragmentarischen und lückenhaften Angaben des Autors mit Leben erfülle. Ein solches Recht müsse aber von der Bedingung abhängen,