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,4k so, 21 April 1S10. Nichtamtlicher Teil. Börsenblatt s. d. Dtschn. Buchhandel. 475l <vr. Junck:) liefert nach der Erfahrung immer den besten Ansporn zur geistigen Produktion und damit überhaupt zum Fortschritt auf gewerblichem und künstlerischem Gebiete. Aber dieser Schutz wird durch die Idee der Zwangslizenz gar nicht verkümmert. Sie bewegt sich durchaus in der Linie der Verwertung der künstlerischen Produk tion, indem eben nicht nur einzelne, sondern alle, die es wollen und können, gegen angemessene Entschädigung an dem durch die künstlerische Produktion geschaffenen Werte teilnehmen sollen, indem sie ihn ausnutzen. Verhindert werden muß eben nur eine schädliche Monopolbildung. (Sehr richtig! links.) Das wird geschehen, wenn nicht nur derjenige die Melodie, den musikalischen Gedanken auf ein mechanisches Musikinstrument übertragen darf, dem speziell von dem Autor oder von dem Ver leger dazu die Erlaubnis gegeben worden ist, sondern wenn, nachdem einmal das Werk freigeworden ist durch die Erteilung einer Lizenz, auch jeder Dritte, der dazu entschlossen, bereit und fähig dazu ist. Wir sind bereit, auf diesen Boden zu treten. Ich weise da rauf hin, daß die Vereinigten Staaten von Nordamerika bereits vorausgegangen sind, daß auch England eine Gesetzgebung vor bereitet, die mit der Zwangslizenz operiert. Wie sich nun freilich die Zwangslizenz in der Praxis be währen wird, das steht dahin. Die Vereinigten Staaten von Nordamerika gehen einen kurzen, entschlossenen Weg, indem sie gegen eine feste Abgabe von 2 Cents für jede Note die Lizenz geben, und zwar so, daß derjenige, der diesen Preis zahlt, damit die Lizenz erwirbt. Ob sich dieser sehr einfache Gedanke auf die Dauer bewähren wird, wird vielfach bezweifelt; nach meinen Informationen geht man jetzt schon teilweise dazu über, anstatt des festen Preises von 2 Cents eine angemessene Gebühr von Fall zu Fall zu vereinbaren. Das Deutsche Reich will nach dem Entwurf einen etwas komplizierteren Weg gehen, indem die Lizenz nicht gegen Zahlung eines angemessenen Preises erworben werden soll, es soll nur ein Anspruch auf Erteilung der Lizenz entstehen. Der Anspruch muß unter Umständen im Prozeßwege durchgesetzt werden, und der Prozeßrichter hat auch über die Angemessenheit der Lizenzabgabe zu entscheiden. An sich sind wir durchaus da mit einverstanden, wenn dem Richter solche Bewertungen über tragen werden, dürfen aber nicht übersehen, daß diese Tätigkeit, man denke an die Bemessung des Schadensersatzes, nicht gerade die Stärke des deutschen Richters ist, indem die an sich löbliche Eigenschaft der Genauigkeit, der Akkuratesse zu einer gewissen Schwerfälligkeit führt und der Schnelligkeit hinderlich ist, wie sie die Praxis braucht. Dieser Ubelstand wird auch nicht durch die Erleichterung einstweiliger Verfügungen in genügender Weise korrigiert. Es ist aber zu hoffen, daß sich hier große Gruppen von Interessenten zusammenfinden werden, die dem Richter die Schwierigkeit abnehmen, und die wesentlichsten Bedenken würden beseitigt sein, wenn die schon in der Bildung begriffene Anstalt immer weitere Kreise an sich zöge, eine Anstalt, die besteht aus Verlegern und Industriellen, sich zur Aufgabe setzt, die Lizenz gebühr von einer Zentralstelle aus zu bemessen und eine leichte Form für die Erteilung der Lizenz zu schaffen, etwa eine Lizenz marke. Wenn das Gesetz den Effekt hat, immer weitere Kreise in eine derartige Anstalt zusammenzudrängen, so würde das eine sehr segensreiche Folge des Gesetzes sein; denn ein Gesetz ist gut das durch sein Dasein die beteiligten Kreise zur Selbsthilfe ver anlaßt und zwingt. Deshalb kann man hoffen, daß sich eine gute Entwicklung an diese Gesetzgebung anknüpft; dann werden die Bedenken gegen eine gewisse Schwerfälligkeit des Apparats schwinden. Namentlich wird der Richter, wenn er die angemessene Lizenzgebühr bestimmen soll, einen Anhalt an den Sätzen haben, die von der Anstalt, also von der Mehrheit der beteiligten Kreise freiwillig normiert sind. Im übrigen will ich mich mit Einzelheiten nicht beschäftigen, namentlich nicht eindringen in die außerordentlich schwierige Frage der rückwirkenden Kraft, bei deren Regelung sich die von mir hervorgehobene Wendung findet, daß ein anderer Paragraph mit einer gewissen Maßgabe entsprechende Anwendung finden soll. Meine Herren, zwischen den beiden großen Gruppen der Autoren und der Industriellen steht eine dritte Gruppe, die der deutschen Verleger, die selbstverständlich auch bei dieser Gesetz gebung volle Berücksichtigung verdienen, weil sie auch hier als die eigentlichen Vermittler zwischen Produktion und Konsumtion in Betracht kommen. Es liegt mir als Vertreter einer Stadt des Buchhandels, die übrigens auch eine große Blüte der mechanischen Musikindustrie aufweist, am Herzen, daß hier auch der große Stand der Verleger, speziell der Musikalienverleger, keinen Schaden erleidet. Wir werden Veranlassung nehmen, gerade in dieser Richtung in der Kommission das Gesetz genauer zu prüfen. Wenn z. B. bestimmt ist, daß die Zwangslizenz schon entsteht, wenn das Werk erschienen ist, so kann damit doch wohl nicht ge meint sein, daß die Zwangslizenz schon in Kraft treten soll, wenn die Noten im gewöhnlichen Verlagswege erschienen sind; gemeint kann wohl nur sein, daß die Zwangslizenz dann in Kraft tritt, wenn das Werk einmal zum Zwecke der mechanischen Wiedergabe erschienen ist. Ferner ließen sich an § 14 des Gesetzes Zweifel anknüpfen, der davon ausgeht, daß auch bei einer unbeschränkten Übertragung des Urheberrechts im Zweifel das Recht auf mechanische Verviel fältigung beim Autor bleiben soll. Es handelt sich ja ganz sicher um dispositives Recht, das durch den einzelnen Verlagsvertrag geändert werden kann; aber immerhin scheint es von einer ge wissen Unfreundlichkeit gegenüber dem Standpunkte des Verlages zu zeugen, wenn jetzt mehr und mehr Rechte aufgezählt werden, die trotz unbeschränkter Übertragung des Urheberrechts an den Verleger, wenn nicht die Parteien etwas anderes vereinbaren, beim Autor bleiben sollen. In der Literatur ist in witziger Weise ausgeführt, daß auf diese Weise nach und nach ein Urheberrecht geschaffen werde, welches trotz der Übertragung des Urheberrechts auf einen anderen doch immer noch beim Verleger bleibe, und daß, wenn man auf diesem Wege fortfahre, man schließlich zu einem Urheberrecht gelange. Auch in dieser Beziehung also werden wir die Vorlage zu prüfen haben, namentlich auch die Begründung, indem gerade im Anschluß an § 14 gesagt ist, daß die mechanische Vervielfältigung nicht zu den verlagsmäßigen Arten der Vervielfältigung gerechnet werden könne. Es muß ver mieden werden, daß aus einer derartigen Konstatierung Zweifel und Streitigkeiten für die Vergangenheit entstehen. Im all- gemeinen habe ich den Eindruck, als wenn die Vervielfältigung in der gewohnten Art, nämlich in geschriebenen und gedruckten Noten zum Ablesen, nahezu auf derselben Linie stehe wie die Vervielfältigung durch Notenrollen und -scheiben zur Wiedergabe für das Gehör. Es ist ja interessant, zu sehen, wie der Musikalien verlag jetzt wieder zur Notenrolle des Altertums zurückkehrt. Was die Länge der Schutzfrist anlangt, so bin ich es gewesen, der bei Beratung der Berner Konvention die Frage aufgeworfen hat, ob wir nicht, folgend den Konventionsländern, auch zur fünfzigjährigen Schutzfrist übergehen sollten. Wenn Herr v>. Pfeiffer sich dagegen gewendet hat, daß etwa einer bestimmten Künstlerfamilie eine Verlängerung des Schutzes gewährt werden solle, so stößt er damit offene Türen ein; daran denkt niemand. Es könnte höchstens in Frage kommen, ob man differenziert zwischen den Schriftwerken einerseits und den musikalischen Kompositionen anderseits. Aber eine derartige Differenzierung ist nicht zu empfehlen, und da wir nun sehen, daß der gesamte Buchhandel, vertreten durch den Buchhändlerbörsenverein, für die dreißigjährige Schutzfrist eintritt, und daß auf der anderen Seite die Musikalienverleger unter sich auch nicht einig sind, und da sich pro und contra, wie ohne weiteres zugegeben sein wird, viele rein sachliche Gründe geltend machen lassen, da zwar gewisse internationale Rücksichten für eine Verlängerung der Schutzfrist sprechen, dagegen das Interesse der Nation als solcher auf ein möglichst frühzeitiges Freiwerden der geistigen Produktion hin weist, und da nun auch der Bundesrat sich entschlossen hat, bei der dreißigjährigen Schutzfrist zu bleiben, freilich ohne daß er wohl hieraus eine Kabinettsfrage machen würde, so habe ich namens meiner politischen Freunde mitzuteilen, daß wir davon absehen, Anträge zu stellen, die auf eine Verlängerung der Schutz frist von 30 auf 60 Jahre abzielen. Jedenfalls muß die Schutz frist möglichst einfach gestaltet werden — und ich bedaure deshalb, auf den Boden des Herrn Kollegen Wagner nicht treten zu können, der differenzieren und die Schutzfrist in gewissen Fällen laufen lassen will von dem Erscheinen des Werkes an. Wir haben allen Anlaß, diese Bestimmungen möglichst einfach zu gestalten und uns möglichst nahe anzuschließen an das, was die anderen Konventionsländer tun. 613*