Volltext Seite (XML)
Wochenblatt für Pulsnitz, Radeberg, Königsbrück, Radeburg, Moritzburg und deren Umgegend. Redigier imker Deraiitwortlichkeii der Verwger E. Forster in Pulsnitz und Th. Al. Hertel in Radeberg. Ro. 13. Freitag, den 29. März. 18LO. Diese Zeitschrift erscheint jeden Freitag in einem ganzen Bogen nnd kostet vierteljährig 7 Ngr. 5 Pf. i»r»e»iiu><!r»i>a». — Bestell, ungcn, Inserate aller Art, welche die gespaltene Zeile mit 8 Pfennigen berechnet werde», und in Pulsnitz und Radeberg spätestens bis DienS, tags Abends, in,Königsbrück, Radeburg und Moritzburg bis Montags Nachmitt. abzugeben sind, nehmen in Pulsnitz und Radeberg die Heraus, geber, in Königsbrück der Kaufmann Andreas Grahl, in Radeburg der Buchbinder Günther, in Moritzburg die Post-Expedition, in Großenhay» der Buchbinder Hohlseldt, so wie alle Postämter an. Bericht aus Erfurt. Am 20. März fand die Eröffnung des deutschen Parlaments zu Er furt statt. Sie wurde Morgens 7 Uhr durch das Geläute der Glocken von sämmtlichen Kirchrhürmen der Stadt und selbst von der großen Su sanne feierlich begrüßt und dieser Gruß zu derselben Stunde von den Mit gliedern des Erfurter großen Sängerbundes, durch Absingung eines Cho rals an den Stufen der Barfüßer (evangelischen) und der nicht weit da von entfernten Augustiner (katholischen) Kirche wiederholt. Um 10 Uhr versammelten sich die Parlamentsmitglieder, je nach ihrer Conscssion, in den eben genannten Kirchen, um der Feier des Gottesdienstes beizuwoh- iien. . Nach Beendigung desselben fand der Zusammentritt säMmtlicher Deputaten,,sowohl des Staaten- als des Volkshauses in dem bereits hi storisch merkwürdigen Regierüngsgebäude statt, in dessen großem Saale das Parlament durch den Vorsitzenden des Vcrwaltungsrathcs, v. Ra- dowitz, eröffnet wurde. Man bemerkte zahlreiche Celebritäten aus den verschiedensten Gegen den Deutschlands. Nach 11» Uhr traten sämmtliche Mitglieder des Verwalcungsrathes ein. Die Abgeordneten horten die von Herrn v. Aa- dvwitz verlesene Eröffnungsbotschast stehend an: Meine Herren! Die durch das Statut vom 28. Mai verbündeten Regierungen haben sich verpflichtet, dem deutschen Volke eine Verfassung nach dem damals zugleich eröffneten Entwürfe zn gewähren und einem Reichstage zur Genehmigung vvrzulegen. Man ging damals allerdings von der Erwartung aus, daß ganz Deutschland außer den österreichischen Staaten sich diesem Bündnisse anschließen werde, doch wurde hiervon der Vollzug selbst nicht abhängig gemacht, sondern im §. 1. bereits die Mög lichkeit vorauögesehen, daß vielleicht auch andere Staaten nicht beitreten würden. Sobald demnach durch die nach und nach eingehenden Erklär ungen feststand, daß die große Mehrheit der deutschen Regierungen zum Anschluß entschlossen war, dursten die verbündeten Staaten nicht zögern, das der Nation gegebene Versprechen, soweit es an ihnen lag, zu erfüllen, obgleich Baiern, Würtemberg und einige kleinere Regierungen thcils den Beitritt versagten, theilS sich vorläufig jeder bestimmten Entscheidung ent hielten. (Scharf betonend:) Nur Hannover und Sachsen waren ande rer Ansicht; sie hielten es nicht für zeitgemäß, mit der Berufung eines Reichstages vvrzuschreiten, bis das Verhältnis' zu Oesterreich oder doch zu Baiern und Würtemberg festgestellt sei. Sachsen ist bei dieser Ansicht stehen geblieben, Hannover aber hat sich von dem Bündnisse ganz lvsge- sagt und es ist deshalb vom VcrwaltungSrathe die Einreichung einer Klage beim Bundesschiedsgenchte beschlossen worden. Bis zur Entscheid ung dieser Angelegenheit aber find beide Regierungen auch ferner als Mitverbüadete zn betrachten und bei ihren frühem Verpflichtungen fest« znhalten. Das gegenwärtige Parlament ist zusammengetreten, um das Ver- faffungswerk zum Abschlusse zu bringen. Es werden Ihnen neben dem Entwürfe der Verfassung des deutschen Reiches und dem Wahlgesetze für die Abgeordneteil zum Volsyause auch zwei Reichsgesetzentwürfe, betref fend das Reichsschicdsgericht und das Verbrechen des Hoch- und Landes« verratheS gegen das Reich, vorgelegt werden. Da manche Verfassungs bestimmungen nicht auszusühren sind, bis das Verhältnis zu den übrige« deutschen Staaten geordnet sein wird, so wird zugleich eine AdditivnalactL zur Prüfung und Erklärung des Parlaments eingebracht werden. Auch in Betreff der Zoll- und Handelsangelegenheiten liegen eigenthümliche Verhältnisse vor, welche eine Modificatwn der Verfassungsbestiinniunge« bedingen. Da Oldenburg und die Hanscstädte bei dem Rücktritte Han novers in eine ganz isolirte Stellung geratden würden, so reicht hier auch die Additivnalacte nicht aus. So lauge jene Isolirung dauert, wird für die HandelSintcressen jener Staaten eine besondere Vertretung stattfiii- den müssen und ihr Verhältnis zuni Bunde in dieser Beziehung wird nur durch besondere Verträge geregelt werde» könne». Es müssen jenen Staaten fernere Separathandelsverträge gestattet bleibe», jedoch dürfen dieselben mir provisorischer Natur und den Bimdesimcrcssen nicht ver derblich sei», besonders aber darf dadurch nicht die politische Einheit de» Blmdesstaates zerstört werden. Die Regelung dieser verwickelten Ver hältnisse dürfte vorerst am zweckmäßigsten dem Verwaltmigsralhe über« laste» n»d ihre definitive Feststellung einem künftigen Parlamente vvrbe« halten bleiben. Die Vertretung des Verwalcungsrathes im Parlamente ist in die Hände von fünf Cvinmissaren gelegt worden. ES sind diese Functionen dem General v. Radowitz, dem Staalsminister Freiherrn v. Carlowitz, dem LcgatioiiSrath Du. Liebe, dem Präsidenten Vollpracht und dein Geheimen Rath Freiherr» v. Lepel übertragen worden, welche dem nach den öffentlichen Sitzungen beiwohnen, sowie zu allen nöthigen Mit- thellungen und Aufschlüssen in den Ausschüssen und Commissionen bereit sein werden. Ich erkläre hierdurch in, Namen der verbündeten Regier ungen dieses Parlament für eröffnet. Hierauf Verliesen die Anwesenden den Saal und begaben sich nach ihren Sitzmigsloralm in der Angustinerkirche. Welche Bemühungen sind gemacht worden, diese Eröffnung zu hin tertreiben oder doch zu verschiebe». Sie waren vergebens! Mögen eS ebenso alle andern vudeutschcn Bestrebungen sein. Wie aus der emsamei» Zelle des Erfurter AugustinerklosterS das Licht der Reformation siegend hemvrbrach, so möge jetzt von derselben Stelle mit gleich« Kraft »ad