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Brandunglück in einem Theater. Im Stettiner Zentral-Theater entstand Kurzschluß «r dem Lichtbilderapparat. Der Maschinen meister Jahnke wurde sofort getötet. Der Direktor des Theaters erlitt schwere Brand wunden. Ein großer Schrecken bemächtigte sich deS Publikums, doch kam glücklicherweise nie mand zu Schaden. Der Brand selbst konnte V»n der Feuerwehr rasch gelöscht werden. Eisenbahnunfall. Der gemischte Zug 653 fuhr bei der Einfahrt in Bahnhof Glogau auf zwei nach dem Schuppen fahrende Maschinen. Der Paketwagen entgleiste und drückte die Stirnwand des folgenden Personenwagens 3. Klasse ein. Hierbei erlitten zwei Soldaten Beinbrüche, eine dritte Person wurde leicht verletzt. Vom Zuge überfahre«. Der Einjährig- Freiwillige Presber aus Langenschwalbach wurde auf dem Ostbahnhof in Hanau von einem Zuge überfahren; kurze Zeit darauf erlag der Ver unglückte seinen Verletzungen. x Bestrafung eineS Opfers der Nächstenliebe. Ein trauriges Vorkommnis an den Eisenbahngleisen der Weichseluferbahn bei Thorn hat jetzt ein ungewöhnliches Nachspiel gezeitigt. Der Kahnschiffer Andrszyk aus Thorn wurde vor einiger Zeit von einem Rangierzug gegen eine Rampe gedrückt, wobei er schwere Verletzungen erlitt. Sein Freund und Kollege, der Kahnschiffer Anusiak, sprang sofort hinzu, um dem Ärmsten die erste Hilfe angedeihen zu lassen. Nunmehr ist dem braven Helfer in der Not seitens der Eisenbahn-Betriebsinspektion ein Strafmandat in Höhe von zwei Mark und 20 Pfennig Portokosten zugestellt worden und zwar wegen unbefugten Betretens des Gleises nach W 78, 82 der Eisenbahnbau- und Betriebs ordnung vom 4. November 1904. Gegen dieses Strafmandat hat A. sofort Antrag auf gericht liche Entscheidung gestellt. Durch eine Schneelawtne zerstört. Ein Teil des Dorfes Hospitalet (Frankreich) ist durch eine Schneelawine zerstört worden. Ein Mann wurde getütet. Dank der schnellen Hilfe leistung gelang es, die übrigen Bewohner zu retten. X Eine tollwutvcrdächtige Dogge in der Kaserne. Aufregende Szenen spielten sich dieser Tage in der Kaserne „La Ronde" des 9. Dragoner- Regiments in Devant-les-Ponts (Kreis Metz) ab. Dort stürmte zwischen 5 und 6 Uhr srüh Plötzlich eine große Dogge in die Stallung der 1. Schwadron ein und brachte einem Pferde ganz erhebliche Bisse am Kopfe bei. Bon der Stallwache verjagt, drang die Bestie in die Stallung der 3. Schwadron, hier zwei Pferde durch Bisse in Hals und Kopf schwer verletzend. Den schleunigst herbeigeeilten Mann schaften gelang es unter großen Bemühungen, das Tier unschädlich zu machen, nachdem zuvor noch ein Dragoner durch einen leichten Biß in den Arm verletzt ivorden war. Der Kadaver des Tieres wurde bis zur Feststellung, ob Tollwut vorliegt, hinter Verschluß gebracht. Ob der gebissene Dra goner zur Beobachtung der Tollwutschutzstation in Berlin zugeführt werden soll, hat das sofort be- nacyrichtigie Sanitätsamt des 16. Armeekorps zu entscheiden. Inzwischen ist eine mehrwöchige Beob achtung der gebissenen Pferde angeordnet worden. Unschuldig verhaftet. Von einem schweren Mißgeschick ist in Paris der Angestellte eines Getreide-Engroshauses betroffen worden. Am 12. September 1905 sandte er im Auftrage seines Chefs einen Geldbrief mit 2000 Frank nach der Provinz ab. Als der Adressat den Brief öffnete, war das Geld aus diesem ver schwunden, und in dem Kuvert befanden sich nur Papierschnitzel. Der Empfänger des Briefes erhob Klage, und der Pariser wurde unter dem Verdacht, den Diebstahl begangen zu haben, in Haft genommen. Sein Chef aber zog von dem noch fälligen Gehalt des Verhafteten die 2000 Frank ab. Das Gericht übergab die ganze Angelegenheit einem Sachverständigen, der das Kuvert eingehend untersuchen sollte, um den Tatbestand festzustellen. Diese Untersuchung zog sich nun sehr lange hin und endete schließlich damit, daß der Sachverständige zu keinem Resultat kommen konnte. Inzwischen schmachtete der andre, der immer seine Unschuld beteuerte, in Untersuchungshaft. Jetzt bestellte die Staats anwaltschaft eiueu neuen Sachverständigen, der ieststellte, daß der Verhaftele in Wahrheit der Bestohlene ist, und daß der Geldbrief nur von Melitta Hörle das alles, wie im wüsten, bangen Traum, voll Grauen hatte sie sich von der Leiche weggeschlichen und auf ihr Bett ge worfen. Da lag sie die ganze Nacht mit wachen Augen; wirre wilde Bilder zogen an ihrem Geiste vorüber. Sie sah sich auf der Reitbahn, im spanischen Kostüm, das Publikum jauchzte ihr zu, ein Blumenregen fiel auf sie nieder, und der kleine Herr Blinder warf ihr einen rosigen Strauß zu, und als er auf die Erde fiel, da waren es ihre gemalten Blumenbilder, die aus einanderflogen. „Ich habe sie alle bezahlt Ms purem Mit leid, kaufen tut sie kein Mensch I" hörte sie eine höhnische Stimme. Und dann wieder sah sie die dunklen ernsten Augen Bergers vorwurfs voll auf sich gerichtet; und hinter ihm stand der Friseur und hielt lächelnd ihre beiden Zöpfe in die Höhe: „Fünfundsiebzig Mark habe ich dafür gegeben," rief er triumphierend. Verzweiflungs voll wühlten ihre Hände in dem kurzgeschnittenen Haar. „Meine Zöpfe, ich will meine Zöpfe wieder haben," rief sie, und dann wieder bat sie in den weichsten, rührendsten Tönen ihre Mama, nur einmal zu ihr zu kommen, mit ihrer kalten Hand ihre heiße Stirne zu kühlen und ihr nur einen einzigen Schluck Wasser zu bringen, sie müsse ja verschmachten. — Wer all ihre Worte verhallten ungehört in dem stillen Gemach, ein sam und verlassen lag sie bis zum Morgen. Als die Wintersonne ihre matten Strahlen durch die zugefrorenen Fensterscheiben sandte, da endlich drangen Menschen in das Zimmer. Die Handwerkerfrau hatte, als sie an der Tür vor- einem Dritten, höchst wahrscheinlich von einem Postbeamten, sehr vorsichtig und geschickt ge öffnet, seines Inhalts beraubt und dann wieder geschlossen worden sei. Infolgedessen entließ man den Angestellten sofort aus der Haft, der jetzt gegen die Postverwaltung einen Schaden ersatzprozeß in Höhe von 100 000 Frank an- gestrengr hat. vb. Ei« mächtiger Scheinwerfer. Der Scheinwerfer des neuen englischen Schlachtschiffes „Dreadnought" weist eine ganz neue Konstruktion auf und ist imstande, seine gewaltigen Licht strahlen in alle verschiedenen Richtungen zu ent senden. Das Strahlenbüschel besitzt eine Stärke von 50000 Normalkerzen und ist 31 Kilometer weit sichtbar. eb. Wer ist im Recht? Vor dem Ge richtshof in Kingston in England hatte sich kürzlich ein Automobilist wegen Schnellfahrens zu verantworten. Der anzeigende Polizist be hauptete natürlich, das; nach seiner Rennuhr der Fahrer mit einer Geschwindigkeit von 48 Kilo metern bei ihm vorbeigefahren sei. Dagegen brachte der Automobilist als Beweis seinen Schnelligkeitsmesser, aus dem hervorging, daß das Fahrzeug nur eine Geschwindigkeit von 22,4 Kilometer besessen habe. Er brachte gleich zeitig ein amtliches Zeugnis darüber vor, daß sein Apparat sich in vollkommener Ordnung be finde. Der Gerichtshof stand vor einem Rätsel und vertagte die Angelegenheit. A Von der seltsamen Flucht eines poli tischen Gefangenen, der kürzlich von der Schlüssel burg nach Sibirien übersührl wurde, wird auS Petersburg berichtet: Gerschuni war im Februar 1904 als der Hauptleitcr der Kampfcsorganisation des sozial-revolutionären Komitees verhaftet worden. Nahezu drei Jahre mußte er in Gefangenschaft ver bringen. Mit Hilse eines Sauerkrautsaftes gewann er jetzt jedoch die Freiheit zurück. Das Krautfaß, das in regelmäßigen Zwischenräumen in den Gefängnishof gestellt wurde, pflegte bei der Abholung nicht genau geprüft zu werden. Der Wärter sollte beim Abholen mit seinem Degen die Kohlreste durch stoßen, um sich zu vergewissern, daß nichts Fremdes in dem Kraut verborgen wird. Diese Mühe pflegte er sich zu sparen, und darauf baute Gerschuni seinen Fluchiplan. Eines Tages, als das Faß kam nnd wie immer von den Sträflingen in Empfang ge nommen war, leerte man es eilig und versah den Boden mit einem kleinen Luftloch. Tann kroch Ger schuni in das dunkle Gehäuse. Für den Fall, daß der Beamte die Prüfung mit dem Degen machen würde, legte er ein ausgedörrtes Broi über seinen Kopf und die Genossen häuften dann die Krautreste über den Wagemutigen. Ohne daß man Verdacht schöpfte, wurde das Faß in den Nagelraum der Gefängnis-Inspektion gestellt. Zehn angstvolle Stunden mußte Gerschuni in seiner seltsamen Zelle ausharren, von Schmerzen gepeinigt und nahe daran zu ersticken. Endlich kam das Dunkel. Mit Anstrengung arbeitete Gerschuni sich aus dem Fasse heraus. Von einem Eingeweihten waren schon acht Tage vorher einige Bretter in den Wänden des Magazins gelockert. Die Flucht war gesichert. Wenige Meilen von der Anstalt harrte der Komplice mit einer Trokia. Ans der Fahrt vertauschte der Flüchtling seine Sträfliugskleider mit einer Bauern gewandung, entfernte seinen verwilderten Bart und als sie die nächste Station, Manschuria, erreichten, waren die gröbsten Spuren der langen Haft be seitigt. Von Wladiwostok entkam Gerschuni über Japan nach Amerika. Schweres Eisenbahnunglück in Amerika. Auf der Strecke Minneapolis-Saint Paul stieß ein Schnellzug mit einer rangierenden Loko motive zusammen. Der ganze Zug entgleiste, 25 Personen wurden gerötet. cd. Dramatische Rettung eines verschütteten Bergmanns. Nach Meldungen aus Backersfield in Kalifornien wurde ein Borgmann namens Hicks, der am 8. Dezember im Schacht verschüttet wurde und dessen Leiche man zu bergen hoffte, am 19. Dezember lebend, wenn auch total erschöpft und dem Tode nahe, ans Tageslicht befördert. Hicks wurde von einer Rotte Arbeitern gerettet, die mit der Ausräumung des Trümmerhaufens beauftragt waren und während dieser Arbeit systematische Klopfschläge vernahmen. Einer der Arbeiter, der die Klopssignale der Bergleute kannte, beantwortete die Schläge durch Klopfen mit seinem Hammer, und gleich darauf gab ein neues Zeichen den ungefähren Aufenthalt des Verschütteten an, und nun wußte man, daß Hicks, wenn auch dem Tode nahe, doch noch am Leben sein müsse. Man senkte nun ein Rohr in der ungefähren Richtung der Laute hinab, nm sich mit Hicks unterhalten zu können. Wasser s beigekommen, Melittas verzweiflungsvollen Ruß nach einem Schluck Wasser vernommen, sie war dann hereingetreten und hatte die Frau Kom merzienrat tot in ihrem Lehnsessel, und Melitta in den wildesten Fieberphantasien, angezogen auf ihrem Beite liegend, gefunden. Nach und nach waren dann die übrigen Hausbewohner neugierig herbeigekommen. Rian hatte die Leiche aus dem Zimmer geschafft und auch für Melittas Pflege notdürftig gesorgt. — — — An demselben Abend, der für Melitta so schaurig geendet, feierte Bergen zum erstenmal wieder im Kreise seiner Angehörigen frohe Weihnachten. Vor einer Stunde erst war er angekommen. Die Abreise von seinem jetzigen Wohnort hatte ziemliche Schwierigkeiten ge macht. Die Väter, die Mütter und vor allem die jungen Damen, hatten alle aufs lebhafteste gegen diese Reise protestiert. Aber ein andres süßes Bild war es, das, je näher er seinem Ziele kam, ihn umschwebte. — Dem bestrickenden Zauber dieser Mädchenerschei nung zu entfliehen, hatte er einst die Stadt verlassen, und jetzt trieb es ihn dahin zurück und heiß verlangte es ihn, sie zu suchen, sie wiederzufinden. Und nun war er angelangt und wanderte durch die alten, wohlbekannten Straßen, auch an dem Hause vorüber, wo einst Melittas Köpfchen, hinter Blumen versteckt, nach ihm ausgeschaut. Jetzt blühten keine Blumen mehr hinter den Fenstern, eine alte, fremde Frau saß an denselben und blickte mißmutig auf die schnee bedeckte Straße hinunter. Eine Schar junger Damen mit Schlittschuhen am Arm begegnete und flüssige Nahrung wurden durch diese künstliche Leitung dem Verunglückten zugeführt, während die Rettungsmannschaften Tag und Nacht ununterbrochen an der Aufräumung arbeiteten. Ein Mann war besonders angestellt, um sich mit dem Verschütteten zn unterhalten und ihm Mut zuzusprechen. Sogar ein Phonograph trat zu diesem Behuf in Aktion. Es war ein rührender Anblick, diese wetterharten Gestalten an dem Leitungsrohr stehen zu sehen und zu hören, wie sie ihrem Kameraden durch Anekdoten und Witze Mut zusprechen wollten. Am Mittwoch früh erhielten sie keine Antwort mehr von Hicks, als sie abends ihn fanden, lag er bewußtlos da, war aber noch am Leben und befand sich bald außer Gefahr. Gericktskatte. Mannheim. Der sozialdemokratische Journalist Hauth, der nach seiner Ausweisung aus der Schweiz in die Redaktion der hiesigen ,Volksstimme' einge treten war, wurde vom Kriegsgericht zu sieben Monat Gefängnis, abzüglich 3 Wochen Untersuchungs haft, sowie Versetzung in die zweite Klasse des Soldatenstandes verurteilt. Hauth hatte seinerzeit einem Befehl zur Ableistung einer militärischen Übung, der ihm in die Schweiz nachgeschickt worden war, keine Folge gegeben und wurde als fahnen flüchtig behandelt. Wiesbaden. Der Kaufmann Karl Laubach von hier batte sich wegen betrügerischen Bankrotts, Meineids und Unterschlagung vor dem Schwur gericht zu verantworten. Er hat eine goldene Uhr mit Kette vor seinen Gläubigern verheimlicht und ein Vermögensverzcichnis beschworen, in dem die Uhr und Kette nicht aufgefnhrt waren. Die Unter schlagung wird darin gesunden, daß er 330 Mk., die er im Auftrage eines Geschäftsfreundes für einen Wechsel eingenommen, sür sich behielt. Laubach wurde wegen fahrlässigen Meineids und des be trügerischen Bankrotts schuldig gesprochen und zu 1 Jahr 6 Monat Gefängnis verurteilt. Über äie Oumawaklen schreibt die ,N. Fr. Pr.' in Wien: Fünf Monate nach Auflösung der ersten russischen Neichsduma ist ein Ukas des Zaren erschienen, der die Wahlen für die neue Reichs duma auf den 19. Februar, den Tag der Auf hebung der Leibeigenschaft im Jahre 1861, fest setzte. Nach den Statuten der Reichsduma hätte die Festsetzung des Wahltermines zugleich mit dem Dekret über die Duma-Auflösung erfolgen sollen. Diese Unterlassung hat das Mißtrauen gegen das Ministerium Stolypin genährt und den radikalen Elementen Anlaß zur Ver schärfung ihrer Agitation gegen die Regierung gegeben. Der jetzt publizierte Ukas über den Wahltermin, der den revolutionären und radi kalen Elementen eine Waffe aus der Hand nimmt, dürste im Lande eine gewisse Beruhi gung herbeiführen. Die Regierung hat zwar eine Reihe von Maßnahmen ergriffen, um die Zahl der regierungsfeindlichen Wahlen mög lichst zu beschränken. Vor allem hat die Regierung auf administrativem Wege zahl reiche Verfügungen getroffen, die den sichtbaren Zweck verfolgen, der Regierung unlieb same Elemente von der Teilnahme an den kommenden Wahlen auszuschalten. Fast alle früheren oppositionellen Dumamitglieder wurden durch Versetzung in den Anklagezustand oder durch erwirkte Ausschließung aus dem Adel ihres Wahlrechtes beraubt. Das Polizei departement hat eine Proskriptionsliste solcher Personen aufgestellt, deren Wahl zu Reichs dumamitgliedern der Regierung unerwünscht ist. Auch die Erlasse über die Einschränkung der politischen Rechte der Beamten verfolgen das Ziel, der Opposition bei den kommenden Wahlen viele Stützpunkte zu entziehen. Dem Bestreben der Regierung, dem Wahlgesetze eine ihr günstige Richtung zu geben, hat aber der Senat, die höchste richterliche Behörde, durch seine jüngsten „Erläuterungen" zu dem Wahlgesetz den größten Dienst erwiesen. Denn die Ent scheidungen des Senats, welcher sich als ge horsames Werkzeug in den Händen Stolypins erwies, haben viele Bauern, Bürger, Arbeiter und kleine Beamten um ihr Wahlrecht gebracht. Die Bauern müssen jetzt inner- yalb ihrer Kurie wählen und dürfen inner halb der Gutsbesitzer - Kurie nicht wählen. Auch viele Kategorien ländlicher Bewohner, ihm, es waren Freundinnen von Melitta, die er einst in dem Bendeloschen Hause gesehen, auch Hermine Wellner war darunter, sie wurde dunkelrot, als er grüßend seinen Hut zog. All mählich wurde es dunkel auf den Straßen, man zündete die Gaslaternen an. Bergen be schleunigte seine Schritte, er sehnte sich nach dem lieben Antlitz seiner Mutter. In einen hell erleuchteten Friseurladen, an dem ihn sein Weg vorüberführte, schlüpfte eine dunkle Mädchengestalt hinein, bettoffen blieb er stehen, war das nicht Melittas zierliche Gestalt? Unter dem weißen Tuch, das sie um den Kopf ge schlungen, glaubte er die langen, schwarzen Zöpfe herunterhängen zu sehen. Sollte er ihr folgen? Wohnte sie vielleicht in diesem Hause? Da tönten bekannte Namen an sein Ohr: „Da ist er Richard I Richard!" riefen zwei Helle Mädchenstimmen, es waren seine beiden Schwestern, die jetzt freudestrahlend auf ihn loöstürmten. „Du bleibst so entsetzlich lange, wir wurden schon ganz unruhig und sind dir entgegen gegangen," sagss Luise, indem sie sich schmeichelnd an seinen Arm hing. „Es ist alles schon bereist wir haben einen großen Christbaum gekauft, die Mutter wollte ihn unter dessen anzünden. Sieh nur, dort brennt auch schon einer, man wird wieder ganz kinderfroh an solchem Abend." So plaudernd, führten ihn die beiden Mäd chen triumphierend nach Hause. Die Frau Professor hatte eben die letzte Kerze angezündet, da hörte sie die Stimme ihrer Kinder vor der Tür, und Freudeulränen stürzten ihr aus den Augen, als der gesiebte Sohn sie jetzt in die welche ihren Landbesitz auf besonderer Grund lage erlangt haben, wie Kronbauern, so genannte ewige Zinszahler im Westgebiete, Alt gläubige, welche in Weißrußland angesiedelt wur den, und sogar Bauern, die ihren Landbesitz mit Hilfe der Bauernbank erworben haben, werden jetzt in die Wählerlisten der Grundbesitzer nicht eingetragen. Auch das Wahlrecht der Wohnungsmieter wurde stark eingeschränkt. Per sonen, die eine Wohnung gemeinschaftlich oder möblierte Wohnungen inne Haben, und niedere Beamte der Eisenbahnen, die ihre Wohnstätten von der Bahnverwaltung erhalten, können nach der neuesten Senatsentscheidung ihr Wahlrecht nicht mehr ausüben. Überhaupt sind zahlreiche Kategorien von „niederen" Bahnbeamten, wie Kondukteure, Signalisten, Wächter, Heizer, Weichensteller und andre, von der Teilnahme an den Wahlen nunmehr ausgeschlossen. Nach einer statistischen Berechnung des Blattes ,To- warischtsch' sind durch diese Entscheidung des Senats 170 000 subalterne Bahnbcamte ihres Wahlrechtes entkleidet worden. In Petersburg allein haben die Senatserläuterungen eine Ver ringerung der Zahl der Wähler von 8000 her beigeführt. Dennoch dürste die Tatsache allein, daß die Wahlen stattfinden und der Zusammentritt der Duma nicht verschoben wird, wie es noch vor kurzem hieß, der Beruhigung den Weg bahnen, trotzdem die Vorbereitungen zu den Wahlen unter außerordentlichen Umständen angesichts des Ausnahmezustandes, der Kriegs- und Feldgerichte und der Stafexpeditionen statt finden. Die Regierung hat ihr Wahlprogramm bereits fertig und beschlossen, sich auf drei Parteien, die der rechtlichen Ordnung, der Oktobristen und der friedlichen Erneuerung zu stützen. Aber auch die oppositionellen Parteien rüsten sich energisch zum Wahlkampf, und nach den intensiven Sympathien zu urteilen, welche diese im Lande genießen, dürfte sich der bevor stehende Wahlkampf äußerst lebhaft gestalten. buntes Allerlei. Gegen die amerikanische Frau. Seit Generationen wird in den Ver. Staaten eine der artige Verehrung der Fran getrieben, daß es natürlich ist, daß nach und nach die Frau zum Ideal des Amerikaners geworden ist. Von Jugend an ist die Frau gewöhnt, der Mittelpunkt der Familie zu sein, um den sich alles dreht. Wenn sie heiratet, verlangt sie von ihrem Manne un bedingten Gehorsam und Eingehen auf alle ihre Launen. Sie lebt nur der Pflege ihres Körpers, der sie sich mit aller Inbrunst hingibt, und kennt keine andern Interessen und Ziele, als zu gefallen. Natürlich kann es nicht ausbleiben, daß derartige Zustände die Kritik herausfordern, und gerade in der letzten Zeit ist den amerikanischen Frauen von ihren eigenen Landsleuten zu wiederholten Malen tüchtig die Wahrheit gesagt worden. Letzthin erst bezeichnete ein hervorragender Theo loge die amerikanische Frau als die Schwester der Frauen aus den Zeilen der Bibel, die ihren Männern Leben und Seele aus dem Leibe preßten, nur uni mehr Juwelen und Schmuck für ihren Körper zu erhalten und ihre nutzlosen Neigungen zu befriedigen. Aber auch die Wissenschaft ergreift Partei gegen die heutige Frau. Der National- ökonom Laughlin führte neulich in einem Vortrage aus, daß der amerikanischen Frau Formensinn fehle. Nicht nur in der Kleidung und in den Gewohn heiten der Frau mache sich dies bemerkbar, fondern auch in der Art und Weise, wie sie ihre Studien treibe, wie sie denke und wie sie spreche. Besonders bemerkenswert sei ihr Gang. Während die Eng länderin, die Französin, die Deutsche mit einer ge wissen Würde gehe, Watschle die Amerikanerin und mache sich lächerlich. Die Amerikanerinnen be haupten nach wie vor, die graziösesten Geschöpfe zu Auch ein Kenner. A.: „Kennen Sie die Werke dieses berühmten Mannes?" — B.: „Natürlich! Ich gehe täglich an einer Buch handlung vorbei, in deren Schaufenster sie aus gestellt sind." Im Zweifel. (Vor Gericht.) Richter: „Sie haben bei Ihrer Verhaftung dem Schutz mann Widerstand geleistet!" — Angeklagter: „Ich war eben der Meinung, 's könnt ein falscher Schutzmann sein!" Arme nahm und Kuß auf Kuß auf die runzligen Wangen drückte. „Laß mich doch erst mal dein Antlitz schauen," bat sie dann, „ob du auch ganz unverändert bist." „Ganz unverändert, mein Mütterchen," rief Richard lachend, „innen und außen, auch die alte Liebe ist nicht erloschen," setzte er leiser hinzu. Es war ein unendlich glückliches Weihnachts- fest, was die die vier so eng verbundenen Menschen feierten. Richard empfand es so recht in diesen Tagen, was für ein Segen die Heimat und ein treues Mutterherherz ist, wenn man auch schon längst den Kinderschuhen entwachsen. Am zweiten Festtage, als die Schwestern gegen Abend ausgegangen, und er mit der Mutter allein in dem traulichen Zimmer am Ofen saß, begann er nach Melitta zu forschen, die Mutter mußte ihm alles erzählen, was sie von den beiden Damen und ihren Verhältnissen wußte. „Ich werde sie aufsuchen, womöglich morgen schon, meine arme, verlassene, wilde Rose," er klärte er dann, „wenn ich ihr auch nicht all den verlorenen Reichtum ersetzen kann; vielleicht ver mag ich doch, chr Leben wieder etwas glücklicher zu gestalten." Und so wanderte denn Doktor Bergen heute durch die düstere Vorstadt, wo, wie man ihm gesagt, Bendelos jetzt wohnen sollten. An dem Hause, in welchem Helene Bauer gewohnt, und wo er so oft seine Schritte hingelenkr, blieb er einen Moment stehen. Anna, die Pflegerin Helenes, ging an ihm vorüber, dem Hause zu. Bergen erkannte sie sogleich und trat, sie freund lich begrüßend, zu ihr heran. WH w (Schluß folgt.)