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Ottendorfer Zeitung : 23.12.1906
- Erscheinungsdatum
- 1906-12-23
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Privatperson
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1811457398-190612238
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1811457398-19061223
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1811457398-19061223
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Ottendorfer Zeitung
-
Jahr
1906
-
Monat
1906-12
- Tag 1906-12-23
-
Monat
1906-12
-
Jahr
1906
- Titel
- Ottendorfer Zeitung : 23.12.1906
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politische Kunälckau. Deutschland. * Der Kaiser wird sich nach Neujahr aus einige Tage nach Cadinen begeben. * Die Arbeiten am preußischen Staatshaushallsetat-Entwurf für 1907 sind soweit gesördert, daß eine Fertig stellung demnächst erwartet wird. Man wird damil rechnen können, daß der preußische Landtag bis zum Beginn seiner neuen Tagung, am 8. Januar, den neuen Etatentwurf vorfindet. * Die Stichwahlen zum Reichs tage sind für Preußen aus den 5. Februar angesetzt worden. * Die w ürt t e m b er gi s ch e Regierung gab in der Kammer das Versprechen, im Bundesrat alle Schritte zu tun, die geeignet find, einer Lebensmittelverteuerung zu steuern. Osterreich-Ungarn. * Die ungarische Delegation ver handelte über die Aufteilung der Heeres- lieferungen zwischen beiden Reichshälften. Der Staatssekretär erklärte im Laufe der Debatte, daß Österreich zu weitgehenden Zugeständnissen bereit sei und daß in dieser Frage daher bald volle Übereinstimmung herrschen werde. Frankreich. * Der Ministerrat beschloß, sich der Ab trennung eines Teils der Regierungsvorlage über die Überweisung der Kirchengüter zu widersetzen. * Marineminister Thomson hat sich im Senat für strenge Durchführung des französischen Flottenprogramms und gegen jede Herabminderung der Kriegsbereit schaft zur See ausgesprochen. * Die amtlichen Maßregeln zur Ausführung des Trennungsgesetzes haben in einer Bischofsstadt Südsrankreichs zu einem neuen Zwischenfall geführt. Die Bevölkerung von St. Flour leistete dem Polizeikommissar und den Gendarmen, die den Auftrag hatten, dem Bischof den Befehl zum Verlassen des bischöf lichen Palastes zu überbringen, so energischen Widerstand, daß der Bürgermeister, der .Ruhestörungen vermeiden wollte, sich um Weisungen an den Kultusminister wandte. Der Minister erwiderte, der Bischof könne den Palast zu einem beliebigen Zeitpunkt verlassen. Hier auf erklärte der Bischof, daß er freiwillig und ahne jeden Zwang in den nächsten Tagen über siedeln werde. England. * Im Unterhaus wurde gelegentlich einer Besprechung der internationalen Konserenz sür Funkentelegraphie folgender Antrag einge- oracht: „Mit Rücksicht darauf, daß sich die Funkentelegraphie noch imVersuchsstadium befindet, betrachtet das Haus jede Abmachung, die Eng land in der vollständigen Freiheit seines Han delns behindert, mit Besorgnis und fordert von der Regierung die Einsetzung einer Kommission, um die Vorschläge der Berliner Kon ferenz zu prüfen, bevor das Abkommen unter zeichnet wird." — Der Antragsteller erklärt, daß England auf der Konferenz Deutschland und seinem Stimmenanhang gegenüber nur eine untergeordnete Rolle gespielt habe. (Auf der Konferenz in Berlin stimmte für England nur Italien!) * Zwischen Unterhaus und Ober haus mehren sich die Meinungsverschieden heiten fast mit jedem Tage. Jetzt hat wieder das Unterhaus auf Antrag der Regierung die vom Oberhaus zum Gesetze über die Gewerbe streifigkeiten gestellten Anträge sämtlich ver worfen. Schweiz. * Der Bundesrat reichte der Bundes versammlung den Entwurf zu einem Gesetz über die Kranken- und Unfallversiche rung ein. Italien. * Gelegentlich einer Rede über die aus wärtige Politik erklärte Minister Tittoni in der Kammer, daß zwischen Deutschland und Italien keinerlei Mißverständnis bestehe. Desgleichen sei die Möglichkeit eines kriege rischen Zusammen st oßes zwischen Deutschland und England ausgeschlossen, da Österreich-Ungarn und Italien als Dreibundgenossen in erster Linie die Rolle friedlicher Vermittler zufalle. *Der Papst beabsichtigt angeblich, den Kirchenstreit mit Frankreich durch Ver mittelung andrer Mächte vor die Haager Friedenskonferenz zu bringen. Spanien. * Wie verlauret, ist die Unterzeichnung des Handelsprovisoriums mit Deutsch land in Madrid erfolgt. Rußland. * In den letzten Tagen fanden inPelers - bürg in 400 Häusern Haussuchungen statt, 150 Personen wurden verhaftet. Da die Ge fängnisse überfüllt sind, wurden die Verhafteten einstweilen unter strenger Be wachung in den Polizeibureaus untergebracht. Als Ursache der Massenhaussuchungen wird das Wiederaufleben der revolutionären Hetze unter dem Militär bezeichnet. Balkanstaaten. *Wie aus Konstantinopel verlautet, wurde der Ort Passovah, der trotz seiner zweifellosen Zugehörigkeit zu Persien von den Türken besetzt worden war, und deshalb den Hauptgrund zum jetzigen Grenzkonflikt bildet, von den türkischen Truppen ohne Befehl ver lassen, weil sie keinen Proviant und Sold er halten. Damit ist zur Beilegung des türkisch-persischen Grenz st reites ohne Zutun der beiderseitigen Regierungen ein bedeutender Schritt getan. * Die serbische Anleihevorlage wurde mit 90 gegen 59 Stimmen von der Skupschtina angenommen. Amerika. * Präsident Roosevelt übersandte dem Kongreß drei Sonderbotschaften betr. die Staatsländereien, die Flotte und den Panamakanal. Gleichzeitig ist ein amtliches Schriftstück über Kuba erschienen, das die Ver hältnisse auf der rebellischen Insel als besriedi- gend darstellt. *Der japanische Botschafter sagte in einer Rede, die er auf dem Bankett der Amerikanisch-Asiatischen Gesellschaft hielt, es sei schwierig, in der Geschichte einen ähnlichen Fall zu finden, wie das Verhältnis zwischen der Union und Japan. Der Botschafter wies den Gedanken, daß die Ver. Staaten und Japan um di« Herrschaft über den Stillen Ozean kämpften, weit von sich und meinte, Ostasien sei groß genug sür den Handel der ganzen Welt. Man könne davon überzeugt sein, daß Japan den Grundsatz der offenen Tür in der Mandschurei energisch verfechten und aufrecht erhalten werde. (Der Botschafter ist sehr höflich oder sehr kurzsichtig; denn in Roosevelts letzter Botschaft werden Kriegsschiffe verlangt, um die Herrschaft aus dem Stillen Ozean erobern zu können.) Afrika. *Das diplomatische Korps in Tanger hat soeben die Antwort desSultans auf die gemeinsame Note erhalten, worin über die Ausschreitungen Raisulis Beschwerde geführt wurde. Der Sultan erklärt, er finde die Klagen der auswärtigen Vertreter für gerechtfertigt und sende eben deshalb seine Truppen, um die Räuber zu bestrafen und die Ordnung im Ge biete von Tanger wieder herzustellen; den Namen Raisulis erwähnt der Sultan jedoch mit keinem Worte. Das diplomatische Korps wird nunmehr nochmals zusammentreten, um über den Fall zu beraten. *Wie verlautet, hat der Sultan den Kriegsminister, der sich mit den Negierungs truppen Tanger nähert, ersuchen lassen, ange sichts der drohenden Haltung der Bevölkerung nicht in die Stadt einzuziehen, sondern erst die Stellungnahme Raisulis abzuwarteu. Dieser ist also immer noch Herr der Lage. * Auch der ehemalige Oranje-Frei st aat soll nunmehr eine Versüssung erhalten. Die neue Verfassung sei im ganzen dieselbe wie die Verfassung in Transvaal. Die Regierung § hofft, daß das neue Parlament im nächsten Herbst zufammentreten könne. Die Erste Kammer s werde aus 38 gewählten, die zweite aus 11 er- ! nannten Mitgliedern sich zusammensetzen. Asten. * Die japanische Negierung wird demnächst ein Weißbuch erscheinen lassen, in dem sie den Mächten gegenüber ihre Stellungnahme in der Mandschurei sowie ihr Verhalten in Korea rechtfertigt. "Die chinesische Regierung hat nunmehr aus Grund der aus verschiedenen Provinzen eingegangenen Gutachten, wo probe weise eine Verfassung eingeführt wurde, be schlossen, für ganz China eine einheitliche Verfaffung auszuarbeitsn. Ein kaiserlicher Erlaß fordert für die Arbeiten möglichste Beschleunigung. *Der Schah von Persien hat sich wieder ein wenig erholt. Er unterhielt sich sogar längere Zeit und, sprach über politische Angelegenheiten. — Der T h r o n f o l g e r tritt entrüstet der Behauptung, daß er dem Parla ment und dem Volk unfreundlich gesinnt sei, in einem Schreiben an ein führendes Parla mentsmitglied entgegen und stellt mit Nachdruck fest, daß er stets Reformen und Fortschritten zur Wohlfahrt der Nation geneigt gewesen sei und auch in Zukunft geneigt lein werde. Vie Antwort äes Verrogs von Oumberlanä. Zu der Stellungnahme des Herzogs von Cumberland zu dem Anträge des braun schweigischen Landtages, endgültig aut Hannover zu verzichten, wird noch bekannt: Der Herzog von Cumberland erkennt es dankbar an, daß der Landtag durch Aussetzung der Regentenwahl seinem Wunsche nach Erledi gung der Angelegenheit den Rechten seines Hauses entsprechend Geltung verschafft habe. Freilich müsse er der Landesversammlung die Berechti gung bestreiten, ihm und seinem Hause eine Berzichtbedingung zu stellen, die weder in der Landes- noch in der Reichsverfassung begründet sei. Meine Übernahme der Regierung des Herzogtums, so schreibt der Herzog, war und ist von keiner Bedingung abhängig. Selbst verständlich bin ich verpflichtet, die Landes verfassung sowie auch die Reichsverfassung in allen Stücken zu beobachten. Diese Pflicht ergibt sich aus der mir zugefallenen Erbfolge im Herzogtum ganz von selbst. Im Bewußt sein dieser Pflicht habe ich die Reichsverfassung ausdrücklich und feierlich anerkannt. Ich habe allerdings meine Ansprüche auf die Krone Hannover nicht aufgegeben, halte aber diesen Anspruch mit der rückhaltlosen Anerkennung der Reichsverfassung für durchaus vereinbar. Dabei bin ich mir meiner Pflicht bewußt, ihn niemals anders als auf reichsverfassungsmäßigem Wege geltend zu machen. Er habe, heißt es weiter, dies wiederholt öffentlich ausgesprochen. Er erstrebe auch heute noch die Verwirklichung seiner Rechtsansprüche auf die Krone Hannover nur und allein durch ein« freie Tat des deutschen Kaisers und des Deutschen Reiches, wahrlich nicht durch fremde Macht und Hilfe. Aber eben deshalb könne und dürfe er einen Verzicht auf die Krone Hannover, wie er von ihm verlangt werde, nicht aussprechen. Er habe auch das Vertrauen zu den deutschen Mitsürsten und zum Kaiser, daß sie in seiner Lage ebensowenig einen solchen Verzicht abgeben würden wie er. Es erfülle ihn mit Schmerz, daß auch so manche Braunschweiger diese Unmöglichkeit eines Ver zichtes nicht verständen; er begreife das nicht und lege dem Landtage und dem braunschweigischen Volke die Frage vor, was dem Herzogtum mit einem Fürsten gedient sein könnte, der mit solcher Verleugnung und Selbsterniedrigung, mit solchem Verrat an Treu und Glauben sich den Einzug in die Stadt Heinrichs des Löwen erkaufen möchte? Weiter führt der Herzog in dem Schreiben aus, daß er und seine Söhne sich der Aufgabe wohl bewußt seien, ihre fürst liche Pflicht gegen Braunschweig ebenso treu und gewissenhaft zu erfüllen wie gegen Hannover» Deshalb habe er auch in dem Schreiben an den Kaiser vom 2. Oktober d. sich erboten, für sich und seinen ältesten Sohn und dessen Deszen denz auf die Regierung des Herzogtums zu ver zichten zugunsten feines jüngsten Sohnes. Zu seinem Bedauern habe der Kaiser diesem Ange bot keine Folge gegeben. Zum Schluß betont der Herzog noch einmal, daß sein jüngster Sohn zur Verzichtleistung auf Hannover bereit sei: „Mehr vermag ich nicht zu tun." ^on uncl fern. Der Unfall des Dampfers Prinzessin „Viktoria Luise". Die Passagiere des bei Port Royal auf einen Felsen ausgelaufenen Dampfers „Viktoria Luise" der Hamburg- Amerika-Linie sind sicher gelandet. Der Kapitän Brunewig erschoß sich in seiner Kabine. Die Strandung erfolgte in unmittelbarer Nähe des Feuerturmes und ist auf die Steuerung eines falschen Kurses zurückzuführen. Das Schiff hatte keinen Lotsen an Bord. In dem Augen blicke des Auflaufens bemächtigte sich der Passa giere eine Panik; es gelang jedoch den Schiffs offizieren schnell, die Ruhe wiederherzustellen. In dem Prozeß wegen des Zusammen stoßes des deutschen Dampfers „Kaiser Wilhelm der Große" mit dem englischen Dampfer „Orinoco" geht das Urteil des Londoner Gerichts hofes davon aus, daß der Zusammenstoß dadurch veranlaßt worden sei, daß der deutsche Dampfer, mit hoher Fahrt aus dem Hafen kommend, irr tümlich angenommen habe, noch vor dem Bug des „Orinoco" vorbeizukommen. Das Urteil kommt daher zu dem Schluß, daß dem Kläger kein Versehen zur Last falle, und spricht den Eigentümern des „Orinoco" demgemäß Ersatz ihrer Unkosten, die noch festzustellen bleiben, zu. t. Die Beerdigung von Marineange hörigen im Auslande betrifft ein Abände- rungszusatz zur Friedensbesoldungsvorschrift. Es heißt jetzt dort, daß bei der Beerdigung von Marineangehörigen im Auslande für eine Kenn zeichnung der Grabstelle je nach der Ortsüblich keit durch ein einfaches Holz- oder Steinkreuz oder eine einfache Steintafel mit Inschrift Sorge zu tragen ist. Als Höchstgrenze, bis zu welcher die Ausgaben für die Beschaffung eines solchen Grabschmuckes auf das Etatskapitel „Sanitäts wesen" übernommen werden darf, ist der Betrag von siebzig Mark festgesetzt worden, doch soll nach Möglichkeit gespart werden. Ein deutsches Kriegsschiff unter dem Hammer. Das Panzerkanonenboot „Brummer" soll demnächst verkauft werden. Es ist nun 23 Jahre alt. Wie alle Panzerkanonenboote, ist es auf der Werft Weser in Bremen gebaut. Das 870 Tonnen große Boot (das kleinste unsrer Panzerkanonenboote) läuft 10 Knoten, hat 63 Mann an Bord und ist nur sehr schwach armiert, während die größeren Panzerkanonen boote eine sehr starke Armierung aufweisen. Der Gefechtswert vom „Brummer" ist natürlich gleich Null. t, Der Hauptmann von Köpenick weill gegenwärtig nicht im Tegeler Strafgefängnis, sondern zu Gescher i. V., woselbst er als Für sorgezögling in der Anstalt „Haus Hall" unter gebracht ist. Es handelt sich natürlich nicht um den Schumacher Wilhelm Voigt, sondern nm einen verwahrlosten jungen Menschen, der Hauptmann heißt und aus Köpenick stammt. Mit vollem Recht kann der Tunichtgut als der echte „Hauptmann vonKöpenick" bezeichnetwerden. X Durch die Annener Explosiv» das Gehör wieder erhalte». Von einer wunder baren Heilung während der Explosion der Roburitfabrik in Annen wird aus Witten fol gendes gemeldet. Der dort wohnende Monteur Pl. litt schon seit langen Jahren an einer «n Taubheit grenzenden Schwerhörigkeit. Die zweite Explosion in dieser Fabrik, die er in unmittel barer Nähe mit erlebte und die so vielen Ver derben brachte, bedeutete für ihn ein „Tue dich auf!" Nachdem sich Pl. von dem ausgestandenen Schreck etwas erholt hatte, machte er die freu dige Entdeckung, daß er durch die furchtbare ! Detonation jein Gehör wieder erlangt hatte. Maria Morchnerin. 1) Erzählung von Wilhelm Appelt.*) In wolkenlosem Blau wölbte sich der Himmel über die lebensfrohe Stadt Wien, wo an eimm wonnigen Frühlingstage des Jahres 1226 das Rosenscft gefeiert wurde. Den Glanzpunkt desselben bildete ein Weit- kampi der gefeiertsten Minnesänger, welche sich aus dem weiten Deutschen Reiche ein, «fanden halten, um durch Harfenspiel und Gesang in friedlichem Streite um die Palme des Sieges zu ringen. In weiter, mit Fahnen und Wappenschildern reich geschmückter Halle saß an der Seite seiner Gema'llin auf goldenem Thron der Herzog Leopold VI. von Oesteireich, genannt der Glor reiche, umgeben von seinem Hofstaate. Die Halle war ein lustiger, nur aus Säulen ruhender und an den Seiten offener Bau, den eme große Menge Volkcs umlagerte. N chdem alle Meister in wundervollem Harsenspiel und herrlichem Gesänge ihre Kunst entfaltet hatten und die Preisrichter sich eben über den Würdigsten in stiller Beratung einigen wollten, um ihm den Siegeskranz zu reichen, beirat ein Mädchen von bezaubernder Schön heit den Saal, eine Harse in der Hand tragend. Es war das Fest der Rosen und die holdeste der Rosen, noch einer dusligen, kaum kischwsstnen Knospe gleichend, war soeben er schienen ! Die Jungfrau war von süßer Anmut und Bescheidenheit und die Röte der Scham, *) Unberechtigter Nachdruck wird verfolgt. welche ihre Wangen dunkler färbte, machte sie noch lieblicher. Sie hieß Maria Pforchnerin und war die Tochter eines Waffenschmiedes. Bei ihrem Anblick wurden viele Ausrufe der Bewunde rung in der glänzenden Versammlung laut. Aber aller Herzen erfaßte inniges Mitleid mit dem Mädchen, das kaum sechzehn Jahre zählen mochte und sich mit den größten Meistern im Wettstreit messen wollte. Nach solchem Ge sang und Saitenspiel, wie man eben erst ver nommen, vermaß sich ein halbes Kind, ein Gleiches zu vollbringen. Ergriffen von Mit gefühl, rief ihr einer der Großen des Reiches zu: „Lasse ab von deinem Vorhaben, denn heut gilt es nicht, die entzückende Schönheit zu krönen, deren Preis dir niemand streitig machen würde, heut vermag nur die höchste Kunst den Sieg zu erringen!" Flehend fielen ihre Blicke auf den Sprecher, indem sie mit tiefem Beben entgegnete: „Es war nicht mein Wille, in den Wett kampf einzutreten, vor dem mir mehr bangt, als ich Euch sagen kann; ich folge nur einem Gebote derjenigen, denen ich Gehorsam schuldig bin, deshalb habt Nachficht mit mir, Ihr edlen Herren und Frauen!" Nachdem wieder tiefe Ruhe eingetreten war und sie sich etwas gefaßt hatte, griff sie mit zarter Hand in die Saiten. Das war ein bezauberndes Klingen, als wohnten Engelsstimmen in der Harfe. Wie der Welt entrückt, stand Maria in mitten des Saales und ihre schönen Augen blichen in hoher Begeisterung schwärmerisch enwor. Und als sich zu ihrem Spiel ihr ent zückender G-sang hinzugesellte, da vermeinten alle, die Göttin der Musik sei herabgestiegen, um die wahre Kunst in strahlender Schönheit zu verkünden. Ais endlich der letzte Ton verklungen, brach endloser Jubel los, in den auch das Volk macht voll einstimmte. Maria stand leise zitternd da und es traten ihr fast die Thränen in die Augen. Einmütig und schnell erfolgte das Urteil der Preisrichter und nachdem es abgegeben war, trat der Herog Leopold von Oesterreich mit einem Kranz duftiger Rosen auf sie zu, ihr denselben als Siegespreis in die Locken windend, indem er sprach: „Du bist schön gleich einemholdenFrühlings- morgen und es freut mich, dich krönen zu dürfen als größte Meisterin des Harfenspiels und des edlen Gesanges!" Diesen Worten folgte erneuter Jubel. Als er sich endlich gelegt hatte, eilte Maria auf einen Greis zu, küßte ihm demrusvoll die Hand und rief, indem fie ihm den Kranz auf die spärlichen schneeigen Locken drückte: „Nicht mir, sondern diesem großen Meister, der mein Lehrer gewesen, gebührt der Kranz von duftigen Rosen und mit ihm zugleich der erste Preis, denn nur einen Teil seiner hohen K mst vermochte ich zu offenbaren, welche seine zitternden Hände nicht mehr selbst zu üben ver mögen l Ihm allein gebühren Ehre, Preis und Ruhm!" Tiefe Ergriffenheit bemächtigte sich aller über die edle Bescheidenheit und reiche Herzensgüte des lieblichen Mädchens, das seinen ebenen wohlerworbenen Ruhm dem verehrten Meister zu Füßen legte. Du sprach gerührt die Herzogin: „Magst du, mein liebliches Kind, auch den Kranz des Ruhmes deinem Lehrer opfern, der höchste Preis des edelsten und besten Herzens bleib: ungeschmälert dir allein, der dich mehr als alle Kronen ziert!" W e Meeresbrausen erscholl es als Antwort durch den Saal: „Heil dem edlen Mädchen, Heil der großen Künstlerin!" Ach! Tage nachher lag Maria mit ringenden Händen und thränenüberstcömten Gesicht in ihrem Stübchen auf den Knieen vor dem Christusbilde und ihr Weinen und Schluchzen wollte kein Ende nehmen. Das entsetzlichste Leid, das fie nicht aus zudenken vermochte, hatte fie getroffen und zerriß in wilder Pein ihr Herz. Ihr guter Vater, an dem fie in namenloser Zärtlichkeit hing, hatte sich leichfinnigerweise der Partei des Prinzen Heinrich, der sich gegen seinen Vater Leopold VI. empörte, angeschlosscu und ihm Waffen geliefert, wofür ihm nun au- offenem Marktplatze vom Scharfrichter beide Hände mit dem Richtschwert abgehauen werden sollten. Diese Strafe wurde an allen, die sich eines schweren Hochverrats schuldig machten, auf das unbarmherzigste vollzogen. Immer verzweiflungsvoller flehte Marie, Gott möge ihr Rettung bringen. Es kamen hr nochmals die Worte des Herzogs zu Sinne, die
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