Volltext Seite (XML)
Verschwundene Wertsendungen. Nach einer Bekanntmachung der kaiserlichen Oberpost direktton in Konstanz ist der von der Bahn- Post 15 Emmerich-Straßburg (Elsaß) in der Nacht vom 1. zum 2. d. auf das Postamt I in Konstanz gefertigte Briefkartenschluß, der einen Einschreibbund mit 20 Briefen enthalten sollte, nicht eingegangen. Bis jetzt sind Banknoten, Effekten, Schecks, Wechsel und sonstige Wert papiere im Gesamtbetrags von über 35 000 Mk. als vermißt angemeldet worden. Durch Sprengstoffe getötet. Bei der im Bau befindlichen Bahnstrecke Freuden berg-Rote Mühle wurden bei einer Spreng- stoffexplosion zwei Mann getötet, zwei schwer verletzt. Ein schweres Schisstunglück wird aus Kolberg in Pommern gemeldet. Bei einer un weit Bogentin abgshaltenen Felddienstübung löste sich in dem Augenblick ein Kanonenschuß, als Truppen vorbeimarschierten. Drei Leute, zwei Kanoniere und ein Gefreiter der Infanterie, wurden dabei schwer verletzt. Die Verunglückten wurden nach Anlegung von Notverbänden dem Garnisonlazarett in Kolberg zugeführt. Man hofft, daß alle drei wiederhergestellt werden. Gefühllose Eltern. Ein recht trauriger Fall von Mißhandlung eines Kindes wird aus Aachen berichtet. Dort wurde dem Hospital auf Veranlassung der Staatsanwaltschaft ein 12 jähriges, in die Ehe eingebrachtes Kind zu geführt, das durch Mißhandlung der Eltern, durch Nahrungsentziehung sowie durch fort gesetzten Aufenthalt in einem ungeheizten Speicherzimmer derart heruntergekommen war, daß an dem Aufkommen des unglücklichen Wesens gezweifelt wird. Die Anzeige bei der Staats anwaltschaft wurde durch Nachbarn sowie den Armenarzt bewirkt. Ein unangenehmer Liebhaber. In Reichenberg (Böhmen) ist ein gewisser Georges Gonaux aus Paris, der Sohn des Präsidenten der Freimaurerloge, verhaftet worden. Gonaux war einer Pariser Pianistin seit Wochen auf ihrer Konzerttour gefolgt und bestürmte die Künstlerin andauernd mit Liebesanträgen. End lich hatte er von der Verfolgten 600 Frank durch Drohung erpreßt. Lawinensturz. Eine mächtige vom Bettel- wucs (Steiermark) niedergegangene Lawine ver schüttete die Straße zum Salzberg bei Hall. Zahlreiche Arbeiter sind an der Freimachung der Straße beschäftigt. cd. Eine Klage gegen den französischen Generalpostmeister. Ein Pariser Geschäfts mann strengt gegen den französischen General postmeister eine Klage auf 80 000 Nik. Schaden ersatz an. Im September sandte der Kläger in einem Brief 1400 Mk. an einen Müller in Epernon unter voller Wertangabe. Als der Müller den Brief in Gegenwart des Post beamten öffnete, enthielt er nur Papierschnitzel. Daraufhin wurde der Absender verhaftet, weil er angeblich den Wert des Briefes falsch dekla rierte, da man der Meinung war, daß er selbst die Papierschnitzel in den Brief gelegt hatte. Die Untersuchung ergab aber, daß der Brief 24 Stunden später zugestellt worden war, als gewöhnlich und daß, obwohl die Siegel unver letzt waren, die eine Seite geöffnet war. Das Gericht lehnte deshalb eine Klage gegen den Absender ab, und dieser geht nun gegen die Post vor wegen falscher Anschuldigung und Schadenersatz. b. Ein Bitriolattentat auf einen Mar quis. Der junge Marquis de Saint Legier in Paris wurde von einer Dame angegriffen, die ihm Vitriol ins Gesicht goß, sodaß er sein Augenlicht verlieren wird. Wie sich nun heraus gestellt hat, handelt es sich um eine Liebes affäre. Im Sommer traf der Marquis in einem Ssebade mit Madame Eausja zusammen. Sie verliebte sich in den reichen jungen Mann und wollte sich von ihrem Gatten scheiden lassen, damit der Marquis sie heiraten könne. Dieser leimte aber eine Verbindung ab und nun kam es zu heftigen Szenen, deren Ergebnis das Attentat war. Eine schwere Explosionskatastrvphc bar gch in Marseille ereignet. Dort stürzte im Viertel des Botanischen Gartens durch Explosion eines Spirituslagers ein zweistöckiges Haus ein. Zahlreiche Personen wurden verschüttet. Aus den Trümmern wurden ein Toter und 15 Schwer verwundete hervorgezogen. eb. Das hölzerne Bein. Die Polizei behörde in Deal hatte sich vor einigen Tagen mit einer lustigen Angelegenheit zu befassen. Auf der Station Walmer stieg eine Dame aus, die mit Paketen überladen war. Eine andre Dame erbot sich, die Pakete zuzureichen, und ihre Hilfe wurde mit Dank angenommen. Bei einem sonderbar geformten Paket bat die Aussteigende jedoch, recht vorsichtig zu sein, denn „es ist meines armen Mannes Bein!" Die Zurückbleibende fuhr weiter, benachrichtigte Schiff zum Ufer lenkte, wurden die Paffagiere und die 50 Diann starke Besatzung gerettet. Das Schiff ist nahezu völlig verbrannt. Gattcmnord in den Flitterwochen. Eine jungverheiratete Frau namens Catherine Neil wurde, wie der ,B. L.-A.' berichtet, von der New Aorker Polizei unter dem Verdacht, ihren Gatten, dem sie erst vor wenigen Wochen angetraut war, auf ge heimnisvolle Weise ermordet zu haben, verhaftet. Die junge Frau war mit ihrem Gatten auf der Hochzeitsreise in einem Hotel in Greenwich, einer kleinen Stadt in Connecticut, abgestiegen. Es waren kaum zehn Minuten vergangen, daß das junge Paar in dem Hotel eingetroffen war, als die junge Frau zu dem Wirt kam und ihn bat, nach einem Arzt zu senden, da ihr Mann ohn mächtig geworden sei. Der sofort herbeigeholte Doktor konnte nur den Tod des Mannes fest ver gestrandete deutsche Dampfer „Prinzessin Viktoria Luise". Die Hamburg-Amerika-Linie hat einen schweren unrettbar verloren. Die Passagiere wurden ge- Verlust erlitten. Einer ihrer prächtigsten Luxus- rettet, der Kommandant des Schiffes, Kapitän Bruns- dampser, die „Prinzessin Viktoria Luise", ist bei Port wig, hat sich erschossen. Er war einer der beliebtesten Royal (Amerika) auf einen Felsen gelaufen und ! und verdienstvollsten Offiziere der Amerika-Linie. aber in ihrem Heimatort die Polizei, und diese suchte eifrig nach der Frau, die mit einem fremden Bein reiste. Endlich hatte man die Frau gefunden. Schon wollte man sie ver haften, als man erfuhr, daß es sich um ein künstliches Bein handle, das ihrem kürzlich in Hastings verstorbenen Mann gehörte. Eine fünftöpfige Aalschmünzerbande ist an der belgisch-luxemburgischen Grenze verhaftet worden. Ihre Mitglieder serligten Ein- und Zweimarkstücke an, die seit langer Zeit in Deutschland vertrieben wurden. Es gelang, eine Menge Falschstücke zu beschlagnahmen. Zerstörung eines Dampfers durch eine Höllenmaschine. Zu den Bomben, die in Rußland geworfen werden, gesellen sich nunmehr die Höllenmaschinen, die zu gewünschter Zeit furchtbare Zerstörungen anrichten. Das unlängst in Odessa angekommene Dampfschiff „Nikolaust." wurde in der Nacht durch eine Höllenmaschine gesprengt. Die Explosion war in der ganzen Stadt hörbar und rief große Aufregung hervor. Das Vorderteil des Schiffes wurde gänzlich zerstört, die Mannschaft wurde gerettet. Dian glaubt, daß diese Sprengung in Verbindung mit dem Streite der Dampfschiffmannschaften steht. Schiffsbrand. In der Nacht brach wäh rend eines Unwetters auf dem russischen Dampfer „Noworossijsk", der über das Kaspische Meer fuhr, Feuer aus. Unter den 60 Passa gieren entstand gewaltiger Schrecken. Dank dem ! energischen Eingreisen des Kapitäns, der das! stellen. Die junge Frau erklärte, daß sie zu ihrer Mutter zurückkchren wolle, und verließ mit allen Zeichen der tiefsten Erschütterung das Hotel. Als Als der Arzt den Toten nochmals genau unter suchte, bemerkte er einen ganz kleinen Blutfleck unter dem linken Auge. Es stellte sich heraus, daß der Mann mit einer langen Nadel, die bis in das Hirn getrieben war, getötet worden war. Eine der Frau des Ermordeten gehörende Hutnadel wurde aus der Erde gefunden. Genaue Nachforschungen der Polizei ergaben, daß Neil, der ein wohlhabender Schmied war, seine Frau vor ungefähr vier Wochen heimlich geheiratet hatte. Mit Rücksicht auf seine Familie wollte er die Ehe nicht öffentlich bekannt geben. Die junge Frau hatte ihn fortgesetzt ge quält, ihr durch Bekanntgabe der Heirat die ihr gebührende Stellung zu verschaffen. Neil war jedoch nicht dazu zu bewegen, und machte am Tage vor seinem Tode ein Testament, in dem er seine Schwester zur Universalerbin einsctzte. Es scheint, daß die Frau durch diese Tat ihres Mannes sich aufs bitterste gekränkt fühlte und blulige Rache an ihm zu nehmen beschloß. Anderseits ist es eigen artig, daß sie sich den Nachforschungen nicht entzog, sondern im Hause ihrer Mutter in New Aork blieb, wo die Verhaftung erfolgte. Ein gefährlicher Gast. In letzter Zeit sind in Buenos Aires einige Krankheitsfälle vorgekommen, welche den Verdacht erwecken, daß es sich um Beulenpest handle. Gerick rsbal le. 88 Koblenz. Der Apotheker L. war in Strafe genommen morden, weil er es Unterlasten habe, leinen Fanuttenuamm mit einem Vornamen am Eingänge des Ladens anzubringen, ferner aber wurde ihm zur Last gelegt, entgegen den Vor schriften einer Regierungspolizeiverordnung vom 12. Dezember 1853 an einem Sonntag Waren im Schaufenster ausgelegt zu haben. L. betonte, er habe an einem Schaufenster eine Visitenkarte mit seinem Namen angebracht gehabt. Waren habe er in seinem Schaufenster nicht ausgelegt; die Ver- dampfuugsschalcn und Meßröhren, die im Schau fenster lagen, brauche er für sein Laboratorium, er verkaufe aber diese Gegenstände nicht. Während das Schöffengericht L. zu einer Geldstrafe verurteilte, hob das Landgericht die Vorentscheidung aus und sprach L. frei, da nicht widerlegt sei, daß L. im Schau fenster auf einer Visitenkarte seinen Namen angegeben habe. Unverkäufliche Gegenstände seien keine Waren im S'c der Polizeiverordnung. Diese Entscheidung focht die Staatsanwaltschaft durch Revision beim Kammer gericht an und betonte, die Angabe des Namens auf einer Visitenkarte genüge nicht; der Angeklagte hätte auch die Schaufenster blenden müssen, damit die Verdampfungsschalen verdeckt wurden. Tas Kammergericht erachtete die Revision nur zum Teil für begründet und führte u. a. aus, die Verdampfungsschalen und Maßröhren, welche er nicht verlausen wollte, können nicht als Waren angesehen werden; unter Waren ver stehe man solche Gegenstände, welche sich im Handels verkehr befinden. Nach 8 15 a der Gewerbeordnung seien Gewerbetreibende mit offenem Laden ver pflichtet, ihren Familiennamen mit einem aus geschriebenen Vornamen an der Außenseite des Ladens oder am Eingänge des Ladens in deutlich lesbarer Schrift anzudringen. Der Namen müsse so deutlich angegeben werden, daß ihn jeder, der sein Auge darauf richte, lesen könne. Dies müsse nochmals geprüft werden. Landau (Pfalz). Die Strafkammer verurteilte den Winzer Thirolf aus Maikammer wegen über mäßigen Wasserzusatzes zum Verkausswein zu 1000 Mk. Geldstrafe oder 100 Tagen Gefängnis. Magdeburg. Der vorbestrafte 33 jährige Schreiber Ecklebcn von hier wurde von der Straf kammer wegen Majestätsbeleidigung, begangen in angetrunkenem Zustande, zu einem Jahr und sechs Monat Gefängnis verurteilt. Saarbrücken. Das Militärgericht verurteilte den Deserteur Pietsch vom 30. Infanterie-Regiment, der einen ihn verfolgenden Schutzmann durch einen Schuß in den Kopf lebensgefährlich verletzte, zu tz'/z Jahr Zuchthaus. Kuntes Z-Merler. O Ein chinesischer Salomo. Ein blinder Strnßenmusikant, so wird von einem chinesischen Blatte erzählt, stand an dem User eines Flusses und wußte keinen Rat, den Strom zu über schreiten. Er bat einen daherkommenden Ol- händler um Hilfe. Dieser hatte Mitleid mit dem hilflosen Blinden, nahm ihn auf die Schulter, gab ihm seinen Geldsack zum Halten und trug den Alten so durch den Fluß. Als er am andern User den Blinden absetzte, weigerte sich dieser, den Geldsack zurückzugeben, erhob ein großes Geschrei und erklärte, das Geld sei sein Eigentum. Die Sache kam vor den Richter und beide Parteien beschworen hoch und heilig, daß das Geld ihnen gehöre. Der Richter stand vor einer schwierigen Entscheidung. Er ließ aber den Sack mit dem Gelbe in einen Wasserbehälter ausleeren und erklärte plötzlich mit Bestimmtheit, daß der Olhändler der Eigentümer sei. Als man ihn nach den Gründen des Urteils befragte, erklärte er, daß das Geld des Llhändlers doch Spuren von dessen Gewerbe haben müsse, und in der Tat, auf dem Wasser schwammen winzige Olpartikelchen. * * * Böses Gewissen. Lehrer (zu einem Schüler, der nachlässig und faul im Lernen war): „Hör', Friedel, wenn du dich nicht besser anstrengst, zu lernen und fleißiger zu sein, muß ich dir eben eines schönen Tages einmal die Hosen anspannen." — Friedel fragt seitdem jeden Diorgen seine Mutter, ehe er in die Schule geht: „Mutter, ist's heute ein schöner Tag?" «.Lach. J-hrh.p Ein schwieriger Satz. Sie: „Dahinten kommt die Rätin, meine Todfeindin. Jetzt mach aber, daß sie nur nicht merkt, daß wir gemerkt haben, daß sie kommt; sonst merkt sie, daß wir es gemerkt haben und sie nicht merken lassen wollen, daß wir es gemerkt haben!" peu'i. Werg ihm zwar nichts weniger als interessant, sie waren von einer rührenden Einfachheit in ihrem Wesen, aber sie tanzten so leicht, und die Unter haltung mit ihnen war so bequem, da sie sich nur um das Alltäglichste drehte. Und dann, er gestand es sich zwar nicht selbst, aber wir müssen es gestehen, schmeichelte es doch auch seiner Eitelkeit, sozusagen der Löwe der Gesell schaft in der kleinen Stadt zu sein; denn das war er, und er hätte taub und blind sein müssen, wenn er es nicht bemerkt hätte. Die jungen Damen brachten ihm ganz un verhohlen ihre Huldigungen dar, scharenweis promenierten sie an seinen Fenstern vorüber, wenn sie wußten, daß er zu Hause war, von andern Dingen, anonymen Briefchen, Blumen spenden und dergleichen gar nicht zu reden, und nicht nur die jungen Damen, nein, auch Väter und Mütter beeiferten sich, ihm Auf merksamkeiten zu erweisen. Seine Praxis vermehrte sich von Tag zu Tag; obgleich der Ort eigentlich ganz gesund war, so gab es doch merkwürdig viel bleich süchtige und nervöse Damen in der Stadt, die sich von niemand anders als dem interessanten jungen Doktor wollten kurieren lassen. Wir bemerken es selbst oft kaum, was die Umgebung, die Gewohnheit für einen Einfluß auf uns ausübt, wie der beständige Verkehr mit prosaischen, nüchternen Menschen den Funken Poesie, das Stückchen Romantik, was ein Gott uns mitgab aus die rauhe Lebensbahn, nach I und nach verkümmern läßt. Auch Bergen mußte diese Erfahrung an sich machen; das kleuyiädlqche Leben war >o recht dazu angetan, Melitta und seinen Liebestraum vergessen zu lernen. War diese Liebe doch emporgeblüht aus jenem beglückenden Element einer reichen Phan tasie, die ihm zu eigen, und die hier in dieser alltäglichen Umgebung in keiner Weise angeregt wurde. Vielleicht wäre das Vergessen noch leichter über ihn gekommen, wenn er Melitta in Glück und Reichtum verlassen hätte. Es beunruhigte ihn doch ihr Schicksal dann und wann, wenn er dachte, wie sie vielleicht in Armut lebte, das verwöhnte Kind des Reichtums, so zart, so ungewohnt alles dessen, was wir des Lebens rauhere Seite nennen. Und es gab doch Stunden, wo ihr Bild wieder vor seine Seele trat, umgeben von all dem Zauber, der ihm einst so gefährlich erschienen. Wenn der Mond scheint und man des Abends einsam durch die stillen Straßen der Stadt wandelt! Wer kennt sie nicht, solche Nachtbilder kleiner Städte? Diese Stille, leise rauscht hier ein Brunnen, und durch die Linden bäume dort an der Straßenecke zittert der Nachtwind leise, schaurig. Hier in einem Fenster erlischt ein Licht, dort geht eins auf. — Die dunklen hohen Giebelhäuser stehen da so stolz, so majestätisch, als könnte sie nichts erschüttern, zerstören, und nun gar der alte Turm, der jetzt langsam seine Stimme erhebt und mit zwölf langen feierlichen Glockenschlägen die Geisterstunde verkündet. Wer jetzt noch auf der , Straße weilt, dem wird bange vor seinem eigenen Schatten, der so lang, so gespensterhaft an den Häusern hinhuscht. Ein solcher Abend war es, Bergen schritt durch die stillen Straßen seiner Wohnung zu, und das geheimnisvolle Weben der Nacht, es rührte leise an längst verklungene Saiten seines Herzens. Noch zwar umschwebten ihn die Ge stalten, die er soeben verlassen, der biedere Oberamtmann Herbst mit seinen beiden, ewig lächelnden schwarzäugigen Töchtern, die dicke Frau Oberamtmann, die stets so mütterlich be sorgt um ihn war, und der 50jährige Assessor Wendel, der ewig jugendliche, der fortwährend Studentenlieder angestimmt bei der süßen Ananasbowle. Es war wieder so heiter, so gemütlich ge wesen bei Oberamtmanns, und Laura, die älteste der liebreizenden Tächter, sie hatte ihm so schmachtende Blicke zugeworfen aus den brennend schwarzen Augen. Und nun doch die alten Träume und ein fernes, süßes Mädchen- bild, so bleich, so traurig zu ihm aufschauend I Immer klarer trat es vor seine Augen, es war ihm, als schleiche leicht und elfenhaft eine Gestatt neben ihm her, als hörte er die Schleppe des langen Reitkleides rauschen, zart und luftig wie Mondesstrahlen wehte der lange weiße Schleier des kecken Reithütchens. „Und ich will aber nicht vergessen sein, nie mals!" tönte eine so bekannte weiche Stimme. „Der Mondschein, die nächtliche Stille, die Ananasbowle," murmelte er wie unzufrieden mit sich selbst und schloß jetzt mit einem kräftigen Ruck seine Haustür, als sollten die Bilder und Träume ihn nicht begletten in sein einsames Zimmer. Aber sie ließen sich nicht verbannen, sie erstanden wieder, als er jetzt dte Lampe an gezündet, sich's auf dem Sopha bequem gemacht und einen Brief seiner Mutter las, den der Postbote in die verschlossene Tür geklemmt. „Endlich kann ich Dir auch über Bendelos einiges milteilen," schrieb die Frau Professor, nachdem sie über ihr allseitiges Wohlbefinden Bericht erstattet hatte; „ihre Verhältnisse müssen doch sehr traurig sein, sie leben ganz zurückge zogen, Melitta hat fett längerer Zeit kleine Bilder in Wasserfarben für einen Kunsthändler geliefert. Die Mädchen hatten davon gehört, auch daß die Bilder anfangs reißenden Absatz bei den Offizieren, die der jungen Dame einst gehuldigt, gefunden. Ich sende Dir eins dieser lleinen Bilder mit." Bergen las den Brief flüchtig zu Ende, dann löste er behutsam das rosa Seidenpapter, in welches das Bild eingeschlagen war. Und dann ruhte sein Blick lange Zeit auf dem Strauß von wilden Rosen, von Melittas Hand gemalt. Eine der Blumen hing matt und welk an dem feinen Stiel, und gerade dieser einen schien Melitta besonderen Fleiß gewidmet zu haben. Hatte sie irgend einen tieferen Gedanken damit ver bunden? Sollte die welke Blume das Bild ihres armen, geknickten Lebens sein? Wenn der größte Künstler es gemalt, hätte das Bild keinen tieferen Eindruck auf Bergen machen, keine eindringlichere Sprache zu ihm reden und seine Phantasie nicht lebhafter an regen können! Was er schon auf dem einsamen Heimgang gedacht, geträumt, es spann sich weiter und Melittas Bild trat klarer und deut licher vor seine Seele. WH e (Fortsetzung folgt.)