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X Eine Nacht im Luftballon zugc- bracht haben ein Oberstabsarzt und der Unter offizier Böhnert vom Berliner Luftschiffer bataillon. Beide waren um 4 Uhr nachmittags in Reinickendorf aufgestiegen und beabsichtigten, mit ihrem Ballon die Ostseeküste zu erreichen; sie waren jedoch infolge ungünstiger Witterung gezwungen, gegen 2 Uhr morgens in Seehof bei Regenwalde in Pommern zu landen. Nach dem die Insassen im Korbe übernachtet hatten, begaben sie sich zu dem Gutsbesitzer Roden- waldr, der sie erquickte und für Überführung des Ballons nach der Bahnstation Sorge trug. t. Die Eisenbahn als Fischhändler. Tie königl. Eisenbahn-Direktion zu Kattowitz Hal einen bemerkenswerten Beschluß gefaßt. Um nämlich die Fleischnot bezw. Fleischteuerung zu mildern, wird sie Seefische in größeren Posten beziehen und diese an die Beamten und Arbeiter ihres Bezirks zum Selbstkostenpreise abgeben. Der Bezug der Fische soll so eingerichtet wer den, daß sie stets Donnerstag zur Ausgabe ge langen. Die Eisenbahndirektion hat bereits mit einer größeren Seefischhandlung abgeschlossen, welche ihr Preise von 15—30 Pf. pro Pfund zugestanden hat. Zusammenstoß zweier Dampfer. Im Stettiner Haff ist der norwegische Dampfer „Eros" mit dem Stettiner Dampfer „Komet", der mit Getreide, Kartoffeln, Mehl und andern Gütern von Anklam nach Stettin unterwegs war, zusammengerannt. Der „Komet" sank in wenigen Almuten. Die Besatzung konnte nur mit großer Mühe gerettet werden. X Das Ende der „Affäre Kracht". Tas Wiederaufnahmeverfahren im Strafprozesse gegen die Frau Kracht in Lemgo, die in der anonpmen Briefaffäre wegen Meineides zu schwerer Zuchthausstrafe verurteilt wurde, ist nunmehr vom Oberlaudesgericht Celle endgültig zurückgewiesen worden, auch hat Fürst Leopold zur Lippe ein an ihn gerichtetes Gnadengesuch, worin um Umwandlung der Zuchthausstrafe in eine entsprechende Gefängnisstrafe gebeten wurde, abgelehnt. Frau Kracht ist infolgedessen am Mittwoch auS dem Detmolder Gerichtsgefängnis in das Zuchthaus eingeliefert worden, um dort den Rest ihrer Strafe, der noch etwa neben Monate beträgt, zu verbüßen. Die Voruntersuchung gegen den Raub mörder Rücker, dem der Zahnarzt Claußen Mtona) während einer Eisenbahnfahrt zum Opfer fiel, ist nunmehr zum Abschluß gelangt; die Akten sind der Staatsanwaltschaft zur Er hebung der Anklage zugestellt worden. Rücker, der ein umfassendes Geständnis abgelegt hat, wird sich Mitte Januar 1907 vor der dortigen Slrmkammer zu verantworten haben (er war bekanntlich bei Ausführung der Tat noch nicht 18 Jahre alt;; es wird ihm ein Offizialver teidiger zur Seite gestellt werden. Zn einer Untersuchung seines Geisteszustandes lag nicht die geringste Veranlassung vor, da Rücker völlig normal erscheint. Grausige Tat einer Wahnsinnigen. In Linden bei Hannover wurde eine Frau Langrehr wahnsinnig. Sie erhängte erst ihre drei Kinder und dann sich selbst. Als man gegen Abend die Erhängten fand, waren alle Wieder belebungsversuche erfolglos. Eine Familie durch Fische vergiftet. Im Vorort Lindenthal bei Köln ist infolge Genusses schlechter Fische eine aus fünf Köpfen bestehende Familie erkrankt. Der Vater ist be reits den Folgen des Giftes erlegen, während die Blutter und drei Kinder schwer krank da niederliegen. X Trauung am Sterbelager. Ein er greifender Vorgang spielte sich dieser Tage im Garnisonlazarett zu Reichenberg in Böhmen ab. Der dort wegen einer schweren Erkrankung untergebrachte Gendarm Eckel aus Labau ließ 'ich, angesichts des nahenden Todes, mit seiner Braut, mit der er schon jahrelang verkehrte, am Krankenbette durch den Militärgeistlichen trauen. Wenige Stunden nach dem feierlichen Akt hatte Eckel ausgelitten, und die junge Frau war, noch im Myrtenkranz der Braut, Witwe. Brandstiftung. Danzigs größte Dampf- ichneidemühle von der Firma Baffy, Pose und Adrian ist wahrscheinlich infolge von Brand stiftung völlig niedergebrannt. Selbstmord eines Studenten in München. Der 22jährige Rechtspraktikaut Georg Herrmann, ein befähigter Jurist, der einzige Sohu seiner Mutter, hat sich in seiner Wohnung in München erschossen. Ein Freund, den er durch einen Brief von seiner Absicht verständigt hatte, fand ihn bewußtlos im Bett liegen. In die chirur gische Klinik transportiert, ist er gestorben, ohne das Bewußtsein wiedererlangt zu haben. H. litt in der letzten Zeit an nervösen Störungen. X Die Verhaftung zweier Reisender der Photographiebranche wird aus Hof ge meldet. ES handelt sich um den angeblichen Porträtmaler Oswald Hielscher, der sich zur Strumpf ist wegen verschiedener Umtriebe auf die Dauer von zehn Jahren aus Budapest aus gewiesen worden und sollte in ihre Heimat ab geschoben werden. Um in ihrer bedrängten Lage ihre Zuständigkeit nach Budapest zu erlangen, ließ sie sich mit einem Gewohnheitsdieb Rudolf Vojcsek, dem sie dafür, daß er sie heiratete, 40 Kronen und einen neuen Anzug versprochen hatte, aufbieten. Durch Heirat mit einem Buda pester wäre die Strumpf auch dort heimats berechtigt geworden. Desider Weiß, ein berüch tigter Taschendieb, hatte dem jungen Paare seine vornehme Wohnung zur Verfügung gestellt, und gegen 10 Uhr begannen sich bereits die Hoch zeitsgäste zu versammeln. Als alles bereit war und die Fiaker schon vor dem Tore standen, Oer Keickskauskalts-btat kür 1907. 2.565.072,427 2024.Z80.557 Usrk lVIapmesM 4,220,682 M. 45,500,00M. clss ok-clöMlicksn ksieliLsiÄL I-iLULlisIt clss OsutsLksn ^sielflss ks'icliLtLtz 1,356.100 M 489.216.088 Im kommenden Jahre 1907 balanciert der Haushalt des Deutschen Reiches mit der Summe von 2 565 073 427 Mk. Die zwei und eine halbe Milliarde Mark stellen drei Fünftel der Kriegs entschädigung dar, dis Frankreich nach dem Kriege 1870/71 an Deutschland zu zahlen hatte. Die fortdauernden Ausgaben des ordentlichen Etats des Neichshaushalts belaufen sich auf 2 024 380 557 Mark. Der ordentliche Etat des Reichstages selbst hat in diesem Jahre wegen der bewilligten Diäten einen Mehrbetrag von 1956100 Mark. Die ordentlichen Einnahmen des neu zu er ¬ richtenden Kolonialamts betragen im ganzen nur 263 835 Mk. Hierin sind begriffen 262 255 Mk. Zinsen von dem Darlehen des Reiches an das Schutzgebiet Togo. Die fortdauernden Ausgaben des ordentlichen Etats des Kolonialamts belaufen sich dagegen auf 1682 787 Mk. Bei dem Marine etat bleiben die Summen für die Linienschiffe die selben wie 1906. Bei dem großen Kreuzer „ü" da gegen werben die Baukosten auf 26 Millionen Mark, Die Kosten der artilleristischen Armieruug auf 10 Millionen Mark erhöht. Bei dem Militäretat sind außergewöhnliche Ausgaben nicht vorhanden. Abwechselung auch Egon v. Wartensleben, Dr Mayens und Walter Heine nannte, und seinen „Gehilfen" Heinrich Reinhold Michaelis. Beide offerierten, lieferbar innerhalb 48 Stunden, Vergrößerungen nach Potographien einschließlich Rahmen zum Preise von je drei Mark. Sie nahmen wohl die Anzahlung von je zwei Mark in Empfang, führten aber die Aufträge nicht aus. Auf diese Weise haben sie zahlreiche Leute am Orte und in den umliegenden Städten ge prellt. Die Schwindler, die erst vor einigen Tagen in Hof zugereist waren, hatten weder Apparate zur Vergrößerung bei sich, noch besaßen sie dort ein Quartier. Ein ganzes Dorf erkrankt. Das ganze 350 Einwohner zählende Dorf Alt-Nandtberg in Bayern ist vom Typhus ergriffen. Ans der Bühne tobsüchtig geworden. Die an einer Grazer Singspielhalle angagierte internationale Sängerin Friederike Wladmirka wurde plötzlich tobsüchtig und mußte in eine Klinik für Geisteskranke gebracht werden. Eine ganze Hochzeitsgesellschaft ver haftet. Ein Hochzeitszug, dessen Mitglieder durchweg polizeibekannte Verbrecher waren, ist in Budapest in Haft genommen worden. Die nicht nach Budapest zuständige 28jährige Rosa um das Brautpaar samt Gefolge zum Standes amt zu bringen, erschienen plötzlich Polizisten und nahmen die ganze, aus zwölf Mitgliedern bestehende Gesellschaft, durchweg gute alte Be kannte der Polizei, in Hast. Pearys neue Polar-Expedition. Der Polarforscher Kapitän Peary hat seine Vor bereitungen für eine neue Expedition zur Auf findung des Nordpols so gut wie vollendet. Er wird mcht direkt dem Pol zustreben, sondern einen weiten Umweg nach Westen machen, um das Eistreiben zu vermeiden. Er ist der An sicht, daß er bei seiner jüngsten Fahrt den Pol sicher erreicht hätte, wenn er diesen Weg ge wählt hätte. Für die neue Expedition verfügt er über reiche Mittel. eü. Das größte Paket-Postamt der Welt. Zur Weihnachtszeit geht es im Mount Pleasant in London, dem größten Postamt der Welt, nichts weniger als „pleasant" (angenehm) zu, denn nicht weniger als 3000 Wagenladungen Pakete gehen hier dann täglich aus und ein, während die Zähl der Wagenladungen zu ge wöhnlichen Zeiten „nur" etwa 600 täglich be trägt. Die englische Paketpost hat jährlich etwa 75 Millionen Pakete zu behandeln, davon fallen allein 33 Millionen auf Mount Pleasant, hier sind täglich 5000 Körbe in Gebrauch, in die etwa 100 000 Pakete gepackt werden. Unter der Hanpthalle befindet sich ein Raum, der 300 Fuß lang, 200 Fuß breit und 16 Fuß hoch ist. Dieser ist mit Reservekörben, 25 000 an Zahl, vollgestopft, diese werden zur Weihnachts zeit alle hervorgeholt. Sie enthalten insgesamt 500 000 Pakete, feder Korb wird aber zehnmal gefüllt, und diese 5 Millionen Pakete sind nm Weihnachten außer den regelmäßig abzuferti genden noch zu behandeln. Das ist Londons Weihnachtsverkehr. Brand im Schloß Wyche». DaS herr liche Schloß Wychen, das nicht weit von Nym- wegen, ziemlich hart an der deutschen Grenze liegt, ist ein Opfer der Flammen geworden. Die Besitzerin, Frau Vao Andringa de Kampe- naer, konnte sich nur mit knapper Mühe und Not in Sicherheit bringen. Viele unschätzbare Kunstwerke sind bei dem Brande zugrunde ge gangen. Das Schloß selbst war ein Kunstwerk ersten Ranges. Es war zu Anfang des 17. Jahr hunderts auf den Ruinen einer alten Raub ritterburg von Don Emanuel, dem Sohne des von Philipp dem Zweiten von Spanien ent thronten Königs Antonio von Portugal, erbaut worden. Das Schloß enthielt soviel Keller als Monate, soviel Zimmer als Wochen und soviel Fenster als Tage im Jahr. 30 Fischer ertrunken. Non der vor vier zehn Tagen aus Christiansund (Schweden) abgegangenen 50 Mann starken Fischerflottille sind in schwerem Sturm 30 Mann ertrunken. Untergang einer besetzten Fähre. Ein höchst trauriger Vorfall hat sich in Spanien ereignet. Bei Bilbao sind 16 Hochofenarbeiter, die über den durch den letzten Regen an geschwollenen Fluß Cadagua in einer Fähre übersetzen wollten, ins Wasser gefallen, da die Fähre infolge der reißenden Strömung um kippte. Nach schrecklichem Ringen sind neun Arbeiter ertrunken. Geinckrsballe. voraus." buntes Allerlei. en. Eine günstige Gelegenheit. Ein un verheirateter Schriftsteller diktierte seiner hübschen und ebenfalls noch nicht versagten Stenogra phistin ein Kapitel seines neuesten Romans. „Ich liebe dich mehr, als Worte ausdrücken können," sagte er, „und werde nie eine andre lieben I Ich kann ohne dich nicht leben, willst du die Meine werden?" — „Entschuldigen Sie," sagte die Stenographistin und sah auf, „diktieren Sie noch, oder —" eü. Abgelehnt. Frau: „John, der Doktor sagt, ich bedarf dringend eines Klimawechsels." — Mann: „Das haben wir leicht, denn die Seewarte sagt für morgen wärmeres Wetter Düsseldorf. Das Kriegsgericht verurteilte den Gefreiten August Hcmmecke wegen Gehorsams verweigerung in fünf Fällen während des Feld zuges gegen die Hottentotten zu 13 Monat Ge fängnis. Halle a. T. 44 000 Mk. will der 22jährige Handlungsgehilfe Max Nosenstiel im Kartenspiel verloren haben und zwar in der kurzen Zeit von vier Monaten. Das Geld dazu hatte der junge Mann der Kasse eines hiesigen Bankgeschäfts, bei dem er in Stellung war, nach und nach entnommen, weshalb er sich wegen Unterschlagung vor dem Gericht zu verantworten hatte. Dieserhalb erfolgte seine Bestrafung zu drei Jahr Gefängnis. Aller Vor aussicht nach wird der jetzt zur Erledigung ge kommene Prozeß Nosenstiel noch einen größeren Spielerprozeß im Gefolge haben. Kassel. Zu dem Urteil gegen den Möbelhändler Meyer, der wegen Rankes an seiner angeblichen Tante zu 15 Jahr Zuchthaus verurteilt wurde, wird noch mitgcteilt, daß der Verurteilte unverzüglich das Wiederaufnahmeverfahren einlciten lassen will. Weimar. Die Strafkammer des Landgerichts verurteilte Frau Rosa Luxemburg wegen Aufreizung zu Gewaltthätigkeiten, begangen in einer auf dem sozialdemokratischen Parteitag im September 1905 zu Jena gehaltenen Rede über den Massenstreik zu zwei Monat Gefängnis. Der Staatsanwait hatte vier Monat Gefängnis beantragt. strickend sein, die Melitta Bendelo." Bergen zuckte zusammen, eine dunkle Nöte färbte sein Antlitz. „O, Richard, ein Mutterauge sieht schärfer wie jedes andre in die Herzen ihrer Kinder," fuhr die alte Dame mit sanfter Stimme fort, „wenn sie auch schon große, bärtige Männer sind. Ich habe es längst in deinem Antlitz ge lesen, wie es da im Innern steht; als du an jenem Donnerstag abend nach Hause kamst und all' der Helle, frohe Glanz aus deinem Antlitz geschwunden, da wußte ich, wenn du auch schwiegst, daß ein Herzenskummer dich be troffen." „Du hast dich nicht getäuscht, mein kluges Mütterchen; es mochte wohl ein Herzenskummer sein, aber ich habe ehrlich gekämpft gegen diese Schwäche und denke ihrer Herr geworden zu sein. Sie ist ja schön und bestrickend, die junge Dame, aber eine deutsche Hausfrau, wie ich sie dir wohl zuführen möchte, würde sie nimmer werden. Ich denke, ich werde Melitta heute abend ohne alle Erregungen des Herzens be wundern können." Luise und Ida, die beiden Schwestern Richards, traten jetzt herein, um in des Bruders Begleitung nach der Reitbahn zu gehen. Mit stolzen Blicken schaute die Frau Pastorin ihren Kindern nach. Ganz wie sein seliger Vater, so stolz, so rechtschaffen und so wahr, murmelte sie, als ihr Sohn, ehe er die Tür hinter sich schloß, noch einmal den Kopf freundlich grüßend nach ihr zurückwandte. Es war ein bunt bewegtes Bild voll Glanz und Farbenpracht, welches in der Reitbahn sich den Blicken der Zuschauer entrollte. Man hatte weder Zeit, Geld noch Mühe gespart, etwas noch nicht Dagewesenes zu bieten. Künstlerische Hände hatten die Reitbahn aus das geschmack vollste dekoriert; man glaubte sich in einen glän zenden Zirkus versetzt. Auch die Leistungen der Reiter und Reiterinnen übertrafen alle Erwartun gen. Der Glanzpunkt des Festes war die Quadrille im altspanischenKostüm, und der Preis der Eleganz und Schönheit wurde Melitta allgemein zuer kannt. Man huldigte ihr auf alle Weise, reiche Blumenspenden flogen ihr zu. Stolz strahlend schaute sie um sich, da traf ihr Blick die dunklen, ernsten Augen Bergens. Sie wurde blaß, die Hand zitterte, welche die Zügel hielt, die Blumen fielen zur Erde. — Bergens Blicke hatten den Wend unver wandt auf Melitta geruht, die Ruhe und Selbst beherrschung, welche er seiner Mutter gezeigt, war nach und nach von ihm gewichen. Er mußte es sich gestehen, daß all' sein Kämpfen nutzlos, wenn er es nicht gänzlich vermied, Melitta zu sehen. Denn ein betörender Zauber war es, der diese Mädchenerscheinung umgab. Lag er in der unbewußten Grazie ihrer Haltung, in der frischen Heiterkeit ihres Wesens, in den sprechenden blauen Augen? Bergen wußte es nicht zu sagen, aber daß er diesem Zauber ent fliehen mußte, wenn er sich sein klares, un getrübtes Denken bewahren und den ernsten Pflichten seines Berufs treu bleiben wollte, und daß diese holde, liebreizende Amazone nimmer seine treue Lebensgefährtin werden könne, das wurde ihm in dieser Stunde klar. Wohl rebellierte eine Stimme in seinem Innern gegen diese Ansichten, sie sprach zu ihm von Jugend und erster Liebe Glück, was nimmer wiederkehre, wenn man ihr einmal den Rücken gewandt. O, hätte er auf die Stimme gehört. Aber verletzter Stolz, Eifersucht und jener feste Wille, der stets seinen Weg findet, ließen an diesem Abend einen festen Entschluß in ihm reifen. Er wollte St. verlassen und einen Ruf als Arzt in einer andern Provinz annehmen. Es war ein Abschiedsblick für alle Zeit, wie er meinte, mit welchem er, ehe er die Reitbahn verließ, noch einmal in die dunkel blauen, einst so geliebten Augen schaute, die so beklommen fragend auf ihn gerichtet waren. Und Melitta? Sie hatte diesen Blick wohl verstanden, darum wurde ste so bleich und ließ die Blumen achtlos zur Erde fallen. Ein trübes Ahnen schlich sich ein in das junge, fröhliche Herz, daß mjt diesem Abend ihr Geschick sich trostlos wenden wolle. * * * Wochen waren vergangen, aber die melan cholische Stimmung, in der Melitta das glänzende Fest verlassen, war ihr geblieben. Das bewegte, heitere Leben schien plötzlich allen Reiz für ste verloren zu haben; ste suchte die Einsamkeit, um den traurigsten Gedanken nachzuhängen. Voll bitterer Reue blickte sie zurück auf die vergangenen Tage und gestand sich mit trauervollem Herzen, daß sie durch ihr leichtsinniges, kokettes Spiel die Achtung und Liebe des Mannes, den sie über alles ! hochschätzte, gänzlich verscherzt habe. , Diese Gedanken beschäftigen sie so, daß sie für alles, was um sie her vorging, kein Auge hatte. Sie bemerke es nicht, daß ein tiefer Kummer das Gemüt ihres Vaters belastete, daß seine Blicke ost wie verzweifelt auf ihr und seiner Gemahlin ruhten. Tiefe Falten hatten sich in dem sonst so heiteren Antlitz des kleinen Mannes eingegraben; manchmal war es, als wollte er reden, sein Herz befreien von der Last, die es drückte, aber es schien, als könne er das rechte Wort nicht finden. Der Kommerzienrat gehörte zu den Wen Naturen, die nie viel Aufhebens von sich machen, die, wenn sie ein Leid betrifft, es mit sich allein auszukämpfeu suchen. So schwieg er auch beharrlich seiner Gemahlin gegenüber, die ihn besorgt nach der Ursache seiner Verstimmung fragte. „Vielleicht kann alles noch sich zum Guten wenden," sagte er tröstend zu ihr, „und wenn nicht" — seine Stimme stockte, er wich den fragenden Blicken seiner Frau aus, als fürchte er, daß sie die düsteren, verzweifelten Gedanken erraten könne, die schon seit langen Tagen sein armes Hirn quälten. Melitta jedoch ahnte nicht, daß es außer ihrem Leid noch ein andres in ihrer nächsten Nähe gäbe; wie eine Träumende wandelte sie im Hause umher oder saß in ihrem lauschigen Boudoir und grübelte darüber nach, wie sie den stolzen, gekränkten Geliebten wieder in ihren Zauberkreis bannen könne. Und dann kam ein Tag so jähen, schmerzlichen Erwachens auS diesem Traumleben zu einem Leben der Wirklich keit, das tausendmal bitterer war, als all die melancholischen Gedanken, die sie gequält. WH - (Fortsetzung folgt.)