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Ottendorfer Zeitung : 16.12.1906
- Erscheinungsdatum
- 1906-12-16
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Privatperson
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1811457398-190612166
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1811457398-19061216
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1811457398-19061216
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Ottendorfer Zeitung
-
Jahr
1906
-
Monat
1906-12
- Tag 1906-12-16
-
Monat
1906-12
-
Jahr
1906
- Titel
- Ottendorfer Zeitung : 16.12.1906
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polMlcke Kunckscbau. Deutschland. * Der Kaiser äußerte sich in einer Unter redung über die Beziehungen zwischen Deutsch land und den Ver. Staaten äußerst be friedigt. Der Monarch hob insbesondere sein Ver trauen zur Friedensliebe Roosevelts hervor. * In den elsaß - lothringischen Haus Hallsetat von 1907 werden 500 000 Mark als Teuerungszulage für die mittleren und Unterbeamten eingesetzt. *In einem Erlaß des preußischen Finanzministers wird eine Revision des Stempelsteuergesetzes in Aussicht gestellt und zwar nicht zu einer Steuererleichte rung, sondern zu einer schärferen Handhabung der Steuer. * Als Antwort aus die Eingabe der Bürger schaft teilte der Hamburger Senats präsident mit, der hamburgische Bevoll mächtigte zum Bundesrat habe von selten des Senats wiederholt Instruktionen erhalten, auf Ermäßigung der Fleischpreise hinzu wirken. Auch an den Reichskanzler seien ent sprechende Anträge hinsichtlich der Erleichterung der Zufuhr von Vieh und Fleisch aus Däne mark nach Hamburg gerichtet worden. Uber das Ergebnis könne er im Augenblick nichts mitteilen. * Die BremerBürgerschafl lehnte die Einführung einer Wertzuwachs st euer (auf unbebaute Grundstücke) ab. Osterreich-Ungarn. *Die parlamentarische Lage in Österreich ist nach dem Beschlusse der Herren haus-Kommission in der Wahlreform frage ernst geworden. Vielfach besorgt man sogar, daß eine Kabinettskrise aus der voraus sichtlich eintreteuden Sachlage hervorgehen könnte. Auch in den Delegationsberatungen wurde der Regierung scharfer Tadel ausgesprochen, weil die Lieferungen für die Armee an Österreich verhältnismäßig viel höhere Anforderungen stellten, wie an Ungarn. Frankreich. * Nachdem der päpstliche Vertreter in Paris ausgewiesen worden ist, schwindet die Möglichkeit einer friedlichen Verständigung zwischen Kirche und Staat mehr und mehr. Wie es heißt, hat die Räumung der Bischofssitze und Seminare ohne weiteren Zwischenfall begonnen. * Die Deputiertenkammer nahm das Budget des neuerrichteten Arbeitsmini- steriums an. England. * Der Text der Urkunde, durch welche Transvaal eine Verfassung verliehen wird, ist in London veröffentlicht worden. Da nach besteht der gesetzgebende Rat aus 15 Mit gliedern, die vom Gouverneur ernannt werden; bis ein Gesetz über die Feststellung der Wahlen zu Recht erlassen ist, soll er alle fünf Jahre neu zusammengesetzt werden. Die gesetzgebende Versammlung besteht aus 69 gewählten Mit gliedern, Lei deren Verhandlungen sowohl die englische als auch die holländische Sprache ge braucht werden darf. * Die Regierung teilte im Unterhause mit, daß sie die Absicht habe, die irische Friedensschutzakte nicht zu erneuern. Diese stellt den Besitz von Waffen ohne behörd liche Genehmigung in Irland unter Strafe und wird ungültig, wenn sie nicht jährlich erneuert wird. Italien. *Um seine Rechte zu wahren, beabsichtigt der Heilige Stuhl, an alle Mächte eine Note zu richten, in der er gegen das eigen mächtige Eindringen der französischen Beamten in das Archiv der früheren päpstlichen Nunziatur, dessen Hu! dem Monsignore Montagnini ob lag, Einspruch erhebt und gleichzeitig jede Verantwortung bezüglich solcher in dem Archiv niedergelegter Schriftstücke ablehnt, welche fremde Mächte betreffen. * In derDeputiertenkammer erklärte Muttsjerpräsidem Giolitti, die Regierung s könne ohne Aufforderung in dem Streit zwischen Reedern und Matrosen nicht vermitteln; sie werde jedoch gegen alle kontraktbrüchigen Matrosen mit aller Strenge vorgehen. Belgien. *Jn der Kammer wurde der Antrag eingebracht, die Kongodebatte abzubrechen und dem Vorschläge der Regierung zuzustimmen, wonach die Kammer die unverzügliche Über nahme des Kongostaates vorbereiten solle. Holland. * Der Minister des Äußern erklärt in einer Note, in der er den Bericht der Ab teilungen der Kammer beantwortet, zur Recht fertigung des Beitrittes Hollands zur Algeciras-Akte gegen die in der Zweiten Kammer erhobenen Vorwürfe, daß die Ein mischung in die Reformen und die Angelegen heit in Marokko überhaupt durch die ältesten R^chteHollands in Marokko begründet sei, Rechte, welche seit dem im Jahre 1610 ge schlossenen Handels- und Freundschaftsvertrag bestünden, und durch die Tatsache, daß Holland stets an internationalen Abmachungen betreffend Marokko teilgenommen hätte. Spanien. * Der Minister des Äußern, Perez Caballero, erklärte gelegentlich der Senats debatte über die Marokko-Angelegenheit, die Konferenz von Algeciras sei ein Werk des Friedens und der Harmonie für alle Nationen, die in Marokko interessiert seien, ge wesen. Er fügte hinzu, Frankreich und Spanien hätten sich einer Anarchie in Marokko gegen übergesehen, so daß es nötig gewesen wäre, zu handeln. *Der Finanzminister Reverier er klärte der Kammer, er habe die Einführung von Einfuhrzöllen für ausländisches Getreide in Aussicht genommen. Rußland. *Die Regierung widerspricht in einem halbamtlich mitgeteilten Erlaß dem Gerücht, daß die Einberufung der Duma auf unbe stimmte Zeit verschoben werden solle. *Der Marineminister Birilew hat eine Ein gabe an den Zaren fertiggestellt, in der er darauf dringt, daß unverzüglich zur Wieder herstellung der Kriegsflotte ge schritten werde. Die Kosten für jedes Panzer schiff würden sich bei kürzester Baufrist von einem Jahre auf 21 800 000 Rubel belaufen. (Wer woher nehmen?) * In Zgierz (Russisch-Polen) bemächtigte sich eine Bande von 30 Terroristen der Eisen bahnstation, beraubte die Kasse und tötete einen Offizier. Balkanstaaten. * Die kretische Nationalversamm lung hat, wie aus Athen mitgeteilt wird, be schlossen, dem derzeitigen Oberkommissar Zaimis jährlich 100 000 Drachmen znzuweisen. Amerika. * Die plötzlich ausgebrochene Revolution in Ecuador scheint nicht viel Aussicht auf Erfolg zu haben. Nach einer Meldung aus Guayaquil (der Hauptstadt Ecuadors) hat der Präsident Alfaro von dem Präsidenten Reyes von Kolumbien ein Telegramm er- haltery wonach dieser Staat strengste Neu tralität beobachten und verhindern werde, daß aus seinem Gebiet Leute nach Ecuador übertreten und sich den Aufständischen an- schließen. Diese Maßnahme wird als ein ernster Schlag gegen die Revolutionäre an gesehen, die Verstärkungen aus Kolumbien er wartet haben. Afrika. * Die letzten aus Marokko eingegangenen Nachrichten lauten sehr bedrohlich. Die Be völkerung der Umgegend von Tanger wird von den Anhängern Raisulis in die feindseligste Stimmung gegen die Franzosen und Spanier versetzt, und die aus dem Innern heranrückenden Sultanstruppen werden wahrscheinlich dem Volke gegenüber emen schwierigen Stand haben. In allen Moscheen im Umkreise von 30 Meilen ver kündeten öffentliche Ausrufer, daß ein christ licher Einfall bevorstehe, und ermahnte das Volk, sich auf den heiligen Krieg vorzubereiten. Die Ausrufer fügten hinzu, daß Raisuli alle diejenigen, die nicht im Besitze von Geld, Gewehren und Munition seien, damit ver sehen würde. Zugleich wird gemeldet, daß Raisuli sich offen vom Sultan los- gesagt habe. *Die Truppen des Kongostaates haben die umstrittenen Posten in Bahr-el-Gharal geräumt; die Posten sind nunmehr von ägyp tischen Truppen besetzt worden. Asten. * In Kurdistan, das von dem dritten Sohn des Schahs von Persien ver waltet wird, sind Unruhen ausgebrochen, nachdem dieser mit einer bedeutenden Zahl von kurdischen Reitern in die Dörfer eingedrungen ist, um die bereits entrichteten Steuern zum zweiten Male zu erheben. Ein kriegerischer Stamm erhob sich und schlug den Prinzen aufs Haupt, der unter Zurücklassung vieler Toten aus seiner Residenz flüchtete. Osuiscker Keickstag. Am 12. d. wird die Besprechung der Fleisch- teuer nngs-Jnter pe Nationen der Abgg. Ablaß u. Gen. und Albrecht u. Gen. fortgesetzt. Abg. Paasche (nat.-lib.): Wir halten an dem Standpunkt fest, daß im Interesse der Landwirt schaft stabile Zollverhältnisse bestehen müssen; trotz dem leugnen wir nicht, daß durch die Zollgesetz gebung Mißstände sich herausgebildet haben, die die ernste Aufmerksamkeit der verbündeten Regierungen verdienen. Ich bin der Ansicht, daß die Öffnung der Grenzen der momentanen Fleischnot doch etwas abhelfsn würde. Mcht leugnen will ich, daß in der Agitation um die Öffnung der Grenzen und Auf hebung der Zölle Übertreibungen vorgekommen sind; so kann z B. von einer Unterernährung des Volkes keine Rede sein. Zumal nach den statistischen Zahlen, die der Landwirtschaftsminister gestern hier genannt hat und nach denen 49 Kilogramm Fleisch Pro Jahr auf den Kopf kommen. Die Preise für Schweine sind übrigens wieder im Sinken, in Jungvieh herrscht sogar eine Überproduktion. Ich bedauere, daß die verbündeten Negierungen ihre beruhigenden Erklärungen nicht schon vor Monaten gegeben haben Gras v. Schwerin-Löwitz (kons.): Ich bin der Meinung, daß die Interpellationen ihre beste Beantwortung durch die Marktberichte er- sahren haben, die ständig sinkende Preise ver zeichnen. In der Agitation ist ost das Wort ge fallen : die Fleischnot ist künstlich geschaffen worden, um die Taschen der Großgrundbesitzer zu füllen. (Rufe: Das stimmt! — Widerspruch links.) Sie (zur Linken) können doch nicht leugnen, daß Sie die Interpellation zu politischen Zwecken eingebracht haben. Von einer Unterernährung der Bevölkerung darf nicht" gesprochen werden, eine solche existiert nicht. War etwa 1870 unser Volk bei halbem Fleischverbrauch nicht groß und mächtig geworden? Die Fleischteuerung ist auf ganz natürliche Weise zu erklären: durch die Steigerung der Produktions weise, die höheren Ansprüche an die Qualität des Fleisches und die Hohen Kosten für die Fleisch beschau. Man kann nicht verlangen, baß dies alles von der Landwirtschaft allein getragen werde. Die Grenzen müssen zum Schutze unsrer Land wirtschaft geschlossen bleiben. Wirkungsvolle Mittel gegen die Fleischteuerung sind nur Herabsetzung der Gebühren für die Fleischbeschau und eine syste matische, wissenschaftlich begründete Verhütung von Seuchen im Deutschen Reiche. Unsre Fleisch versorgung muß vom Auslande unabhängig fein, schon im Hinblick ans die Verproviantierung während eines Krieges. Abg. Korfanty (Pole): Bei uns ist an der Schweinezucht der kleine und mittlere Bauer, ja so gar auch der industrielle Arbeiter lebhaft interessiert. Die Fleischnot ist in Oberschlesien geradezu eine Kalamität geworden, und wir bedauern, daß die Regierung nicht energische Maßnahmen zu deren Beseitigung ergriffen hat. Wir muffen zur Be kämpfung der Fleischnot die unbegrenzte Einfuhr russischer Schweine unter Aufrechterhaltung allxr sanitären Maßnahmen verlangen. Bei der Strenge der bestehenden veterinärpolizeilichen Vorschriften kann die Einschleppung von Seuchen als aus geschlossen betrachtet werden. Das bestehende Kon tingent ist ungenügend. Abg. Gamp (freik.): Das Kontingent an russi schen Schweinen wird in Oberschlesien nicht erschöpft; eine Erhöhung ist deshalb zwecklos. Der Abg. Wiemer hat die Landwirte nur platonisch unterstützt, in Wirklichkeit aber alles bekämpft, was ihnen dien lich ist. Nicht nur der kleine Bauer, sondern auch die Großgrundbesitzer und die Männer der Wissen schaft haben sich um die Viehzucht verdient gemacht. Die mit den Interpellationen verfolgte Absicht ist zu durchsichtig. Es soll gegen die Konservativen, gehetzt werden. Aber die Bauern kennen auch ihr wahres Interesse. Durch die Billigkeit der Futtermittel und der Ferkel sind alle Vorbedingungen zu einem großen Aufschwung der Schweinemast gegeben. Alio für Schweinefleisch wird auf Jahrzehnte hinaus ge sorgt sein; dagegen kann der Fall eintreten, daß sie Produktion an Rindfleisch für unsern Konsum nicht ausreicht. Energisch wahren wir uns gegen den Vorwurf, als ob wir den Zwischenhandel ausschalteu und die Schlächter schädigen wollten. Die Gründung von Konsumvereinen würde die Fleischpreise erheblich vermindern. Warum beschreitet denn die städtische Bevölkerung diesen Weg nicht! Abg. Gothein (frs. Vgg.): Über den neuen Landwirtschastsminister bin ich gerade nicht sehr ent täuscht gewesen. Es war ein andrer Faden, aber dieselbe Nummer. Die Grenzsperre gegen Hollanv ist überhaupt ein sonderbares Unternehmen; der Minister scheint noch nicht zu wissen, daß in großem Maßstabe holländisches Rindvieh auf deutschen Eisen bahnen bei dem Transport nach Österreich Deutsch land passiert, ohne daß Seuchen eingeschleppt werden. Die Grenzsperre für dasVieh istnoch kein völliger Schutz gegen die Maul- und Klauenseuche, die bekanntlich auch durch Menschen verschleppt wird; sollen die Grenzen auch für den Menschenverkehr gesperrt werden? Mit seiner Prophezeiung, daß innerhalb von sechs Wochen die Fleischnot beendet sein solle, hat Herr v. Podbielski, wie er selber zugegeben hat, eine Korrektur der Wahrheit vorgenommen. Die statistischen Zahlen des Landwirtschaftsministers sind einfach Unsinn. Die Berechnung, nach der der Fleisch konsum im letzten Jahre pro Kops 48 Kilogramm,. 1900 dagegen nur 40 Kilogramm betragen habe, ist unmöglich richtig. Wenn auch die Jndustrielöhne gestiegen sind, so hat diese Steigerung doch nicht Schritt gehalten mit der Fleischpreisstcigerung. Im Osten sind die Löhne keineswegs hoch, sonst würden sich die Großgrundbesitzer nicht den „kulinarischen" Genuß gönnen, Kulis cinzuführen. Staatssekretär Gras Posadowsky: Das deutsche Voll habe nie so prosperiert wie jetzt, das ist der Gegenstand des Neides der andern Völker. Er habe sich bei den Zolltarisverhandlungen niemals für die Aufhebung des Oktrois ausgesprochen, er habe nur aus die staatsrechtliche Seite der Frage hinge wiesen. Die Angriffe des Abg. Gothein auf die amtliche Statistik seien unberechtigt. Die Angaben beruhen auf den neuesten Angaben, die auf Grund des Flcischbeschaugesetzes gewonnen sind. Wenn man aber so viel mit Statistik arbeitet, wie der Vorredner, dann begreife ich seine Angriffe gegen die Statistik nicht. Jede Statistik ist relativ. Aber ich betone ausdrücklich, daß ich niemals in irgend einer Weise die Statistiken beeinflußt habe. Der Leiter derselben ist ein angesehener Volkswirt, der über jeden Zweifel erhaben ist. Ich muß die An griffe gegen diese mir Nachgeordnete Behörde enr- schieden zurückweisen. Präsident Graf Ballestrcm erklärt, Abg. Gothein habe nicht das Statistische Amt, sondern allgemein die Statistik als seile Dirne bezeichnet. Darauf vertagt sich das Haus. ^on k^ab UNÄ fern. Der Kaiser und die Majolika-Industrie. Der Kaiser ist ein großer Freund der Majolika, und aus seiner Majolikasabrik zu Cadinen bei Elbing gehen die schönsten Kunstwerke hervor. Bei Jubiläen, Geburtstagen und sonstigen fest lichen Anlässen kommt es sehr ost vor, daß auch der Kaiser ein Geschenk stiftet. Seit einiger Zeit spendet der Monarch fast ausnahmslos Gegen stände aus der Cadiner Majolikasabrik, während früher Erzeugnisse der königlichen Porzellan- Manufaktür verschenkt wurden. Ein besonderer Wunsch des Kaisers ist es, die Majolika- Industrie mehr als bisher im Deutschen Reiche ausgebreitet zu sehen. So hat der Monarch genehmigt, daß aus Wunsch Personen vom Fach den Betrieb der Majolikafabrikation auf Cadinen erlernen dürfen, damit sie ebenfalls Majolita fabriken anlegen können. Auch will der Kaiser im Bedarfsfälle die erforderlichen Geldmittel porstrecken. In der Angelegenheit des „Haupt manns von Köpenick" scheint man mit Be gnadigungsgedanken umzugehen. Wie nämlich der,Frs. Ztg/ mitgeteilt wird, hat der Preuß. Jusnzminister die abgeschlossenen Strafakten zur Einsicht eingefordert. Ein MMionenschaden. Der durch die Explosion in der Noburitfabrik bei Annen an gerichtete Gesamtschaden beträgt nach der Fest stellung der Sachverständigen 1027 000 Ml. Ok Dei* Meg Lum Kerzen, bs Novelle von F. Stöckert. lFortsehimg.) „Welch schöne, seltene Blumen," sagte die Kranke bewundernd, „aber ich möchte sie nicht behalten, sie sind Ihnen geschenkt worden." „O, ich bekomme täglich frische," erwiderte Melitta, „und wenn es Ihnen Freude macht, so komme ich schon einmal wieder und bringe Ihnen von meinem Überfluß." Sie hatte sich bei diesen Worten auf einen Stuhl an dem Bette niedergelassen und schaute jetzt mit einem schelmischen Blick zu Bergen auf. Sie war durchaus nicht überrascht, ihn hier zu finden, sie hatte es sogar ganz genau gewußt, als sie mit lobenswerter Ausdauer die vielen dunklen Treppenstufen emporgeklommen. Hermine Wellner, die seit den Donnerstag-Abenden im Bendeloschen Hause ein stilles tiefes Interesse für den jungen Doktor gefaßt und ihn, wo sie nur immer konnte, mit Argusaugen beobachtete und seine Wege verfolgte, hatte ihr vor einer halben Stunde die interessante Mitteilung ge macht, daß Bergen zu dieser Stunde fast stets an dein Lager der armen, kranken Näherin Helene Bauer zu finden sei, sie begegne ihm all abendlich, wenn sie ihre Promenade dort in der Vorstadt mache. Melitta hatte über den sonderbaren Geschmack, durch diese finstere Vorstadt zu promenieren, ihre Verwunderung ausgesprochen. Dann war ein übermütiger Gedanke durch ihr Gehirn geflogen; sie hatte sich eilig von ihrer redseligen Dame Lerabschiedet, war in eine Droschke gestiegen und hatte sich nach der Vorstadt vor das von Hermine Wellner ziemlich genau beschriebene Haus fahren lasten. Und nun stand sie an dem Lager der Kranken mit all ihrem Übermut, all ihrer Schönheit und begann zu plaudern, zu er zählen, daß sie heute ihre Generalprobe gehabt und morgen die große Vorstellung in der Reit bahn stattfinden solle. Und wie sie sich kindisch darauf freue. Wer der Herr Doktor Bergen müsse auch kommen, sonst werde sie bitterböse. Wie das so eigen klang in dem Raum, worin soeben Helenes schwermütige Worte verhallt waren. Bergen blickte wie traumverloren auf das junge Mädchen, während Helenes Blicke unruhig von einem zum andern flogen. Plötzlich sank ihr Kopf wie todesmatt in die weißen Kiffen zurück, die Blumen fielen aus der Hand, welche sie auf das heftig klopfende Herz preßte. „Nicht wahr, Sie kommen und bewundern mich in meinem entzückenden Kostüm," hatte Melitta eben bittend zu Bergen gesagt; da fiel sein Blick auf die Kranke, erschreckt sah er die plötzliche Veränderung iu ihren Zügen und da hin schwand aller Zauber, den Melittas holde Nähe momentan auf ihn auSgeübt. Sehr finster wandte er sich zu ihr: - „Fräulein Bendelo, sehen Sie es denn nicht, wie Sie die Kranke angreifen?" sagte er heftig. „Welch' eine sonderbare Idee von Ihnen, hier herauf zu kommen, Sie taugen nicht für ein Krankenzimmer. Ihre glänzende Erscheinung wirst ein zu grelles Licht hinein. Ich will Sie, da Sie es wünschen, sehr gern als Amazone be wundern, aber von meiner Kranken da muß ich Sie sehr bitten, fern zu bleiben." Melitta wurde dunkelrot bei dieser Zurecht weisung. „Ich soll also gehen? Sie weisen mir die Tür?" sagte sie mit bebender Stimme. Sie reichte der Kranken die kleine zitternde Hand zum Abschied und wollte dann tief gekränkt zur Tür hinausrauschen. Bergen jedoch vertrat ihr den Weg. „Erlauben Sie, daß ich Sie die Treppe hin untergeleite," sagte er artig. „Nein, nein, ich danke," erwiderte Melitta, „bleiben Sie nur hier und beruhigen Sie die Kranke. Ich sehe es ja ein, ich tauge nicht hierher, es war eine sonderbare Idee, Sie haben recht." Zornige Tränen standen in den blauen Augen, als sie dieselben noch einmal zu dem strengen jungen Doktor aufschlug; dann flog sie pfeilschnell zur Tür hinaus und die Treppe herunter. Bergen trat wieder an das Lager Helenes. „Warum waren Sie so hart zu ihr?" sagte diese mit matter Stimme. „Es war meine Pflicht als Arzt," erwiderte Bergen finster, „solche junge Weltdamen sind geradezu gefährlich an Krankenbetten." Er setzte sich, ein beruhigendes Mittel für die Kranke zu verschreiben, dann ging er und Helene blieb allein; Anna, ihre treue Pflegerin, hatte schon, ehe Melitta erschienen, das Zimmer verlassen. Helene öffnete jetzt, als alles toten still um sie herum war, ein Keines verborgenes Fach in der Wand, einige welke Blumen lagen darin, eine blonde Haarlocke ihrer früh ver storbenen Mutter, die Trauringe ihrer Eltern und Helenes Tagebuch. Das Buch nahm sie heraus, einige Worte hineinzmchreiben. „Sie war hier," schrieb sie. „Sie, die reiche, schöne Glückliche, die von ihm gelabt wird. Warum gab ihr das Schicksal alles, was das Leben verschönt, und mir nichts? Ach, es ist nicht die Krankheit allein, die meine Lebenskraft zerstört, ich weiß es jetzt. — Jede Blume, die im Dunkeln wächst, auf die nicht ein einziger Sonnenstrahl fällt, muß sterben, vergehen, ohne nur einen Blütetag gehabt zu haben. — Es ist immer gut, wenn der Blick einer Sterbenden . es ahnend sieht, wie schön das Leben fein kann. O, nur einen Tag, nur einen einzigen des vollen reichen Lebens! — ehe der kalte, dunkle Tod kommt." Heiße Tränen strömten aus ihren Augen, als sie die letzten Worte geschrieben. Es waren unsäglich bittere Tränen, wie sie nur die Ein samen, ganz Verlassenen weinen. Es war am Abend des andern Tages. Bergen stand zum Ausgehen genistet in dem traulichen Wohnzimmer daheim. In dem alten mit Leder überzogenen Lehnstuhl am Ofen saß die Frau Professor Bergen, auf dem klugen, feinen Antlitz der alten Dame lag ein besorgter Ausdruck. „Vielleicht wäre es doch besser, du gingst nicht," sagte sie jetzt zu ihrem Sohn, dessen hohe Gestalt neben ihr am Ofen lehnte. „Die Mädchen können ganz gut allein gehen, sie finde« Bekannte. Sie soll doch gar zu schön und be»
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