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Ottendorfer Zeitung. Vie „Vttendvlfer Zeitung" erscheint Dienstag, Donners tag und Sonnabend abends. Bezugspreis vierteljährlich I Mark. Durch die Post bezogen 1,20 Mark. Druck und Lokalzeitung für die Ortschaften Ottendorf-Okrilla mit Moritzdorf und Umgegend. Mit wöchentlich erscheinender Sonntagsbeilage „Illustriertes Unterhaltungsblatt", sowie der abwechselnd erscheinenden Beilagen „Handel und Wandel", „Feld und Garten", „Spiel und Sport" und „Deutsche Mode". Annahme von Inseraten bi, vormittag Uhr. Inserate werden mit ,o p sir dir Spa/tztile berechne! Labellarisch«ZSast nach besonderem Laris Verlag vor. ^ermann Rühle in Groß-Okrilla. Lür die Redaktion verantwortlich Hermann Rühle in iörsß-Dkrilla Nr. 149. Mittwoch, den 12. Dezember 1906. 5. Jahrgang. Orrtliches und Sächsisches. Vttendorf-Vkrilla, den g. Dezember zyos Dresden. Zur Aufklärung für das kaufende Publikum macht die hiesige Kürschner- Innung folgendes bekannt: Die unterzeichnete Kürschner-Innung kaufte in dem Warenhaus Herzfeld eine Persianer-Stola für 68 Mk., welche in jedem Kürschnergeschäst für 40 Mk. zu haben ist, wenn solche überhaupt von einem Kürschner - Jnnungömeister geführt werden. Diese Persianer-Stola ist beim Jnnungömeister Köhler, Landhausstraße, zu besichtigen und kann dann das pelzkaufendc Publikum sich ein Urteil bilden über die Billigkeit und Qualität der Herzfeldschen Pelzwaren. Die Kürschner- Innung zu Dresden. — In einem Kleidermagazin im Erdgeschoß des Grundstücks Leipziger Straße 86 (Vorstadt Pieschen) entstand am Montag nachmittag in der fünften Stunde beim Anzünden der Be leuchtung in dem mit Watte dekorierten Schau fenster ein Brand, der ganz erheblichen Schaden onnchtete. Der Ausstellungsraum mit seinem Inhalt an Herren-, Damen- und Kindergarderoben, sowie Pelzwaren, Hüten und Mützen brannte vollständig aus, während in sechs weiteren Räumen mehr oder weniger Schaden an Mobiliar und Gebäudeteilen ver ursacht wurde. Die nach Zerstörung einer großen Spiegelscheibe nach der Straße schlagenden Flammen sprengten auch im ersten Obergeschoß gegen 20 Fensterscheiben und be schädigten die Schauseite des Hauses. Die Feuerwehr konnte durch ihren energischen An griff mit zwei Schlauchleitungen den Brand bald unterdrücken und auf seinen Herd be schränken. Mit dem Aufräumungsarbeiten war sie aber noch bis abends gegen einviertel 7 Uhr beschäftigt. Dresden. Die reichen Leute sind die säumigsten Steuerzahler. Aus einer Debatte in der letzten Gemeinderatssitzung des Villen- orts Blasewitz ging hervor, daß die dort wohnenden vielen reichen Leute Steuern nicht gerade gern bezahlen. Es handelt sich, so schreibt man dem „L. T.", um die Erhöhung der Mahngebühren. Der Ausschuß war da gegen, angeblich im Interesse der armen Leute. Demgegenüber führte der Gemeindevorstand aus, gerade sehr viele reiche Leute seien die Säumigsten und nützten die für die Bezahlung gesetzte Frist bis zum letzten Tage aus, um das Geld auf der Bank Zinsen tragen zu lasten, di» höher seien als die jetzigen Ge bühren. Die Erhöhung wurde alsdann be schlosten. — Der wegen gewerbsmäßigen Glücksspiel aus Buchmachcrprozesten her bekannte, wieder holt vorbestrafte Kaufmann Reinhold Bruno Raspe von hier, 42 Jahre alt, in Postendorf bei Dippoldiswalde geboren, hatte sich am Montag vor der k. Strafkammer wegen Urkundenfälschung, vollendeten und versuchten Betrugs zu verantworten. Raspe war an geklagt, seit November 1900 bis zu diesem Jahre aus eine große Anzahl Wechsel unbefugt als Acceptvermerk teils den Namen des Ober leutnants von Lossow in Döbeln, früher in Dresden, teils den Namen seines Schwagers geschrieben und diese gefälschten Wechsel ver ausgabt zu haben Nach mehr als neun stündiger Verhandlung wurde Raspe abends 7 Uhr zu 1 Jahr Gefängnis und 2 Jahren Ehrverlust verurteilt. Von der Strafe werden 3 Monate als durch die Untersuchungshaft ver büßt in Abrechnung gebracht. Niederbobritzsch. Aus dem 9 Uhr 6 Min. vormittags von Dresden-Hauptbahnho nach Chemnitz usw verkehrenden Personenzug ist am Sonnabend kurz vor der Station Nieder bobritzsch ein Irrsinniger seinem Begleiter ent sprungen. Der geistig gestörte junge Monn war von seinem Vater begleitet und sollte in die Zimmermannsche Naturheilanstalt nac Chemnitz gebracht werden. Er öffnete, ohn laß der Vater es bemerkte, die Wagentür und sprang vor der Einfahrt aus dem natürlich noch schnell fahrenden Zuge. Der Unglückliche, der Lehrer Zeidler aus Burgstädt, der sich zu letzt zur Pflege bei seinen Eltern in Radeburg aufgehalten, fiel aus den Kopf, daß an der Stirn eine tiefe, klaffende, heftig blutende Wunde entstand. Mit dem Mittagszuge ward der Verletzte, dem alsbald ärztliche Hilfe zu teil geworden war, in das Stadtkrankenhaus zu Dresden gebracht, Pirna. Nach einer an die Amtshaupt- mannschaft Pirna gelangten ministeriellen Ent schließung wird die „fliegende Gendarmerie- Brigade" die seinerzeit anläßlich der wieder bollen Raubanfälle für das Gebiet der Sächsischen Schweiz von amtshauptmannschaft- icher Seite erbeten worden war. auch weiter noch in Tätigkeit bleiben. Patrouillengänge m entlegneren Gebieten sind dieser Brigade, sie von den gewöhnlichen Dienstverrichtungen )er Landgendarmerie befreit ist, besonders zur Mcht gemacht. Löbau, An Blutgergistung gestorben ist plötzlich der 22jährige Sohn des Gutsbesitzers Schubert i» Ebersdorf bei Löbau. Der unge Mann dient in Dresden beim Artillerie- Regiment Nr. 12. Beim Geschützexerzieren zog er sich eine leichte Quetschung an der Hand zu, die er anfangs weiter nicht beachtete. Bald stellten sich (Geschwüre ein, die seinen plötzlichen Tod zur Folge hatten. Zehmen. Hier ist es zu einer scharfen Differenz zwischen Gemeinderat und Amts hauptmannschaft gekommen. Der Gemeinderat wählte den Maurer Herrn K. zum Gemeinde- ältesten an Stelle des ausscheidenden Guts besitzers Landmann. Diese Wahl wurde von der Amtshauptmannschast nicht bestätigt, der hiesige Gemeinderat aber hat sofort den nicht Bestätigten abermals mit Majorität zum Ge meindeältesten gewählt und der Amtshaupt mannschaft präsentiert. Man darf gespannt sein, wer bei dieser Differenz sich als der Stärkere erweisen wird. Chemnitz. Eine 57 Jahre alte Agenten witwe, die erst am Sonnabend aus Altenburg hier eingetroffen war, sprang am Sonntag früh in den hiesigen Schloßteich. Sie wurde zwar sofort geländet, war aber bereits tot. Sie hat den Tod infolge schwerer Krankheit gesucht. — Ein hiesiger 40 Jahre alter Färberei arbeiter unterschlug als Kassierer eines Spar vereins etwa 500 M, die er einkassiert hatte und verwendete das Geld für sich selbst. Er wurde nunmehr von der hiesigen Polizei fest genommen. Hohenstein-Ernstthal. In einem An fälle von Geistesgestörtheit verschwand am Donnerstag abend, nur ganz notdürftig be kleidet, aus ihrer auf der Lerchenstraße ge legenen Wohnung die etwa 40 Jahre alte Ehefrau des FabrikweberS Gustav Kirste. Obwohl sich die Angehörigen sofort auf die Suche machten, blieb die Frau doch ver schwunden. Am Sonnabend vormittag nun sanden zur Schule gehende Kinder die Be dauernswerte in einem im Hüttengrund ge legenen Teiche ertränkt aas. Falkenstein. Viel Aufsehen erregte am Sonnabend früh die Wahrnehmung, daß das aus den Leitungshähnen der städtischen Wasserleitung gelöstem Wasser jin der ganzen Stadt stark nach Petroleum roch und schmeckte. Polizeilichcrseits wurde festgestellt, daß von ruchloser Hand in die in v. Trützschlerscher Waldung im Lohberge befindliche sogenannte Guckler-Quelle eine größere Menge Petroleum gegossen worden war, das sich der ganzen Leitung mitgeteilt hat. Erst am Sonntag ließ der Petroleumgeruch wieder nach. Der Stadt rat setzt aus die Ermittlung des Täters eine Belohnung von 50 M. aus. Plauen. Von Vertretern der sozial demokratischen Partei in Plauen war der dortige Stadlrat ersucht worden, ihnen das Theater für Volksoorstellungen zu überlasten, wobei ihnen die Verteilung und Ausgabe der Karten zustehen sollte. Diesem Ansinnen hat der Rat jedoch nicht stattgegeben, und zwar um die Gelegenheit zu billigen Vorstellungen auch solchen weniger wohlhabenden Leuten u bieten, die nicht der sozialdemokratischen Zartei angehören und denen cs peinlich sein würde, sich gewissermaßen als Gäste der Sozialdemokratie betrachten zu müssen. Jn- olgedeffen wird der Rat der Stadt Plauen die sie Ausgabe der Karten selbst in die Hand nehmen. Während von der Sozialdemokratie in Einheitspreis von 60 Pfg. für sämtliche Zlätze vorgesehen war, wie jetzt der Höchstpreis ür die besten Plätze 60 Pfg. sein, für die brigen Karten will der Stadtrat bis auf 10 Pfg. für die Karte heruntergehen. Bei einem Einheitspreis von 60 Pfg. für die Karte hätten die sozialdemokratischen Unter nehmer ein recht gutes Geschäft gemocht und der sozialdemokratischen Parteikaste eine er- leckliche Summe zuführen können. Nus der Woche. Die leidige Marokkofrage, die schon wieder eit Wochen die Welt in Atem hält, scheint ich nun einer friedlichen Lösung zu nähern. Frankreich und Spanien, die um das Sultanat zur Ruhe zu bringen, eine gemeinsame Flotten- Kundgebung veranstalten wollten, haben den Mächten eine Note überreicht, in der sie ihr rtegerisches Vorgehen zu rechtfertige« ver- üchen. In diesem diplomatischen Aktenstück wird ausdrücklich versichert, daß man sich durchaus an die seinerzeit in Algeciras ge troffenen Abmachungen halten werde. Auch Deutschland hat, wie die anderen Staaten, die Note wohlwollend geprüft und seine Zustimmung gegeben. Die Gewitterwolken, die in den etzten Wochen zeitweise den internationalen politischen Himmel trübten, haben sich ohne edwede Entladung wieder verzogen. — Trotz- )em bleibt in bezug auf das Verhältnis zwischen Deutschland und Frankreich noch manches zu wünschen übrig. Herr Clemenceau, der geist volle Leiter der französischen Politik, hat in einer früheren journalistischen Tätigkeit zu oft eine Feder gegen Deutschland gespitzt, als daß er nun in seiner Eigenschaft als Minister präsident seinen Anhängern in dieser Beziehung alles schuldig bleiben dürfte. Es ist ein offenes Geheimnis (englische Blätter haben in siesen Tagen das Längstbekannte noch einmal bekannt gemacht) daß Herr Clemenceau in be zug auf die europäische Friedenspolitik ge äußert habe, der Friede in Europa könne nur als gesichert gelten, wenn Frankreich Elsaß- Lothringen zurückerhalten habe. Durch den Abschluß des Bündnisses mit Rußland und den Versuch, England für ein Militärbündnis zu gewinnen, hat Herr Clemenceau bewiesen, daß er Mittel und Wege kennt, seiner Anschauung in bezug auf den europäischen Frieden zum Siege zu verhelfen. Zwar versucht der französische Ministerpräsident diese Worte, die ihm England zu sehr unrechter Zeit ins Ge dächtnis zurückrust, jetzt abzuschwächen; aber ohne Glück- Deutschland weiß sehr wohl, wo rauf man jenseits der Vogesen abzielt. — Das englische Ministerium Campbell-Bannermann hat unter Opfern, aber immerhin mit vielem Geschick, die Gefahren zu beseitigen gewußt, die es eine Zeitlang bedrohten. Zwar hat die freiheitliche Schulvorlage durch den Widerstand des Oberhauses Schiffbruch gelitten, was dem Ansehen der liberalen Regierung nicht unbe trächtlich schadete. Aber Herr Campbell- Bannermann fand zur rechten Zeit ein Be ruhigungspflaster für seine geärgerten Anhänger Die Dienstbotensrage, die in England häufig zu allerlei Unzuträglichkeiten geführt hat, soll nunmehr durch das soeben eingeführte Gesetz „für gewerbliche Streitigkeiten" geregelt werden. Diese gesetzgeberische Tat hat das Vertrauen zur Regierung wieder gestärkt- Das Kabinett mrfte also wahrscheinlich unangefochten noch den Winter überdauern. Länger will Herr Campbell-Bannermonn in keinem Falle die Führung behalten. — Das Zarenreich steht unmittelbar vor dem Beginn der Duma-Wahlen und die Regierung hatte sich durch Verhaftung aller verdächtigen Elemente, insbesondere durch die Anklageerhebung gegen die meisten Mit glieder der ersten Duma, in geeigneter Weise wrauf vorbereitet. Es schien auch alles nach Wunsch zu gehen, und da man außerdem im Volke einige vom Ministerium Stolypin be willigte Reförmchen für den Ausfluß ernsthafter Fürsorge nahm, so durfte die Regierung sich in )em Gedanken wiegen, die zwei Jahre lang währende Revolution siegreich niedergeschlagen zu haben, Da aber wurden Mißstände ruchbar, sie auch dem Kurzsichtigsten beweisen müssen, daß in Väterchens Reich nach wie vor der alte Schlendrian sein Unwesen treibt. Durch Zufall wurden nämlich ungeheure Unter- cblagungen ausgedeckt, die an den für die Not eidenden bestimmten Geldern verübt waren und die Höhe von zwei Millionen Rubel er reicht haben soll. Zwar wußte das Ministerium den ersten Sturm zu beschwichtigen, indem es eine peinliche Untersuchung einleitete. Aber während diese noch nicht abgeschlossen ist, wurde chon ein zweiter Fall bekannt, der womöglich noch den ersten übertrifft. Auch an den Geldern, die zur Verpflegung der nach Sibirien Verbannten bestimmt waren, sind ungeheure Unterschlagungen begangen wurden. Damit hat sich die Regierung aufs neue um den mühsam in den letzten Wochen errungenen kredit gebracht. Die Notschreie der Ver hungernden wie die Verzweiflungsrufe der im gräßlichen Elend lebenden Verbannnten haben aufs neue den Widerstand entfacht. Auch die neue Duma wird unter dem Kampfruf tagen: „Land uud Freiheit." — In Amerika hat Theodore Roosevelt, der nun im letzten Jahre Präsident der Vereinigten Staaten ist, an den Senat und an das Repräsentantenhaus eine Botschaft gelangen lasten, deren Höhepunkt eine Aeußerung über den Frieden hist. Roosevelt, der als Friedensapostel immer und immer wieder für internationale Schiedsgerichte ein getreten ist, hat sich augenscheinlich dem Geist )er Zeit angepaßt; denn in seiner Botschaft heißt es, daß unter Umständen der Krieg eine Notwendigkeit, eine Pflicht werden könne. — Ja, der Geist der Zeit ist nicht besonders friedlich, das weiß man auch in Japan, wo man mit unermüdlichen Eiser am Ausbau der Flotte und an der Verstärkung der Armee arbeitet. Gegen wen aber sind diese Rüstungen die weit über notwendige Verteidigungsmaßregeln hinausgehen, gerichtet? Soll die Herrschaft in Ostasien gesichert, oder die Ueberflutung Europas vorbereitet werden! Niemand vermag es zu sagen. — Im deutschen Reichstage kam es gelegentlich der Kolonialdebatten zu argen Auseinandersetzungen, wie sie im Parlament am Spreestrande ungewöhnlich sind. Der Sturm scheint aber ohne nachhaltige Folgen vorübergegangen zu sein und so braucht man nicht viel Aufhebens davon zu machen, wenn er nur dazu beitrug, die Lage zu klären und — die Luft zu erfrischen. — Der weltbe rühmte Hauptmann von Köpenick ist zu vier Jahr Gefängnis verurteilt worden. Sein Fall aber hat noch nichts an Interesse verloren. Es ist vielmehr wahrscheinlich, daß im Hinblick auf seine Erlebnisse in Wiesmar noch einmal im Reichstage von den Schuhmacher gesprochen werden wird. Dos 'Ausweisungsgesctz wird im Anschluß an die Ergebnisse des Prozesses gegen Wilhelm Voigt einer Aenderung unter zogen werden. Damit aber behält der „Haupt mann von Köpenick" eine geschichtliche Be deutung auf dem Gebiete der Strafgesetzreform. Hoffentlich kommt ihm das neue Gesetz schon zugute, wenn er als freier Mann das Tegeler Gefängnis verläßt.