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Ottendorfer Zeitung : 28.11.1906
- Erscheinungsdatum
- 1906-11-28
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1811457398-190611284
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1811457398-19061128
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1811457398-19061128
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Ottendorfer Zeitung
-
Jahr
1906
-
Monat
1906-11
- Tag 1906-11-28
-
Monat
1906-11
-
Jahr
1906
- Titel
- Ottendorfer Zeitung : 28.11.1906
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politische Kunckfchau. Deutschland. * Der Kaiser begibt sich von Kiel aus am 88. d. zu kurzem Jagdaufenthalt bei dem Herzog von Ratibor nach Schloß Raudten. * Gerüchtweise verlautet, der Herzog von Cumberland sei bereit, im Sinne der preußischenRegierung auf die Krone Hannovers endgültig zu verzichten. *Bei den Handelsvertragsver handlungen zwischen Deutschland und Spanien sollen sich, wie aus Madrid ge meldet wird, Schwierigkeiten ergeben haben, an denen die weiteren Konferenzen wahrscheinlich scheitern werden. * Der Bundesrat hat die Vorlage be treffend den Bau der Eisenbahnen Kubub- Keetmanshoop angenommen; sie wird dem Reichstage sofort zugehen. * Vom Reichskanzler ist die zeitgemäße Reform des amtsgerichtlichen Pro- zesses in die Wege geleitet. Zur Verständi gung über die Grundlagen des neuen Ver fahrens sind im Neichsjustizamt zu Berlin Ab geordnete des preußischen Justiz- und des preußischen Finanzministeriums, der bayrischen, sächsischen, württembergischen, badischen und hessi schen Regierung, der Hansestädte und der Reichs lande zu einer mehrtägigen Konferenz zu sammengetreten. *DieErnennung desR itterschaftsrats und Rittergutsbesitzers v. Arnim auf Kriewen zum preußischenStaatsminister und Mini st er fürLandwirtsöhaft, Domänen und Forsten wird nunmehr amtlich bekannt gegeben. Gleichzeitig ist der Minister des Innern v. Bethmann-Hollweg von der Leitung des Landwirtschafts-Ministeriums ent bunden worden. *Eine längere, von Exzellenz Dernburg ausgearbeitete Denkschrift Wer die deutschen Kolonien ist beim Reichstag eingegangen. * Die Frauenrechtlerin Fräulein Dr. Anita Aug 8 purg, die wegen mehr facher Beleidigung der Hamburger Polizei angeklagt war, wurde nach fünf stündiger Beratung zu 200 Mark Geld strafe bezw. 20 Lagen Haft verurteilt. Anita Augspurg hat sofort gegen dieses Urteil die Revision angemeldet. Lfterreich-Nngarn. * Der Besuch des Kaisers Franz Joseph in Prag, den die Tschechen nach dem Besuch des Kaisers in Deutsch-Böhmen bei der Reichenberger Ausstellung als Ausgleich dafür erwirkten und für den sie besondere Ver anstaltungen vorbereiten, kann nicht vor dem Monat Januar erfolgen, da der Kaffer bis Weihnachten in Budapest bleibt und das Pro gramm für den Prager Aufenthalt des Kaisers mit Rücksicht auf seine Gesundheit unter Ver meidung öffentlicher Veranstaltungen festgestellt werden must. * Das Abgeordnetenhaus lehnte den Antrag Tallinger auf Einführung des Plural wahlrechts mit 20t gegen 143 Stimmen ab. Damit ist das Schicksal der Wahl reform entschieden. Künftig wird in Österreich jeder Wähler nur eine Stimme haben, gleichviel ob er viel oder wenig Steuern zahlt. Der Ab stimmung ging eine überaus heftige Debatte voraus. *Jm IustiMisschuß des ungarischen Abgeordnetenhauses drohten Justiz minister Polonyi und Handelsminister Kossuth mit dem Rücktritt des Kabinetts für den Fall, daß man beschließe, das Kabinett Fejervary in Anklagezustand zu versetzen. Frankreich. *Bei den Kirch eninv ent ar - Auf nah m e n kam es wieder zu einer Reihe von Zusammenstößen zwischen der widerstrebenden Bevölkerung und den Organen der Polizei und des Militärs. In der Kirche von Linselles bei Lille wurde einOffizier des 127. Infanterie- Regiments schwer am Kopfe verwundet; in verschiedenen Kirchen der Bretagne und des Südens erlitten Gendarmen und Bauern Ver wundungen. Jn Walreghem wurden 12 Soldaten verwundet und sechs Ruhestörer verhaftet. * Der Senat genehmigte dasHandels- abkommen mit der Schweiz. * In der Deputiertenkammer er klärte der Marineminister Thomson, es sei nicht richtig, daß er dem Marinerat ge raten habe, mit de« Bau von Torpedobooten innezuhalten, er sei allerdings der Meinung, daß große Panzerschiffe und Untersee boote besonders nötig seien. Der Minister wies dann auf die Bestrebungen Englands und Deutschlands hin, ihre Flotten auf der Höhe zu erhalten, und betonte, daß nach dm letzten Untersuchungen die Turbinen günstige Ergebnisse gehabt hätten. * Die Entschädigung für die Depu tierten hat die Deputiertenkammer debattelos auf Grund eines Antrags aus 15 000 Frank erhöht. England. * Im Oberhause ist die Einzelberatung über das Unterrichtsgesetz zum Abschluß gebracht worden. Die Änderungen sind so ein greifend, daß die liberalen Kreise der Ansicht sind, die Grundzüge des ursprünglichen Gesetzes seien vollständig ins Gegenteil verkehrt und das Gesetz sei verändert worden. ES sind indessen Anzeichen dafür vorhanden, daß ein Abkommen zwischen dem Oberhause und dem Unterhause ge troffen werden wird. Luxemburg. *Der Großherzog von Luxemburg ist aufs neue schwer erkrankt. Norwegen. * Die Regierung hat beschlossen, bei den Mächten (einschließlich Rußlands!) einen Neu tralitätsvertrag anzuregen. Eine Denk schrift, die diesen Pla» ausführlich behandelt, wird demnächst dem Storthing zugehen. Svanien. *Die Zustände in Marokko, wo aber mals französische Offiziere tätlich beleidigt wurden, machen unbedingt ein Eingreifen der zur Ausführung des Marokko-Abkommens er wählten Mächte (Spanien und Frankreich) not wendig. Die spanische Regierung hat im ganzen 1500 Mann aufgeboten, die unver züglich nach Tanger abgehen sollen. Die Mächte sind mit dem Vorgehen Spaniens und Frankreichs vollkommen einverstanden, so daß etwaige neue Verwickelungen in Europa nicht zu befürchten sind. *Die Negierung hat den Cortes einen Gesetzentwurf unterbreitet betr. die Gül - tigkeitserkärung des Abkommens von Algeciras. * Der Kriegsminister veröffentlicht eine amtliche Verfügung, die die Bewerbung um Zu lassung zur Stellung von Instrukteuren des Polizeikorps in Tanger, Casablanca, Letuan und Larasch eröffnet, dessen Bildung in dem Abkommen von Algeciras vorgesehen ist. Rußland. * Der Zar hat auf Grund einer Entscheidung desMinisterrats befohlen, daß die Schüler der Spezialklassen des Kadettenkorps der Marine den Fahneneid leisten müssen. Schüler der drei oberen Klassen haben den Eid schon geleistet. * Der Ministerrat hat die Vorlage über den Bau der Amur-Bahn bis Chabarowsk genehmigt. * Wegen der zunehmenden Gärung unter der Arbeiterschaft schloß die Militär behörde in Warschau die dortigen, einer deutschenGesellschaft gehörenden Gas werke und läßt jetzt Sappeure in den Anstalten arbeiten. Balkanstaaten. * Der rumänische Kriegsmini st er General Manu hat einen Befehl an die Armee erlassen, nach welchem es den Offizieren aller Grade streng verboten wird, sich an der Politik zu beteiligen, und es wird den Garnisonskommandanten zur Pflicht gemacht, die Offiziere zu bestrafen, wenn sie politische Klubs besuchen. * Die kretische Nationalver sammlung ist bald nach der Wiederaufnahme ihrer Tätigkeit in die Beratung der Ver fassungsrevision eingetreten. Die Nationalversammlung ermächtigte die Regierung, alle geeigneten Schritte bei den Schutzmächten zur Aufhebung des Kriegsgesetzes zu unternehmen. Aus clem Keickstage. Der Reickstag fübrte am Donnerstag die Be ratung der Novelle zur Gewerbeordnung zu Ende. Die Debatte brachte wesentlich Neues nicht mehr. Das Gesetz wurde im wesentlichen in der Form der Kommisstonsbeschlüssc angenommen, ebenso die von der Kommission beantragten Resolutionen betr. die Baukontrolle,, den Bauarbeiterschutz und die Lehr lingshaltung. Abgelehnt hingegen wurde mit 130 gegen 126 Stimmen die Resolution, in der ein Gesetz über die Verpflichtung von Lehrlingen und jugendlichen Arbeitern zum Besuch von Fortbildungs schulen gefordert wird. Zur Annahme kam dann ein Antrag Trimborn (Zentr.), der auf landesrecht liche, aber möglichst gleichmäßige Regelung der Frage abzielt. — Es folgte die zweite Lesung des Gesetzes über den Schutz des Urheberrechts an Werken der bildenden Kunst und Photographie. Das Gesetz, das der Photographie und dem Kunst- gcwerbe den Urheberschutz bringt, dessen sie bisher entbehrten, fand allgemeine Zustimmung. Am 23. d. wird die zweite Beratung des Gesetz entwurfs über das Urheberrecht an Werken der bildenden Künste und der Photographie fort gesetzt bei 8 23, der vom Verbrecheralbum und Steckbrief handelt. Die Regierungsvorlage gibt die Vervielfältigung, Verbreitung und Veröffentlichung von Bildnissen durch die Behörden für amtliche Zwecke frei. Die Kommission hat den unbestimmten Begriff „amtliche Zwecke" bestimmter begrenzt durch die Fassung „für Zwecke der Rechtspflege und der öffentlichen Sicherheit" und außerdem das Er fordernis der richterlichen Anordnung eingefügt. Abg. Henning (kons.) beantragt, bas Er fordernis der richterlichen Anordnung zu streichen. Die Sozialdemokraten im Gegenteil wollen diese Bestimmung noch verschärfen durch Einfügung des Wortes „nur". Die Sozialdemokraten bringen weiter ihren Antrag aus der Kommission wieder ein, wonach die Befugnis der Behörden nicht gelten soll bei politischen und Streikvergehen sowie bei Übertretungen im Sinne des 8 1 des Reichs-Straf gesetzbuchs. Die Regierung hat in der Kommission erklärt, daß die Annahme dieses Antrages das ganze Gesetz zum Scheitern bringen würde. Die Kommission hat sich daher auf eine Resolution be schränkt. Abg. M ü l l e r - Meinigen sfrs. Vp.) stellt fest, daß in der Kommission die Vertreter sämtlicher politischer Parteien die Porträtierung wegen poli tischer Vergehen als einen Mißbrauch erklärt haben. Abg. Fischer (soz.) fordert die Beseitigung der Polizeiwillkür im Gesetze selbst, eine Resolution habe keine Bedeutung. Abg. Porzig (kons.) erklärt die Annahme des Antrages Henning als Voraussetzung für die Zu stimmung eines Teiles seiner Freunde zum ganzen Gesetze. In der weiteren Debatte erklärt Staatssekretär Graf Posadowskh, daß die Annahme der Kommissionsfassung mit dem Erfordernis der richter lichen Anordnung für die Negierung unannehm bar sei. Schließlich wird der konservative Antrag ange nommen und das Porträtieren durch die Polizei von der richterlichen Genehmigung abhängig gemacht. Die 88 24 bis 29 (Dauer des Schutzes des Urheberrechts auf 10 Jahre) werden debattelos an genommen, ebenso die 88 30 bis 49 (Rechtsverletzung und Strafbestimmungen) und der Rest des Gesetzes. In einer Resolution wird der Reichskanzler er sucht, bei der demnächst in Deutschland stattfindenden internationalen Urheberrechtskonferenz ein gemein sames Vorgehen aller dem Berner Verbände ange hörigen Staaten zur Beseitigung der Härten der Urheberrechtsgesetzgebung der Vereinigten Staaten von Amerika anzuregen. Die Resolution wirb angenommen und die Petitionen für erledigt erklärt. Es folgt die erste Beratung des Gesetzentwurfs betreffend gewerbliche Berufsvereine (Verleihung der Rechtsfähigkeit). Abg. Trimborn (Zentr.): Das vorliegende Gesetz ist außerordentlich ernst und wichtig, daher ist eine eingehende Prüfung in einer Kommission von 21 Mitgliedern nötig. Das Zentrum hat wiederholt ein solches Gesetz verlangt. Dis dem Gesetz vorausgegangene Kritik ist nicht gerade ver lockend gewesen in den sozialdemokratischen Zeitungen. Diese war L 1s. ,Vorwärts', das sagt genug. Diese Zeitung bewegte sich in Ausdrücken, wie „neues Ausnahmegesetz gegen die Arbeiter", „ungeheuerliche Angriffe gegen Menschenrechte", „die Vorlage ist nichts als eine Versicherung der Arbeitgeber gegen die Folgen des Streiks usw." Der Standpunkt der christlichen Gewerkvereine steht offiziell noch nicht fest, die Materie ist außerordentlich schwer, und deshalb ist es übereilt, daß die Sozialdemokratie zu einer schroffen Ablehnung gelangte. Die Vorlage ist keine Zuckthausvorlage, sie ist kein Sozialistengesetz, kein Ausnahmegesetz. Die Regierung hat die beste Absicht gehaht, den bisherigen Zustand zu bessern, die Vorlage ist keine Verschlechterung gegenüber dem bis herigen Zustande, sie stellt die erste Bresche dar, die in das Vereins- und Versammlungsrecht der Einzel staaten gelegt ist, sie ist der erste Ausblick auf eine reichsgesetzliche Regelung der Vcreinsgcsetzgebung. Bedauerlich ist es, daß die Bauernvereine nicht wie die gewerblichen Berufsvereine in diese Vorlage ein- bezogcn werden, ein großer Erfolg aber ist es, daß dir Vereine sich nun auch mit Lohn- und Arbeits- angelcgcnheiten beschäftigen dürfen. Bezüglich der Schadencrsatzfrage sollte nns der Beschluß des eng lischen Unterhauses, der die zivilrechtliche Haftung der Berufsvereine ausschließcn will, ein Anlaß sein, die Frage eingehend zu prüfen. Die Vorlage sieht vor, daß bei Strafe der Entziehung der Rechts fähigkeit die Berufsvereine Streiks von Wasser-, Gas- und Elekrizitätsarbeitern nicht unterstützen dürfen. In vielen Punkten ist sie nicht klar genug, und so schwankt die Wagschals hin und her. Wir werden in der Kommission die Vorlage nach allen Richtungen hin prüfen; so wie sie jetzt vorliegt, genügt sie nicht. Der Geist der Kaiserlichen Bot schaft über die sozialpolitische Gesetzgebung möge auch in dieses Gesetz einkehren. Abg. Legien (soz.): Abg. Trimborn hat wie ein Regierungskommissar gesprochen. In der Vor lage herrscht nach seinem Zugeständnis der böse Geist, der uns die Zuchthausvorlage und bas Umsturzgesetz gebracht hat. An der Vorlage ist nichts Gutes, sie entzieht den Arbeitern die Menschen rechte, darüber hätte Herrn Trimborn nicht der .Vorwärts' zu belehren brauchen, da hätte er sich bei Herrn Giesberts der Zcntrumsabgeordneter und Führer der christlichen Gewerkschaften ist, seine In formationen holen können. Alles, was von den Regierungen kommt, wird von uns mißtrauisch cntgcgengenommen. Wir bewundern ihren Mut, heute mit einem Gesetz zu kommen, das das Gespötts der ganzen zivilisierten Welt ünttzizt. Dir unhaltbaren Zustände auf dem Lande sollen mit dem Ausschluß der Bauern-Vereine aus der Vor lage zu einer dauernden Einrichtung gemacht werden. Auf die Cisenbahnarbeiter wird die Vorlage genau denselben Erfolg ausüben, wie er bei den Berg- arbei ern trotz aller Gesetze zu konstatieren ist. Die Ausschließung der landwirtschaftlichen Berufsvereine steht in Deutschland einzig da und müßte schleunigst heseitigt werden, alle übrigen Kulturstaaten besitzen dieses Recht schon längst. Den Ausarbeitern dieses Gefetzes scheint jede Kenntnis der internationalen sozialpolitischen Gesetzgebung abzugehen. Redner kritisiert darauf die Vorlage in ihren Einzelheiten, indem er gegen den Abg. Trimborn polemisiert. Der Gesetzentwurf sei tatsächlich nur geeignet, das Unter nehmertum zu schützen, anstatt die Interessen der Arheiter wahrzunehmen. Daraus vertagt sich das Haus. K Paul unä Paula. 11) Novelle von Helene Stökl. «Fortsetzung.) „Ich habe dich erschreckt, vergib mir; aber die Freude überkam mich zu mächtig, als ich dich hier sah. Laß mein Ungestüm, bitte, den Augenblick unsres Wiedersehens nicht stören.* „Nehmen Sie nicht zuversichtlich an, daß dies Wiedersehen mir erwünscht sei. Ich bitte Sie, mich vorbei zu lassen, mein Herr." Paula wollte an Konstantin vorbei, aber er vertrat ihr den Weg. „Nicht so, Sie werden nicht von mir wollen, Paula, oder Fräulein, wenn Ihnen das lieber ist. Erst hören Sie an, was ich Ihnen zu sagen habe. Wissen Sie denn, wie ich Sie gesucht habe, wie mir das Herz brannte, Sie zu finden, Sie, die ich erst kannte, nachdem ich Sie verloren hatte? Sie wissen es nicht, sonst stünden Sie mir jetzt nicht so gegenüber. Paula" — seine Stimme bebte in unterdrückter Leidenschaft — „keine Stunde ist vergangen, seit du von mir gingst, daß ich deiner nicht in heißer Sehnsucht gedachte. Bei Tage fülltest du meine Gedanken, und des Nachts meine Träume, nein, mehr, die Erinnerung an dich verzehrte Zeit und Stunde; denn bei Tage träumte und bei Nacht wachte ich. Weißt du, was es heißt, wenn man Wochen- und monate lang nur von einem Gedanken lebt und nur ein Fühlen und Wünschen kennt, wenn jeder Nerv vor Sehnsucht zuckt und die Ermattung unsre Herzen zusammenkrampft?" „Lassen Sie mich vorbei!" flüsterte Paula. „Nein, sage ich, nicht eher, als bis du mich ganz angehört hast. In der Stunde, in der du in Venedig von mir gingst, fiel die Binde von meinen Augen. Kaum auf dem Dampf schiffe angelangt, wußte ich, wie nahe mir mein Glück gewesen war, zugleich aber auch fühlte ich, daß ich dich lieben würde, bis in alle Ewigkeit. Und als ich, von glühender Ungeduld getrieben, noch am selben Tage kam, Leben oder Tod von deinen Lippen zu empfangen, da fand ich dich nicht mehr." „Ich danke Gott, daß ich zur rechten Stunde ging," sagte sie dumpf. „Du hättest es nimmer tun sollen; denn du erwidertest meine Liebe." Er richtete seinen Blick fest auf sie. „Wie können Sie das wissen?" stammelte Paula. „Ich weiß es. Oder hast du den Mut, es zu leugnen? Sieh, wir sind hier ganz allein miteinander unter Gottes weitem Himmel; ver suche und sage, daß du mich nicht liebtest!" Sie wollte reden, aber ihre Stimme versagte. „Weißt du auch," fuhr Konstantin sich zu ihr neigend fort, „wer mir dein so sorgsam bewahrtes Geheimnis Vernet?" Paula hob ihre Augen in unwillkürlicher Frage zu ihm auf. „Du selbst, Paula, du selbst! Der Kuß, den du auf meine Hand drücktest, verriet mir, daß du ein Weib seiest, er sagte mir auch, daß du mich liebtest!" „Sie sind ungroßmütig!" Sie preßte wie in plötzlichem Schmerze die Hand auf das Herz. „Du zwingst mich dazu, Paula! Sei du großmütig," fuhr er flehend sort. „Stehe, nicht so da! Was soll ich tun, um deine Verzeihung zu erlangen? Um der Tage willen, die wir zusammen verlebten, vergiß, wenn ich dich er zürnte. Verleugne nicht länger dein eignes Ich. Zu deinen Füßen will ich dich bitten, vergib mir, Paula, und sei mein!" Er wollte vor ihr niederknien, aber sie hielt ihn heftig zurück. „Wohlan denn, Sie zwingen mich zu dem Geständnis, das ich nie abzulegen gedachte. So hören Sie denn, was Sie zu hören wünschen. Ja, ich liebte Sie, ich war wirklich töricht genug, mein Herz nicht besser zu bewahren." „Paula!" wollte Konstantin aufjubeln, aber sie fuhr hastig fort: „Als ich aber mir klar dar über geworden war, floh ich, um Sie nie wiederzusehen; denn unsre Wege können nie zu sammengehen." „Weshalb nicht?" fragte er erbleichend und einen Schritt zurücktretend. „Muß ich es sein, die Ihnen das sagt? Haben Sie vielleicht die Worte vergessen, die Sie auf dem Markusplatz sprachen?" „Ich habe sie vergessen. Schon am nächsten Morgen wußte ich sie nicht mehr." Aber mein Gedächtnis ist treuer als das Ihrige. Jene Stunde brannte mir Ihre Worte mit Feuer in die Seele. Sie sagten: „Ein Mädchen, das, um seinen Neigungen ungestörter leben zu können, aus der Bahn tritt, welche ihm vorgezeichnet ist, kann für mich nur ein Gegen stand der Verachtung sein." Nun denn, ich ver ließ die Bahn, um meinen Neigungen zu leben. Ich hatte keine Entschuldigung, mich zwang keine Not. Ich muß Ihre Verachtung tragen, aber ich brauche es nicht zu dulden, daß Sie von Liebe zu mir sprechen. Hören Sie? Ich dulde es nicht!" „Die Worte waren ohne Sinn und Über legung gesprochen." „Sie waren es nicht. Mit kalter Ruhe sprachen Sie aus, was Sie dachten und was Sie denken werden." „Ich sagte, was ich nie gedacht habe und nie denken werde, wenigstens in bezug auf dich. Hättest du dich damals mir anvertraut, so hätte ich dir beweisen können, wie ich dich ehrte. Paula, du wirst mich doch nicht so schwer strafen wollen I Sollte ein ganzes Leben der treuesten Hingebung nicht genügen, um ein flüchtiges Wort zurückzurufen, das ich sprach, ehe ich dich kannte? Willige ein, meine Gattin zu werden, ich will dich wie eine Heilige verehren und den Saum deines Gewandes küssen." Er ließ sich, bevor sie es wehren konnte, auf ein Knie vor ihr nieder. Sie zitterte so heftig, daß sie umzusinken drohte. „Was sagten Sie doch damals?" Paulas Stimme klang heiser und unartikuliert: „Lieber wollte ich eine Bettlerin von der Straße zu meiner Gattin machen, als ein Mädchen, welches wissentlich die Gesetze ihres Geschlechts ver letzt hat." Er sprang auf. „Ich wage es, und wenn ich tausendmal so gesprochen hätte. Du gehörst mir, Paula, ich lasse dich nicht. Glaubst du, du könntest dein Herz von dem meinen reißen, nachdem du es
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