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Der Rest vom Münchener Münzen raub. Vom Münchener Münzenraub ist nun mehr auch die bisher noch fehlende 8000 Ml. betragende Restsumme der ursprünglich geraubten 130 000 Mk. beigebracht worden. Der Ange klagte, Militärhandwerker Wilhelm König, hat den Garten des Militärbekleidungsamts, wo er beschäftigt war, als Ort des Verstecks ange geben, und dort wurde auch richtig das in der Erde lose eingegrabene Gold im Gewicht von Pfund gefunden. Eine Tragödie im Schnellzug. Im Schnellzug Leipzig-Weimar, knapp vor Naum burg, erdolchte der Tischler Prätsch aus Weimar die Tochter des dortigen Hofmalermeisters Binder und flüchtete aus dem Abteil. Er wurde bald danach verhaftet. Verschmähte Liebe war die Ursache dieser schrecklichen Tat. Wrubenunfall durch einen Spreng- schuß. Auf der Zeche „Lothringen" bei Gerthe erfolgte eine vorzeitige Explosion eines Spreng schusses. Ein Hauer wurde in Stücke gerissen, ein andrer schwer verletzt. Bom Zuge überfahren. Der Karpenter wärter Rabe aus Flensburg wurde bei der Station Neumünster vom Zuge überfahren und sofort getötet. Sturz in einen Schornstein. Ludwig Wedler, der Mitinhaber eines Schornsteinbau geschäftes in Braunschweig, stürzte 30 Meter hoch von einem Schornstein und war sofort tot. Der Streich des „Hauptmanns von Köpenick" hat einem ehrsamen Schuhmacher meister aus dem oberelsässischen Landstädtchen Nufach vollständig den Kopf verdreht. Als er von dem Geniestreich des falschen Hauptmanns gehört hatte, stellte er seine' Arbeit ein und brachte den günzen Tag in Wirtshäusern zu, wo sein einziges Gesprächsthema der Köpenicker „Hauptmann" war. Seitdem ist der Unglück liche nicht mehr zurechnungsfähig, und seine junge Frau hat jetzt die Ehescheidungsklage ein- gereicht, weil sie unter diesen Verhältnissen nicht Mehr" mit ihrem Manne zusämmenleben könne. ed. Der „Hmrptmann" von Köpenick eine Nachahmung! Ben Atiba hat recht, cs ist alles schon einmal dagewesen. auch der „Hauptmann" von Köpenick. In Bombay ist gerade zur Zeit, als „Hauptmann" Voigt in Köpenick seine Gastrolle gab, ani 16. Oktober, der Kammerdiener Sardaising Mungosfing zu zwei Jahren verurteilt worden, weil er sich für den Maharadscha von Joohpur ausgab. Am 6. August erschien bei dem Gouverneur von Varoda der Angeklagte und gab sich für den Maharadscha von Joohpur aus. Er hätte mit seinen Mimikern Streit gehabt und deshalb seine Residenz fluchtähulich verlassen. Mn wolle er mit dem Maharadscha Seindis von Gwalicr Zusammentreffen und ihn um seine Hilfe ersuchen. Der Maharadscha von Gwalier war gerade in Bombay, und tele graphisch wurde eine Zusammenkunft vereinbart. Mit königlichen Ehren wurde der falsche Maharadscha zum Nendezvousplatz geführt. Als aber der er wartete Maharadscha von Gwalier seinen „Kollegen" iah, muhte er sosort, daß er einen Schwindler vor sich habe, der sofort verhaftet wurde und nun 2 Jahre ins Gefängnis wandern muß. ob. Kostbars Eier. In London ist das Sammeln kostbarer Eier in letzter Zeit sehr in Aufnahme gekommen, und es haben sich förm liche Marktpreise gebildet. Ein Kondorei wird mit einigen hundert Pfund bezahlt, es soll aber auf der Welt nur etwa acht vollständige Exem plare davon geben. Das kostbarste Ei aber dürfte das des großen Alks sein, das vor einiger Zeit von London für 150 Mk. an das Museum in Washington verkauft wurde und nun einen Wert von 40 000 Mk. besitzen soll. Hiervon gibt es nur achtzig Exemplare, die sich alle in einem mehr oder weniger schlechten Zustande be- linden. Zwölf davon befinden sich im Britischen Museum und haben einen Wert von 160 000 Mark. Ein ungetreuer Beamter. Der Post adjunkt Haag in Sankt Ingbert beging be deutende Unterschlagungen und flüchtete dann Vach Frankreich. eb. Opfer der amerikanischen Ein- wandernngsgesetze. Frau Celine Dobres, eine Österreicherin, ist das neuste Opfer der Neuen amerikanischen Einwanderungsgesetze. Die Dame, deren Mann und Kinder in New Jork wohnen, deren Mann sogar amerikanische? Bürger ist, wurde von der Landung ausge schlossen, weil sie nach Ansicht der amerikanischen Arzte an einer Bindehaut-Entzündung leidet. Schon vor einem Jahre hatte sie mit den Kin dern nach Amerika kommen wollen, aber sie mußte ihrer Krankheit wegen umkehren, während die Kinder landen durften. Sie fuhr nach Paris und ließ sich von berühmten Ärzten behandeln, die sie als geheilt erklärten. MS Nassagier erster Klasse kam sie an, Mann und Kinder warteten am Landungssteg, aber die Inspektoren wollten das ärztliche französische Attest nicht an erkennen und untersagten die Landung. Nicht einmal ihre Angehörigen durste Frau Dobres sprechen, sondern sie fuhr mit dem Dampfer brücke, die einzige dieser Art auf der Erde, wurde von der Roswell-Torlanae-Mail and Passenger-Stage-Line in Neu-Mexiko errichtet, um den Macho, ein Flüßchen, zu Überspannen. Sie besteht nur aus den beiden breiten llber- brückungsschienen, zwischen welchen keine Ballen liegen, sodaß das Vieh und auch Wagen, die von Tieren gezogen werden, die Brücke nicht passieren können. Diese eigenartige Brücke hat eine Länge von 64 Fuß. In der ersten Zeit fuhren die Chauffeure mit größter Vorsicht über die beiden eisernen Schienen, jetzt aber haben sie sich so an die Brücks gewöhnt, daß sie zum Schrecken vieler Fahrgäste mit voller Geschwindig keit hinübersausen. Oie franLosengräber m Das 1872 errichtete Denkmal. Das Denkmal desneuen Massengrabes. Eine Erinnerung an den großen Krieg wurde jüngst durch die Umbettung der wäbrend dos Feld zuges in Mainz gestorbenen französischen Kriegs gefangenen wachgerufen. Fast alle deutschen Festungen waren damals mit Gefangenen überfüllt, denn beinahe die gesamte kaiserliche Armee befand sich kriegsgefangen in Deutschland. Die franzö sischen Soldaten mußten zum größten Teil in Baracken und Zeltlagern untergebracht werden, weil sonst geeignete Lokalitäten nicht vorhanden waren. Der Winter vom Jahre 1870 auf 1871 war ein besonders karter, und cs starben verhältnismäßig viele französische Soldaten, die durch die Strapazen des Krieges naturgemäß sehr geschwächt waren. In Mainz allein starben 982 Mann, die in Einzel- gräbern bestattet wurden. Die Stadt Mainz ging jetzt nach 35 Jahren nach Vereinbarung mit der französischen Regierung dazu über, die Gebeine der französischen Soldaten in zwei Massengräbern unter zubringen, deren Pflege die Stadt für alle Zeiten übernahm. Unser Kaiser spendete in ritterlicher Weise einen Kranz, und die französische Regierung ließ dem Monarchen durch den Militärattache der Berliner Botschaft ihren Dank aussprechen. Franzö sische Offiziere hatten bereits im Jahre 1872 einen Gedenkstein für die toten Kameraden gestiftet, die Stadt Mainz hat jetzt auch ein Denkmal für das Massengrab errichtet. Deutsche Truppen erwiesen bei der Einweihung der Massengräber die militärischen Ehren. „Maseba" sofort wieder nach London. — Das. nennt man amerikanische „Freiheit" I Dynamitattentat einer schwarzen Bande, über ein Bubenstück von schwarzer Hand, das in Williamsburg, einer New Dorker Vorstadt, verübt wurde und dort riesiges Auf sehen erregt, wird den ,L. N. N.' aus New Jork berichtet: Die Verbrecher versuchten mittelst einer riesigen Dynamitladung ein von sechs Familien bewohntes Zinshaus des Nachts in die Luft zu sprengen. Die ganze Fassade des Hauses wurde zerstört, Hunderte von Fenster scheiben in der Nachbarschaft zersplittert und für etwa 15 000 Mark Schaden angerichtet. Glück licherweise hat niemand sein Leben eingebüßt. Die Veranlassung zu dem Attentat war die Weigerung eines italienischen Schneiders, der in dem Hause wohnte, den Erpressern eine ge wisse Summe auszuzahlen. Drei verdächtige Neger wurden verhaftet. Die Williamsburger wollen — echt amerikanisch — die Banditen lynchen. ek. Gins eigenartige Brücke. Eine sonderbare Brücke, eine sogenannte Auiomobil- Geriebtsbatte. Hamburg. Unter der Anklage der fahrlässigen Tötung stand ein hiesiger KommiS vor dem Land gericht. Derselbe hatte in einem Zimmer seines elterlichen Hauses in einem Verschlage eine geladene Flaubertbüchse aufbswahrt. Der Zufall wollte es, daß der sonst verschlossene Verschlag an einem Tage unverschlossen war und der fünfjährige Nachbarsohn, nachdem er auf einen Stuhl geklettert war, die Büchse aus deni Verschlag hcrausholte. In dem selben Moment ging die Büchse los, und die Kugcl drang dem Knaben in den Kopf, sodaß er starb. Wie das Gericht annahm, daß der An geklagte mit dem Spielen von Kindern in dem Zimmer rechnen mußte, erblickte es indem nicht ge nügenden Verschluß des Verschlages, indem sich die geladene Büchse befand, eine Fahrlässigkeit und ver urteilte den Angeklagten zu einer Gefängnis strafe von 1 Monat. Bistritz (Siebenbürgen). Ein Fam lientrauer spiel, dessen Einzelheiten seinerzett in Siebenbürgen und in Ungarn großes Aussehen erregten, hat jetzt seinen vorläufigen Abschluß gefunden. Vor den Ge schworenen stand die rumänische, 46 Jahre alte Bäuerin Nastazia Manlup unter der Anklage, ini Jahre 1905 ihren Gatten, ihren Sohn und ihre Schwiegertochter mit dem in der Geschichte der Verbrechen noch kaum vorgekommenen Gifte Aconit vergiftet zu haben, indem sie dies Mittel mit Krautgemüse vermischte. Sie beging diese furchtbare Tat, um mit ihrem 25 jährigen Geliebten ungestört leben zu können. Der Ge richtshof verurteilte die Verbrecherin zum Tode durch den Strang. ^latrosenmeutereien m Portsmoutk. Am Somtag kam es in dem englischen Hafen Portsmouth aus geringfügigem Anlaß zu Meutereien in den Strandkasernen. Einige der Rädelsführer wmden verhaftet, aber von dem Hafenkommandanten wieder steigelassen, als in den Kasernen die Ruhe wiederhergestellt war. Die Milde, mit der der Kommandant der Portsmouther Flottenkaserne die widerspenstigen Matrosen nach dem Tumult behandelte, hat aber die aufgeregten Gemüter nur ganz vorübergehend zu beschwichtigen vermocht. Die Vorgänge vom Sonntag haben sich in noch viel ärgerer Weise wiederholt, so daß die Admiralität nun wohl andre Saiten wird aufziehen müssen. Die Meuterei ist zu einer schweren und ge fährlichen Revolte nach dem Muster der Kron- stadter und Sebastopoler Emeuten geworden. Kämpfe fanden statt, und Hunderte von Meuterern sind unter Arrest. Die Behörden hatten versucht, jeden Verkehr der außerhalb der Flottenkaserne befindlichen Heizer mit den darin befindlichen zu verhindern. Die Leute, welche nicht in die Kaserne gelassen wurden, verabredeten jedoch mit den darin befindlichen durch das Gitter eine gemeinschaftliche Er hebung. Gegen Mitternacht erstürmten die Leute draußen die Offiziers-Wohnungen, die der Kaserne gegenüber liegen. Fenster und Türen wurden unter wildem Tumult zerstört, die Wachen und die Polizei waren machtlos. Die Meuterer waren lange Zeit Herren der Lage und benahmen sich wie Wahnsinnige, brüllten, fluchten auf die Offiziere und bewarfen ihre Fenster mit einem Steinhagel. Die Garnison wurde alarmiert, und bewaffnete Wteilungen von den Marine-Kasernen und den Kriegsschiffen eilten herbei. Glücklicherweise hatten die Meuterer keine Waffen, nur in einigen Fällen hatten sie den Wachen Bajonette entrissen. Endlich nach längerem Kampfe gelang es der be waffneten Macht, die Ausständischen zurück- und in die Kaserne zu treiben, die darauf mit einem Truppenkordon umgeben wurde. Sämtliche Heizer auf den im Hafen liegenden Kriegs schiffen nahmen für die Aufständischen Partei und brachten ihnen offene Kundgebungen ihrer Sympathie dar. Die Flottenkaserne ist arg zertrümmert. Nach den letzten Nachrichten zogen die Meuterer in der Kaserne umher und zerstörten sie. Einige von den Meuterern an gegriffene Offiziere wurden schwer verletzt. Die Meuterei soll entstanden sein, weil ein Offizier die Leute niederknien ließ, während er ihnen eine Ansprache hielt. Die Mannschaften der Schiffe befanden sich die ganze Nacht über unter Waffen. Bei den schweren Kämpfen wurden mehrere Leute ernstlich verletzt. Während des Tumultes versuchten die Heizer aus der Kaserne zu brechen und die Wachen zu überwältigen. Die Heizer auf den Kriegsschiffen traten lärmend auf die Seite ihrer ausständigen Kameraden. Jetzt soll alles ruhig sein. Die Blätter sprechen ihre Bestürzung über die unglaublich klingende, für die Disziplin der englischen Flotte höchst bedenkliche Angelegenheit aus und verlangen eine energische Untersuchung. Kuntes Allerlei. Die gewissenhafte Hausfrau. Dame: „Womit soll ich denn meine Goldfische füttern?" — Händler: „Mit Ameiseneiern." — Dame: „Weich oder hart gekocht?" ,,8»«. m-m.; Der Schlaue. „Was muß ich hören, liebes Kind: Dein Mann jede Nacht beim Bier, und an eurem Hochzeitstage versprach er mir feier- lich, nie abends ins Wirtshaus zu gehen?" --- „Ach, er geht auch schon immer nachmittags." n.. »»nor, -«.m. (Lach. Jahrh.Z auf demselben. Zuerst verschwanden die Damen unter das Verdeck, dann folgten die Herren, einer nach dem andern, ihrem Beispiel. „Es wird Zeit, daß auch wir unsre Kojen aufsuchen," sagte Konstantin, fügte aber, als er bemerkte, wie Paul sich in seinen großen Plaid buckelte und einen Feldstuhl neben das Geländer rückte, so daß er sich daran lehnen konnte, ver wundert hinzu: „Du triffst ja Anstalten, als wolltest du die ganze Nacht auf dem Verdeck lubringen?" „Das denke ich auch zu tun," entgegnete dieser; „ich werde die herrliche Nacht doch nicht dort unten zubringen I" „Aber die Luft weht scharf auf dem Meere, bu wirst dich erkälten, Paul." „Erkälten, bei dieser milden Nacht? Nein, »ein, gehe du nur hinunter und lege dich »ieder, ich will meine Ankunft in Venedig nicht verschlafen." „So bleibe ich bei dir," sagte Konstantin entschlossen, sich ebenfalls in seinen Plaid hüllend. »Es lohnt sich ohnehin nicht, für ein paar Stunden tu Bett zu gehen." Er zog seinen Feldstuhl neben Paul und beobachtete mit diesem, wie die Lichter des Affens allmählich erblaßten, wie der dunkle Streifen der Küste mehr und mehr zurücktrat, das feurige Haupt des Leuchtturms nicht mehr "her dem Horizont auftauchte und sie endlich »ichts mehr sahen, als den sternbesäten Himmel »bei ihnen und die in seinem Widerscheine Wimmernde See um sie. - Kein Laut durchbrach die Sülle, als das Mischern der Wellen am Kiel des Schiffes und dann und wann das Auf- und Abgehen der Matrosen. Dicht nebeneinander gerückt, saßen die Freunde da und blickten in die Nacht hinaus. Mit stiller Freude fühlte Konstantin, wie Pauls Haupt sich mehr und mehr zu ihm neigte, bis es endlich ganz auf seiner Schulter ruhte. Er wagte sich kaum zu rühren, aus Furcht, ihn wieder zu verscheuchen. Nach einer Weile erst fragte er leise: „Schläfst du?" „Wie könnte ich schlafen!" „Warum bist du denn so füll?" „Ich meine, ich dürfe nicht atmen, um den Zauber dieser Nacht zu stören. Seit ich ein Kind war und in meines Vaters Armen ruhte, habe ich mich nicht so ruhig und glücklich gefühlt wie heute." Konstantin blickte gerührt auf das ver stauensvoll an ihn gelehnte Haupt des Jüng lings. Auch ihm war es, als löse sich in dieser Stunde jeder Mißklang seines Lebens in sanfte Harmonie auf, als käme jedes Wünschen zum Schweigen und jedes Sehnen zur Ruhe. In leisem Tone begannen sie miteinander zu reden. Paul erzählte, seine sonstige Scheu vergessend, von seinem Vater, an dem er mit leidenschaftlicher Liebe gehangen hatte, und von der einsamen, unverstandenen Jugend, die er nach dessen Tode verbrachte, und Konstantin sprach zu ihm von den Träumen seiner Mannes jahre, von dem vergeblichen Ringen nach dem Glück und seinem endlichen Entsagen. „Sieh," schloß er bewegt, „ich habe das Glück nicht finden können, so viel ich auch danach suchte. Seit ich dich jedoch kennen ge lernt habe, ist es mir, als sei deine Freund schaft das Glücksanteil, den das Schicksal mir Vorbehalten hat. Warum wollen wir wieder auseinandergehen, da wir uns kaum gefunden haben? Du darfst deinen Weg frei wählen, — — so wähle meinen Weg. Sei mein Bruder! Meiner Mutter Herz ist reich genug, noch einen Sohn mit vollster Liebe zu umfangen." Er wollte sich zu Paul neigen, aber dieser erhob sich schnell und Konstantin sah, daß jeder Blutsstopfen aus seinem Antlitz gewichen war. „Du bist unwohl?" rief er, erschrocken auf springend. „Nein, nur die Morgenluft macht mich er schaudern." Er begann hastig auf dem Verdeck auf- und abzugehen. „Und du antwortest nicht auf meine Frage?" sagte Konstantin, an seine Seite tretend. „Doch, doch, ich will antworten, aber nicht gleich, nicht jetzt. Lasse mir Zeit." Paul sah in hefüger Bewegung zu ihm auf. „Wie du zitterst! Die Nacht war zu kühl für dich, du solltest eine Weile hinunter in die warme Kajüte gehen." „Laß mich nur hier bleiben. Sieh, wie hell es dort im Osten wird. Die Sonne muß gleich aufgehen." Sie lehnten über die Brüstung des Schiffes und sahen zu, wie die Dämmerung mehr und mehr von dem jungen Tage verscheucht wurde. Eben war die Sonne über dem Horizont auf getaucht, als Paul, plötzlich in die Ferne deutend, rief: „Was ist das? Ist das Venedig?" „Das ist Venedig. Die Spitze, die du er blickst, ist der Turm von Sank Markus." „Und dort, und dort! O sieh', wie die Kupoeln und Türme sich glänzend aus der Flut erheben." Sie näherten sich dem Lido und fuhren an ihm vorbei in die weite Bucht des Hafens. Haus an Haus, Palast an Palast, Kuppel an Kuppel tauchte Venedig vor ihnen auf, von den Strahlen der Morgensonne mit so frischem Jugendglanze umkleidet, als sei es heute noch die mächtige, stolze Dogenstadt, die Herrscherin der Meere, zu deren Füßen Könige huldigend lagen. „O, wenn du wüßtest, wie ich gewünscht habe, Venedig zu sehen!" rief Paul. „Schon als Kind nahm das Sehnen in die Ferne mein ganzes Sein gefangen. Und jetzt soll diese Sehnsucht gestillt werden? Rom, Venedig, Neapel, ich soll die Wunderstädte betreten und ihre Herrlichkeit sehen dürfen? O Konstantin," er wandte sich mit leuchtendem Auge zu ihm, „verstehst du mich?" „Venedig ist die herrlichste Stadt unter der Sonne!" rief Paul, als er am Nachmittag des selben Tages mit Konstantin in der offenen Gondel den großen Kanal entlang fuhr und die düsterprächtigen Paläste desselben, die orientalisch phantastischen Häuser und seine marmornen Kir chen an seinen Augen vorüberziehen ließ. „Unter der Sonne?" erwiderte Konstantin, „sage lieber m der Sonne. Du kennst Venedig im Regen nicht." PP » (Fortsetzung folgt.)