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Ottendorfer Zeitung : 11.11.1906
- Erscheinungsdatum
- 1906-11-11
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Privatperson
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1811457398-190611116
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1811457398-19061111
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1811457398-19061111
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Ottendorfer Zeitung
-
Jahr
1906
-
Monat
1906-11
- Tag 1906-11-11
-
Monat
1906-11
-
Jahr
1906
- Titel
- Ottendorfer Zeitung : 11.11.1906
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Politische Kunälchau. Deutschland. * Der Kaiser wird sich im Anschluß an seinen Aufenthalt in München am 14. d. nach Donaueschingen begeben, um dort auf Einladung des Fürsten Egon zu Fürstenberg mehrere Tage zu jagen. * Der Preuß. Landwirtschaftsminister v. Pod - bielski, dessen Leiden sich dauernd ver schlimmert hat, hat sich auf den Rat seiner Arzte nach seinem Gute Dalmin begeben, um dort seine Genesung abzuwarten. * Der Abgeordnete Erzberger, der durch seine „Enthüllungen" über das Kolonial wesen bekannt geworden ist, wird sofort nach dem Zusammentritt des Reichstages einen Antrag auf Einsetzung einer parlamen- tarischenUntersuchungskommission zur Klärung der Verhältnisse in der Kolonial verwaltung einbringen. *Die Studienkommission des Reichstages ist auf der Rückreise von Ostasien in Hongkong eingetroffen; die Ankunft in Deutschland wird voraussichtlich in den ersten Tagen des Dezember stattfinden. *Die oldenburgische Regierung be antragt beim Landtag die Genehmigung zum Bau eines neuen Weserhafens bei Elsfleth. Die Gesamtkosten hierfür betragen 254000 Mk. Osterreich-Ungarn. * Der Wahlreformausschuß des österreichischen Abgeordnetenhauses wählte einen Unterausschuß von 14 Mitgliedern zur Vorberatung des Gesetzentwurfs über den Schutz der Wahlfreiheit. Frankreich. *Das schier Unglaubliche ist zum Ereignis geworden. Die Franzosen haben endlich heraus gefunden, daß Deutschland die Schuld daran trägt, daß Marokko nicht wieder zur Ruhe kommt. Wie aus Paris berichtet wird, be mängelt das von dem ehemaligen Kriegsminister Etienne geleitete Pariser Marokko-Komitee, daß D eutsch l and, das für gewisse, seinen Angehörigen jüngst zugefügte Unbilden vom Sultan Genugtuung fordern könnte, dies gern unterläßt, um dem Maghzen (dem marokkanischen Auswärtigen Amt) nicht unangenehm zu werden. (Gegen solche Unterstellung sich zu verteidigen, hat natürlich die deutsche Regiemng keinerlei Veranlassung.) England. *Das Ministerium Campbell-Bannerr man befindet sich augenblicklich in keine- beneidenswerten Lage. Die Matrosen meutereien in Portsmouth werden natür lich von Gegnern der Regierung zu heftigen Angriffen gegen das Kabinett benutzt. Dazu kommt, daß gerade jetzt die französische Regierung auf Entscheidung der Frage eines Tunnel baues unter dem Ärmelkanal zwischen England und Frankreich dringt. (Durch einen solchen Tunnelbau würde die günstige Ab schließung Englands vom Festlands aufgehoben sein und aus Gründen der Landesverteidigung ist dieser Plan, den einst das liberale Kabinett der französischen Regierung unterbreitete, um ihre Freundschaft zu gewinnen, im Lande recht unbeliebt.) * Das neue englische Schlachtschiff „Dreadnought", das seine Geschwindig keitsproben und Schießversuche mit bestem Er folge beendet hat, wird demnächst einige wichtige Probefahrten unternehmen, die sich auf mehrere Monate erstrecken sollen. Deren Zweck ist die Herbeiführung von Vervollkommnungen im Schiffsbau, die, wenn sie sich bewähren, bei künftigen Schiffsbauten zur Anwendung gelangen sollen. Norwegen. *Jm Storthing wurde ein sozialistischer Antrag, der Regierung wegen Beschlagnahme russischer Schriften ein Tadelsvotum zu erteilen, abgelehnt. Ruhland. *Der Gouverneur von Nishnij Nowgorod hat die den Namen „Weiße Fahne" führende Abteilung des Verbandes russischer Leute in Lyskova wegen Aufreizung zu Judenhetzen verboten. * Obwohl die Führer der sozialistischen und nationalen Parteien sich verständigten, dauern in der Umgebung von Lodz die mörde rischen Kämpfe unter den Arbeitern fort. Bei einem Streit wurden sechs erschossen. In einer Woche wurden im ganzen 16 Arbeiter getötet bezw. verletzt. * In Nikolajew kam es bei einer Kund gebung des Bundes russischer Leute zu einem Straßenkampf, bei welchem zahlreiche Schüsse abgefeuert wurden. *Die Gerüchte, daß einigen Gemeinden im Zarenreiche infolge der zerrütteten Steuerver hältnisse das Geld ausgeht, scheinen sich zu bewahrheiten. Wie amtlich gemeldet wird, hat die Stadtverwaltung von Baku ihre Zah lungen an Fiskus und Privatpersonen ein gestellt. Balkanstaaten. *Jm persisch-türkischen Grenz streit haben vor kurzem England und Ruß land gemeinsam dem Sultan ihre „guten Dienste" behufs Regelung des Streites ange boten. Der Sultan hat bisher auf das Aner bieten nicht geantwortet. In Konstantinopel verlautet, daß, falls die Türkei die „guten Dienste" Englands und Rußlands ablehnt und die Regelung der Grenzstreitfrage verzögert, ein Eingriff der beiden Mächte zu erwarten sei. Afrika. *Der Oheim des Sultans von Marokko, Muleh Arafat, der im vorigen Jahre Kaiser Wilhelm in Tanger be grüßte, ist gestorben. * Die Unterhandlungen zwischen der spanischen und französischen Regierung betreffs der zur Beruhigung Marokkos zu ergreifenden Maß regeln sind zum Abschluß gelangt. Wie aus Tanger berichtet wird, lief beim Sultan eine Note ein, in der ihm mit einer Flottenkund gebung der beiden Mächte gedroht wird, falls er nicht ernste Schritte unternimmt, um in seinem Lande die Ordnung wieder herzustellen. Asten. * Die Lage im Innern Chinas ist wieder einmal überaus ernst. Die Übergriffe der Ein geborenen gegen die Fremden häufen sich mit jedem Tage, ohne daß man gerade von einer allgemeinen fremdenfeindlichen Bewegung sprechen könnte. Aus Schanghai wird berichtet: Ein deutscher Konsulatsschützmann namens Hiemann und einer seiner Freunde, ein Russe, wurden bei einem Spaziergange von Wusung nach Schanghai von chinesischen Dorf bewohnern üb erfüllen, als sie vom Wege abgekommen waren. Die Chinesen feuerten eine Pistole zur Warnung ab. Sie knebelten dann Hiemann und warfen ihn in einen Teich, wo ihm das Wasser bis an den Hals reichte. Hier blieb er eine halbe Stunde lang. Er versuchte zu entfliehen, wurde aber wieder angegriffen. Endlich entkam er und versteckte sich in einem Reisfeld. Auch der Russe entfloh. Beide trafen schließlich halbnackt in Schanghai ein. * Unter den persischen Parteien, welche Reformen wünschten, ist eine Spaltung eingetreten. In der Stadt erschienen Prokla mationen, in denen ein Teil der Abgeordneten die Führer der neupersischen Bewegung be schuldigt, selbstsüchtige Zwecke zu Verfölgen. Es macht sich Enttäuschung bemerkbar, eS fehlt an Vertrauen zu der Tätigkeit der Abgeordneten. Die Wahlen w der Provinz erleiden Verzöge rungen. R.äuberifcker Überfall auf einen 6eläbriefträger. Ein schweres Verbrechen ist Dienstag morgen in der Pfuelstraße am Schlesischen Tor zu Berlin verübt worden. Der Geldbriefträger Hammer vom Briespostamt 33 wurde von dem 24 jährigen, stellungslosen Tischler Max Gärtner aus Neustadt in Sachsen auf den Neubau Pfuelstraße Nr. 9. gelockt und dort aus dem Hinterhalt niedergeschlagen. Der Täter, der die Geldtasche des Beamten mit 1600 Mk. geraubt K Paul unä Paula. H Novelle von Helene Stökl. (Fortsetzung.! „Ich wußte, daß es so kommen würde," murmelte Paul traurig, das Haupt auf den Tisch gestützt. „Was soll ich tun, was soll ich tun? . Weshalb ließ ich diese Freundschaft in mein Herz ziehen, wenn ich doch fühlte, daß es nicht in meiner Macht stehen würde, sie nach Belieben wieder daraus zu verbannen? — — Er wollte mich küssen t" Er sprang agf üud durchmaß mit schnellen Schritten das Gemach. „Wenn er wüßte, wer ich' bin I Doch er weiß es nicht und wird es nie erfahren. Lieber sterben, als es ihn wissen lassen. Doch weshalb bleibe ich hier, weshalb reise ich nicht weiter, allein, ohne ihn? — Ach, daß ich mich nicht loszureißen vermag, daß ich mich nicht fortreißen will, das eben macht mir das Herz so schwer. Ich erschrecke vor dem Gedanken, wie öde es sein wird ohne ihn, wie alle Schönheit der Welt zu wesenlosen Schatten verblassen wird fern von ihm. Ich muß ja allein Wester wandem, aber jetzt noch nicht. Nein, mag kommen was da will, noch einige Tage bleibe ich. Einmal in meinem Leben will ich doch empfinden, was Glück ist. Mag dann aus mir werden, was Gott will." Während Paul sich in bitterer Unruhe zu diesem Entschluß durchkämpfte, schrieb Konstantin in dem anstoßenden Zimmer an seine Mutter, mit einem so glücklichen Ausdruck seines Gesichts, daß wir nicht umhin können, uns näher anzu sehen was er denn schreibt: Sein Brief lautete: „Ich schreibe diesen Brief vom Hotel Daniel in Triest aus, wohin ich heute wieder zurückgekehrt bin, und in der wunderlichsten Stimmung der Welt. Mütterchen, Dein Sohn ist verliebt, was sagst Du dazu? Aber freue Dich nicht zu früh, mit der ersehnten Schwieger tochter ist es noch nichts. Ich bin verliebt in meinen kleinen Paul, den jungen Reisegefährten, von dem ich Dir schon von Duino aus schrieb. Du wirst den Kopf schütteln zu dieser schnell entstandenen Freundschaft; denn Du weißt, wie wenig ich in den letzten Jahren geneigt war, den Menschen freundlich entgegenzukommen oder mich ihnen schnell anzuschließen. Ich kann mich selbst nicht genug darüber wundem, wie es ge kommen ist, daß ich mein Herz so schnell und ganz an diesen Knaben (denn ein Knabe ist er, so gem er als Mann erscheinen möchte) ge hängt habe. Er nahm es gefangen, als ich zum erstenmal in sein von reinster Begeistemng erglühendes Gesicht sah. Es ist etwas Heiliges um die Begeisterung eines jungen, unverdorbenen Herzens. Meine Seele erfrischt sich darin, wie in einem kühlen Bade. Berge und Wasser, Blumen und Bäume, an denen ich oft so gleich gültig vorüber ging, sie haben eine andre Fär bung für mich angenommen, seit ich sie mit den jungen Augen meines Paul betrachte. Es ist mir, als sähe ich an seiner Seite alles durch ein färbiges Glas, wie man es an Aussichtspunkten zu bekommen pflegt, um die Gegend zu betrachten. Was würdest Du wohl zu den schwärmerischen Gesprächen sagen, die Dein ernster Sohn seit einigen Tagen führt! hatte, wurde verfolgt und in der nahen Bevern- straße verhaftet. Das Geld wurde ihm ab genommen. Der Täter stand bereits um 9 V? Uhr ftüh in der Pfuelstraße an der Ecke der Köpenicker Straße und wartete auf den Geldbriefträger. Viele Personen sahen den gutgekleideten Menschen dort stehen, ohne sich weiter um ihn zu kümmern. Als ihm die Zeit zu lang wurde, ging er in eine benachbarte Schankwirtschaft in der Köpenicker Straße und frühstückte. Dann hielt er sich wieder auf der Straße auf, bis der Geldbriefträger Hammer, ein älterer Mann, der schon lange auf dem Amt 33 dient, endlich kam. Gärtner sah ihn in die Schankwirtschaft, in der die Bauarbeiter zu verkehren pflegen, hineingehen, wartete, bis er nach erfolg loser Erkundigung wieder herauskam, uud folgte ihm dann nach dem Neubau unter dem Vorwande, daß er ihm den Adressaten zeigen wolle. Im zweiten Stockwerk des fünf Stock hohen Baues angelangt, schlug er den vor ihm gehenden Geldbriefträger durch einen Hieb mit einer neuen eisernen Brechstange nieder und entriß ihm die Geldtasche, die 1600 Mk., dar unter 12 Einhundertmarkscheine, enthielt. Wäh rend der durch den Schlag über den Kopf schwer verletzte Beamte um Hilfe rief, ergriff der Räuber mit der Beute die Flucht. Zunächst wollte er sich vorübergehend im Kellerschacht verstecken. Als er jedoch zwei Arbeiter dort beschäftigt sah, lief er die Pfuelstraße entlang und bog auf das Gröbenufer ein. Acht Bau arbeiter und ein Schutzmann verfolgten ihn, hol ten ihn an der Dampferbrücke der Sterngesellschaft ein und nahmen ihn fest. Man nahm dem Er griffenen sofort das Geld wieder ab, fesselte ihn und brachte ihn nach der Wache des 43. Reviers in der Oppelner Straße. Eine große Menschen menge folgte dorthin. Um 12 Uhr wurde der Verbrecher, wieder gefesselt, mit einer Droschke nach dem Polizeipräsidium gebracht. — Die Vernehmung hat bisher wenig Neues zur Sache ergeben. Die Tat selbst hat der Ver brecher zugestanden. Sonst war über seine Person nicht viel aus ihm heranszuholen. Er ist am 23. April 1882 zu Neustadt im König reich Sachsen geboren und schon längere Zeit arbeits- und wohnungslos. In der wenig belebten Pfuelstraße, die nur neun Häuser zählt, wäre der Vorfall vielleicht zunächst nicht bemerkt worden, wenn nicht der auf das Hilfegeschrei des Überfallenen herbei geeilte Arbeiter aus dem Fenster des zweiten Stockwerks mit gellender Stimme geschrien hätte: „Hilfe, haltet den Mörder!" Während Schutz leute und Publikum dem Flüchtling nach stürmten, wurde der arme Hammer nach der gegenüber liegenden Destillation gebracht und in menschenfreundlicher Weise ausgenommen. Sein Aussehen war schreckenerregend. Er ist ein älterer Mann, ein wenig schon mitgenommen durch die Dienstjahre; nun rann ihm das Blut aus einer tiefen Schädelwunde im Hinterkopf über Gesicht und Hände. Zunächst schien er noch bei vollem Bewußtsein. Er er zählte etwa folgendes: „Ich hatte eine Post anweisung über 40 Pfg. an den Monteur Fritsche auf dem Neubau zu bestellen. Ich fragte den Polier nach dem Adressaten, er kannte ihn aber nicht. Während ich noch nach ihm forschte, wurde mir von einem Manne zugerufen: „Im zweiten Stock!" Kaum war ich die Treppe hinauf gestiegen, als ich einen Schlag auf den Hinter kopf erhielt. Ich schrie aus Leibeskräften: „Hilfe, Hilfe!" Es nahten eilige Tritte. Meine Geldtasche hielt ich eisenfest. Da schlug der Mensch, ich glaube mit einem Ziegelstein noch zweimal auf nnch ein, entriß mir die Tasche und nahm dann Reißaus. Inzwischen war ein Arbeiter zur Stelle gekommen, der nun seinerseits aus dem Fenster schrie, man solle den Verbrecher aufhalten. Dann brachte mich der Retter in der Not hierher." Der Verwundete, der schwach zu werden begann, wurde von einem Arzt untersucht und dann sofort durch einen Schutzmann in der Droschke nach dem Kranken hause gebracht. In der Schankwirtschaft spann sich noch lange die Erörterung über die Bluttat weiter. Die Wirtin hatte den Täter gut im Gedächtnis. Ein hagerer, blasser, hoch aufgeschossener Mensch, der sich bereits am Tage vorher in der Pfuelstraße um hergetrieben hatte. Am Morgen der Bluttat war er in das Lokal gekommen und hatte so übernächtigt, verwildert ausgesehen, sich auch so unruhig, nervös gebärdet, daß die Wirtin zu einem andern Gaste sagte: „Der hat wohl die Nacht nicht schlecht gezecht!" Er gab sich als Architekt aus und trug unter dem Arme eine Rolle. In dieser scheint er die Eisenstange ver borgen gehabt zu haben, mit der er auf sein Opfer losschlug. Das Los des Briefträgers, der ein Opfer seines Berufs geworden, sand allgemeine Teilnahme. Hammer wohnt am Gör- litzer Ufer, er ist verheiratet und Vater dreier Kinder. Ein pflichttreuer Beamter, dem seine Vorgesetzten das beste Zeugnis geben. Das Befinden des Verwundeten ist besorgnis erregend. Nach dem Ergebnis der ärztlichen Untersuchung hat er Verletzungen der Weichteile, des Schädels und der Schädeldecke und einen Bruch des Nasenbeins erlitten. Von l^ab uncl fern. t. Kaiserliches Kirchbaugeschenk. Der Kaiser stiftete für den Bau der neuen evan gelischen Kirche zu Bispingen im Hannoverschen, deren Gmndsteinlegung vor einigen Tagen stattfand, aus seiner Privatschatulle eine Summe von 15 000 Mark. t. Der Kaiser hat bei dem siebenten Sohne des Schlossers Dugi zu Breslau Patenstelle übernommen und unter Beifügung eines Geld geschenks für den Täufling die Einwägung seines Namens in das Gemeindekirchenbuch genehmigt. , Heinrich Seidel -f-. Im Krankenhause zu Groß-Lichterfelde bei Berlin, wo er sich vor einigen Tagen einer schweren Operation unter ziehen mußte, ist der Dichter Heinrich Seidel im Alter von 64 Jahren sanft aus dem Leben ge schieden. Neben Jean Paul, Eichendorff und Reuter wird die Nachwelt auch Heinrich Seidel, den Dichter des „Leberecht Hühnchen", zählen müssen. Das Befinden des Tierbändigers Willi Peters, der am Sonntag im Zirkus zu Berlin von seinen dressierten Löwen und Tigern überfallen und gräßlich verwundet wurde, hat sich sehr verschlimmert. Der Kranke ist in die v. Bergmannsche Klinik überführt worden, wo er sich wahrscheinlich einer Operation unter ziehen muß. Der Einbruch in die Münze zu München vor Gericht. Der Einbruch in die königliche Münze in München, der in der Nacht vom 20. zum 21. September d. erfolgte, hat bereits seine gerichtliche Sühne gefunden. Die beiden seinerzeit ermittelten Täter, der Soldat im Be kleidungsamt König und der Münzarbeiter Ruf, wurden, der erstere zu 4 Jahr 2 Monat Ge fängnis, der zweite zu 4 Jahr 6 Manat Ge fängnis verurteilt. Beiden Angeklagten wurden auf 5 Jahre die bürgerlichen Ehrenrechte aberkannt. Den Tätern waren bei ihrem Einbruch rund 130 000 Mk. in frisch geprägten 10-MarksiückeN mit dem bayrischen Münzzeichen I), dem Bildnis des Königs Otto und der Jahreszahl 1906 in die Hände gefallen. Der Diebstahl war dadurch ermöglicht worden, daß die Einbrecher den da mals trocken liegenden Pfisterbach, der unter dem Münzgebäude entlang fließt, als Zugang be nutzten, und daß daS gemünzte Gold den Bestimmungen zuwider nicht in den diebes sicheren Verschluß der Münze gebracht worden war. Vielmehr stand die Holzmulde mit den 13 000 Goldstücken nur in einem mit Holztüren versehenen und mit einem ge wöhnlichen Fabrikschloß verschlossenen Wand schrank. Die Angeklagten hatten nur nötig, nach dem Durchschreiten des trockenen Bachbettes durch die Radkammer des großen Mühlrades der Münzwerkstätte zu klettern, worauf sie nach Öffnung einer eisernen Tür in das Erdgeschoß des Münzgebäudes gelangten. Hier hatten sie nur noch den Maschinensaal zu durchqueren und waren nach Erbrechung von ein paar gewöhn lichen Holztüren und einer vergitterten Glastür in der sogenannten Justierwerkstätte, wo das Gold lag. Das Gewicht der geraubten Summ« betrug etwa einen Zentner. Ich wollte, Du könntest Paul sehen. In jedem Augenblick wechselt der Ausdruck seiner Züge, oft glaube ich ein lächelndes Kind in ihm zu erblicken, und dann wieder äußert er Gedanken, so tief und wahr, daß sich mein eignes Ich beschämt vor ihm zurückzieht. Und wie schön er ist! Ich kann nicht müde werden, ihn zu bewachten. Wie stolz ruht sein feiner Kopf auf dem schlanken Halse, wie weich lockt sich sein seidiges dunkles Haar, wie zierlich geformt sind Hände und Füße! Ich bin gewiß, nie ein weib liches Wesen mit soviel Anmut gesehen zu Haben, wie meinen Paul. Vielleicht beruht der Zauber, den er auf mich ausübt, in dem jungfräulichen Hauche, der über seiner Seele zu liegen scheint. Seine scheue Zurückhaltung, die heutzutage so selten unter den jungen Leuten seines Alters zu finden ist, fesselt mich, so unbequem sie mir zuweilen wird. Du hättest ihn sehen sollen, wie rot er wurde, als ich ihn küssen wollte, und er mir stolz er widerte: Männer küssen sich nicht. Ich glaube, ein zu freies Wort in semer Gegenwart müßte einem die Lippen verbrennen. Wie er bei der Unabhängigkeit, in der er augenscheinlich lebt, zwanzig Jahre alt werden konnte, ohne diese fleckenlose Reinheit einzubüßen, ist mir unver ständlich. Ich habe ihm gegenüber immer das Gefühl, als müßte ich ihn schützen vor der unreinen Berührung der Welt. Mein Trost ist nur, daß ein unschuldvolles Herz sich am besten selbst behütet. Die Unkenntnis der Gefahr ist für den Reinen der mächtigste Talisman. Mit geschlossenen Augen geht er am Abgmnd dahin, ohne hineinzustürzen, sein Weg kann ihn durch Schlamm und Moor führen, ohne daß er sich damit beflecken wird, er vermag es, über glühende Kohlen zu gehen, ohne die Spitze seines Fußes zu versengen. Lächelst Du, Mutter, über Deinen Sohn, der alt genug wäre, das Schwärmen zu lassen? Nun, ich höre auf. Morgen fahren wir nach Venedig. Von dort aus sollst Du mehr von uns hören." 4. Es war eine milde, klare Nacht, als Kon stantin und Paul auf dem Verdeck des Dampfers standen, der sie nach Venedig führen sollte- Vom Himmel blitzten die Sterne so hell her nieder, als wollten sie eifersüchtig mit den Lichtern der Erde wetteifern, die wie rote Blüten weithin über Land und Meer ausgeschüttet schienen, und von den Schiffen im Hafen schimmernd, einen leuchtenden Kranz um da» nächtliche Triest schlangen. Einzelne Barken lösten sich von diesem feurigen Streifen ab und schossen wie Leuchtkäfer durch die dunkle Fluh im regelmäßigen Wechsel kam und verschwand das sich drehende Licht des Leuchtturmes. , Jetzt durchbrach das gellende Pfeifen de, Dampfers die Stille der Nacht, das Zeichen zur Abfahrt gebend. Die Schiffsbrücke waw aufgezogen, die Anker emporgewunden, die Maschine ächzte und stöhnte, und langsam be gannen die mächtigen Schaufelräder sich ihren Weg durch das Wasser zu bahnen. Die Milde der Nacht genießend, gingen die Passagiere auf dem Verdeck auf und ab. M aber ein kühler Wind die Nähe des offenen Meeres verkündete, ward es allmählich leerer
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