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Ottendorfer Zeiimg. Lokalzeitung für die Ortschaften Ottendorf-Okrilla mit Moritzdorf und Umgegend. Mit wöchentlich erscheinender Sonntagsbeilage „Illustriertes Unterhaltungsblatt", sowie der abwechselnd erscheinenden Beilagen „Handel und Wandel", „Feld und Garten", „Spiel und Sport" und „Deutsche Mode". Druck unö Verlag vor. Hermann Rühle in töroß-Dkrilla. Für die Redaktion verantwortlich Hermann Rühle in Groß-Dkrilla Vie »Dttendorfer Zeitung" erscheint vrenrtag, V-nners- tag und Sonnabend abend,. Bezugspreis vierteljährlich , Mark. Durch die Post bezogen ,,20 Mark. Annahme von Inseraten bi» vormittag z« Uhr. -Inserat» werden mit io Pf für dl» Spaltzril« berechn« Tabellarisch,r'Satz nach besonderem Tarif Nr. 136. Sonntag» den 11. November 1906. 6. Jahrgang Krrtliches und Sächsisches. Dttendorf-Vkrilla, den ;n. November iyos. Feueralarm schreckte in den gestrigen Abendstunden die hiesige Einwohnerschaft, in lehr kurzer Zeit rückte die hiesige Freiwillige Feuerwehr nach der Brandstätte aus, es war in dem an der Dresdner Landstraße im be nachbarten Hermsdorf gelegenen ersten Haus grundstücke ein Schadenfeuer vermutlich durch Selbstentzündung von Futter ausgebrochen. Schon in den Nachmittagstunden machte sich in dem betreffenden Grundstücke ein Brandgeruch bemerkbar, ohne daß der Brandherd festgestellt werden konnte, bi» da» Feuer am Abend zum Ausbruch kam. Durch die schnell herbei geeilten Feuerwehren von hier und LunnerS- dors wurde ein weiteres Umsichgreifen des Feuer» verhütet und fiel nur der Dachstuhl dem gefräßigen Element zum Opfer. D Für alle Humor» und Kunstfreunde wird e« von großer Interesse sein, daß Sonntag den 11 November 1906 im „Gasthof zum Hirsch" eine Vorführung lebender Photographien statt- findet. Wie uns versichert wird, sollen nur erstklassige Bilder vorgeführt werden H: Am vorigen Dienstag sand die erste Singestunde der Gesang-abteilung des Turn verein „Jahn" statt. Leider war der Besuch recht schwach. Der Grund dafür dürfte darin zu suchen sein, daß die sangeslustigen Ein wohner über den Zweck der Gesangsabteilung nicht genügend aufgeklärt sind. Der Haupt zweck der Gesangsabteilung ist folgender: „In ungezwungenen geselligen Beisammensein der Einwohner von Ottendorf - Moritzdorf und Okrilla wöchentlich einmal zu singen und da durch das deutsch« Lied und den Männergesang zu pflegen und zu fördern. Die Gesangs- abtetlung ist also im vollsten Sinne des Worte» rin Männergesangverein. Sie führt Nur einen anderen Namen. Da sie aber ein Dell de» Turnvereines ist, so hat sie auch die Pflicht, diesem im Ansehen zu heben und bei Auf führungen Mit zu Unterstützen. Das ist aber nicht der Haupt-, sondern der Nebenzweck. Die GesangSabteilung ist nicht etwa der Diener de» Turnverein«, der alle» ausführen muffe, wa» dieser befiehlt. Beide stehen im gleichen Range, beide sind selbständig; denn der Turn verein hat seinen Turnwart und die Gesangs- abtrilung ihren Sängerwart. Nur die Kaffe ist beiden gemeinsam. Wer Mitglied der GesangSabteilung ist, ist zugleich Mitglied des Turnverein», gleichviel ob aktiv oder passiv. Nur um sich gegenseitig zu unterstützen, haben sich der Turnverein „Jahn" und der alte Ottendorfer Gesangverein zusammengeschloffen und sie hoffen dadurch gestärkt zu werden. Hoffentlich trägt diese Aufklärung dazu bei, daß nächsten Dienstag das Vereinszimmer Im Roß bester gestillt ist, als e» am letzten Male der Fall war. Hoch lebe das Lied! —* Die Gan», der brave Martinsvogel, spielt in jetziger Zeit bei der Besetzung der Tafel, die Hauptrolle. Und da» mit Recht. Denn da» edle Geflügel ist und bleibt nun einmal für den Magen etwa» Besondere» und zu keiner Zeit de» Jahre» befindet sich da» gute Tierchen derart auf dem Gipfel der Schmackhaftigkeit, ivie um die Mitte de» November». Die Gans darf sich auch wahrlich nicht darüber beklagen, daß sie hier auf Erden Nicht gewürdigt wird. Freilich geschieht das erst nach ihrem Tode, Doch was tut da«? Teilt sie dieses Schicksal nicht mit den meisten Größen dieser Erd«? Auch in historischer Beziehung kann die Gans es mit allem, was da kreucht und fleucht, aufnchmen. Gebühr doch ihren lautschnatternden Ahnen das Ver dienst einst zu Zeiten der alten Römer das Kapitol gerettet zu haben. Volkstümlich Redensarten und Sprichwörter beschäftigen sic ebenfalls mit der nun leider einmal als etwas dumm verschrieenen Gans. Wenn uns ein Frösteln überläuft, reden wir von einer Gänsehaut, Master bezeichnen wir mit Gänse- vein, junge Mägdlein nennen wir nicht nur Backfische, soudern auch Gänschen, und wenn Leute bindereinandcr hcrgchen, so sprechen wir im Hinblick aus da» originelle Vorbild, von einem Gänsemarsch. Der starke Ester bebauptel nicht mit Unrecht, die Gans sei ein seltsamer Vogel; für einen sei sie zu viel, für zwei zu wenig. Des Rasens bescheidenen Schmuck bilden die schlichten Gänseblümchen und wenn wir beim Schreiben etwas hervorheben wollen, etzen wir es in Gänsefüßchen. Daß es .ntelligenzlose Menschen gibt, die ein Gesicht machen wie die Gans, Wenns wettert, wird einen verwunderlich scheinen, der die braven Tierchen einmal bei einem derartigen Ele- mentarereignis beobachtet hat. Die Fabel er zählt uns vom Fuchs, der den Gänsen predigt, und jedes Kind kennt da» Liedchen: „Fuchs, du hast die Gans gestohlen. So begegnen wir der Gags an den verschiedensten Orten und Stellen. Am meisten aber, wie gesagt, an diesen Novembertagen auf den Speisekarten und auf den Mittags- und Abendtischen. Und >a ist dieses Begegnen uns am liebsten. Aus leicht begreiflichen Gründen. —* Ueber Nachnahmesendungen an Sonn- und Festtagen schreibt der „Dr. Anz." die Einziehung der Geldbestellung an Sonn- und Festtagen ist von den Geldempfängern am ver- lostenen Sonntag nicht so sehr empfunden vorden. als man ursprünglich angenommen mtte. Auffällig ist bei dieser den Geld bestellern zu gönnenden Einrichtung, daß lrotz- ;em noch Nachnahmesendungen zur Aus tragung gelangen. Freilich handelt es sich nur um solche, die den Vermerk „Auch Sonntags zu bestellen" tragen, da Nachnahmen, gleich den Postaustiägen, sonst Sonn- und Festtags nicht vorgezeigt werden. Diese Ausnahme- behandlung der Sonntags-Nachnahmen bringt nicht unwesentliche Erschwernisse für di« Geld- brieftrSger mit sich, da trotz ihrer geringen Anzahl doch alle Gegenden der großen Bestell- bezirke in Frage kommen, die zu erreichen für die im Dienste behaltenen Briefträger sehr um ständlich und zeitraubend ist. An eine völlige Sonntagsruhe ist infolgedessen noch garnicht zu denken. Eine Anzahl Briefträger müßte des halb immer noch Bestelldienst verrichten, um diese Nachnahmen an den Mann zu bringen. In Frage kommen dabei meistens nur Sendungen von Abzahlung-- und ähnlichen Geschäften. Um besonders wichtige Nach nahmen dürste es sich in den wenigsten Fällen handeln. Berücksichtigt man, daß sogar Protestwechsel an Festtagen nicht präsentiert werden, so kann man sich dem Eindruck nicht verschließen, das die Postbehörde mit dieser AuSnahmebehandkung der Sonntagsnachnahmen zu weit geht. Jedenfalls ist eine Beseitigung dieser Sonntagsbestellung von Nachnahmen im Hinblick auf eine durchgreifende Sonntagsruhe der Geldbriefträger sehr wünschenswert- —* In der jüngsten Beiratssitzung des rheinisch-westfälischen Kohlensyndikats wurden die Richtpreise für da» am 1. April 1907 beginnende Geschäftsjahr für Kohlen um 1 bis 1,50 M. und für Koka um 1,50 bis 2 M. für die Tonne erhöht. Die Erhöhung geht nicht unerheblich über das hinaus, was er wartet wurde, und wird möglicherweise eine neue Steigerung der Eisenpreise im Gefolge haben. Ob der Preiserhöhung die Lohn erhöhung im Ruhrgebiete folgt? Radeburg. Die V. Strafkammer des Dresdner Königlichen Landgerichts verhandelte am Freitag Nachmittag gegen den 42 Jahre alten, in Sacka bei Radeburg wohnenden Wirtschastsbesitzer Heinrich August Menze wegen Urkundenfälschung. Als Schristver- gleicher fungierte Kaufmann und Bücher revisor Werner. Es waren acht Zeugen aus Radeburg und Sacka vorgeladen. Der noch nicht bestrafte Angeklagte ist der Bruder des Ortsrichters und Standesbeamten Menzel in Sacka. Beide sind schon seit zehn Jahren im hohen Grade verfeindet. Bei dem Ortsrichter Menzel wurden vor einer Reihe von Jahren 500 Mark gestohlen. Der Bestohlene hatte inem Bruder im Verdachte, das Geld ge nommen zu haben. Der Angeklagte war damals bei dem Ortsrichter, als der Diebstahl auSgesührt wurde. Menzel ist in dieser Sache auch vernommen worden' Seit jener Zeit be- tehen die Feindseligkeiten zwischen den beiden Brüdern. Vor zwei Jahren starb die Aus- üglerin Höntzsch in Sacka. Im Januar d. I. gingen bei der Dresdner königlichen Staats anwaltschaft und bei der Superintendentur m Großenhain zwei mit „A. Diebel" und „H. Andrich, Sacka", unterzeichnete Briefe ein, n denen behauptet wurde, der Ortsrichter Menzel habe eine falsche Sterbeurkunde über die Höntzsch nach Radeburg gesandt und sich mehrere strafbare Handlungen schuldig gemacht. Dem Angeklagten wird beigemesten, diese beiden Briefe fälschlich angesertigt, abgesandt und da von zum Zwecke der Täuschung Gebrauch ge macht zu haben. Menzel stellte in Abrede, die Eingaben geschrieben und mit falschen Namen unterzeichnet zu haben. Der Schristenver- gleicher ist der festen Ueberzeuzung, daß die leiden Briefe von dem Angeklagten geschrieben vorden sind. Das Gericht hielt den Schuld beweis nicht für erbracht und sprach Meuzei deshalb kostenlos frei. Meißen. Ueber die LebenSgeschichte einer Unglücklichen, deren Leiche am Dienstag früh mit der ihres Kindes zusammengebunden in Meißen aus der Elbe gezogen wurde, wird aus Dresden folgendes mitgeteilt: Liddy Menzel, Tochter einer angesehenen Familie aus dem Hannoverschen, kam vor mehreren Jahren nach Dresden, um sich, da ihre Eltern in Vermögensverfall geraten waren, als Musik lehrerin durchzuschlagen. Sie machte im Laufe der Zeit die Bekanntschaft eines Ausländers, )er ihr dir Ehe versprach, dann aber ver- chwand, als die Geliebte Mutter wurde. Gram über das verlorene Lebensglück ließ das unglückliche Weib langsam dahinsiechen. Als sie ihre Kräfte immer mehr schwinden sah und auch Nahrungssorgen sich geltend machten, entschloß sich die Unglückliche, vereint mit ihren Kinde in den Tod zu gehen. Meißen. Der Aufsichtsrat der hiesigen Aktien-Bierbrauerei Meißner «Felsenkeller be schloß, für das Geschäftsjahr 1905/06 eine Dividende von sechs Prozent (wie seit fünf Jahren) vorzuschlagen. Tharandt. Um ein Andenken an seinen früheren Dienstherr» den verstorbenen Geh. Oberforstmeister Tittmann, bei dem er fünf zehn Jahre lang in Diensten stand, zu be sitzen, hatte der Kutscher Behr aus Grillenburg zwei minderwertige Hirschgeweihe an sich ge nommen, nachdem ihm von den Erben des Verstorbenen die Bitte um ein Andenken an- geblich abgeschlagen worden war. Dieses brachte ihm eine Anklage wegen Diebstahls einl Das Gericht nahm jedoch nicht Diebstahl sondern Unterschlagung an und sprach ihn frei, da er sich durch die wertlosen Hirschgeweihe nicht hat bereichern wollen, sondern sie nur als Andenken an seinen verstorbenen Dienstherr» behalten hat. Riesa. Vom Streik der Bootsleute auf der Elbe ist nicht mehr viel zu berichten. Die Schiffahrt wird täglich lebhafter, und es ist für die nächste Zeit hier voraussichtlich ein sehr starker Umschlagsverkehr zu erwarten, da außer den infolge de» Schifferstreiks rück ständigen Waren gegen Mitte be» Novembers das sogenannte Weihnachtsgut (Rosinen, Mandeln und dergl.) einzutreffen pflegt. Der Gröbaer Hafen war wieder voll belegt, auch sind bereits noch zahlreiche Umschlagskähne avisiert. — Der gegenwärtige niedrige Wafferstand hat bereits wieder Havarien von Elbkähnen zur Folge gehabt. So ist ein mit Braun ¬ kohlen beladener Kahn der Schiffseigner Stolz und Teichmann aus Birkwitz bei Bodenbach auf einen Stein aufgefahren und leck geworden. Es gelang noch, den Kahn an Land zu drücken, wo er voll Wasser lief. Die Ladung kann größtenteils geborgen werden. Dahlen. In einer dem Wirtschaftsbesitzer Dittrich gehörigen Scheune war Feuer aus gebrochen, daß diese mit allen Erntevorräten .n Asche legt?. Auch ein kleiner Wirtschafls- wagen und eine Partie Bretter sind mit ver brannt Dis Scheune war noch mit Stroh ge deckt. deshalb mit ollen Vorräten unversichert, wodurch den Kalamitosen ein empfindlicher Schaden erwachsen ist. Als Brandstifter ist in einem zehnjährige» Waisenknaben ermittelt worden, der „gern einmal ein Feuer sehen wollte." Leipzig. Wegen der Unterschlagungen in )er Stadtkaffe wurde in der letzten Stadt- verordneten-Sitzung scharfe Kritik an dem herrschenden System der Geschäftsführung bei den städtischen Kaffen geübt. Man machte es dem Rate zum Vorwurf, daß er den unge treuen Kassierer Grützmann nicht sofort vom Amte suspendierte, als bei der letzten ver hängnisvollen Revision Unstimmigkeiten sich ;erauögesteUl halten. Auch sollten fortan die Kontrolleure den Kassierern in Rang und Gehalt gleichgestellt werden, um deren Autorität gegenüber den letzteren zu erhöhen. Der Rat 'teilt eine genaue Prüfung der Verhältnisse und eine Reorganisation des ganzen städtischen Kaffemvesens in Aussicht, die im Prinzip auf eine Trennung von Kaffe und Buchhaltung jinauslaufen soll. Von den verspekulierten Beträgen sind bis jetzt rund 90000 M. nach gewiesen; über die Restsumme von rund 45 000 M. schweben noch die Erörterungen. Ueber Grützmann selbst sei schließlich noch be merkt daß dieser, ehe er vor 21 Jahren in 'tädtische Dienste trat, dem Kaufmannsstande angehört hatte. Gr war zuletzt bei der Leipziger Bank angestellt. — Ein Schwindelmanöver setzte ein neun zehn Jahre alter Mechaniker aus Nürnberg in Szene. Er bat seine in der Bayerischen Straße wohnhafte Logiswirtin, den Schneider zu bezahlen, wenn dieser einen Ueberzieher bringen sollte, Dies geschah auch. Als die Frau das Paket, daß den Ueberzieher enthalten sollte, öffnete, fand sie Lumpen vor. Die Betrogene ließ den Gauner festnehmen, während dessen Helfershelfer mit dem Gelbe glücklich entkam, Kirchberg. Ein Vermächtnis von zirka 100 000 M. hat der kürzlich hier verstorbene Kommerzienrat Stadtrat Hermann Wolf unsrer Stadt vermacht. Kurz vor seinem Tode spendete er 35 000 M. zur Errichtung eines Volksbades. Kürzlich fiel unserer Stadt auch die Kommerzienrat Wolf-Stiftung in Höhe von 55000 M. zu. Zwickau. Am Donnerstag Nachmittag verunglückte Chemiker Dr. phil. E. von hier auf der Jagd. Er nahm bei Weißenbrunn an einer von Offizieren gerittenen Schnitzeljagd teil, als sein Pferd an einem Graben stürzt« und seinen Reiter unter sich begrub. Dr. E. trug eine Verstauchung und eine Gehirn erschütterung davon. — In einer hiesigen Familie starben innerhalb zehn Stunden Großmutter, Mutter und Kind. Erstere rührte der Schlag au» Schmerz über den Tod der Tochter und der Enkelin. Plauen i. V. In einem Zeiträume von vierzehn Tagen haben hier vier Stickereifirmen ihre Zahlungen eingestellt und schließlich den Konkurs selbst angemeldet. Die Schulden dieser vier Firmen sind enorm, sie betragen insgesamt gegen 257000 M- Den Passiven stehen an Aktiven höchstens 60000 M. gegen über, sodaß insgesamt nahezu 200000 M. verloren gehen.