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Ottendorfer Zeitung : 18.11.1906
- Erscheinungsdatum
- 1906-11-18
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Privatperson
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1811457398-190611187
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1811457398-19061118
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1811457398-19061118
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Ottendorfer Zeitung
-
Jahr
1906
-
Monat
1906-11
- Tag 1906-11-18
-
Monat
1906-11
-
Jahr
1906
- Titel
- Ottendorfer Zeitung : 18.11.1906
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polmicke Kunätckau. Deutschland. * Bei dem Prunkmahl, das aus Anlaß der Grundsteinlegung zum Museum für Meister werke der Technik, im Ballsaal der Residenz zu München stattfand, wechselten der Kaiser und der Prinz-Regent Luitpold über aus herzliche Trinksprüche. *Der Kaiser stiftete für das deutsche Museum in München, zu dessen Grundstein legung der Monarch mit seiner hohen Gemahlin in Bayerns Hauptstadt weilte, das Schnittmodell eines neuen Kriegsschiffes. Von München aus begab sich Kaiser Wilhelm zur Jagd nach Donaueschingen zum Fürsten Fürstenberg. *Der Fürst und die Fürstin zur Lippe machen gegenwärtig bei den deutschen Höfen ihren Antrittsbesuch. Zunächst besuchten sie den württembergischen Hof in Stuttgart. *Dem Reichstage sind die Gesetzent- ' würfe betr. die Rechtsfähigkeit der Be rufsvereine und betr. die Sicherung der Bauforderungen der Handwerker zugegangen. *Der Magistrat der Stadt Berlin hat. an den Reichstag und den Reichs kanzler eine Petition wegen der Fleisch- te'uerung abgesandt. * Die L ü b e ck e r Bürgerschaft nahm einen Antrag an, den Senat zu ersuchen, durch den Lübecker Vertreter im Bundesrat nachdrück lich für Öffnung der Grenzen für aus ländisches Vieh einzutreten. Der Senat ver hieß, die Weitergabe des Antrages zu erwägen. * Nach Mitteilung des Gouvernements von Deutsch-Südwestafrika hat am 12. d. die Er ö ffnu n g s f a h rt für die Gesamtstrecke der Otavibabn von Swakopmund bis Tsumeb stattgefunden. Österreich-Ungarn. *Jm österreichischen Abgeordneten haus trat man in die Einzeldebatte der Wahlreform ein. Obgleich in den örsten Leslingen unter den Abgeordneten ziem liche Übereinstimmung herrschte, sodaß es den Anschein gewann, als ob die debattelose An nahme des Gesetzentwurfes ziemlich sicher sei, haben sich nun wieder starke Meinungs verschiedenheiten herausgebildet. Es werden wieder mehr Mandate für Galizien gefordert, sowie die Neuschaffung je eines Mandates für die Bukowina und für die italienisch sprechenden Landesteile (Dalmatien). * Im ungarischen Abgeordnetenhaus scheint die vereinigte Mehrheit vorläufig nicht geneigt zu sein, ein Mehr an Rekruten zu be willigen, obwohl die Aussicht verlockend ist, daß dann auch die Honveds (die national-ungarischen Truppen) die ihnen bisher noch fehlende Artillerie erhalten würden. Im Finanzausschüsse des ungarischen Abgeordnetenhauses erklärte der Kriegsminister in Erwiderung auf eine An frage, die Honvedartillerie werde angestellt werden, sobald der Reichstag die dazu erforder liche Erhöhung des Rekrutenkontingents bewilligt haben werde. Ministerpräsident Weckerle fügte hinzu, di; Regierung habe in dieser Hin sicht mit den Parteien Fühlung genommen, doch hegen diese Bedenken dagegen. Frankreich. * Die Konferenz zur Gründung einer Marokkobank, die in Paris tagte, ist beendet. Sobald die Gültigkeitserklärung der Verhandlungen von Algeciras erfolgt ist, soll die Bank ins Leben treten. In bezug auf diese Gültigkeitserklärung verkündete Pichon, der neue Minister des Auswärtigen, daß die vom Maghzen (dem marokkanischen auswärtigen Amt) an Spanien gerichtete Note, welche Vorbehalte zum Protokoll von Algeciras macht, von Spanien, Frankreich und England nicht in Er wägung gezogen werden könne. * In der Deputiertenkammer wurde die Beratung der Anfragen über das Tren nungsgesetz fortgesetzt. Nach erregter Debatte wurde mit 416 gegen 163 Stimmen eine von der Regierung gebilligte Tages ordnung angenommen, in der die Kammer die I Erklärung der Regierung billigt und ihr das Vertrauen ausspricht, daß sie das Trenuungs- gesetz in vollem Umfange und ohne Zusatz an wenden werde. England. * Die atlantische Flotte erhielt Be fehl, Proviant und Munition eiuzunehmen. Sie wird sofort, nachdem dies geschehen, von Gi- braltai abdampfen, um mit der französischen Flotte eine Kundgebung in den marokkanischen Gewässern zu veranstalten. * Das Kriegs amt ordnete die Ab schaffung der Lanze bei sämtlichen Dragoner-Regimentern an. Italien. *Der Papst wird anfangs Dezember in Rom eine Ansprache über die Vorbereitungen zum Inkrafttreten des Trennungsgesetzes halten. Der Vatikan verlangt nach wie vor die gesetzliche Anerkennung der Kirchenherrschaft und gesetzliche Festlegung des gegenwärtigen Besitzstandes der Geistlichkeit. Belgien. *Jn Brüssel wurde die Session in beiden Kammern eröffnet. Im Senat gestaltete sich die Einführung und Vereidigung des Thronfolgers Prinzen Albert, der künftig an den Arbeiten der Ersten Kammer teilnehmen wird, zu einem feierlichen Akt, dem die Prinzessin Albert, Prinz Leopold und alle Minister bei wohnten. Die sozialistischen Senatoren blieben fern. Ruhland. *Die Gerüchte, daß der frühere Minister präsident Witte wieder an die Spitze der Re gierung zurückkebren werde, bezeichnet er selbst als erfunden. Der Exminister erklärte selbst auf Befragen, daß er nur nach Petersburg gekommen sei, um dem Zaren seine Ehrerbietung zu be zeigen. Seine Gesundheit mache ihm zur Pflicht, baldmöglichst wieder abzureisen. * In JrkutSk wurde gegen den General Rennen kam Pf, den Führer der mandschuri schen Armee im Kriege gegen Japan, ein Bombenattentat verübt. Der General blieb unverletzt; der Täter wurde ergriffen und dem Feldgericht übergeben. Afrika. * Wie aus Kapstadt gemeldet wird, hat der Burenführer Ferreira, der mit 13 Mann in die Kapkolonie einfiel, schon eine ansehnliche Schar um sich gesammelt, zu denen auch einige Hottentotten gestoßen sein sollen. *Raisuli hat jetzt vom Sultan von Marokko ein amtliches Schreiben erhalten, in dem dieser ihn zum Pascha von Arzila und den benachbarten Provinzen ernennt. Raisuli ist dadurch mit amtlicher Gewalt über große Länderstrecken ausgerüstet worden, die in der Nähe der Hauptstadt Tanger liegen. Ehe die „Konferenzmächte" in Marokko die Ruhe wiederherstellen können, müssen sie also mit dem früheren Räuberhauptmann und jetzigen Pascha Raisuli verhandeln. Asien. * Die Japaner haben nnn endgültig von der südmandschurischen Bahn Besitz ergriffen. Nachdem nach und nach die russischen und chinesischen Verwaltungsbeamten durch japa nische ersetzt worden waren, ist nun auch ein japanischer ehemaliger General zum Präsidenten der südmandschurischen Eisenbahn ernannt worden. Zus äem Aeicbstage. Der Reichstag nahm am Dienstag seine Arbeiten wieder auf. Präsident Graf Ballestrem begrüßte die Mitglieder des Hauses und gedachte der während der Vertagung Verstorbenen, zu deren Ehren sich die Ab geordneten von ihren Plätzen erhoben. Von den Petitionen, die auf der Tagesordnung standen und erledigt wurden, waren die wichtigsten die über die Arbeitsverhältnisse der Angestellten im Gastwirte gewerbe, über die reichsgesetzliche Regelung des Apothekerwesens und über die Ausprägung von Silbermünzen. Sie wurden größtenteils der Negie rung als Material oder zur Erwägung überwiesen. Eine Eingabe wegen Änderung des Kränkenkassm- gesetzes führte zu einer sozialpolitischen Aussprache zwischen den Abgg. Mugdan (frs. Vp.) und Fraß dorf (soz.), die aber auch wenig Aufmerksamkeit sand. Am 14. d. steht auf der Tagesordnung die Interpellation. Bas'ermann u. Gen. (nat.-lib.): „Ist der Herr Reichskanzler bereit, Auskunft zu geben über unsre Beziehungen zu den übrigen Mächten und sich über die Besorgnisse zu äußern, welche in vielen Kreises unsres Volkes wegen der internationalen Lage besteben?" Auf Anfrage des Präsidenten erklärte Reichs kanzler Fürst Bülow sich bereit, die Interpellation sofort zu beantworten. Abg. Bassermann: In den letzten Wochen hat sich in unserm Vaterlande große Verstimmung geltend gemacht. Scharfe Kritik wurde in der Presse aller Parteien an der Leitung unsrer Politik geübt. Neuen Ansporn erhielt die kritische Stimmung durch die Veröffentlichung der Memoiren des Fürsten Hohenlohe. Eine allgemeine Aussprache über unsre auswärtige Lage kann nicht schaden. Das unbedingte Vertrauen zu der Leitung unsrer auswärtigen Politik, das zu Bismarcks Zeiten bestanden hat, ist nicht mehr in dem Umfange vorhanden. In erster Linie ist das darauf zurückzuführen, daß nicht alle Posten in exponierten Stellungen nach dem Grundsätze her vorragender Tüchtigkeit besetzt werden, sondern da nach, ob jemand persona Arata ist. Die Stellung des leitenden Staatsmannes ist heute besonders schwierig infolge der Enthüllungen, die an Hinter- treppcngeschichten und Spiritistenromane, an Bhanz und an die Kamarilla erinnern. Das charakte ristische Zeichen unsrer heutigen Lage ist, daß in aller Munde das Wort von der Isolierung Deutschlands ist. Der Reichstag hat an der Hand der heutigen Erklärung des Reichs kanzlers zu prüfen, was Wahres an der Behaup tung von der Isolierung Deutschlands ist. Redner geht daun das Verhältnis Deutschlands zu den einzelnen Auslandstaaten durch, um zu dem Schluß zu kommen, daß unsre auswärtige Politik der Ruhe und Stetigkeit entbehre. Die Schwankungen, her vorgerufen durch persönliche Eingriffe mit rauher Hand, seien ein großer Fehler und mit die Ursache der Minderung des Respekts und der Furcht vor Deutschland im Auslände. Zu Schwarzseherei habe man gegenwärtig keinen Anlaß, wie sogar Bebel in Mannheim bestätigt habe, was man aber verlangen könne, sei die Wahrheit über unser Verhältnis zum Auslande. Reichskanzler Fürst Bülow beginnt feine Er widerung mit herzlichen Dankesworten für die ihm während seiner Krankheit zu teil gewordenen Sympathiekundgebungen und fährt dann fort: Ich will jetzt auf unsre internationalen Beziehungen eingehen und die Stellung des Reiches in der Welt. Was Frankreich angeht, so müssen wir unterscheiden zwischen dem, was wünschenswert ist, und dem, was erreichbar ist. Ein engeres Bündnis ist zur zeit noch nicht denkbar. Es liegt das zum Teil in den Ereignissen der letzten Jahrzehnte, zum Teil in der Lebhaftigkeit des französischen Geistes und Patrio tismus. Unsre Beziehungen sindgutnormal und korrekt. Hoffentlich wird die Zahl der einsichtigen Franzosen, die einen Angriffskrieg gegen Deutschland grund sätzlich verwerfen, immer mehr zunehmen. Deutsch land denkt nicht daran, sich zwischen Frankreich und Rußland oder Frankreich und England einzuschieben. Die französisch-russische Allianz ist keine Gefahr für den Frieden gewesen. Wir hoffen, daß das auch von der französisch-englischen Allianz gelten wird. Eine Politik, die derart ausgeht, Deutschland zu isolieren und einzukreisen, bringt eine Gefahr für den europäischen Frieden mit sich. Diese Ring bildung ruft Druck und Gegendruck hervor und kann zu einer Explosion führen. Ein gutes Verhältnis zwischen England und Deutschland entspricht auch dem französischen Interesse und ist auf der Basis beiderseitiger Loyalität möglich. Daß die Ver stärkung der deutschen Flotte sich gegen England richte, ist eine einfach törichte Annahme und ange sichts der gar nicht vorhandenen starken deutschen Flotte unfaßbar. Unsre Vorlage geht nur dahin, die Flotte so stark zu erhalten, wie es zum Schutz der überseeischen Handelsinteressen und zur Ver teidigung der deutschen Küste notwendig ist. Seit SO Jahren ist unsre Politik eine eminent friedfertige. Sie wird es auch weiter sein. Das politische Barometer für England und Deutschland ist glück lich von „Regen und Wind" auf „Veränderlich" übergegangen. Wenn sie dabei halten soll, müssen neue Reizungen und Trübungen vermieden Werden. Forcieren läßt sich so etwas nicht. Persönliche Stimnrungen dürfen freilich die Interessen großer Völker nicht beeinflussen. Weder König Eduard noch Kaiser Wilhelm werden persönlichen Verstimmungen Einfluß auf die Politik gestatten. Zu Italien übergehend, versichert der Reichskanzler, daß alle italienischen Politiker davon überzeugt seien, daß die Loslösung Italiens vom Dreibund nicht im Interesse Italiens liege. Der Dreibund besitzt noch heute gewisse Vorzüge: er schließt Konflikte zwischen den Verbündeten aus und bedeutet eine politische Entlastung für Europa und eine Hauptquelle der gegenwärtigen allgemeinen Wirtschaftlichen Prosperität. Bei-der Erörterung des Verhältnisses zu Österreich betont der Kanzler die von ihm beobachtete Reserve ' in dem Streit zwischen Zis- und Translcithanien. Auch in Rußland werde Deutschland nicht intervenieren und wenn der russisch-polnische Brand über die Grenzen greift, werden wir ihn bald auszulöschen wissen, aber uns nicht an fremder Löscharbeit beteiligen. Amerika und Deutschland ist durch natürliche und historische Gründe auf gute gegenseitige Verhältnisse angewiesen. Zum Schluß warnt Fürst Bülow vor einer über triebenen Kritik. Deutschland sei nicht isoliert und brauche eine Isolierung auch nicht zu befürchten. Die Situation in Europa und in der Welt sei seit Algeciras ruhiger geworden. Die Regierung beobachte Vorsicht und Umsicht, und wenn daS deutsche Volk über seine inneren wirtschaftlichen und konfessionellen Streitigkeiten das Interesse des Ganzen nicht aus dem Auge verliere, werde Deutsch land seine Stellung in der Welt zu befestigen wissen. (Lebhafter Beifall.) Auf Antrag des Abg. Graf Oriola (nat.-lib.) wird Besprechung der Interpellation beschlossen. Abg. v. Vollmar (soz.): Der Reichskanzler hat manche Besorgnisse geäußert; aber nach seiner Meinung ist schließlich alles noch gut. Man muß eben nur hescheiden sein! Wir Sozialdemokraten haben die Überzeugung, daß unsre auswärtigen Be ziehungen sich gegenwärtig in einer Verfassung be finden, daß sie kaum schlechter sein können. Seit zwei Jahrzehnten ist eine nervöse Unruhe in unsre Politik gekommen; überall will man dabei sein, alle Augenblicke ein Brillantfeuer von Reden, um nicht zu sagen Schwatzereien. Das Bestehen des Drei bundes hat Italien nicht gehindert, sich Frankreich so zu nähern. Die Gefahr von Verwickelungen mit Rußland ist um so näher liegend, als der Leiter der russischen Politik zurzeit ein gelehriger Schüler Jgnatiews ist. Es bestehen tatsächlich gefahrvolle Verhältnisse. Die Politik muß den persönlichen Launen entrückt werden. Leider können wir Sozial demokraten in Deutschland nicht den Einfluß auf die Politik ausüben, wie die französische Sozialdemokratie in Frankreich. Aber wir werden alles zu verhindern suchen, was den Frieden stören kann. Abg. Spahn (Zentr.): Die Ausführungen dcS Reichskanzlers haben bewiesen, daß Befürchtungen nicht bestehen brauchen. Auch England kann unsre wirtschaftliche Fortentwickelung nicht beunruhigen. Unsre Flotte wollen wir nur zu unsrer eigenen Sicherung. Wir denken nicht an Angriffe. Abg. Wiemer (frs. Vv.) spricht seine Freude darüber aus, daß die Nationailiberalen eine der artig scharfe 'Kritik an den Maßnabmen unsrer Diplomatie geübt hätten. Mit dem Reichskanzler teilen wir die Hoffnung, daß die Zahl der Fran zosen zunehmen wird, die den Frieden wünschen. Ein gutes Verhältnis zu England ist auch uns er wünscht. Das persönliche Regiment, das jetzt bei uns zu herrschen scheint, ist für die innere, aber noch viel mehr für die äußere Politik von Verderben. Wir wünschen, daß sich in unserm Vaterlande eine freiere Politik Bahn bricht. Abg. Frhr. v. Tiedemann (freikons.) verliest eine Erklärung seiner Partei, in der dem Reichs kanzler das Vertrauen ausgesprochen wird. Reichskanzler Fürst Bülow: Wenig wohl wollend ist die Diplomatie von den Rednern be handelt werden. Die Kritik ist zum Teil über das Ziel hinansgeschossen. Unsre Vertreter im Auslande tun alle ihre Schuldigkeit. Der Kaiser hat sich nie mals einer Verletzung der Verfassung schuldig ge macht, daher erkenne ich die Vorwürfe des Absolu tismus oder des persönlichen Regiments nicht au. Unser Kaiser ist ein viel zu gerader Charakter, als daß er sich irgendwo anders Rat holen sollte, als bei seinem eignen Pflichtgefühl und seinen berufenen Ratgebern. Verbinden Sie sich mit den Regierungen im kommenden Winter zu fruchtbarer und ersprieß licher Arbeit. — Darauf tritt Vertagung ein. ^on 1^ak> unci fern t. Während der kaiserlichen Hosjagd in Letzlingen, bei welcher sich der Kaiser wegen einer leichten Erkrankung durch den Kronprinzen vertreten ließ, wurden nach dem jetzt vorliegenden Streckenbericht insgesamt 1098 Stück Damwild und Schaufler und 301 Stück Wildschweine erlegt. Davon brachte der Kron prinz 66 Schaufler und 21 Sauen, Prinz Eitel Friedrich 46 Schaufler, 14 Stück Damwild und 24 Sauen, und der Fürst zu Schaumburg-Lippe 45 Schaufler und 24 Sauen zur Strecke. Ei» schönes Vermächtnis. Der ver storbene Adjunkt Stöpel hat der Stadt Landau (Pfalz) die Hälfte seines Vermögens im Betrage von ungefähr 300 000 Ml. zu gemeinnützigen Zwecken vermacht. K Paul unä Paula. 7) Novelle von Helene Stökl. lFoMcsung.» Warum sollte Konstantin aussprechen, waS als beglückende Gewißheit vor seiner Seele stand? Ja, sie liebte ihn, tausend Umstände sagten es ihm. Der schnelle Wechsel ihrer Stimmung, ihre Angst um ihn auf dem Markusturm, ihr leidenschaftlicher Abschied, das alles waren Zeichen ihrer Liebe, die sie vergebens zu ver bergen gesucht hatte. Ihre Tränen in der Markuskirche hatten ihm gegolten, ihre Kälte in den ersten Tagen ihrer Bekanntschaft, ihr ablehnendes Verhalten auf Optschina waren das mädchenhafte Widerstreben gegen dieses Gefühl gewesen. Ihr „Ich will, ich Willi" batte dem Entschlusse gegolten, sich ihm zu ent decken. Was aber hatte die Ausführung ihres Vorsatzes vereitelt und sie so traurig und selt sam gestimmt?" Das Dampfschiff landete am Molo Sant Carlo, ehe er noch die Antwort auf die Frage gefunden hatte. Er eilte in den Gasthof, in welchem er die befreundete Familie treffen sollte, nnd statt ihrer fand er nur einen Brief, der ihr Nichtkommen entschuldigte. Wie gern ließ er diese Entschuldigung gelten I Empfand er es doch wie eine körperliche Erleichterung, nicht ge zwungen zu sein, in seiner jetzigen Stimmung mit innerlich Fremden zu Verkehren. Was aber sollte er jetzt den ganzen Tag über hier tun? Auf das Dampfschiff zu warten, das erst in der Nacht abging, erschien seiner Ungeduld unmög lich. So wandte er sich kurz entschlossen dem Bahnhofe zu, und eine Stunde nachdem er in Triest angekommen war, verließ er es wieder mit dem Eilzuge, der ihn in sieben Stunden nach Venedig bringen sollte. Die Stirn an die Scheiben des Coupäs ge drückt, saß er da und schaute auf die Land schaft hinaus. Aber unbeachtet breitete sich die weite Küstenlandschaft mit ihren ebenen Feldern, ihren von phantastischen Rebengewinden um schlungenen Maulbeerbäumen, ihren flachen zypressenbeschatteten Häusern und ihren auf den Anhöhen sich zeigenden Linien vor seinen Augen aus. Achtlos glitt sein Blick von der Ebene zu der Älpenkette hinüber, deren schneeige Häupter in der Sonne glitzerten. Vor seinem Geiste stand ihr Bild und machte ihn blind für alles andre. Wo würde er sie finden, und wie? Mit Entzücken stellte er sich das tiefe Erglühen vor, mit dem sie in seinen Augen lesen würde, was er wußte, zugleich aber mischte sich ein leises Bangen in diese Gedanken. Würde sie nicht erschrecken, wenn sie sah, daß er ihr Ge heimnis kannte? Aber sie liebte ihn ja! In seinen Armen, an seinem Herzen nmßte sie ihr Erröten verlernen, in seiner Liebe mußte sie ihre Unbefangenheit wieder finden. Er lehnte sich in seinen Sitz zurück und schloß die Augen. Seine Gedanken wellten in der Zukunft, die ihm in verlockenden Bildern ein Glück zeigte, auf das er längst verzichten zu müssen geglaubt hatte. An der Seite seines jungen Weibes über Tal und Höhen, Flur und Wald dahinfliegen zu können, mit ihr die Schönheiten der Erde, vom Rahmen der Liebe umschlossen, zu sehen, wie herrlich mußte das sein! Herrlicher aber und köstlicher noch dachte er sich, mit ihr im eigenen Daheim zu leben, fern von dem Drängen und Treiben der gleichgültigen Welt, in seligem Genügen eins nur dem andern lebend. O, daß es schon so weit wäre! Wie nahm er sich vor, sie zu ehren! Auch nicht mit einem Blick seiner Augen wollte er ihren mädchen haften Stolz verletzen. Mit der zarten Achtung, die eine Schwester von ihm fordern könnte, wollte er sie zurückgeleiten in ihre Heimat, sie dort von den Ihrigen zum Weibe zu begehren, und dann seiner Mutter zuführen. Seiner Mutter! Das Herz klopfte ihm hoch und froh auf bei diesem Namen. Immer war der Maß stab, den er in Gedanken an das Mädchen seiner Wahl gelegt hatte, das Urteil seiner Mutter gewesen. Paul oder Paula — er wußte selbst kaum, wie er sie nennen sollte — hatte ihr scharfblickendes Auge nicht zu fürchten. Endlich, als das ruhige Verweilen im Waggon ihm schon zur Unerträglichkeit zu werden anfing, brauste der Zug über den Steindamm, der die Lagunen durchschneidet, und hielt in Venedig. Kaunr konnte er seine Ungeduld über die langsame Fahrt der Gondel bemeistern; jetzt landete sie und er sprang ans Ufer. Zögernd blieb er einen Augenblick lang stehen. Wo würde er sie finden? Sie pflegte um diese Zeit nie im Zimmer zu verweilen. Ob sie nicht auf dem Markusplatz an einer der Säulen der „Neuen Prokuratien" gelehnt saß und den Tauben zusah, die um diese Zett dort gefüttert werden? Sie war nicht dort. Vielleicht saß sie arf der Piazzetta und sah auf das Meer hinaus, wie sie so gern za tun pflegte? Sie war auch dort nicht. Ihr Lieblingsplatz auf den Stufen, an der Säule mit den geflügelten Löwen war leer. Er kämpfte die Unruhe, die in ihm aufsteigea wollte, gewaltsam nieder und kehrte um, sie nua doch auf ihrem Zimmer aufzusuchen. Als er wieder über den Markusplatz schritt, fielen ihm die harten Worte ein, die er gestern hier ge sprochen. Er hatte sie schon bereits vergesse» gehabt, jetzt aber kamen sie eins nach dem andern in sein Gedächtnis zurück und erfüllten ihn mit unbestimmter Furcht. Wenn sie verletzl und gekränkt war? Wenn sie, beleidigt, sich vor ihm verbarg? Er stürmte durch die engen Gassen bis zum Gasthofe und sprang die Treppen hinauf, je zwei Stufen auf einmal nehmend. Jetzt stand er vor ihrem Zimmer und klopfte an. Niemand antwortete ihm. Ungeduldig drückte er auf die Klinke, die Tür öffnete sich, das Zimmer war leer. Er riß an dem Glockenzug. „Wo ist der junge Herr, der hier logierte? fragte er das herbeieilende Stubenmädchen. „Er ist gestern nacht abgereist." „Abgereist? Wohin?" Niemand wußte es. Vergebens suchte Konstantin zu erfahren, was Paul zu dieser Abreise veranlaßt und wo hin er sich gewendet hatte. Niemand konute ihm Auskunft geben. Er durchsuchte das Zimmer desselben mit der größten Genauigkeit, auch nicht der leiseste Anhalt bot sich ihm. Er verbrachte den Tag damit, Nachforschungen an-
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