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Ottendorfer Zeitung : 21.11.1906
- Erscheinungsdatum
- 1906-11-21
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Privatperson
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1811457398-190611218
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1811457398-19061121
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1811457398-19061121
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Ottendorfer Zeitung
-
Jahr
1906
-
Monat
1906-11
- Tag 1906-11-21
-
Monat
1906-11
-
Jahr
1906
- Titel
- Ottendorfer Zeitung : 21.11.1906
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pounsede k^unctscbau. Deutschland. * Der Kaiser wird sich, wie verlautet, im kommenden' Frühjahr abermals nach München begeben. * Der österreichische Minister des Auswärtigen Baron Ahrenthal hatte mit dem Reichs kanzler Fürsten v. Bülow eine längere Unterredung, bei der es sich im wesent lichen um eine allgemeine Aussprache über die Weltlage handelte. *Der Bundesrat überwies den Gesetz entwurf betr. die Herstellung von Zigarren in der Hausarbeit dem Ausschuß. * Dem Reichstag ging ein Antrag zu, in dem der Reichskanzler ersucht wird, dem Reichstag alljährlich über die inter- nationalenBeziehungendes Deutschen Reiches urkundliches Material zugehen zu lassen. * Die Kolonialangelegenheiten werden am Dienstag im Reichstage zur Ver handlung gelangen. Es wird, wie verlautet, beantragtwerden,die Budge t-K ommission mit der Untersuchung der Mißstände und des gesamten Materials im einzelnen zu betrauen. * In Berlin trat der Ausschuß desLandes- eisenbahnrates zusammen, um Tarifmaß- regeln zur Verbilligung des Transports frischen Fleisches zu beraten. Frankreich. * Die Deputiertenkammer beschloß, in nächster Woche eine Anfrage über den wöchentlichen Ruhetag zu verhandeln und trat dann in die Beratung des franzö sisch-schweizerischen Handelsver trags ein. Pichon erklärte, der Handelsvertrag gewähre der Schweiz Zugeständnisse, während diese ihre hohen Tarifsätze aufrecht behalte. Die Regierung habe, um die Beziehungen zur Schweiz nicht abzubrechen, einen den Interessen schädlichen Vertrag angenommen. England. * In London ist man angeblich einer A n ar chist en v er s ch w ö run g auf die Spur gekommen. Angeblich war ein Attentat auf das Leben des Königs Haakon von Norwegen beabsichtigt, der augenblicklich zum Besuch in London weilt. Es wurden mehrere Ver haftungen vorgenommen und alle erdenklichen Sicherheitsmaßregeln getroffen. * Im Unterhause erklärte der Staats sekretär des Äußeren auf eine Anfrage über die Zustände in Marokko: „Ich weiß sehr wohl, daß die eingeborene Bevölkerung in der Gegend vor Tanger unruhig ist, aber das Kabinett ist nicht der Ansicht, daß besondere Schritte seitens der englischen Regierung erforderlich sind. Die Frage beschäftigt zurzeit die Regierungen von Frankreich und Spanien, deren Sache es ist, solche Maßnahmen in Tanger zu treffen, wie sie die Umstände erheischen." * Das Unterhaus beendete die Einzel beratung der Landpachtvorlage. Da bei erklärte die Regierung, daß sie einen von der Opposition singebrachten Abänderungs antraa annehme. Ein Teil der Radikalen und der Mitglieder der Arbeiterpartei stimmten, hiermit unzufrieden, gegen die Regierung, so daß der Antrag nur mit 74 Stimmen Mehrheit anstatt der gewöhnlichen großen Regierungs mehrheit durchging. (Die Zeiten des liberalen Ministeriums scheinen wieder vorüber zu sein.) Italien. *Jn der Deputiertenkammer wird demnächst von einem Mitglied der Linken der Minister des Äußern Tittoni befragt werden, ob er bereit sei, in weitgehender Weise über Italiens Beziehungen zum Ausland und ins besondere über die Stellung der D'reibund- Mächte zueinander Auskunft zu geben. Schweiz. * Der Nationalrathat den schwei- z eri sch-spanischenHandelsvertrag mit 118 gegen 37 Stimmen für gültig erklärt. Norwegen. * Die Budgetkommissio n des Stor- things erklärte sich grundsätzlich mit den Zielen und den Maßnahmen der Regierung einver standen. Nur stimmte sie nicht den Mehr forderungen für die Arme e bei. Schließ lich aber wird man sich wohl doch noch einigen und die Regierung wird auch für diese Frage die erforderliche Mehrheit haben. Spanien. * Wie aus Madrid gemeldet wird, beab sichtigt der Vertreter des Vatikans am spanischen Hofe, die Hauptstadt zu verlassen, wenn der Bericht über das Gesetz betr. die religiösen Vereinigungen vorgelegt wird, und damit die Beziehungen des Vatikans zu Spanien abbrechen. Rußland. * Im Mini st errat erklärte der Marine minister, er sei zu der Auffassung gelangt, daß es sich aus verschiedenen Gründen doch empfehle, den Bau von ungefähr zehn erst klassigen Schlachtschiffen und Panzer kreuzern schon jetzt in Angriff zu nehmen, und zwar sollen diese neuen Schiffe ausschließ lich auf russischen Werften hergestellt werden. Wenn dies nicht geschähe, wäre zu befürchten, daß die großen russischen Werften sich genötigt sehen könnten, ihre Tätigkeit sehr zu beschränken und eine große Anzahl von Technikern und Arbeitern zu entlassen, was sich späterhin für die russische Flotte als nachteilig erweisen dürste. *Mit Eifer rüsten sich die Parteien zur Dumawahl. In den nächsten Tagen wird das Petersburger Komitee der Kadetten- partet eine Sitzung abhalten, in der die Kandidaten für die Reichsdumawahlen in Petersburg aufgestellt werden sollen. Das Zentralkomitee der Partei der friedlichen Er neuerung faßte den Beschluß, dass die Mit glieder der Partei nicht andern politischen Par teien angehören dürfen. Nach Mitteilungen aus dem Reiche besitzt die Partei an 25 verschiedenen Orten, darunter in Riga und Odessa, Zweig organisationen. Zwischen diesen Parteien wird sich wahrscheinlich der Wahlkampf und später auch der Debattenkampf in der Duma abspielen. *Die Feldgerichte in Russisch- Polen sind unerbittlich strenge. So wurden in Warschau von einem Feldgericht drei Arbeiter wegen Aufreizung zum Ausstande zum Tode durch Erschießen verurteilt. Die Soldaten weigerten sich anfangs, das Urteil zu vollstrecken, mußten aber schließlich den Befehl ausführen. Balkanftaaten. * In der bulgarischen Sobranje hat der neue Leiter der auswärtigen Angelegen heiten des Fürstentums, Stantschew, eine Übersicht der Beziehungen Bulgariens zu den M ä ch t e n gegeben. Der Minister betonte, die bulgarische Regierung werde sich, insbesondere bei Vebandlung dermazedonischenFrage gegenüber der Türkei, nur in friedlichem Sinne betätigen. * Gegenüber den ersten Nachrichten über die Zahl der von der serbischenRegierung bei Schneider in Creuzot (Frankreich) bestellten Geschütze wird von maßgebender Seite er klärt, die Angabe der genauen Zahl könne aus Gründen des staatlichen Interesses noch nicht er folgen. Die Zahl sei aber nicht so groß, wie ursprünglich angegeben worden sei. Genaue An gaben werde die Regierung der S k u p s ch t i n a, als der maßgebenden Stelle, machen. * Die Lage auf der Insel Kreta wird in Berichten, die von dort in Rom eintreffen, seit Beginn der Verwaltung des Ober- kommissars Laimis als gebessert dar gestellt. Dieser soll es verstanden haben, sich vielfach Sympathien zu erwerben, und es scheint sich die Aussicht auf eine ruhigere Zeit zu er öffnen. Die Regierungen der Schutzmächte erwarten, daß mit der Durchführung der ange kündigten Verwaltungsreformen rind mit dem Erlöschen der aufständischen Umtriebe die Vorbedingungen für eine beträchtliche wirt schaftliche Hebung der Insel gegeben sein werden. Amerika. ^Die chilenische Kammer hat den Plan bett, den Wiederaufbau der Stadt Valparaiso, die durch das gewaltige Erd beben größtenteils zerstört wurde, einschließlich der »-«»SS.«»-'- " ! O: ß)aul unä Paula. Li Novelle von Helene Stökl. (Fortsetzung.) „Ich liebe Sie von ganzem Herzen, PaM," fuhr Merlach nach kurzer Pause fort, „ich wollte Sie aus den Händen tragen und jeden Ihrer Wünsche befriedigen. Sie wissen, daß es mir nicht an äußeren Mitteln fehlt: ich würde der selben erst dann sroh werden, wenn es mir ge stattet wäre, Ihr Leben damit zu schmücken. Ihr reicher Geist sollte von keiner Schranke ein geengt werden, frei sollten Sie Ihrem eigenen Wesen folgen dürfen. Wir würden zusammen reisen, wenn Sie Freude daran hätten, und unser Zelt nur da aufschlagen, wo es Ihnen gefällt. Müßten Sie sich dann unglücklich fühlen an meiner Seite, Paula? Ich wollte ja jeden Stein aus Ihrem Wege räumen und meine Liebe unter Ihre Schritte breiten." Er hielt, von seinen Gefühlen ganz über wältigt, inne. Paula hatte tiefatmend bei seinen Worten dageseffen, jetzt fuhr sie mit der.Hand über die Stirn und sagte leise, aber fest: „Ich kann Ihnen meinen Dank für Ihre Worte durch nichts andres beweisen, als durch Offenheit. Ich Würde das Los, das Sie mir bieten, mit Freuden annehmen, — wenn mein Herz noch frei wäre." „Sie lieben einen andern?" rief Merlach ganz bestürzt. „Und doch sagten Sie eben, daß Sie niemals zu heiraten gedächten?" „Das will ich auch nicht." „Aber derjenige, den Sie lieben, wird Sie bald anders denken lassen!" „Er kennt mich nicht. Unsre Bekanntschaft währte nur einige flüchtige Tage, er weiß ja weder wie ich heiße, noch wo ich lebe." „Er wird Sie trotzdem zu finden wissen." „Und wenn er mich fände, könnte ich ihm doch nie angehören. Es liegt ein Abgrun zwischen uns, den nichts überbrücken kann." Sie erwiderte seinen forschend auf sie ge richteten Blick voll und fest. Er sah, daß es vergebens sein würde, ihren Entschluß erschüttern zu wollen, und wandte sich seufzend ab. „So bleibt mir nichts übrig, als Ihnen Lebewohl zu sagen, Paula." „Sagen Sie erst noch, daß Sie mir ver zeihen," bat diese ganz leise. „Verzeihen? Ich wollte, ich fände Gelegen- Jhnen zu zeigen, daß mein Herz Ihnen treu ergeben bleibt, auch wenn Sie dasselbe ver schmähen, und daß ich nicht zögern würde, Ihr Glück um den Preis des meinigen zu erkaufen. — Wollen Sie mir Ihr Bild schenken, Paula?" Er blickte auf ein kleines Brustbild, das über ihrem Nähtisch hing. „Wenn es Ihnen Freude macht." Sie löste es mit zitternder Hand von der Wand und gab es ihm. Er ergriff es hastig, zog die Hand, die es ihm gereicht, leidenschaft lich an die Lippen und eilte davon. Unbeweglich saß Paula da, nachdem Merlach sie verlassen hatte, und starrte in die herbstliche Landschaft hinaus. „Es gibt doch etwas Höheres als das Mück," murmelte sie leise vor sich hin, „das eigene ungetrübte Bewußtsein. Ich will mir selbst nicht untreu werden^ und Ermächtigung zur Aufnahme einer Anleihe im Bettage von einer Million Pfund genehmigt. Afrika. *Die Schar der Anhänger Ferreiras erhält auch nach einer Meldung aus Kapstadt Zulauf aus dem deutschen Expeditionskorps. Vier Buren, die dort als Treiber beschäftigt waren, desertierten und schlossen sich dem Re bellenführer an. Sie haben sich Gewehre zu verschaffen gewußt und diese mitgenommen. Die deutschen Grenz st ationen haben Be fehl erhalten, alle Buren, die bewaffnet über die Grenze auf englisches Gebiet zu gehen versuchen, zu entwaffnen. Aus der Kapkolonie wird ferner gemeldet, daß sich bis jetzt zwölf Farmer aus der Kolonie Ferreira angeschlossen hätten. Zus ÄLM Aeickstage. Der Reichstag beendete am Donnerstag die Be sprechung der Interpellation Bassermann über die internationale Lage. Staatssekretär v. Tschirschky entschuldigte in einer kurzen Rede seine Abwesen heit am Mittwoch. Er sei dienstlich nach München gegangen, um sich dem Prinz-Regenten vorzustellen. Zu unrecht werfe man ihm Biegsamkeit gegenüber der Krone vor. Sein einziger Ehrgeiz sei, ein treuer Mitarbeiter zu sein bei der notwendigen einheit lichen Leitung der auswärtigen Politik. Äbg. Lieber mann v. Sonnenberg (Wirtsch. Vgg.) stimmte der Kritik des Abg. Bassermann im wesentlichen zu. Der Reichskanzler habe sich eben so rüstig gezeigt wie früher und eben so schweigsam. Abg. Gothein (frs. Vgg.) kritisierte scharf das persönliche Regi ment. Äbg. Zimmermann (Antis.) führte aus, das Volk stehe nicht hinter der Politik der Regierung. Es herrsche großer Mißmut und die Auffassung, daß die Waffen scharf zu halten seien, um die Fehler der Diplomatie auszugleichen. — Es folgten Wahlprüfnngcn. Am 16. d. stehen zunächst auf der Tagesordnung die namentlichen Abstimmungen über die Wahlen der Abgg. Dietrich skons.) und Malkewitz (kons.). Die Wahl Dietrichs wird mit 202 gegen 117 Stimmen, die Wahl Malkewitz' nnt 177 gegen 135 Stimmen für gültig erklärt. (Stürmische anhaltende Pfuirufe auf der gesamten Linken.) Präsident Graf Ballest rem erklärt die Pfui rufe für unzulässig. Es folgen weitere Wahlprüfungen, über die Wähl des Abg. Porzig (kons.) wird Beweis erhebung beschlossen. Die Wahl des Abg. Wiltberger (Elsässer) beantragt die Kommission für gültig zu erklären. Abg. Müller-Meiningen (srs. Vp.): Nach dem Vorausgegangenen scheint es ja ein verzweifeltes Unternehmen, gegen einen Beschluß der Wahl- Prüfungskommission hier ankämpfen zu wollen. Aber in Erfüllung unsrer Pflicht wollen wir auch in diesem Falle versuchen, der Gerechtig keit freien Lauf zu geben. Daß der unterlegene Gegner Wiltbergers der Prinz Alexander Hohen lohe war, der jetzt anläßlich der Memoiren seines Vaters viel genannt wird, kommt bei der Entschei dung der Gültigkeitsfrage nicht in Betracht. Die Art und Weise, wie jetzt die Wahlen behandelt wer den, ist auf die Dauer unhaltbar. Es müssen Mittel und Wege gefunden werden, dem jahrelangen Hinausschieben der Entscheidungen ein Ende zu machen. In dem vorliegenden Falle wurde trotz vollständiger Ablehnung der Beweiserhebung die Entscheidung drei Jahre hinausgeschoben. Uns liegt jede Kulturkämpserei fern, aber bei der vorliegenden Wahl handelt es sich um die Frage, ob der zügel lose Mißbrauch der geistlichen Amtsgewalt bei den Wahlen zulässig ist oder nicht. Freilich ist gegen das Kartell der Konservativen und des Zentrums schwer anzukämpfen, zumal sich auch angebliche Liberale ihm angeschlossen haben. Selbst in den Neligionsstunden in den Schulen wurde gegen den Prinzen Hohenlohe agitiert. Aber die Kommission ist über die detaillierten Angaben des Wahlprotestes mit souveräner Verachtung zur Tagesordnung über- gegaugen. Dio Angaben wurden einfach als nicht genügend substanziiert bezeichnet. Hier handelt es sich nicht mehr um schablonenhaften Formalismus, sondern geradezu um tendenziöse Rcchtsverweige- rung. (Präsident Graf Ballestrem bezeichnet diesen Ausdruck als unzulässig.) Hat doch die Kom mission selbst erklärt, daß Wahlbeeinflussungen nicht grundsätzlich, sondern von Fall zu Fall zu beurteilen find. Das sind Grundsätze parlamentarischer Sitten losigkeit. Abg. v. Oertzen (kons.): Es liegt keine Ver anlassung vor, den Geistlichen das Recht der politischen Betätigung zu nehmen. Wer im Glas- Hause sitzt, soll nicht mit Steinen werfen. Nirgends wird mehr Terrorismus geübt als bei den Sozial demokraten. Abg. v. Gerlach (frs. Vgg.) verbreitet sich über die Wahlbeeinflussung im allgemeinen und im besonderen bei seiner Wahl. So habe beispielsweise ein Dorf ungünstig für ihn gewählt, weil das Gerücht verbreitet worden sei, wenn nian im Sinne des Landrats wähle, würde er sich für die An schaffung des Gemeindebullen aussprechen. Den Leuten war das Hemd näher als der Rock. Redner bittet dem Anträge 24 des Abg. Müller-Meiningen zu entsprechen. Abg. Blumenthal (südd. Vp.): Mt meiner Wahl ist man seinerzeit schneller fertig geworden. Die wurde schnell kassiert. Losgeworden sind Sie mich deshalb doch nicht. Man klagt über die Wahl agitation der Bürgermeister; aber was will so ein armes Bürgermeisterlein gegenüber einem Priester bedeuten, der mit Hölle und Teufel droht? Wir sind im Elsaß schon so weit wie in Frankreich, wo beim letzten Wahlkampf ein Priester erklärt bat, die Stimmzettel würden zweimal gezählt, einmal im Wahllokal und zweitens im Himmel. Während der Zeit des Wahlkampfes waren manche Predigten von Anfang bis zu Ende nichts weiter als Agitation^- reden gegen den Prinzen Hohenlohe, der doch selbst Katholik ist. Nach der Kommission soll auch das Versprechen von Wahlbier nicht unzulässig sein. Da werden Sie bei der nächsten Wahl an jede Urne einen Gendarmen stellen müssen, damit sie nicht von berauschten Wählern zertrümmert wird. Werden die Grundsätze der Wahlprüfungskommission vom Plenum akzeptiert, so wird in Elsaß-Lothringen die Ausübung des Neligionsdienstcs nur ein Akt der Wahlagitation sein. Abg. Gröber (Zcntr.): Nach einer Rcichs- gerichtsentscheidung vom Jahre 1890 hat ein Zu hörer in der Kirche gegenüber beschimpfenden Äuße rungen des Kanzelredners das Recht der Notwehr. Das sollte den: Juristen Müller-Meiningen doch bekannt sein. Aber ihm sind überhaupt eine ganze Reihe juristischer Irrtümer unterlaufen. Die Geist lichen sind nicht Staatsbeamte im Sinne des Straf gesetzbuches. (Zuruf links: Aber der Staat bezahlt sie doch!) Die Gehälter der Geistlichen sind noch nicht einmal die Zinsen des alten Kirchenvermögens. Manchmal verschmähen auch die Liberalen, so z. B. Herr Cuno in Hagen-Schwelm, die Wahlhilfe der Geistlichen nicht. Abg. Boltz (nat.-lib.)' spricht sich für Zurück verweisung der Wahl au die Kommission ans. Abg. Müller-Sagau (frs. Vp.) kritisiert die Tätigkeit der „sogen. Wahlprüfungskommission", in der das Prinzip walte: „Macht geht vor Recht" und stellt namentliche Abstimmung auch über diese Wahl in Aussicht. Präsident Graf Ballestrem: Im Gegensatz zu dem Abg. Müller-Sagan bin ich der Meinung, daß wir die beantragte namentliche Abstimmung noch heute vornehmen könnten, da ja die Kollegen unterrichtet sind, daß heute namentliche Abstimmungen stattfinden. Abg. Fischer- Berlin (soz.) bezeichnet die Be hauptung, daß in Schwerin sozialdemokratische Stimmen für den Konservativen abkommandiert worden seien, als ein Ammenmärchen. Seit Abg- Spahn nicht mehr das Zentrum in der Wahl- Prüfungskommission vertritt, hat das Zentrum die reine Willkürherrschaft proklamiert. Das Zentrum wandelt den Weg, den die einstmals auch großen Nationalliberalen gegangen sind. Wenn Sie keine neuen Erhebungen wünschen, so zeigen Sie damit, daß Sie solche fürchten. Abg. Blumenthal (südd. Vp.): Die Geist lichen sollen nicht in der Freiheit der Agitation in Wahlversammlungen beschränkt werden. Nur die Berufung auf ihr geistliches Amt muß unter bleiben, eS sei denn, daß die Kirche, wie in Frank reich, unter da? gemeine Recht gestellt wird. Da muß aber in der Kircbe vor jeder Predigt erst ein Bureau gewählt werden und nach einer gewiß sehr erbaulichen Predigt eines hochgelehrten Jemiten- patcrs des Abg. Müller-Meiningen zu Worte kommen. Wir wollen natürlich keine Beweis erhebungen über solche Kleinigkeiten, wie über die Behauptung des Pfarrers Delsor, Prinz Hohenlohe wolle nur deshalb zum Reichstagsabgeordneten ge wählt werden, um au den parlamentarischen Abenden bei den Ministern recht viel Bier trinken zu können. Nach weiterer Debatte wird der Antrag Mülle" Meiningen auf Beweiserhebung in namentlicher Ab stimmung mit 157 gegen 142 Stimmen abgclehnt, die Wahl des Abg. Wiltberger wird für gültig er klärt. Über die Wahl des Abg. v. Massow (kons.) wird nach dem Anträge der Kommission Beweiserhebung beschlossen. Darauf vertagt sich das Haus. ^on unä fern Stiftung für das neue Museuui. Ter Fabrikbesitzer Ludowici in Landau (Pfalz) spendete für das Münchener Deutsche Mussum 20 000 Mk. könnte ich damit alles Glück der Welt erkaufen." — Da klopfte es an die Tür ihres Zimmers und ihr Onkel trat herein. „Nun, Paula, schon allein? Wo ist Merlach? Du hast doch „ja" gesagt?" „Nein, Onkel." Dieser kam erschrocken näher. „Das kann dein Ernst nicht sein!" „Gewiß ist es mein Ernst." „Kind, Kind, Merlach ist so gut und ehren wert und liebt dich so herzlich!" „Ich weiß es wohl, aber ich kann seine Liebe nicht erwidern." „Paulachen", der Onkel trat bittend vor sie hin, „überlege dir das noch einmal. Warum solltest du ihn denn nicht lieben können? Sei doch mein verständiges Mädchen." „Ich habe es wohl überlegt." „Wer nm des Himmel Willen, was für einen Grund kannst du haben, ihn abzuweisen?" „Ich will dir den Grund sagen, Onkel, aber unter der Bedingung, daß du versprichst, mir nie wieder vom Heiraten sprechen zu wollen." „Was kann das sein?" „Es hängt mit meiner Reise nach Triest zu sammen," fuhr sie zögernd fort. „Mit deiner Reise nach Triest?" wiederholte der Onkel gedehni. „Ja, wenn du aber so ernst dreinschaust, kann ich es dir nicht erzählen." „Rede nur, Kind." „Setze dich hierher, Onkelchen," sie zog ihn zu einem Lehnsessel, „und nimm mich auf deine Knie, wie du es früher immer tatest. So!" Sie schlang die Arme um seinen Hals und legte ihr Haupt auf seine Schulter. „Nun sage mir zuerst: wird es dich sehr überraschen, wenn du hörst, daß deine Paula nun wieder etwa? Törichtes getan hat?" „ „Nicht allzusehr, glaube ich, mein Kind. Er strich lächelnd über ihr glänzendes Haar. „Das ist gut, Onkel, denn etwas übr Törichtes wirst du zu hören bekommen. Du weißt ja, wie es mir auf meiner Reise giM Die Familie S. blieb in Wien, ich fuhr na« Graz, um bei deinen Bekannten dort Begleitung zn finden — sie waren verreist. Da stand ich nun ganz allein und wußte nicht, was tim- Nmkehren wollte ich nicht, ich verwarf den Ge danken daran, sobald ich ihn gefaßt hatte. Wss hatte ich mich auf die Reise gestellt, und nue viele Mühe hatte es gekostet, die Einwilligung der Tante dazu zu erlangen, und jetzt sollte i« umkehren, ohne etwas von der Welt gesehen M haben? Ich konnte es nicht. Die Reisslun war stärker als ich. Aber wie sollte ich reisen. Schon meine Fahrt von Wien und mein kurze: Slufenthalt in Graz hatten mir mancherlei Ver legenheit bereitet; wie sollte es ferner werden Ist es für ein junges Mädchen überhaupt nM angenehm, allein zu reisen, selbst wenn daM^ ein ganz bestimmtes Ziel vor sich hat, so kann es doch noch viel weniger daran denken, eine Vergnügungsreise ohne Begleitung antteten wollen, nach seinem Belieben im Lande umher- streifen, Fußwanderungen zu machen, hier ver^ weilend und da verweilend, wo es ihn: gera^ gefällt; das geht nun einmal nicht." . „Aber Paula," schaltete der Onkel verwundet ein, „du reistest ja doch allein?"
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