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Die „Dttendoifer Zeitung" erscheint Dienstag, Donners tag und Sonnabend abends. Bezugspreis vierteljährlich t Mark. Durch die Post bezogen 1,20 Mark. Lokalzeitung für die Ortschaften Ottendorf-Okrilla mit Atoritzdorf und Umgegend. Mit wöchentlich erscheinender Sonntagsbeilage „Illustriertes Unterhaltnngsblatt", sowie der abwechselnd erscheinenden Beilagen „Handel und Wandel", „Feld und Garten", „Spiel und Sport" und „Deutsche Mode". Annahm« »«n Ins«rat«n bi, »«mittag zo Uhr. sInserate werden mit,o Pf üfiir di» Spaitzeile berechn» Tabellarisch,r^Satz nach besonderem Tarif Druck und Verlag vsr« Hermann Rühle in Groß-Gkrilla. Für dir Redaktion verantwortlich Hermann Rühle in Groß-Vkrilla Nr. 140. Mittwoch den 21. November 1906. 6. Jahrgang. Oertliches und Sächsisches. Vttcndorf-Dkrilla, den 20. November ^os —* Eine Ermäßigung einer Gebühr der Post ist jetzt vom Staatssekretär des NeichS- PostamtS im Vertretung des Reichskanzlers angeordnet worden. Die Gebühr sfür das Abtragen der Postanweisungen und der Briefe mit Wertangabe nach dem Landbestellbezirke beträgt 10 Pfg, für das Stück- Diese Gebühr wird aus 5 Pfg. für das Stück ermäßigt. Die Herabsetzung wird am 1. Dezember ein geführt. Die Gebühr für das Abträgen der Postanweisungen und der Briefe mit Wert angabe im Landbestellbezirk wird dann mit der Orlöbestellgebühr gleichgestellt Damit wird eine der Ungleichheiten des Bestellgeldes be seitigt. Sie bestehen nock bei der Bestellung von Pak-ten. Hier ist bekanntlich das Bestell geld nach der Klasse der bestellenden Post anstalten abgestuft- Es dürste nur eine Frage der Zeit sein, wenn auch für Pakete ein und dasselbe Bestellgeld für das ganze Reichspost gebiet eingeführt würde. —* Ausbesserung der Gehälter der sächsischen Eisenbahnbeamten. Der Landesverein für Wohlfahrtöcinrichtungen zum Besten sächsischer Staatsbeamten, verschiedene einzelne Bsamten- kategorien, besonders aber der Aspirantenverein bei den Staatseiscnbahnen, der sich zu einem die ganze sächsische Staatseisenbahn-Beamten schaft umschließenden Verein organisieren wird, haben auf die Notwendigkeit einer durch greifenden Ausbesserung der Beamtengehälter die Regierung in einer Denkschrift hingewiesen Nun bereitet auch der Vorstand des Vereins der Beamten der sächsischen Staatseiscnbahn eine Eingabe an die Staatsregierung vor, in der ebenfalls eine durchgreifende Aufbesserung nahegelegt werden soll. In dieser Eingabe sollen die berechtigten Wünsche der sächsischen Eisenbahnbeamten unter eingehender Begründung zum Ausdruck gebracht werden. Man hofft, daß als oberster Grundsatz bei einer in das Auge gefaßten Neuregelung der Beamlen- gehälter das Wohnungsgcld der sächsischen Staatsbeamten penfionsberechtigt gemacht, also zur Pension geschlagen wird. Dresden Auf der Neustadter Seite wurde am Sonntag unter dem siebenten Bogen der AugustuSbrücke einem Wasssrtümpel die Leiche eines 19 jährigen Dienstmädchen vorgefunden. Nach den angestelllen Erörterungen liegt Selbstmord vor. — Auf einem Ausfluge verunglückte am Sonntag Abend ein hiesiger Student dadurch, daß er vom Pfaffrnstein bei Niederpoyritz ab stürzte, wobei er mit dem Kopfe an einem Baum aufschlug. Ec hat einen schweren Schädelbruch erlitten. Ullersdorf. Am Sonntag abend in der zehnten Stunde brach hier in der Scheune des Gutsbesitzers l! cmpel Feuer aus, das mit rasender Schnelligkeit um sich griff und schließlich auch das Seitengebäude erfaßte. Die Scheune war bis unters Dach mit Erute- vorräten gefüllt, die ebenso wie sämtliche land wirtschaftliche Maschinen ein Raub der Flammen wurden. Auch zwölf Gänse fanden den Tod in zden Flammen. Man vermutet Brand stiftung. Meißen. Am Sonnabend früh ist in einem Gebäude des Jakobiwerkes zu Meißen, worin sich die Gelbgießerei nebst dem dazu ge hörigen Trockenraume befindet, ein Schaden feuer entstanden, das den Dachstuhl, sowie mehrere daselbst aufbewahrte Modelle ver nichtete. Der Schaden wird auf einige Tausend Mark geschätzt. Kleinthtemig. Ein dreister Dieb hat hier in der Nacht vom Sonnabend zum Sonntag in der 3. Stunde den Stall des Hausbesitzers Krille erbrochen und aus diesem eine Ziege herausgeholt. Auf dem Hofe hat er sodann das Tier abgcstochen und mit einem ebenfalls aus dem Stalle weggenommenen Beile er ¬ schlagen. Ein auf dem Hofe Vorgefundener Handleiterwagen sollte offenbar zum Transport der gestohlenen Ziege dienen. Durch der letzteren Röcheln wurde jedoch Frau Krille wach, dis ihren Mann herzurief, worauf der Dieb, seine Beute zurücklassend, in der Richtung Kleinraschütz-Wildenhain eiligst Reiß aus nahm. Das Beil chat er erst auf einem Nachbargrundstücke sortgewocfen. Freiberg. Unter der Studentenschaft der hiesigen Königlichen Bergakademie herrscht seit einiger Zeit eine gewisse Erregung, die durch daß scharfe Vorgehen der Polizei gegen die Studenten bei harmlosen Scherzen und ernsteren Ausschreitungen hecvorgerufen ist. Diese Ver stimmung kam in einer am Freitag Abend vom Verband der Studierenden einberufenen allgemeinen Studentenversammlung, die seitens der Kommilitonen äußerst zahlreich besucht war zum Ausdruck. Der akademische Senat und das Professoren-Kollegium waren fast vollzählig vertreten. Den besonderen Anlaß dazu bot ein Vorgang, der sich am 25. Juli, 11 Uhr abends, auf dem Obermarkt abgespielt hat und bereits Gegenstand gerichtlicher Verhandlung in erster Instanz (Schöffengericht) gewesen ist. Der Brrgakadcmiker Viltinghoff-Scherl fuhr an dem genannten Abend mit einem Kommilitonen einen Handwagen über den Obermarkt und wurde dann von dem Schutz mann Schneider in äußerst scharfer Weise aufgefordert, den Wagen an Ort und Stelle zurückzubringen. Bei der Feststellung der Person fiel die Legitimationökarte des V. auf die Erde, worauf er von dem Schutzmann auf gefordert wurde, diese aufzuheben. V- weigerte sib, und schließlich hob der Schutzmann selbst die Karte auf. Als V. sich darüber belustigt zeigte, wurde er vom Schutzmann an die Brust gefaßt und zweimal hin- und herge stoßen. Darauf schlug der Studierende dem Schutzmann zweimal ins Gesicht. Auch ein anderer Schutzmann bekam eins ab. Trotz seiner Versicherung, freiwillig mitgehen zu wollen, wurde V- von dem Schutzleuten ge waltsam nach der Wache gebracht und dort von 10 Schutzleuten und auch vom Wacht meister gröblich beleidigt, wie V. ehrenwörtlich versichert. Am anderen Morgen wurde V. von der Wache gefesselt durch zwei Schutzleute nach dem Gerichtsgefängnis gebracht und auch hier bei Vorführungen an eine lederne Fessel genommen. Gegen die Behandlung durch die Schutzleute und die Fesselung, trotz der Ver sicherung, freiwillig mitgehen zu wollen, richtete sich die Tagesordnung der Versammlung. Der Rektor der Akademie, Oberbergcat Professor Dr. Papperitz, erklärte, daß, nachdem unzweifel haft die Person festgestellt war, die Fesselung vollständig ungerechtfertigt gewesen sei, weil namentlich auch am andern Morgen ein Flucht versuch picht anzunehmen war. Die Be handlung durch die Scheutzleute sei eine un würdige und das Verfahren ein unziemliches und ungeschicktes gewesen, hart und grausam einem Manne gegenüber, der erklärte, freiwillig zu folgen. In der zum Schluffe angenommenen Resolution gibt die Versammlung ihrer schärfsten Entrüstung Ausdruck über das Verhalten der Polizei, das in veischiedenen Fällen Anlaß zu Beschwerden gegeben habe und ein direkter Uebergriff gewesen sei, als sie den Studierenden Vittinghof-Schsrl trotz seiner Erklärung, mit gehen zu wollen, und nach erfolgter Legitimation gefesselt führte. Gegen eins derartige un würdige Behandlung werde energisch protestiert. — Der Architekt und Baumeister Göpfert führt als Stadtverordneter sowie als Bau unternehmer einen scharfen Kampf gegen (die hiesigen Bauvorschriftm und gegen Beamte des Bauamts. In einer früheren Sitzung des Stadtverordneten-Kollegiums hatte ec einen Antrag gestellt und begründet, der darauf hinzielte, den derzeitigen Bausachverständigen, Bauinspektor Berger, aus seiner Stellung als Bausachverständigen zu entfernen. In der letzten Sitzung gab nun der Rat eine Er klärung ab, durch die er den Beamten energisch in Schutz nimmt, andererseits aber zugibt, daß die Ortsbauordnung in ihrer jetzigen Gestalt teils nicht allenthalben ausreicht, teils Mcht völlig einwandfrei erscheint. Auch wird eine Aenderung der Ordnung in Aussicht gestellt. Andererseits wird aber in der Erklärung fest gestellt, daß Baumeister Göpfert in seinen An trägen und Wünschen vielfach zu weit ge gangen sei. Göpfert erklärte in seiner Ant wort, daß er alles aufrecht erhalte. Leipzig. Die Handelskammer hier warnt vor einem „Bank- und Kommissionsgeschäft", welches Darlehen zu vermitteln verspricht, seine „Tätigkeit" aber lediglich auf die Erlangung von Vorschüssen seitens der Darlehensuchenden richtet. Es handelt sich hierbei, wie wir be stimmt wissen, um die Firma Erich Medel, Weststraße 27. Der „Prokurist" dieses Bankgeschäfts, Schwiegersohn des Riedel, ein früherer preußischer Polizeikommiffar, sitzt in Uniform im Bureau und läßt diejenigen, welche grob werden, tüchtig „abfahren." Nach dem Bericht einer hiesigen Zeitung dürften sich nun mehr wohl die Behörden mit dem „Bank geschäft Riedel" befassen. Meerane. Auf dem Heimwege von Gößnitz nach Tautenhain traf der 19 Jahre alte Maurer Florus Krause aus Tautmhain den Dienstknecht Häring und geriet mit diesem aas geringfügigen Anlässe in Wortwechsel. Im Verlaufe des Streites zog Krause sein Taschenmesser und brachte dem Häring eine mehrere Zentimeter tiefe Wunde am Halse bei sodaß der Getroffene blutüberströmt und be wußtlos zusammenbrach Wohl war sofort ärztliche Hilfe zur Stelle, jedoch der Zustand des H. ist lebensgefährlich. Plauen. Von einem großen Schadenfeuer wurde die Gardinenfabrik Schultz und Liene mann heimgesucht. Das Feuer ist durch Selbstentzündung entstanden. Die Druckerei und Zeichnerei der Gardinenfabrik wurden zerstört. Der Brandschaden beläuft sich auf viele Tausend Mark. Vernichtet wurden be sonders auch viele wertvolle Schablonen, Warenvorräte usw. Aus der Woche. Es sah einige Tage lang aus, als ob das liberale Ministerium in England am Ende seiner Wissenschaft angelangt und auf dem Punkt sei, die Führerschaft in andere Hände zu legen. Aber Herr Campbell-Bannermann hat noch einmal die Heerscharen der liberalen Parteien unter der Fahne des Landpachtgesetz entwurfes gesammelt und wird wohl nun noch auf einige Zeit im Londoner Parlamentsge- bäude der erste Mann sein. Daran vermag auch nichts der unangenehme Burenputsch zu ändern, den ein Freischärler, der auch in der deutschen Trupp- schon gedient hat, vor einigen Tagen einrührte. Mit 13 Mann brach der Burenheld über die Grenze der Kapkolonie und überfiel zwei Polizeistattonen, wahrscheinlich in der Hoffnung, man werde seinen privaten Hauptzug in Burenkreisen als patriotischen Befreiungsversuch auffaffen und sich ihm in Hellen Scharen anschließen. Aber nur einige fragliche Elemente sind zu seinem Zuge ge stoßen und — lein Mensch weiß, ahnt oder kann begreifen, was sie bezwecken — ziehen nun landeinwärts. Die englische Regierung aber biete! eine staatliche Truppenmaffe ach um die Rebellen zu fangen, was natürlich nicht durch Mut, Ausdauer und Geschicklichkeit er reicht, sondern nur mit Hilfe des neckischen Zufalls vollbracht werden kann. — In Frank reich hat sich die Begeisterung über das neue Kabinett gelegt. Es kam in der Deputierten kammer gelegentlich der Beratung des TrennungögesetzeS schon wieder zu ziemlich er regten Szenen. Nach wie vor hält der Widerstand der Kirche gegen die Ausführung der Bestimmungen des Trennungsgesetzes an und es wird wahrscheinlich noch verstärkt, wenn der heil. Vater in Rom erst am 6. Dezember seine Ansprache gehalten haben wird, die die Katholiken ermahnen soll, festzuhalten an der Kirche. Aber die Republik hat auch noch andre Sorgen. Väterchen und sein Land brauchen wieder Geld! Wer braucht daß schließlich in unsern Zeitläuften nicht; aber drüben im Zarenreiche braucht man viel, sehr viel, ungeheuer viel Geld. Da nun aber die französische Finanzwelt durch die fortwährende Pumperei schon einigermaßen mißtrauisch ge worden und die Stimmung in Frankreich gegen Rußland nach dem jämmerlichen AuSgang des russisch-japanischen Krieges überhaupt schon be deutend kühler geworden ist, so sieht es mit der Auflage der Anleihe nicht sehr erfolgver sprechend aus. Das G-ld aber muß geliehen werden, will man nicht die der Welt so oft mit großem Nachdruck verkündete Freundschaft zur bloßen papierenen Höflichkeitsbezeugung -erabwürdigen. —Väterchen aber lacht sich ins Fäustchen. Ihm hat die „antönts ooräials" mit Frankreich noch keinen Nachteil gebracht, aber sie hat ihm geholfen, große Schwierigkeiten während der russischen Revolution zu über winden. Was dis inneren Angelegenheiten im Zarenreiche anlangt, so ist nicht viel da rüber zu sagen. Wenn man täglich die Nachrichten aus aller Welt vergleicht, die über Mord und Raubtaten berichten, so kommt man nachgerade zur Uebcrzeugung, daß die Ver brecher gegen Leben und Eigentum, die im Zarenlande begangen werden, mit der Politik nicht eben viel zu tun haben. Sie geschehen m jedem Lande, auch da, wo die sozialen Ur sachen der verabscheuungswürdigen Verbrechen nicht so klar zutage treten wie in Rußland, wo weite Länderstrecken verzweiflungsvollcm Hungerdasein ausgesetzt sind. — König Haakon von Norwegen, der sich nun wohl in die Herrscherwürde, die ungewohnte, eingelebt hat, wird seine Antrittsbesuche an den ^europäischen Fürstenhöfen machen. Da er jedoch keinen Minister in seiner Begleitung hat, scheint eS, als ob seine Reise neben der Erfüllung her kömmlichen höfischen Brauchs keinen politischen Zweck hat. Von England, wo er augenblicklich weilt, wird der „jüngste König" wohl zu uns nach Deutschland kommen. — Kaiser Franz Joseph wollte sich längst schon von höfischen Empfängen fernhalten, da aber der König, von Griechenland den greisen Kaiser ziemlich un erwartet besuchte, muß er nun wohl oder übel auch König Haakon empfangen. Etwas be ruhigter darf der Monarch auf die Lage in seinem Lande blicken. Die Wahlreform, die lange und heißumstrittene, ist in wenigen Tagcn unter Dach .und Fach und auch die Ausgleichsoechandlungen mit Ungarn scheinen endlich zu einer beide Teile befriedigenden Lösung zu führen. Es wäre dem alten Kaiser von Herzen zu gönnen, daß sein Lebensabend verschönt würde durch das Be wußtsein, ein Ziel noch erreicht zu haben, das zu erlangen harte jahrelange Kämpfe ver ursacht und vielen peinlichen Kummer bereitet hat. — Das große Ereignis der Woche war des Fürsten v. Bülow Antwort aus die An frage über die Stellung Deutschlands in der Welt, die im Reichstage erfolgte. Die Rede zeigte ganz den früheren Kanzler vor seiner Erkrankung im April. Freundlicher Humor, funkelnder Witz und interessante Erinnerungen lösten sich in gefälligem Reigen ab. Die Rede des Fürsten war eine interessante Plauderei, die sich zu geschichtlicher Kritik er hob, als der Kanzler dem toten Bismarck seine Huldigung in den Worten darbrachte: „Er soll uns die Feuersäule sein, die der Nation vor anleuchtet!" Mehr als die zögernden und unvollständigen Auskünfte, die der Kanzler über Deutschlands Weltpolitik gab, sind diese Worts dazu angetan, daß deutsche Volk zu beruhigen. jZu Biömarckischen Wegen hat Deutschland noch immer Vertrauen gehabt.