Suche löschen...
Ottendorfer Zeitung : 02.11.1906
- Erscheinungsdatum
- 1906-11-02
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Privatperson
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1811457398-190611027
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1811457398-19061102
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1811457398-19061102
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Ottendorfer Zeitung
-
Jahr
1906
-
Monat
1906-11
- Tag 1906-11-02
-
Monat
1906-11
-
Jahr
1906
- Titel
- Ottendorfer Zeitung : 02.11.1906
- Autor
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Ein -oraubtes Postamt. Das Postamt Woselev bei Pisek wurde durch Einbrecher aus geraubt, die Kasse erbrochen und zahlreiche Wertpapiere, Sparkassenbücher und Juwelen in hohem Werte entwendet. Die Täter sind un bekannt. Ein irrsinniger Wettbummler. Der „Weltbummler" Metzinger kam in Begleitung eines Polizeimanns aus Feldkirch in Innsbruck an und wurde in die Irrenanstalt Hall weiter- befördert. Metzinger, geboren zu Wieselburg in Ungam, war Student der Technik und wettete um 60 000 Kronen, daß er alle Erdteile ohne Geld zu Fuß durchwandern werde. In Wiesbaden, Siena und Krakau wurde er ver haftet, auf telegraphische Anfrage aber wieder freigelassen. In der Sahara wurde er von Babuinen überfallen; sein Begleiter verlor da mals durch einen Schuß das Leben. Im Zdobaer Walde bei Kaschau wurde Fiebinger von Zigeunern beraubt. Nunmehr wurde er in Vorarlberg wegen Gewaltigkeiten verhaftet, in Feldkirch vor Gericht gestellt, aber wegen Irrsinns freigesprochen. Tas Ende eines Pariser Originals. Ganz Paris kannte einen alten Dienstmann, genannt „Der Abschneider", dessen Spezialität es war, Gehängte abzuschneiden. Echivard hatte aus dieser traurigen Verrichtung einen besonderen Geschäftszweig gemacht. Hatte man einen Gehängten aufgefunden, so suchte man sofort „Vater" Echivard in seiner Wohnung an der Ecke der Rue Saint. Denis und des Boulevards: „Schnell! Es wartet einer auf Sie." Und der „Abschneider" lief im Galopp. Wie viele Kunden er schon abgeschnitten hat? Er zählte sie schon lange nicht mehr. Jetzt hätte der alte Mann selbst einen Nachfolger gebraucht; er hat sich nämlich in seiner kleinen Wohnung aufgehängt! Vor einigen Monaten hatte er seine Frau verloren, und seitdem er zählte er nicht mehr mit der alten Lebhaftigkeit des Südfranzosen die Einzelheiten seiner letzten Tätigkeit. Seit acht Tagen hatte man ihn nicht mehr gesehen, und als mau die Tür seiner Wohnung aufbrach, sah man ihn in der Lust schaukeln und fand auf dem Tisch einen Brief, in dem er einen benachbarten Dienstmann zu seinem Nachfolger empfahl. „Ich sage Ihnen, Herr Kommissar," hieß es darin, „er trifft es beinahe so gut wie ich; drei oder viermal braucht er sich noch zu üben, und er wird es mir gleich tun." etz. Die Hochzeitsgeschenke des Königs. König Eduard VIII. von England entdeckte vor einiger Zeit, daß er für Hochzeitsgeschenke jährlich nicht weniger als 600 000 Mark ausgibt. Er war über die Höhe der Summe überrascht und ordnete sofort an, daß in Zukunft Hochzeits- gefchenke wohl von ausgezeichneter Qualität, aber weniger kostbar sein sollte. Auch befahl er, daß alle Geschenke, die in seinem Namen ge macht werden, ihm zuerst vorgelegt werden müssen. eli. Eine Briefmarke für 114» Mark. In einer zweitägigen Auktion seltener Brief marken erzielte in London eine englische! Schilling- Marke mit dem Kopf des Königs Eduard in Grün und Scharlach den hohen Preis von 1140 Mk. Dieser Preis wurde wegen der großen Selten heit der Marke bezahlt, denn die ganze Ausgabe wies einen Prägefehler t.uf und die englische Negierung ließ sofort nach dem Druck fast alle Marken einziehen und vernichten. Eine neue wissenschaftliche Expedition ins südliche Abessinien wird Don Livio Gaetani Sermoneta, der italienische Legations sekretär, der während der Belagerung von Peking und später der Gesandtschaft von Addis Abeba zugeteilt war, unternehmen. Die Forschungs reise wird ins Gebiet des Omo, des Marghe rita- und Nudolfsees und in die nördlich davon gelegenen, bisher noch unerforschten Gebiete gehen. Don Sermoneta wird von einem weißen Photographen begleitet werden. Die Kara wane besteht aus 36 Askari und 79 Reit- und Packtieren. Ein eigenartiger Kirchendiebstahl er regt in Sevilla (Spanien) großes Aufsehen. In der Kathedrale von Sevilla wurde ein skandalöser Diebstahl begangen. 43 Miniaturen- Chorbücher, herrliche Werke von Koloriereru aus dem 15. und 16. Jahrhundert, sowie ein Ge mälde von Alfonso Cano wurden entwendet. Der Wert der gestohlenen Kunstwerke stellt sich ^mf zwei Millionen Pesetas. Das Gemälde won Alfonso Cano und mehrere Miniaturen wurden bei einem Sevillaner Antiquitäten händler aufgefuuden. Den Rest hofft man bei Barcelonaer und Madrider Händlern zu finden. Ein Chorhüter, der im Verdacht steht, den Diebstahl begangen zu haben, wurde verhaftet. Nach 2» Jahren. Im Massiv von Vanoise (Savoyen) hat ein savoyischer Gemsjäger am Fuße des Gletschers von Gebroulaz in der Höhe von 3300 Meter den Leichnam eines in der Hildebrandtstraße als eine Fortsetzung der gesetzlichen Maßnahmen gegen die Krawalle aus dem Striegauer Platz anznsehen seien, also als Ausfluß einer gesetzlichen Maßregel, die im Sinne des Tumultgesetzes haftpflichtig sei. über die Differenzen in der Höhe des Schadenersatzanspruches soll in einem späteren Termin eine Einigung erzielt werden. X Lemberg. Wegen Erpressung unter Todes androhung hatte sicch der Graf Ladislaus v. Zie linski, ein angeblich flüchtiger Offizier der russischen Armee, vor einem Erkenntnissenate am Landgericht zu verantworten. Der Angeklagte hatte im Juli d. an den in Lemberg ansässigen Grafen Artur von Rußkowski ein Schreiben gerichtet, in welchem ihm und seiner greisen Mutter der Tod angedroht wurde, falls er nicht eine näher bezeichnete größere Summe Geldes für die Zwecke eines „anarchistisch kommunistischen Komitees" in Lemberg zur Ver Lllck auf clen päpstlichen Palast in Avignon. Dieser imposante alte Bau, der sieben Jahrzehnte lang den Päpsten während ihres babylonischen Exils eine starke Zufluchtsstätte gewesen war, wird in nächster Zell den sehr notwendigen Reparaturen unterzogen werden; denn länger als ein Jahrhun dert hat diese ehrwürdige Feste Kasernendienste ge leistet, und jetzt erst ist das dort kasernierte Regi ment in einem neuen Gebäude in der Nähe der Stadt untergebracht. Vom Papst Benedikt XII. im Jahre 133 t begonnen, mußte der mächtige Bau bis zum Jahre 1513 mit der Beendigung der Anbauten und Vergrößerungen warten. Ursprünglich hatte er nur die Gemächer des Papstes, eine Kapelle und einen Klosterbau mit riesigen Gängen und Vier- Türmen aufzuweisen. Auch nachdem die Päpste den Palast verlassen hatten, stand sein Ausbau nicht still, aber unter Len Belagerungen des 15. Jahrhunderts, dann unter den verschiedensten profanen Diensten, zu denen das monumentale Gebäude gemißbraucht wurde, hatte seine Schönheit arg zu leiden. Künstlerhände hatten es mit herr lichen Gemälden geschmückt. Sie wurden über tüncht und einige der schönsten Kapellen durch Um bauten vollständig entstellt. Zur Zeit der franzö sischen Revolution wurde ein Gefängnis, dann eine Kaserne aus der Feste gemacht. Aber trotz aller Verherungen ist der Palast noch jetzt ein wunder volles Baudenkmal, dem die geplanten Restau rierungsarbeiten in großem Stile den größten Teil seiner verloren gegangenen Pracht wieder geben sollen. Mannes entdeckt, der vermutlich 20 Jahre dort gelegen haben muß. Die Leiche war in drei Teile geteilt. Die Persönlichkeit des Abgestürzten ist unbekannt. GeriMsballe. Breslau. In dem Prozeß des Flaschen spülers Biewald, dem bei den Krawallen hierselbst von einem nicht ermittelten Schutzmann die rechte Hand abgchauen wurde, gegen die Stadtgemciude Breslau erkannte die 5. Zivilkammer des Land gerichts den Anspruch Biewalds auf Entschädigung durch die Stadtgemeinde als berechtigt an. Der Vertreter der Stadt Breslau hatte beantragt, die Klage abzuweisen. Die Gegenseite habe die an genehme Aufgabe, einem Unglücklichen zu seinem Rechte zu verhelfen, und der Magistrat von Bres lau erkenne durchaus an, daß Biewald ohne Schuld sei. Der Tatbestand, wie die Gegenseite ihn gebe, werde nicht bestritten, und es sei der Wunsch des Magistrats, ausdrücklich festzustellen, daß ihm an einer Verschleppung dieses Prozesses nichts liege. Biewald habe aber selbst im Krawall prozeß bekundet, daß zur Zeit des Vorfalles die Straße menschenleer war. Das Tumultgesetz gehe aber davon aus, daß der einzelne zu schützen sei, weil er in dem Drängen der Menge bei einem Tumult einen großen Teil seiner Vcrfügungs- fähigkeit verliere. Dieses Gesetz könne also hier nicht Anwendung finden, da in der Hildebrandt- stratze gar kein Auflauf stattgefunden habe. — Urteil: „Der mit der Klage beabsichtigte Anspruch wird von der Kammer grundsätzlich anerkannt." In der Begründung heißt es, daß die Vorgänge fügung stellen werde. Der so Bedrohte übergab den Brief der Staatsanwaltschaft, welche gegen den Grafen Z. bas Strafverfahren einleitcte. Das Urteil lautete auf eine sechsmonatige, mit einem Fasttage in jeder Woche verschärfte Kerkerstrafe, Adelsverlust und Ausweisung aus Österreich. ^eues vom Köpenicker Käuberdauptmann. Wilhelm Voigt, der am Freitag morgen unter dem Verdacht, der Köpenicker Hauptmann zu sein, von mehreren Kriminalbeamten in einem Hause der Langestraße zu Berlin am Kaffee tisch sitzend überrascht und verhaftet wurde, wird gegenüber den ihn vemehmenden Beamten immer gesprächiger. Er hat jetzt eine genaue Darstellung seiner Vorbereitungen zu dem Köpe nicker Handstreich gegeben. Nach den Mitteilungen Voigts war er zwei Tage vor der Tat in Nauen, um dort noch einige „Offiziersstudien" zu machen. Er traf dort 50 Generalstabsoffiziere, die die Funken- station besuchten, und es gelang ihm, als Zivilist mit hineinzukommen. Nach der Besichti gung fuhr er nach Hause, um sich auszuruhen und für den geplanten Coup zu stärken. Am 26. Oktober, dem Tage des Handstreichs, stand er früh um 3 Uhr auf, holte sich die Uniform stücke, die er in einem Paket auf einem Bahn hofe zur Aufbewahrung gegeben hatte, und ging damit nach der Jungfernheide. Dort zog er sich die Uniform im Freien an und sah sich, so gut es ging, noch etwas in dem Gelände um, in dem er die Wachtkommandos abfassen wollte. Dann fuhr er nach Köpenick, um sich dort die Lage anzusehen; da die ihm begegnenden Arbeiter ihn „belästigten", ging er in die erste beste Kneipe. Dann sah er sich in der Stadt und am Rathaus um. Den Lageplan und dementsprechend auch seinen Operationsplan hatte er in kurzer Zeit im Kopfe. Nun fuhr er wieder nach dem Norden Berlins. Um nicht mehr als nötig Offizieren zu begegnen, betrat er das Jnstilut für Gärungsgewerbe in der Seestraße. Daß man ihn dort fortgewiesen habe, bestreitet Voigt. „Wer hätte wohl auch gegen ihn, den bescheidenen alten „Hauptmann", unfreundlich sein sollen ?" Dann besuchte er die Gastwirtschaft von Reichel in der Seestraße, wo et sich be kanntlich bis zur Ablösung der Wache aushielt. Die Soldaten holte er Mr mft einem kurzen Befehl heran. Das Befehlen überließ der „Hauptmann" jetzt dem ältesten Gefreiten. Er gab nur hin und wieder leise eine Instruktion. Daß sein Zug gelingen werde, bezweifelte er keinen Augenblick. Mit der größten Zuversicht fuhr er mit den Soldaten nach Köpenick. Seine „Legitimation" stand hinter ihm. Wäre es im Rathause jemand eingefallen, ihm Widerstand zu leisten, so hätte er ihn sofort von den Gendarmen in ein Zimmer sperren und isolieren lassen. Sonst hatte er nicht die Absicht, irgendwie Gewalt anzuwenden. Kaum 400 Mark Schaden wird die Stadt Köpenick, wie nunmehr feststeht, durch den Raubzug Voigts erleiden. Infolge einer Äußerung Voigts bei seiner Vernehmung fanden nämlich noch neue Haussuchungen statt. Dabei wurde in einem Versteck noch ein größerer Geldbetrag gefunden, so daß die Stadt Köpenick, die das Geld zurück erhält — abgesehen von der ausgesetzten Belohnung von 1000 Mark — noch nicht 400 Mark verliert. Die genaue Höhe wird sich erst im Laufe der gerichtlichen Unter suchung ergeben. Dem Kassenräuber, der inzwischen unter Anwendung aller Vorsichtsmaßregeln nach dem Untersuchungsgefängnis in Moabit überführt worden ist, ist bereits ein Anwalt als Ver teidiger zur Seite gestellt worden. Eine Ver wandte Voigts hat den Rechtsanwalt Dr. Schwindt mit der Vertretung beauftragt. Dieser wird dem Beschuldigten im Laufe der nächsten Woche den ersten Besuch abstatten. Seine „Aus sichten" hält Voigt für nicht sehr günstig. Er fürchtet, daß das Gericht ihn strenger heran nehmen werde als jeden andern. Dagegen meint er, komme es ihm wieder zugute, daß von dem schwersten Verbrechen keine Rede sein könne. Den 8 114 St.-G.-B. läßt er gelten: „Wer es unternimmt, durch Gewalt oder Drohung eine Behörde oder einen Beamten zur Vornahme oder Unterlassung einer Amtshandlung zu nötigen, wird mit Gefängnis nicht unter drei Monaten bestraft. Sind mildernde Umstände vorhanden, so tritt Gefängnisstrafe bis zu zwei Jahren ein." Voigt meint, es liege weder Raub noch Urkundenfälschung vor; er glaubt mit vier Jahren davonzukommen. Tatsächlich erfolgt seine Vorführung wegen schwerer Urkundenfälschung, Hausfriedensbruchs, Freiheitsberaubung, Er pressung und Vergehens aus 8 127 St.-G.- B.: „Wer unbefugterweise einen bewaffneten Haufen bildet oder befehligt oder eine Mann schaft, von der er weiß, daß sie ohne gesetzliche Befugnis gesammelt ist, mit Waffen oder Kriegs bedürfnissen versieht, wird mit Gefängnis bis zu zwei Jahren bestraft. Wer sich einem be waffneten Haufen anschließt, wird mit Gefängnis bis zu einem Jahre bestraft." buntes Allerlei. Ein Schlauberger. Richter: „Weshalb haben Sie denn den Verbrecher nicht gleich angezeigt?" — Zeuge (gemütlich): „O, ich hab' mir gedacht, ich Watte, bis eine recht hohe Be lohnung drauf gesetzt ist!" (Meg,.-) Prosa. Sohn (laut dichtend): „. . . O, hätt' kein Ende diese Nacht!" — Vater (Haus besitzer): „Du bist sehr gut! Morgen ist der „Ich glaube, daß ich es könnte. Aber die Zeit, die ich Ihnen für die Entscheidung ge währen darf, ist kurz. Höher als alles Mitleid und als alle menschlichen Regungen des Herzens steht mir die Majestät des Gesetzes. Erwarten Sie nicht, mich schwach zu finden, wenn es gilt, ihr den schuldigen Gehorsam zu erweisen." „Wie könnte ich wohl dazu kommen, Ihnen irgend eine Schwachheit zuzutrauen, Herr Oberst leutnant! Aber da Sie nun einmal die Men schenfreundlichkeit hatten, sich meiner Angehörigen zu erinnern, glauben Sie nicht, daß mein Tod sie fast ebenso hart treffen könnte, wie — nun, wie meine Schande?" „Nein! Es handelt sich hier vor allem um Fräulein Hilde, und wie groß auch vielleicht Ihr Kummer sein wird, sie ist jung genug, ihn zu überwinden. Ich aber verspreche Ihnen hier auf meine Mannesehre, daß ich ihr bis zu dem Tage ihrer Verheiratung — und wenn es not tut — auch darüber hinaus ein Vater sein werde. Sie soll in unserem Hause eine Heimat finden, und wenn es dort auch an Glanz und Luxus fehli, an Liebe, dessen mögen Sie sich versichert sein, wird es ihr bei uns nicht mangeln." „Wie trefflich Sie alles bereits üherlegt haben! Es fehlt nur, daß Sie die geladene Pistole vor mir auf den Tisch legen und kommandieren: „Eins — zwei — drei!" — Sagen Sie mir doch, mein verehrter Herr Oberstleutnant: ist das denn nicht auch eine Art von Mord?" „Ich zwinge Sie zu nichts, die Entscheidung fieht bei Ihnen. Was ich tun müßte, wenn Sie sich für daS Weiterleben entscheiden, wissen Sie so gut wie ich." „Nun, Sie können ruhig sein, ich werde Sie nicht nötigen, den Denunzianten zu machen. Ich habe für alle Fälle vorgesorgt. Es ist wahr haftig viel, viel, was ich mit diesem Dasein von mir werfe. Nur ein paar kleine Gefälligkeiten könnten Sie mir zuguterletzt noch erweisen." „WaS in meinen Kräften steht, werde ich unweigerlich tun." Löwengaard hatte ein Fach seines Schreib tisches geöffnet und ihm zwei verschlossene Brief umschläge entnommen. „Da sind zunächst gewisse Aufzeichnungen, die einen Doktor Maximilian Geißler betreffen. Ich weiß nicht, ob er es ist, der Sie auf Ihre besonderen Vermutungen gebracht hat —" Fravtzius machte eine verneinende Gebärde. „Ich kenne den Mann nicht und höre seinen Namen zum ersten Male." „Nun, um so besser. Er hatte diese Ver mutungen jedenfalls schon früher als Sie, und er hat es verstanden, sie zu seinem Vorteil aus zunutzen. Das Schweigegeld, das er mir er preßte, besteht in einem Scheck über fünfzigtausend Mark, den er morgen bei der Firma Schröder u. Werkenthin zur Einlösung präsentieren wird. Da Sie nun die Entstehungsgeschichte dieses Schecks kennen, werden Sie imstande sein, die Honorierung zu verhindern. Der saubere Herr Doktor dürfte unter diesen Umstünden leicht zum Schweigen zu bringen sein, um so mehr, als sich da in dem Umschlag noch einiges werlvolle Material über seine Vergangenheit befindet." „Er wird keinen Pfennig erhalten, verlassen Sie sich darauf! Und was weiter?" „Dies hier ist der Revers, mit dem sich eine arme Seele dem Teufel verschrieben hat. Wenn Sie ein gutes Werk verrichten wollen, so hän digen Sie den Brief uneröffnet dem Buchhaller Helmbrecht vom Hause Schröder und Werkenthin ein. Ich könnte das Schriftstück ja hier vor Ihren Augen vernichten; aber es wird dem Manne eine größere Beruhigung sein, wenn er es selber tun kann. — So, Wetter hätte ich Ihnen nichts aufzutragen! — Doch ja, noch eine allerletzte Bitte! Sorgen Sie dafür, daß meine kleine Hilde nicht geradewegs vom Kirchhof nach Hause zurückkehrt. Was für ein Schuft ich auch in Ihren Augen sein mag — sie hatte mich doch lieb. Und sie soll es darum nicht sein, die mich zuerst findet. Wenn man sie schonend vorbereitet, wird sie es leichter ertragen." Der Oberstleutnant hatte nicht mehr Zeit, ihm die verlangte Zusage zu machen, denn in diesem Augenblick trat die, von der sie eben gesprochen hatten, ins Zimmer. Sie war ganz in Schwarz gekleidet, aber ihr reizendes Ge sichtchen sah frisch und blühend aus trotz seines ernsten Ausdrucks. Sie begrüßteHerrn v. Frantzius und wandte sich an ihren Vater. „Der Wagen wartet bereits, es ist Zeit, daß wir gehen." Den ganzen Rest seiner Kraft zusammen raffend, erklärte Löwengaard, daß er eines plötz lichen Unwohlseins wegen der Beerdigung nicht beiwohnen könne, und daß sie darum mit dem Oberstleutnant fahren möge. Die Besorgnisse der erschrockenen Hilde beschwichtigte er mit allerlei harmlosen Erklärungen dieses leichten Übelbefindens; aber als es ihm dann endlich gelungen war, sie in der Tat einigermaßen zu beruhigen, und als sie sich wirklich zum Gehen wandte, da stürzte er noch einmal auf sie zu, riß sie in seine Arme, als ob er sie erdrücken wollte, und bedeckre ihr Gesicht mit heißen Küssen. Ohne ein Wort zu sprechen, schob er sie dann Ms der Tür. Hinter dem Fenstervorhang verborgen, wartete er, bis sie unten eingestiegen war, und mit vorgeneigtem Oberkörper tauschte er auf das Rollen des davonfahrenden Wagens, bis auch der letzte Laut in der Ferne erstarb. Dann erst trat er wieder an seinen Schreib tisch, öffnete ein kleines verborgenes Fach in dem Seitenschränkchen und entnahm demselben ein winziges, mit wasserheller Flüssigkeit gefülltes Fläschchen. „So, das andere mit einer Opiumlösung steht daneben," murmelte er. „Man wird so am leichtesten an eine Verwechslung glauben. Zum Teufel mit dieser ganzen armseligen Daseinskomödie! Wenn das Ende doch immer dasselbe ist, warum soll der Vorhang auch nicht einmal etwas frühzeitiger fallen?" Ohne zu zaudern setzte er das Glas an die Appen und leerte es mit einem Zuge. Es gab einen dumpfen Fall und ein kurzes qualvolles Röcheln. Dann wurde es ganz still. Mit weit geöffneten gebrochenen Augen lag Julius Löwengaard tot auf dem Teppich. rov w Ende.
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)