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Ottendorfer Zeitung : 12.10.1906
- Erscheinungsdatum
- 1906-10-12
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Privatperson
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1811457398-190610128
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1811457398-19061012
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1811457398-19061012
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Ottendorfer Zeitung
-
Jahr
1906
-
Monat
1906-10
- Tag 1906-10-12
-
Monat
1906-10
-
Jahr
1906
- Titel
- Ottendorfer Zeitung : 12.10.1906
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politische Kunälckau. Deutschland. * Das Kaiserpaar ist zu kurzem Aufent halt auf Jagdschloß Hubertusstock eingetroffen. * Prinz Alexander Hohenlohe hat dieser Tage in einem Werk sich über die Gründe der Entlassung des Fürsten Bismarck ge- äußert. Wie verlautet, hat jetzt derKaiser an den Prinzen Philipp Hohenlohe (den Chef des Hauses) nach Schloß Podjebrad (Böhmen) eine Depesche gerichtet des Inhalts, daß er von den gemachten Veröffentlichungen, die sein Verhältnis zum Fürsten Bismarck und die Gründe von dessen Entlassung betreffen, Kenntnis erhalten habe. Der Kaiser bezeichnet es als eine grobe Taktlosig keit, daß ohne seine vorherige Erlaubnis An gelegenheiten, die seine Person betreffen und die unabsehbare Folgen nach sich ziehen könnten, veröffentlicht werden. Der Kaiser spricht aus diesem Anlaß dem Prinzen den schärfsten Tadel aus. Prinz Philipp Hohenlohe hat darauf an den Kaiser ein Telegramm gerichtet, worin er ver sichert, ihm sei von der Veröffentlichung nichts bekannt gewesen und er sei entrüstet darüber, daß sie gerade jetzt erfolgt sei. Unter diesen Umständen verstehe er, daß der Kaiser mit Recht über die Veröffentlichung ungehalten sei. * Der Kaiser wird im Laufe des Dezember in Kiel eintreffen und der Germaniawerft einen Besuch abstatten, bei welcher Gelegenheit der Stapellauf des auf der Werft erbauten Linien schiffes vor sich gehen soll. * Der braunschweigische Regent schaft s r a t hat den Staatsminister Dr. von Otto und Geheimrat Boden zu Bevoll mächtigten beim Bundesrat ernannt. * Gerüchtweise verlautet, der Preuß. Land- wirtschaftsminister v. Podbielski habe neuerdings sein Abschiedsgesuch ein gereicht. * Wer die neuen Militärford erungen, die dem nächsten Reichstage vorgelegt werden sollen, wird berichtet, daß es sich dabei um eine Vermehrung der technischen Truppen zwecks Ausbaus des Feldfernsprechwesens handle, deren Notwendigkeit sich erst seit der letzten Frühjahrssitzung des Reichstags ergeben habe. Die Forderungen enthielten die Folgerungen aus dem ostasiatischen Kriege, der zur Zeit der letzten Militäretatsberatung noch nicht beendigt gewesen sei, ferner die Erfahrungen aus den letzten Kaisermanövern, und bezweckten die dauernde Einführung der neuzeitlichen krie gerischen Hilfsmittel. * Der Lübecker Senat beschloß, Mäd chen zum Besuch des Reformgymnasiums zuzu lassen. Osterreich-Ungarn. * In den nächsten Tagen wird der deutsche Staatssekretär des Auswärtigen, Frhr. von TschirschkyundBögendorff in Wien eintreffen, um mit den leitenden Staatsmännern Österreichs die Beziehungen beider Staaten zu Italien zu erörtern. Die Ereignisse im letzten Jahre, insbesondere die Art, wie die italienische Regierung die gegen Österreich ge richteten Umtriebe in ihrem Lande behandelt, machen nach Ansicht der Verbündeten eine solche Rücksprache iwtwendig. * Der Wahlreformausschuß des österreichischen Abgeordnetenhauses nahm entsprechend dem Beschluß der vorberaten den Kommission mit 21 gegen 13 Stimmen einen Antrag an, nach dem die Einführung der Wahlpflicht der Landesgesetzgebung überlassen werden soll. Frankreich. * In Pariser Diplomatenkreisen wird ver sichert, daß die Verhandlungen zwischen Petersburg und London wegen des Besuches russischer Schiffe in englischen Häfen wieder ausgenommen wurden. Für den eng lischen Gegenbesuch sei der Hafen Libau aus- crsehen. *Das Exekutivkomitee der radikalen und der radikal-sozialistischen Partei in Paris hielt eine Sitzung ab, worin das Trennungs gesetz besprochen und ein Beschluß gefaßt wurde, in dem verlangt wird, daß am 1. Dezember überall, wo sich keine Kultus- genossenschaften gebildet haben, die Kirchengüter eingezogen werden sollten. Die bischöflichen Paläste, Seminare und Pfarr häuser sollten gleichfalls eingezogen werden. Die angehenden Priester müßten, wie alle übrigen Franzosen, zu den Fahnen einberufen werden. Auf die Maßnahmen der Regierung sind natürlich solche Beschlüsse ohne wesentlichen Einfluß. Sie hat allen Anlaß, alle Härten bei der Durchführung des Trennungsgesetzes zu vermeiden. England. * Das Abkommen zwischen Rußland und England, das eine Verständigung über Tibet betrifft, soll, wie aus London gemeldet wird, in nächster Zeit unterzeichnet werden. Soweit bisher bekannt geworden, verzichtet England in dem Übereinkommen auf die Sonder rechte, die es infolge der Expedition des Obersten Aounghusband in Tibet erworben hat, während Rußland seinen Anspruch, Schutzmacht des Dalai Lama zu sein, aufgibt Tibet wird also künftig, wie früher, ausschließlich als ein Vasallen st aatChinas betrachtet werden. * Die Unionisten haben eine Zeitlang frohlockt, als sie hörten, ihr gefährlicher Gegner Chamberlain wolle sich vom politischen Leben zurückziehen. Jetzt aber hat der streitbare Exminister erklärt, er denke gar nicht daran, seine politische Werbearbeit einzustellen. Spanien. * Die Regierung hat Vorarbeiten für einen Entwurf betreffend Verteidigungs- Arbeiten im Hafen von Vigo in den Buchten von Pontevedra, Arosa und Muros, ferner in den Häfen von La Coruna, Gijon und Santander, sowie an der ganzen Küste des Kantabrischen Meeres angeordnet. Der Entwurf wird den Cortes in der nächsten Sitzungsperiode unterbreitet werden. *Der Finanzminister hat die von mehreren Ministerien geforderte Erhöhung der Ausgaben um 40 Mill, abgelehnt. Er hat erklärt, er werde nur die unumgäng lichsten Erhöhungen bewilligen. Der Uberschuß des letzten Budgetjahres sollte für die Deckung etwaiger Defizite zurückgelegt werden. Rustland. *Mit dem Herannahen des Zeitpunktes für die Dnmawahlen verschärft sich der Kampf der russischen Regierung gegen die Oppositions parteien. Ein Rundschreiben deS Ministerrats an alle Ressorts untersagt im Staatsdienste stehenden oder auch nur in staatlichen In stitutionen beschäftigten Personen die Teilnahme an Parteien und Vereinen, die der Regierung Opposition machen. Premierminister Stolypin erklärte in einem Erlaß, daß in dem Wahl gesetz zur neuen Duma keine Änderung ein tritt. Um bei den bevorstehenden Wahlen auf die Bauern zählen zu können, arbeitet die Regierung angeblich einen Gesetzentwurf aus, nach dem der Gemeindebesitz aufgehoben und an die Bauern verteilt werden soll. Wenn dieser Gesetzentwurf zur Tatsache wird, so wäre damit ein wichtiger Schritt in der brennenden Bauernfrage getan. * Der O b erb ef eh ls h ab er der russischen Truppen inOstasien, General Grodekow, der dort einige Zeit nach dem Friedensschluß den General Lenewitsch abgelöft hatte, ist jetzt durch eine Verordnung des Kaisers unter Belassung in seiner Eigenschaft als Mitglied des Reichs rates von seinem Posten enthoben worden. *Jn Helsingfors (Finnland) ist der Kongreß der Kadettenpartei eröffnet worden. Es sind 171 Delegierte anwesend, die 43 Gouvernements und vier Gebiete vertreten. Fürst Dolgorukow wurde zum Vorsitzenden ge wählt und gab in einer Ansprache seinem Be dauern Ausdruck, daß der Kongreß nicht in der Heimat stattfinde, sondern die Gastfreundschaft eines Volkes in Anspruch nehmen müsse, das sich die Freiheit zu erkämpfen verstanden habe. Balkanftaaten. *Auch die zu den Manövern einberufenen bulgarischen Reservisten sind jetzt ent lassen worden. Fremde Fachmänner, die an den Manövern teilnahmen, erkennen rückhaltlos den bedeutenden Fortschritt an, den die bulgarische Armee in jeder Beziehung in den letzten drei Jahren gemacht hat. In einem Erlaß sprach der Fürst seinem Kriegsminister und der Armee seine volle Anerkennung aus. Amerika. *Die kubanischen Rebellen haben sich schnell in die neue Ordnung der Dinge gefügt. Wenn sie auch angesichts der amerika nischen Truppenmacht nicht sofort die Waffen niedergelegt haben, so verlautet doch nichts mehr von kriegerischen Unternehmungen ihrerseits. Da auch die R e g i erun g sp artei sich mit dem Eingreifen der Ver. Staaten abgefunden hat, so besteht die Aussicht, daß auf Kuba bald die Ruhe wieder einkehren wird. * Die Partei des venezolanischen Vizepräsidenten Gomez bereitet eine Proklamation vor, nach welcher der von einer einseitigen Lähmung heimgesuchte Präsident Castro als seines Amtes verlustig erklärt werden soll. Gomez' Gegenkandidat für die Präsidentschaft soll Castros Freund Alcan tara sein. Afrika. * Der deutsche Gesandte in Marokko hat sich »ach Fes zum Sultan begeben, um aufs neue Vorstellungen wegen der Untätigkeit der marokkanischen Behörden gegenüber den jüngsten Unruhen zu erheben. Wie verlautet, begab sich auch der Geschäftsträger der Ver. Staaten zu dem gleichen Zweck zum Sultan. Asien. *Die Regierung von Siam hat angeblich bei der japanischen Regierung an- gefragt, ob sie bereit sei, mit Siam ein Militär übereinkommen zu schließen. Da zurzeit auch zwischen den Kabinetten in Tokio und Peking Verhandlungen über ein solches Abkommen schweben, so dürfte die Welt bald mit einem ost asiatischen Bündnisverträge überrascht werden, dessen Tragweite noch nicht abzusehen ist. * In Anwesenheit des Schahs und der gesamten Diplomatie wurde das neuberufene persische Parlament eröffnet. Gouverneur v. Lindequift über die Lage in Züdweftasrika. In einem Bericht, den der kaiserliche Gou verneur in Windhoek über eine nach dem Norden des Schutzgebiets unternommene Dienst reise erstattet hat, werden die wirtschaftlichen Aussichten dieser Gegend in sehr hoffnungsvollen Farben geschildert. Es heißt darin u. a.: „Da der Ort Karibik, der als Zentrale für die Bohrungen im Norden in Aussicht genommen ist, unter Wassermangel litt, ordnete ich an, daß die Bohrmaschinen sofort an zwei von Herrn Landrat v. Uslar bezeichneten Stellen in Tätigkeit traten. Die dort vorgenonimenen Bohrungen haben inzwischen die Marschen Angaben in glänzendster Weise bestätigt. Der eine Brunnen, über dem ein Windmotor zur Aufstellung gelangt ist, zeigt bei 28 Meter Tiefe einen Wafferstand von 16 Meter und gibt stündlich List Kubikmeter Wasser, ohne daß eine Abnahme bemerkbar ist. Der andre Brunnen hat bei einer Tiefe von 23 Meter einen Wasser stand von 9 Meter und gibt bisher stündlich etwa 500 Liter Wasser, soll aber noch vertieft und ergiebiger gemacht werden. Da außerdem die Bahn ihre eigenen Brunnen mit reichlichem Wasser hat, ist die Wasserfrage für Karibik als gelöst zu betrachten." Der Gouverneur berichtet dann über den günstigen Erfolg der Versuche, die in Omaruru mit dem Anbau von Gemüse, Kartoffeln und Tabak angestellt worden sind, und rühmt die rasche Fertigstellung der Otavibahn durch die Firma Artur Koppel. „Die Zukunft dieses schönen Landstriches ist durch den Bau der Otavibahn natürlich noch ungleich aussichtsreicher geworden. Es wird dadurch seine Besiedelung in großem Maßstabe sehr erleichtert. Der Bau dieser Bahn wird sehr bald handgreiflich beweisen, ein wie großer Segen Eisenbahnen für die schnelle wirrschatt- liche Entwickelung des Schutzgebietes sind. Ich zweifle nicht, daß nach Regelung der Besitz« Verhältnisse ohne Schwierigkeit erreicht werden wird, daß die Bewohner des Bezirks Groot- fontein einschließlich der in diesen stationierten Truppen und der im Dienste der Regierung und Privaten stehenden Eingeborenen aus ihm ohne Zufuhr von der Küste verpflegt werden." Übrigens hat die Firma Artur Koppel die An wesenheit ihrer Eisenbahn-Ingenieure im Norden des Schutzgebiets dazu benutzt, außer der Strecke Otjivarongo—Outjo auch Ötjivarongo—Water berg aufmessen zu lassen, und dabei angeblich keinerlei nennenswerte Geländeschwierigkeiten ge funden. Der Gouverneur sagt am Schluß seines eingehenden Berichts: „Wenn ich nun das von mir durchreiste Gebiet mit den Landstrichen des mir fast in seinem ganzen Umfange bekannten Britisch-Südafrika vergleiche, so komme ich zu dem Endergebnis, daß ich bessere Weidegebiete von annähernd dem gleichen Flächeninhalt in Südafrika nicht gesehen habe; ja es darf ohne weiteres behauptet werden, daß das beschriebene Gelände den weitaus größten Teil von Süd afrika als Weideland übertrifft. Wenn dieses Gebiet im großen und ganzen auch nur für größere Farmen in Frage kommt, mithin ein Land für Viehzucht ist, so ist doch eine ganze Anzahl von Plätzen vorhanden, wo, wie ich darzutun versucht habe, Gartenbau und Acker wirtschaft betrieben werden, wo mithin eine dichtere Besiedelung Platz greifen kann." Von und fern. t. Ein seltener Gnadenbeweis des Kaisers ist dem Fleischermeister Ritter zu Apfelstadt bei Erfurt zuteil geworden. Die Erfurter Strafkammer hatte den Meister vor einiger Zeit zu einer Strafe von zwei Monat Gefängnis verurteilt, weil er dadurch den Tod zweier Menschen verursacht hatte, daß er in ein für diese bestimmtes Erbsengericht versehentlich und ohne es zu bemerken, Arsenik geschüttet hatte. Der traurige Vorfall hatte den Mann seinerzeit auf das Krankenlager geworfen, das er noch hüten muß. Auf ein an den .Kaiser gerichtetes, von den Richtern unterstütztes Gnadengesuch hat der Monarch jetzt dem schwer geprüften Mann die ganze Strafe im Gnaden wege erlassen. Ein neuer Erfolg des deutschen Systems Telefunken. Nach einem Gerücht aus New Aork, hat der dort eingetroffene Lloyd- dampfer „Bremen", der mit Apparaten für drahtlose Telegraphie nach dem deutschen System Telefunken ausgerüstet ist, die ihm vier Tage nach dem Auslaufen von der Station in Nauen täglich eine Stunde lang nachgesandten neuesten Zeitungstelegramme bis auf eine Entfernung von 2500 Kilometer klar empfangen. Das Resultat ist darnm beachtenswert, weil mehr als die Hälfte des Weges über Land, führt. Von jetzt ab sind die deutschen Schiffahrtsgesell schaften in der Lage, ebenso wie bisher von der englischen Marconi-Gesellschaft, von der deutschen Telefunken-Gesellschaft regelmäßig während der ganzen Überfahrt Zeitnngstelegramme auszu- nehmen. Neue Schwefelquelle. Im Hotel „Zum großen Monarchen" in Aachen stieß man bei Ausschachtungsarbeiten auf eine Schwefelquelle, die einen derart starken Ausfluß hat, daß st» mittels einer elektrischen Pumpanlage in den städtischen Kanal abgeleitet werden mußte. Der Direktor des Hotels bemerkte schon seit längerer Zeit, daß in dem großen Weinkeller eine Temperatur herrschte, die unter normalen Ver hältnissen unmöglich war. Als an einer be sonders heißen Stelle Dämpfe dem Boden ent stiegen, stellte man Bohrungen an, die in einer Tiefe von etwa fünf Meter zur Auffindung einer stark schwefelhaltigen Quelle führten. Das Wasser, das in einem Durchmesser von 25 Zenti meter dem Bohrloch entspringt, hat eine Wärme von 50 Grad und entspricht auch im Geschmack dem weit über die Grenzen Aachens hinaus be kannten Wasser des Eisenbrunnens. Ol Juf sckiefer L9j Roman von Reinhold Ortmann. lFonsetzuug.» „Nichts weiter, als daß sich gewiß nur wenige junge Damen aus guter Familie ge statten können, mit ihrem Verehrer am Hellen Tage in bedenklichen Stadtvierteln spazieren zu gehen, zumal wenn der. Herzensfreund aussieht wie dieser Tonkneter —" Hilde ließ ihren Vetter nicht weiter reden, son dern trat mit sprühenden Augen vor ihn hin und sagte: „Was ich tue und lasse, habe ich allein zu verantworten, und von allen Menschen, die ich kenne, wärest du der letzte, dem ich gestatten würde, sich darum zu kümmern. Wenn du aber, wie es scheint, Herrn Meinardi und mich heute vormittag heimlich beobachtet hast, so tatest du jedenfalls sehr wohl daran, dich in sicherer Ver borgenheit zu halten. Ein gezüchtigtes Kind scheut die Rute, nicht wahr? Und was du ein mal über dich ergehen lassen mußtest, könnte dir sehr leicht zum zweiten Riale widerfahren, falls du dich in knabenhafter Dreistigkeit zu nahe an diesen Mann heranwagen solltest." Der mit grausamer Sicherheit geführte Hieb hatte nur zu gut getroffen. Die ohnehin wenig buchende Gesichtsfarbe des Studenten ver wandelte sich in ein fahles Grau, und seine Mundwinkel zogen sich herab, als ob ihm das Weinen nahe sei. Aber er kam nicht mehr da zu, seiner Base zu antworten, denn eben trat Julius Löwengaard mit der Hausdame ein, und Hilde wandte ihm ohne weiteres den Rücken, um ihren Vater zu begrüßen. Löwen gaard zwang sich zu einem Lächeln, während er sie auf die Stirn küßte; aber er konnte es heute nicht festhalten, und sein Gesicht erschien gleich wieder umwölkt, so daß an ein munteres Tisch gespräch ebensowenig zu denken war, als am verflossenen Tage. Es wurde denn auch zunächst eine recht schweigsame Mahlzeit; aber als der letzte Gang serviert war, fing zu Hildes Überraschung ihr Vetter Cäsar plötzlich an, eine auffällige Ge sprächigkeit zu entwickeln, unbekümmert darum, daß eigentlich niemand darauf einging. Er er zählte erst ein paar studentische Schnurren, über die nur die Hausdame pflichtschuldigst lächelte, und dann, nachdem er einen raschen, bösen Blick auf die gleichgültig dreinschauende Hilde ge worfen, begann er, sich im Anschluß an die letzte seiner Geschichten in beißenden ironischen Be merkungen über die heldenmütigen Leute zu er gehen, die es aus sogenannten prinzipiellen Be denken verweigern, sich dem von allen Gebildeten anerkannten Ehrenkodex zu unterwerfen. Auf wen eigentlich alle diese Sarkasmen Cäsars gemünzt waren, konntedemjungen Mädchen nicht einen Augenblick zweifelhaft sein; der Zorn über die tückische Kampsesweise des Studenten stieg denn auch bald genug von neuem heiß in ihr empor, aber sie zwang sich dennoch, zu schweigen und eine gleichgültige Miene zu bewahren. Da glaubte der andre, der sich schon offen bar um jeden Preis an ihr rächen wollte, seine vergifteten Pfeile aus noch größerer Nähe ab senden zu müssen. Und indem er sich an seinen Onkel wandte, fügte er den anscheinend wirkungs los gebliebenen allgemeinen Bemerkungen mit scharfer Betonung hinzu: „Übrigens ist meine Angelegenheit mit dem feigen Subjekt, diesem Bildhauer Meinardi, noch keineswegs endgültig erledigt. Der Jammerkerl ist zwar' schon in aller Form für nicht satis faktionsfähig erklärt worden, da aber zu ver muten ist, daß dieser Verruf auf einen Menschen seines Schlages an und für sich noch nicht die gehörige Wirkung hat —" Seit seinem ersten Wort hatte ihn Hilde un verwandt angesehen; er aber war ihrem Blick ausgewichen, nm seine geringschätzige Rede un beirrt zu Ende bringen zu können. Wenn Hilde diese Absicht vereiteln wollte, mußte sie ihn geradezu gewaltsam am Weiter sprechen hindern, und sie war mutig genug, es zu tun: „Ich verbiete dir, noch länger in diesem Ton von einem Manne zu sprechen, der tausendmal besser ist als du. Wäre er zugegen, würdest du es gewiß nicht wagen, seine Ehre zu besudeln." Julius Löwengaard, der bis jetzt kaum zu gehört hatte, blickte erstaunt auf, und die Falten auf seiner Stirn wurden noch tiefer. „Was kümmert dich dieser Mensch, Hilde, daß du dich veranlaßt siehst, in so ungehöriger Weise für ihn einzutreten?" „O, ich bitte dich, Hilde keine Vorwürfe zu machen, lieber Onkel! Das Unrecht ist ganz auf meiner Seite, dem ich hatte leider im Augenblick vergessen, wie lebhafte Sympathien sie diesem Herrn entgegenbringt. Im Verkehr mit hübschen Damen scheint er in der Tat viel kühner und unternehmungslustiger zu sein, als wenn es sich darum handelt, vor einem Säbel oder einer Pistolenmündung standzu halten." Schweig!" tönte Hildes Helle Stimme mit festem, befehlenden Klang dazwischen. „Ich dulde diese feigen Beschimpfungen nicht längest denn seit heute bin ich mit Theodor Meinardi verlobt." Ms auf das Klirren der Gabel, die der Hausdame entfallen war, gab es für die Dauer einiger Sekunden keinen Lant im Zimmer. Hilde sah die Blicke ihrer drei Tischgenossen auf sich gerichtet, als ob sie plötzlich vor ihren Augen sich in ein wunderbares Fabeltier verwandelt hätte, und in Cäsars Gesicht malte sich dabei eine so grenzenlose Verblüfftheit, daß sie trotz des schwülen Ernstes der Situation fast in Ver suchung war, laut aufzulachen. Dann aber stieß Löwengaard mit einer heftigen Bewegung seinen Stuhl zurück und stand auf. „Komm' mit mir auf mein Zimmer, Hilde!" gebot er. „Da wollen wir weiter reden." „Ja, Vater!" erwiderte sie ruhig, und es war nicht das geringste Anzeichen von Furcht in der gelassenen Art, wie sie sich erhob, um ihm zu folgen. Aber ehe sie aus dem Zimmer ging, warf sie noch einen so stolzen, verächtlichen Blick auf ihren Vetter zurück, daß er wie unter einem Peitschenhieb von seinem Stuhl auffuhr und durch die entgegengesetzte Tür ebenfalls hinausstürmte. Wenn Hilde erwartet hatte, von ihrem Vater sogleich mit heftigen Vorwürfen und ungestümen
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