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Ottendorfer Zeitung : 19.09.1906
- Erscheinungsdatum
- 1906-09-19
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Privatperson
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1811457398-190609198
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1811457398-19060919
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1811457398-19060919
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Ottendorfer Zeitung
-
Jahr
1906
-
Monat
1906-09
- Tag 1906-09-19
-
Monat
1906-09
-
Jahr
1906
- Titel
- Ottendorfer Zeitung : 19.09.1906
- Autor
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Ein blutiger Messerkämpf entspann sich in Witten zwischen mehreren Italienern. Einer, Oneto aus Dortmund, wurde durch einen Stich in den linken Lungenflügel lebensgefährlich ver letzt. Der Täter entfloh. Ein origineller Fluchtversuch ist in Freising bei München von einer Frauensperson gemacht worden, die dort wegen verschiedener Diebereien im Gefängnis saß. Ms man die Maid im Waschhaus beschäftigte, und sie dort allein gelassen hatte, legte sie sich in die durch das Waschhaus und das ganze Gefängnis hindurchfließende Moosech und ließ sich von den mit ihr kosenden Wellen ins Freie hinaustragen. Sie entstieg ohne weiteres der kühlen Flut und eilte in ihrer unvollständigen Toilette — nur mit Hemd und Unterrock bekleidet — sieben Kilometer weit fort bis nach Thalhausen, wo sie von der Gendarmerie aufgegriffen und nach Freising, dem Ort ihrer Heldentaten, zurück gebracht wurde. Ein Opfer seiner Leidenschaft. Frhr. Stephan v. Grießenbeck aus München, der auch in die letzte große Spieleraffäre verwickelt war, hat sich nach größeren Spielverlusten in einem Hotel in Aix-les-Bains (Frankreich) erschossen; er ist somit ein Opfer seiner Leidenschaft ge worden. Gefaßter Wechselfälscher. Der Inhaber des Monachio - Verlages, Dr. Ludwig von Gauting in München, wurde wegen Wechsel- fälschungen im Schwarzhauptschen Bankgeschäft verhaftet, als er eben einen gefälschten Wechsel vörlegte. S Ein Türke, der Perlen verschluckt. Aus Paris wird berichtet: In einem Juwelier laden auf dem Boulevard Saint Martin wurde dieser Tage ein Türke verhaftet, der eine merk würdige Vorliebe für den Genuß von Perlen zu Haden scheint. Er kam in den Laden und wollte für seine Braut ein Perlenhalsband im Werte von 16 000 Mk. kaufen. Während er einige Halsbänder genau besichtigte, bemerkte ein Angestellter, daß er augenscheinlich die Perlen beleckte. Der Verkäufer nahm daher eins der Halsbänder, das der Türke fortgelegt hatte, und als er bemerkte, daß die Schnur durchgebissen war. schlug er Alarm. Man rief die Polizei und ließ den Türken verhaften, der energisch seine Unschuld beteuerte. Beim Durch suchen seiner Kleidung fand man auch keine Perle; ober als man ihm auf der Polizei ein starkes Brechmittel eingab, kamen zwei schöne Perlen im Werte von 1600 und 1200 Mk. Wieder zum Vorschein. Napoleon IV. In Paris ist nach dem ,B. L.-AZ eine wunderliche Geschichte passiert. Als das geschichtliche Museum des Morgens geöffnet werden sollte, bemerkte man einen seltsamen -Henschen, der sehr gedankenvoll mit einem Paket unter dem Arm auf und ab ging. Kaum waren die -rore geöffnet, als der Fremde sich rasch vordrängte und, ohne die andern Säle zu betrachten, in den «aum ging, der die Andenken an Napoleon I. ent halt. Es fügte sich, daß er hier völlig allein war. Astch öffnete er sein Paket, in dem sich die genaue -Nachbildung der napoleonischen Kleidung befand — s'T graue Nock, der kleine Hut, der kurze -egen. Geschwind zog er sich nun an, setzte ftn Hut aus, gürtete den Degen um und n>Uc sich der Länge nach auf das Bett Napo- 'chns, schloß die Augen und träumte sich in "MNI Schlaf. Wenige Minuten später betraten sinige Engländerinnen mit einem Aufseher als Führer den «saal. „Hier ist das Ziinmer -'apoleonk." Eine Engländerin sagte interessiert: ^äh. man hat sogar eine Puppe in sein Bett ge- s'gi!" Der Aufseher sah nun auch und bekam ungeheuren Schreck, so daß er halb ohnmächtig A einen Fauteuil sank. Dann aber betastete er die schsame Puppe, die ein tiefes Grollen vernehmen 'nft so daß die Engländerinnen erschreckt flohen, schließlich ermannte sich der Aufseher und packte seltsamen Mann am Kragen. Auf dem Polizei- '^ier behauptete der Fremde Napoleon kV. zu sein, »och habe die Schlacht bei Sedan mitgemacht und "'n nach der Schlacht eingeschlafen. Jetzt bin ich ssnsgeivacht und will meinen Rang einnehmen." -nun erkannte man, daß man es mit einem Irren ?n tun hatte, und redete ihm ein, man wolle ihn 'n sein Palais bringen. „Es ist recht — nur soll snon nüch nicht nach Elba bringen." Man brachte M ins Hospital. Eine Gasthofspolizei nach deutschem Diuster wird infolge des Attentats in Inter laken von der eidgenössischen Sicherheitsbehörde geplant. Bis jetzt schenkte man den Gästen vornehmer Hotels eigentlich gar keine Auf merksamkeit oder höchstens dann, wenn sie auf irgend eine Weise Anstoß oder Verdacht er regten. Niemand kümmerte sich dämm, ob sie sich überhaupt und mit richtigem Namen ein getragen, ob sie Ausweise hatten oder nicht, und so kommt es, daß sich gerade dort nur zu oft die gefährlichsten Gauner und Hochstapler unbehelligt niederlafsen dürfen. Nach schweize rischem Gesetz tritt eine Kontrolle wegen der Papiere erst nach Ablauf von drei Monaten — nur zu oft auch dann noch nicht — ein, well die Hoteliers darin eine arge Belästigung ihrer vornehmen Kundschaft erblicken. Unfall eines Kurgastes in Interlaken. Der Landgerichtsrat Schindler aus Wien, ein Kurgast in Interlaken, wurde auf dem Terrain der im Bau begriffenen Harderbahn von einem durch einen Sprengschuß losgelösten Stein ge troffen und schwer verletzt. Er starb bald darauf im Krankenhause. Seine Frau ist unverletzt. Der Zugang zu dem erwähnten Gebiet war verboten. Erdbeben in Italien. In Palermo wurden mehrere heftige Erdstöße verspürt, die jedoch glücklicherweise keinen Schaden an richteten. Die Entwickelung des Automobilismus ist wohl in keinem Lande so schnell und rapid vor sich gegangen wie in Italien. Noch im Jahre 1904 gab es in ganz Italien nur neun Automobilfabriken, 1905 bereits 34 und 1906 schon 62 Fabriken. Dazu kommt eine große Anzahl von Gesellschaften und Fabriken für Kautschuk, Räder und andre Automobilzubehör teile. In diesen Fabriken und Gesellschaften steckt ein sehr großes Kapital für die Zwecke der Automobilerbauung. Am meisten springt die Entwickelung des Automobilismus in die Augen, wenn man erfährt, daß im Jahre 1900 nur sechs Automobile exportiert wurden, dagegen 1906 462 Automobile imWerte von 6450000 Lira. Mit dem großen Export geht ein lebhafter Im port Hand in Hand. In den letzten fünf Jahren wurden nämlich Automobile im Werte von 12 Millionen Lira importiert, während im Jahre 1900 nur 199 Automobile eingeführt wurden. Eine Blatternseuche, von der 150 arme Familien befallen sind, ist in Granada (Spanien) ausgebrochen; sieben Personen sind innerhalb 24 Stunden gestorben. Der Stadtverwaltung fehlen die erforderlichen Hilfsmittel, es mangelt an Medikamenten, man befürchtet daher Un ruhen. D Ein aufregender Stierkampf. Das Stiergefecht, das dieser Tage in Prado ver anstaltet wurde, gestaltete sich in mancher Beziehung zu einem der aufregendsten, die fest Jahren stattfanden. Vor allem brachte das Publikum, obgleich es in großer Zahl er schienen war, der Veranstaltung nicht jene Begeisterung entgegen, die man erwartete, denn es protestierte besonders gegen den Gebrauch von Wurfspießen und beruhigte sich nicht eher, bis diese beiseite gelegt wurden. Dann aber wandten sich zwei wütende Tiere gegen die Toreadores, von welchen der eine von einem Tier schwer verletzt wurde, sich aber über die Barriere retten konnte, während der andre, der nicht zu entkommen vermochte, zweimal von einem Sier in die Beine und die unteren Körperteile gestoßen wurde und kaum mit dem Leben davonkommen dürfte. Die beiden Mata dors Algabeno und Lagaratiljio Choco töteten sechs Stiere, gegen sie ist aber von der Polizei die Untersuchung eingeleitet worden. Große Feuersbruust. In dem an der russischen Grenze gelegenen Städtchen Kalwarja (Gouvernement Sulwalki), das etwa 8000 jüdische Einwohner hat, entstand auf unerklär liche Art eine große Feuersbrunst, die einen großen Teil der Stadt in Asche gelegt hat; auch sollen einige Menschen in den Flammen umgekommen sein. Sieben Personen bei einem Eisen bahnunfall getötet. In der Nähe der russi schen Station Petropawlowsk ist ein Eisenbahn zug entgleist; die Lokomotive stürzte den Eisen bahndamm hinunter. Bei dem Unfall sind sieben Personen ums Leben gekommen. Die Tag- und Nachtbank in New Bork, die außer an Sonn- und Feiertagen i'hren Betrieb nicht für eine einzige Stunde unterbricht, hat neue Einrichtungen getroffen, die während der bevorstehenden Theaterzeit bei den Damen der New Aorker Gesellschaft großen An klang finden werden. Sie hat neben der Stahl kammer-Abteilung geräumige Boudoirs einrichten lassen, in den Damen ihre Juwelen anlegen und gleich nach Schluß des Theaters oder einer Festlichkeit wieder an die Bank zurück geben können, so daß sie nicht erst nötig haben, ihren wertvollen Schmuck mit nach Hause zu nehmen. Bei der Häufigkeit von Wohnungs diebstählen in New Jork wird mit dieser Ein richtung geradezu einem dringenden Bedürfnis abgeholfen. Gericktsballe. Aschaffenburg. Vor der Strafkammer standen der Bürgermeister Peter Stenger von Wenighös bach und der Bezirksamtsdiener Joh. Keller von hier wegen Vergehens im Amte bezw. Beihilfe hier zu. Bei Gelegenhell des Herkomer-Konkurrenz fahrens unterließ es Stenger in seiner Gemeinde, die durch Amtsblatt vom Bezirksamt angeordneten Vorsichtsmaßregeln bekannt zu machen, und schickte deshalb auch keine Vollzugsanzeige an das Bezirks amt. Als wegen der letzteren der Bezirksamtsdiener Keller in Wenighösbach erschien, erklärte der Bürger meister, „er habe nichts gemacht". Keller verstand darunter, daß der Bürgermeister die Vollzugsanzeige noch nicht geschrieben habe, und diktierte diese dem Bürgermeister in die Feder. Später kam die Sache jedoch heraus. Keller wurde freigesprochen und Bürger meister Stenger in die gesetzlich zulässig geringste Strafe von einem Monat Gefängnis verurteilt. Köln. Eine Verhandlung vor der Strafkammer ergab, daß die gesamte Besatzung eines Transport schiffes Spitzbübereien ausführte, Kisten erbrach und die gestohlenen Sachen verschleuderte. Vorläufig konnte nur gegen zwei Personen verhandelt werden, die mü drei Monaten Gefängnis bestraft wurden. Gegen die übrigen Angeklagten wird demnächst ver handelt. Lin deutsches Misfionsheim bei den Eskimos. F An der Nordostküste von Labrador sind von den „Mährischen Brüdern" die ersten Ver suche einer Missionsgründung bei den Eskimos gemacht worden, und zwar war es ein Mitglied dieser Brüderschaft, der Seekapllän Christian Erhardt, der im Juli 1752 bei Kap Aillik auf dem Schiff „Hoffnung" landete und der ersten Niederlassung den Namen „Hoffenstal" gab. Das kühne Beginnen kostete ihm selbst das Leben, denn er wurde von den Eskimos er mordet. Wer andre mährische Brüder folgten, knüpften freundschaftliche Beziehungen zu den Eskimos an und gründeten allmählich sechs Missionsheime in Labrador. Die Verbindung der in der fernen Einöde weilenden Missionare mit der Heimat stellt die Schule und das Heim für Missionarskinder dar, das sich in Kleinwelcke bei Bautzen befindet und in das auch alt und müde gewordene Missionare aus Labrador zur wohlverdienten Ruhe einkehren können. ... Es sind hauptsächlich Deutsche, die hier das Wort Gottes den Eskimos predigen; in jedem Missionsheim führt der älteste der Missionare, der „Hausvater", die Oberaufsicht und verteilt die Arbeit an die Brüder. Mancherlei Arbeiten müssen sie da übernehmen. In Hoffens tal z. B. hat einer der Missionare den Laden, in dem allerlei nützliche Dinge an die Einge borenen verkauft werden, zu verwalten, und muß auch das leichte Bier brauen, das das einzige alkoholische Getränk der Missionare ist. Em andrer leitet die Eskimoschule, die sich an das Heim schließt, und muß daneben auch noch das Amt des Bäckers übernehmen und die Haustiere füttern. . . . Von den noch ziemlich unkultivierten Eingeborenen und einer Unzahl wilder Wolfshunde, die in Labrador die größte Rolle spielen, umgeben, führen die Missionare ein einsames, von aller Welt abgeschlossenes Leben. Im September ichon beginnt der Schnee zu fallen, und Eisgebirge türmen sich um sie auf, die erst im nächsten Juli wieder die Verbindung mit der Außenwelt gestatten. Die einzigen Nachrichten, die sie von der Heimat und der weiten Welt da draußen empfangen, sind der kurze Besuch des Missionsschiffes im Sommer und eine primitive Post durch einen von Hunden gezogenen Schlitten im Winter. Die erste Frage, mit der sie jeden Europäer be grüßen, der sich in ihre Einöde verirrt, lautet: „Ist Krieg oder Frieden in Europa?" Von diesen wackeren deutschen Fechtern' für das Wort Gottes im fernen Labrador entwirft das ,Century Magazine' ein lebendiges Bild. Trotz aller Freude über die günstigen Nach richten aus der Heimat hatte sich der Missions familien eine tiefe Trauer bemächtigt, denn es sollte zugleich ein kleines Mädchen von ihnen scheiden, um in der deutschen Missionsschule seine Ausbildung zu erhalten. Es ist ein trauriges Schicksal für die Eltern in Hoffenstal, daß sie ihre Kinder, nachdem sie sich kaum ein wenig entwickelt haben und zum Sonnenschein und zur Freude der ganzen Kolonie geworden sind, fort geben müssen; aber sie fügen sich in das Un vermeidliche, denn sie wissen, daß ihre Kinder, wenn sie unter den Eskimos aufwachsen würden, „verkommen" müßten. Wenn die Kleinen dann nach Europa kommen, meinen sie in einem Wunderlande zu sein. Pferde erfüllen sie mit Bewunderung und Schrecken, sie glauben, in den Schaufenstern werde immerfort Weihnachten ge feiert, weil so viel Herrlichkeiten darinliegen, und als ein Kind die ersten Schweine sah, rief es aus: „Was für große Mäuse I" Lange bleiben dann die Kinder von den Eltem getrennt, bis sie wieder nach Labrador zurückkehren. Der Missionar, der nach dem fernen Labrador kommt, ist unverheiratet; er muß erst drei Jahre zur Probe wirken, und wenn er dann bleiben will und zu heiraten wünscht, so bringt ihm das nächste Jahr das Missionsschiff aus Herrnhut die für ihn auserwählte Braut mit. Aus diesen so merkwürdig zusammen gefügten Ehen aber erblüht fast immer ein reiches Familienglück, denn es sind gewöhn lich Töchter von Missionaren aus Labrador, die als Frauen der Missionare zurückkehren, und der Geist ihrer Eltern, ihrer Jugend und ihres ganzen Lebens schwebt um sie in den engen Räumen der Missionshäuser. Die Häuser sind einfach, aber behaglich ausgestattet. Die Frau eines Missionars besitzt ein Klavier und ist eine leidenschaftliche Verehrerin der Musik, die sich zunächst nach dem Befinden des alten Joachim und nach andern berühmten Musikern ( erkundigte. Bilder der deutschen Kaiser, Bismarcks und Moltkes hängen an den Wänden, und eine der zerklüfteten Anhöhen von Hoffenstal trägt den Namen Wilhelms berg. ... Es ist gerade Sonntag. Alle Eskimos sind von ihren Fischerfahrten zurückgekehrt ) und in der Kirche versammelt. Sie sind ein musikalisches Völkchen und singen recht laut i und ganz richtig die Kirchenlieder, die in ihre Sprache übertragen worden sind. Männer und Frauen sitzen gesondert. Der Kirchenchor besteht aus Eskimos, ein Eskimo spielt die Orgel und bei Kirchenkonzerten unterstützen sie die Musik mit drei Violinen, einem Violincello und einer Klarinette. Der ganze Gottesdienst findet in der Eskimosprache statt. Die Eskimos sind sehr eingebildet und haben eine hohe Mei nung von ihren musikalischen Gaben. Die erste Zeit, als die Frau des Missionars Klavier pielte, blieben sie stehen und sagten: „Sie spielt ast so gut wie wir." Es ist daher überhaupt ehr schwer, mit ihnen fertig zu werden, denn auf alle Lehren der Missionare haben sie mit Gegenäußerungen zu antworten und lassen sich nur sehr langsam überzeugen. buntes Allerlei. Auch etwas. „Waren Sie dieses Jahr nicht im Seebad?" — „Nein, aber wir hatten uns vom Nachbar acht Tage die Wellenbad schaukel gepUMpt!" (Luft. Mittler-., Immer zerstreut. Professor (seinen Sohn auf der Bahn abholend): „Dois ist schön von dir, Karl, daß du so pünktlich angekommen bist." „Ich wünsche so schnell als möglich genaue Auskunft M erhalten über die Verhältnisse des Schriftstellers Doktor Maximilian Geißler, Herausgeber der neuen Zeitung, die Montags- Post'. Vor allem wünsche ich über seine Maigen Schulden und über die Namen seiner Mündiger unterrichtet zu werden. Zugleich be itrage ich Sie, selbstverständlich unter Ve rachtung äußerster Vorsicht und unter Ver- Wveigung meines Namens, schleunige Er rungen darüber anzustellen, welche von diesen Gläubigern geneigt sein würden, mir ihre Forde- Mgen an den genannten Geißler zu ver- Mm. Es liegt mir sehr viel daran, möglichst Me derartigen Ansprüche zu erwerben, und ich Nrde mich gegebenenfalls selbst zu erheblichen L^dopfern für diesen Zweck bereit finden lassen. Aa Sie ohne Zweifel aus Vorstehendem zur genüge ersehen werden, welche Absichten ich , werden Sie bei Ihren Nach- Aichungeu vornehmlich darauf bedacht sein, M in Erfahrung zu bringen, was bisher Nachteiliges über den Doktor bekannt geworden L- Wenn es Ihnen gelingt, meinen Musches zu entsprechen und mir hinreichend ^Slaubigtes Material in genügender Menge N beschaffen, soll es an einer angemessenen Schädigung für Ihre Bemühungen gewiß fehlen. Ich erwarte Ihre Nachrichten mit °aer Zuversicht schon in den nächsten Tagen ab zeichne Achtungsvoll Julius Löwengaard." Während er diesen Brief in den Umschlag und verschloß, war jede Spur der vorigen Erregung von seinem Gesicht verschwunden. Nur um seine Mundwinkel zuckte es wie ein höhnisch zuversichtliches Lächeln, als er leise vor sich hm sagte: „Sie haben den Kampf gewollt, mein Herr Doktor — und nun wollen wir doch sehen, wer von uns beiden der Stärkere ist — Sie oder ich!" 11. Wenn Herta Sieveking erwartet hätte, daß ihr Gatte ihr wegen des Bleibens auf dem Künstlerfest Vorwürfe machen würde, so mußte ihr der Verlauf des nächsten Tages beweisen, daß sie sich geirrt. Wohl saß ihr Richard an der Mittagstafel sehr ernst und wortkarg gegen über, aber sein blasses übernächtiges Gesicht hatte einen mehr traurigen als zornigen Ausdruck, und wenn er zu ihr sprach, geschah es in seiner ge wohnten höflich-ruhigen Art. Herta aber empfand diese Schonung keines wegs als eine Wohltat, für die sie ihm etwa in der Stille ihres Herzens Dank gewußt hätte. Sie hatte eine Aussprache für unvermeidlich gehalten und war durchaus vorbereitet gewesen, ihrem Manne Rede zu stehen. Daß er des verflossenen Abends nun mit keiner SUbe Er wähnung tat, machte sie ungeduldig und raubte ihr zugleich mit jeder Minute mehr von der gelassenm Sicherheit, mit der sie dieser Aus einandersetzung entgegengesehen hatte. Eine Weile kämpfte sie mit dem Entschluß, das Ge spräch selbst auf das Künstlersest zu bringen; aber je länger dies gedrückte Beisammensein währte, desto geringer wurde ihr Mut. Schließ lich erhob sich Richard Sieveking nach dem Dessert von seinem Stuhl, ohne daß die An gelegenheit, die doch nach Hertas Überzeugung alle seine Gedanken beschäftigte, zwischen ihnen zur Sprache gekommen wäre. „Du gehst schon wieder?" hatte sie zaghaft gefragt, als er sich zur Tür wandte. „Willst du nicht wenigstens erst den Tee nehmen?" Aber er hatte erklärt, daß dringende Arbeiten ihm keine Zeit dazu ließen, und war erst in später Abendstunde, als Herta bereits ihr Lager ausgesucht hatte, wieder in die Wohnung hinauf gekommen. So war der rechte Zeitpunkt für eine Aussprache versäumt worden, und die ver söhnliche Stimmung der jungen Frau hatte dieser offenbaren Gleichgültigkeit ihres Gatten gegenüber allgemach wieder unfreundlicheren, trotzigen Gedanken Platz gemacht. Während sie am Morgen nach dem Feste halb und halb ent schlossen gewesen war, Richard von dem beab sichtigten Besuch in Bruno Meinardis Atelier Mitteilung zu machen, würde sie sich schon am zweiten Tage um keinen Preis mehr dazu ver standen haben. Legte er in der Tat so wenig Gewicht auf das, was sie tat oder unterließ, so war es ja auch überflüssig, ihn vorher davon zu unterrichten oder gar in einem zweifelhaften Falle seine Zustimmung einzuholen. Zum erstenmal geschah es in diesen Tagen, daß Herta sich in ihrer jungen Ehe aufrichtig unglücklich fühlte. Sie war zu dieser Heirat von keiner Seite gezwungen oder überredet worden, sondern sie hatte aus eigener freier Entschließung nach kurzem Bedenken Richard Sievekings Anttag angenommen. Wohl hatte sie keine leidenschaftliche Liebe für ihn gefühlt, aber sie war ihm herzlich gut gewesen, und ihrer eigenen Meinung nach war dies das heißeste Empfinden, dessen sie überhaupt fähig war. So durfte sie es auch nicht eigentlich eine Enttäuschung nennen, was ihr die Ehe ge bracht hatte. Richard war als Gatte ebenso aufmerksam, zartfühlend und höflich geblieben, wie er eS als Bräutigam gewesen war, und Herta hatte es zuerst als eine große Annehmlichkeit empfunden, daß er sie nicht mit jenen glühenden Zärtlich keiten überhäufte, die ihr bei andern immer so töricht und lächerlich erschienen waren. Er zeigte sich niemals eifersüchtig und ließ ihr uneinge schränkte Freiheit, nach ihren Neigungen zu leben. All die Zerstreuungen und Vergnügungen, die während der Mädchenjahre immer ein Ziel ihrer lebhaftesten Wünsche gewesen waren, durfte sie jetzt in vollen Zügen genießen; sie durste Hr Haus zu einem Sammelplatz von interessanten und — wenigstens ihrer Schätzung nach — be deutenden Männern machen, durfte in allen möglichen Künsten dilettieren und sich dabei von stets bereiten Schmeichlern täglich neue Artig keiten über ihr feinsinniges Verständnis und ihre bewundernswürdigen Talente sagen lassen. Richard Sieveking hatte sie in alledem niemals gehindert, aber er hatte sie auch niemals darin ermutigt; sie hatte so wenig für ihre schau spielerischen Leistungen bei gelegentlichen Lieb habervorstellungen als für ihre sonst so viel bewunderten Malereien jemals ein Wort der Anerkennung von ihm geerntet. (Fortsetzung folgt.)
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