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Ottendorfer Zeitung : 26.09.1906
- Erscheinungsdatum
- 1906-09-26
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Privatperson
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1811457398-190609266
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1811457398-19060926
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1811457398-19060926
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Ottendorfer Zeitung
-
Jahr
1906
-
Monat
1906-09
- Tag 1906-09-26
-
Monat
1906-09
-
Jahr
1906
- Titel
- Ottendorfer Zeitung : 26.09.1906
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polinlcke Auncklebau. Deutschland. * Das Kaiserpaar ist mit der Prinzessin Luise in Rominten eingeiroffen. * Reichskanzler Fürst v. Bülow ist in Homburg v. d. Höhe eingetroffen. * Die Ausführungsbestimmungen zu den neuen Steuergesetzen sind schon in mehrfacher Beziehung durch amtliche Erläute rungen gemildert worden; wie jetzt bekannt wird, wird der Bundesrat alsbald nach seinem Wiederzusammentritt noch weitere Ände rungen beschließen, um „Unstimmigkeiten" und Härten zu beseitigen, zu denen die Äusführungs- bestimmungen gegen den Willen des Gesetzgebers geführt haben. *Der neuesten amtlichen Meldung aus Südwestafrika zufolge sind seit der fort gesetzten Verfolgung die Hottentotten nicht mehr geschlossen aufgetreten. Sie lösten sich in kleine Banden auf, die sich am Oranje, am Fischfluß, in den Großen und Kleinen Karas- Bergen in Bergschluchten versteckt aufhalten. Osterreich-Ungarn. * Die Ausgleichsverhandlungen zwischen Österreich und Ungarn, die in Wien unter überaus günstigen Vorzeichen ihren An fang genommen haben, nach wenigen Tagen aber bereits wieder ins Stocken geraten sind, sollen in Budapest fortgesetzt werden. Während man nun in Wien mit unverwüstlicher Zuversicht an eine endliche Beilegung der Streitfragen glaubt, ist die Stimmung in Ungarn weit weniger zuversichtlich. Da die ungarischen Unterhändler von vornherein erklären, in keinem der aufgestellten Programmpunkte nachgeben zu wollen, wären weitere Verhandlungen eigent lich völlig überflüssig. Ein Ausgleich kommt .doch nicht zustande. *Jm ungarischen Kriegsmini st e- rium wird eine neue Organisation der Honved- truppen ausgearbeitet; im Jahre 1908 soll die neue Einteilung ins Leben treten. Jedes Regi ment wird aus drei Bataillonen bestehen, und es werden neue Regimenter errichtet. Die neue Einteilung erfordert den Bau neuer Kasernen. Frankreich. *Die Vorstände sämtlicher Arbeiter syndikate in Grenoble hielten nachts in der Arbeiterbörse eine Versammlung ab, in der der Generalausstand beschlossen wurde. Die Setzer verließen sofort die Zeitungsdruckereien; infolgedessen erscheinen keine Zeitungen. Die Straßen wurden von Gendarmerie und Truppen besetzt gehalten. England. * Im Kriegshafen zu Portsmouth ist es zu einem unangenehmen, bisher noch unauf geklärten Zwischenfall gekommen. Der --deutsche Dampfer „Meteor", der im Hasen bei sehr stürmischer See Schutz suchen wollte, mutzte auf Ersuchen der Hafenbehörden wieder auf die hohe See hinaus. Hoffentlich Wird man nicht lange auf die Erklärung für so seltsames Verhalten warten lassen. * Der längste und wahrscheinlich schnellste Panzerkreuzer der Welt, dem der Name „Shannon" gegeben wurde, ist in Chatham vom Stapel gelaufen. Belgien. *Das in Gent zusammengetretene inter nationale Institut für Völkerrecht behandelte in geschlossener Sitzung die Fragen derKriegs - erklärung, Rechte und Pflichten der Neu tralen, internationaler Vorschriften über Anwen dung von Minen und Unterseewaffen, ständiger Schiedsgerichtshöfe, der internationalen Regelung der Telegraphie ohne Drabt sowie eine Reihe von Aufgaben des internationalen Privatrechts. Dänemark. *Dem Folkething wird ein Gesetz entwurf vorgelegt werden, in dem eine durch greifende Heeresreform nach den An sprüchen der Neuzeit gefordert wird. Norwegen. * Der König und die Königin von Norwegen werden am 4. Oktober den dänischen Hof besuchen. Der Besuch des Königspaares in England wird wahrscheinlich Ende Oktober, der in Berlin Mitte Dezember stattfinden. Spanien. *Der Minist errat beschloß, die Cortes auf den 20. oder 22. Oktober einzuberufen. *Jm nordöstlichen Spanien haben sich in den letzten Tagen wieder Äußerungen der karlistischen Bewegung bemerkbar ge macht, von der es lange Zeit fast ganz still ge wesen war. In der Umgebung von Tordera halten sich verschiedene Banden auf, die ihre Vereinigung durchgesetzt haben sollen. Daß man die Lage in Regierungskreisen für sehr ernst hält, geht daraus hervor, daß man die Truppen übungen, die in jener Gegend stattfinden sollten, bis auf weiteres verschoben hat. Rustland. * Die unbestimmten Gerüchte, die in den letzten Tagen in Anknüpfung an dieSeereise des Zarenpaares und ihre unerwartete Verlängerung in Umlauf waren, haben sich nunmehr zu der Meldung verdichtet, daß man in Peterhof einer Verschwörung gegen das Leben des Kaisers auf die Spur ge kommen sei. Die Verschworenen hätten die Absicht gehabt, beim Begräbnis Trepows den Zaren und seine Familie zu ermorden. Infolgedessen habe Premierminister Stolypin den Zaren gebeten, aus hoher See zu bleiben. Wie weit diese Nachricht auf Wahrheit beruht, läßt sich ohne weiteres nicht feststellen. *Die Regierung ist augenblicklich mit der Lösung zweier Fragen beschäftigt, deren endliche Erledigung für den russischen Staat die wohltätigsten Folgen mit sich bringen würde. Sie beabsichtigt, den ersten Schritt auf dem Wege zu der bürgerlichen Gleichberechti gung der Juden zu tun. Wie verlautet, wird in den nächsten Tagen ein Manifest erscheinen, durch das die Rechts ein- schränkungen für die Juden zum Teil auf- geh oben werden sollen, so besonders die für sie vorgeschriebenen Niederlaffungseinschränkungen. Künftig wird ibnen das Recht verliehen, ihren Wohnsitz nach Belieben in Rußland zu wählen. Die Ausarbeitung aller übrigen Gesetze über die Gleichberechtigung der Juden soll der nächsten Reichsduma Vorbehalten bleiben. Amerika. *Der Friedensschluß auf Kuba macht nicht so rasche Fortschritte wie es anfangs den Anschein hatte. Der Rebellenführer Pino Guerra hat mit 5000 Mann Artemis« verlaffen und marschiert nach Guanajay, zwanzig Meilen von Havanna. Dort will er das Ergebnis der Friedensunterbandlungen abwarten. Sekretär Taft erklärte, seine Mission werde mindestens zehn Tage dauern, da die Gegner halsstarrig wegen der bevorstehenden Wahlen in den B er. Staaten seien. Das bewaffnete Einschreiten wäre schon erfolgt, wenn Roose velt nicht befürchtete, daß man gelegentlich der Wahlen gegen seine „Weltpolitik" eifert. * Der argentinische Finanz minister hat wegen der vom Ministerrat be schlossenen Maßregeln zur Vermehrung der militärischen Rüstungen seine Entlassung eingereicht. Afrika. *Die algerische Regierung traf energische Anstalten gegen die Bedrohung des südlichen Oran durch Stämme aus dem Tafilelt- Bezirke. Die Garnison in Tanger ist mißver gnügt, weil der Vertreter des Sultans, Bensli- man, die von den marokkanischen Offizieren ge machten Bestellungen schärfer zu kontrollieren begann. Der Platzkommandant von Tanger hatte infolgedessen abgedankt. *Die Unruhen in Casablanca, der marokkanischen Hafenstadt, haben nach neueren Meldungen fünf Stunden gedauert; ünf Europäer erlitten dabei Verletzungen, ibrigens stellt sich jetzt heraus, daß der ge- chädigte französische Waffenhändler selbst die lnruhen durch Mißhandlung eines Negers herausgefordert habe. Asten. *Ein japanischer Ministerrat be schloß, an den Mündungen aller größeren japanischen Flüsse in den nächsten zehn Jahren starke Befestigungen anlegen zu lassen. Uber die Aufbringung der hierzu erforderlichen Mittel ist noch kein endgültiger Beschluß gefaßt. Vie Breslauer Hrbeiter- krawalle vor Gericht. Vor der weiteren Vernehmung der Belastungs zeugen erklärt am Donnerstag Justizrat Hein: Ich möchte mir eine Bemerkung zu dem Ausdruck „Ar beitswillige" gestatten, der hier immer gebraucht Wird. Auch die organisierten Arbeiter und unsre Klienten hier wollten gern arbeiten, aber sie durften und konnten es nicht, weil die Unternehmer sie aus gesperrt hatten. Denn um eine Aussperrung, nicht um einen Streik handelt eS sich hier. Die darauf vernommenen Belastungszeugen sagen überein stimmend aus, daß die Polizei im Rahmen ihrer Be fugnis geblieben sei und nur ihre Pflicht getan habe. Bert. Rechtsanwalt Simon: Nachdem wir nunmehr eine so große Anzahl von Leumundszeugen für die Polizei gehört haben, muß ich einen neuen Bcwcis- antrag stellen. Ich behaupte, daß auf dem Stric- gauer Platz, wenn einer der Beteiligten sich entfernt und ruhig nach Hause gehen wollte, die Schutz mannschaft sofort aus ihn losstürzte und einhieb. Eine große Anzahl von Personen hat Verletzungen auf dem Rücken erhalten, woraus hervorgeht, daß sie auf der Flucht von den Schutzleuten verletzt wurden. Gemäß dem Anträge der Verteidiger be schließt das Gericht, eine größere Zahl von solchen im Rücken verletzten Personen zn laden. — Bert. Rechtsanwalt Simon: Ich stelle weiterhin unter Beweis, daß mehrere Schutzleute gleichzeitig auf eine Person losgeWagen haben. — Vors.: Das ist bisher noch von keiner Seite bestritten worden. — Staatsanw.: Auch ich gebe diese Tatsache zu, aber cs handelte sich dabei um besonders widerspenstige Personen, die auf andre Weise nicht zur Vernunft zu bringen waren. — Es wird hierauf der im Zuschauerraum anwesende örtliche Organisations leiter der Hirsch-Dunckerschen Gewerkvereine Mladek aufgerufcn, um sich über die Ziele des Hirsch- Dunckerschen Gewerkvereins auszulassen. Er sagt aus, daß die Hirsch-Dunckerschen Gewerkvereine eine Besserung der Arbeitsverhältnisse für die Arbeiter anstrebten; es sei aber in 8 1 ihres Statutes ausdrücklich gesagt, daß sie derartige Verbesserungen nur auf dem Boden der bestehen den Gesellschafts-Ordnung erreichen wollten. Bert. Justiz-Rat Mamroth: Die ganze Verhandlung und die ganze Anklage beruht auf der Auffassung, daß die Ausgcspcrrten die Absicht hatten, die Arbeitswilligen ebenfalls zur Niederlegung der Arbeit zu bewegen. Wir stehen auf dem Stand punkt, daß die Ausgesperrten ihrerseits den dringenden Wunsch hatten, die Arbeit so bald wie möglich wieder auszunehmen. Wir berufen »ns dafür auf das Zeugnis des Ingenieurs Schmidt von der Maschinenbauanstalt. — Das Gericht beschließt, den Ingenieur Schmidt zu laden. Unter allgemeiner Spannung wird nunmehr in die Erörterung der Vorgänge in der Hildebrandtstraße eingetreten. Zeuge Schutzmann Gottschlich bestätigt, daß in der Hilde- branbtstraße die Schutzleute die Personen bis in die Häuser hinein verfolgten. — Vors.: Weshalb taten Sie das? — Zeuge: Auf ausdrücklichen Befehl meines Vorgesetzten. Wir sollten die Bewohner veranlassen, die Häuser zu schließen. — Bert. Justizrat Mamroth: Haben Sie begründeten Verdacht, wer dem Arbeiter Biewald die Hand abgeschlagen haben könnte? — Zeuge: Das kann ich nicht wissen. Skunmchr wird der Arbeiter Franz Biewald als Zeuge vernommen. Er ist 2t. Jahre alt, katholisch, seinem Berufe nach Flaschenspüler, ledig und un bestraft. Er wird zunächst unter Aussetzung der Vereidigung vernommen. — Bert. Justizrat Mam roth: Ich bemerke ausdrücklich, daß Biewald weder zu den Ausgesperrteu noch zu den Streikenden gehörte und an dem Lohnkonflikt wie dem Tumult überhaupt nicht beteiligt war. Er ¬ gibt an, daß er am fraglichen Tage in feinem Hause habe die Treppe hinaufgehen wollen, als er einen Hieb bekam, daß er zur Erde fiel. Vors.: Warum sind nur gerade Sie verletzt worden und alle andern Leute nicht? — Zeuge: Ich wußte ja gar nicht, worum es sich handelte; die andern sind sofort weggelaufen, als sie die Schutzleute mit der blanken Waffe sahen. Ich aber war guten Mutes und ging im Gefühl der Sicherheit langsam. Nach jenem ersten Schlag stand ich bald wieder auf, bekam aber sofort wieder einen Schlag, über den Kopf, der mir die Mütze durchschlug. Ich bat den Schutz mann, er möchte doch aufhören und von mir ablassen, ich sei ja an der ganzen Sache nicht beteiligt. Gerade in diesem Moment kam der dritte Schlag, der mir die Hand raubte. Ich hatte gerade die Hand a lf das Treppengeländer gelegt. — Vors.: Das muß ein ganz kräftiger l Schlag gewesen sein. — Zeuge: Jawohl. Mcift Hand flog weit hinter mir auf die Erde. (Große Bewegung.) — Vors.: Auf die folgende Frage kör nen Sic, Zeuge, die Antwort verweigern, wenn sie glauben, daß Sie durch Ihre wahrheitsgemäße Be antwortung sich selbst einer strafbaren Handlung bezichtigen müßten. Ich frage Sic also hiermit, haben Sie sich an den Krawallen beteiligt e - Zeuge Biewald: Nein, ich hatte gar keine Be ziehung dazu. Als nunmehr zur Vereidigung Bie- Walds geschritten werden soll, widerspricht del Staatsanwalt. Der Schutzmann, der Biewald verstümmelt habe, habe nach der eidlichen Bekundung der Frau Giersen dem Biewald zugerufen: „Schere dich nach oben, sonst passiert dir etwas" Daraus schließt der Staatsanwalt, daß der Schutzmann geglaubt habt, daß Biewald einen Angriff auf ibn beabsichtige. Er geht noch weiter und nimmt an, daß tatfächlich ein Angriff stattgesunden bade. Außerdem fei gegen Biewald die Voruntersuchung wegen einer strafbaren Beteiligung an den Krawallen cingeleitet worden. Da er der Teilnahme an ihnen demnach dringend verdächtig erscheine, könne er nicht vereidigt werben. Das Gericht beschließt, Biewald zu vereidigen. Man glaubt, daß das Urteil Mitte nächster Woche gefällt werden wird. In der Freitagssitzung schilderte der nächste Zeuge, Bezirksleiter des Metallarbeiterverbandei, Schlegel, wie die Aussperrung der Arbeiter zustande kam, die die meisten von ihnen überraschte. Staatsanwalt: Können Sie Auskunft darüber geben, ob für den Fall, daß der Streik bei der Maschinenbauanstalt beigelegt wäre, die Zentrale des deutschen Metallarbeiterverbandes beabsichtigte, mit neuen Forderungen für andre Metallarbeiter vorzugehcn? — Zeuge: Die Absicht bestand nicht. - Zeuge Anstreicher Scholz, der um 6'/, Uhr abends über den Striegauer Platz nach Hause gehen wollte, wurde ohne Veranlassung von einem Schutzmann mit dem flachen Säbel über den Rücken geschlagen und trug eine Verletzung davon, die einen zwei monatigen Aufenthalt im Hospital nötig machtc. Als er aus dem Hospital hcrauskam, wurde er ver haftet. — Vors.: Sie waren an dem Krawall nicht beteiligt? Zeuge: Nein. — Vors.: Gehörten Sic W den Ausgesperrten? — Zeuge: Ja. — Vors.: Waren Sie im Metallarbeiterverband organisiert? Zeuge: Nein, in der Vereinigung der Maler und Tüncher. — Vors.: Weshalb waren Sic auW- fperrt? — Zeuge: Weil ich organisiert war. (Bewegung). — Dem Zeugen Schäfer soll der An geklagte Gerbert bei einer Unterredung, in der er den Schäfer zum Eintritt in den Metallarbcucr- vcrband zu bewegen suchte, ins Gesicht gespien haben, als Schäfer sich weigerte. Der Angeklagte bestreitet das entschieden, Zeuge bleibt unter Be rufung auf den Eid bei seiner Bekundung. — Vors. (zum Angeklagten): Wenn Sie es wirklich getan haben, so ist das in der Tat viehisch. Ne sind auch schon oft vorbestraft, und deshalb sollten Sie lieber ruhig sein. Von unä fern. Von den JuSiläumsfeierlichkeite» ilt Karlsruhe. Der Großherzog und die Groß herzogin von Baden haben zum dauernden Gedächtnis an ihre goldene Hochzeit gemeinschaft lich ein.Kapital von 100 000 Mk. gestiftet, dessen Erträgnisse jeweils am 20. September denjenigen wohltätigen oder gemeinnützigen Zwecken zu gewiesen werden sollen, die gerade die dringendsten find oder für die sonstige Mittel nicht zur Ver fügung stehen. Nachklänge zum Pommernbankprozetz. Während Kommerzienrat Schultz sich der gegen ihn verhängten Strafe durch die Flucht ent zogen hat, so daß er jetzt steckbrieflich verfolgt wird, verfällt die von ihm seinerzeit für seine Entlassung aus der Untersuchungshaft gestellte Kaution in Höhe von 100 000 Mk. dem Fiskus. Der Bettag wird annähernd zur Deckung der Kosten dieses Riesenprozesses ausreichen. Der zweite Direktor der verkrachten Bank Romeick ist um Strafaufschub eingekommen, der ihm ge währt worden ist. Äusser Lebensgefahr. Das Befinden des kürzlich m der Nähe von Hohensalza von einem Hirsch angegriffenen Leutnants v. Schimmel- mann ist den Umständen nach gut; eine Lebens gefahr besteht nicht. Grässlicher Unfall. Bei Gorsleben an der Unstrut, wo jetzt Manöver stattfinden, drehte der Landwirt Lutz, der seinem siebenjährigen Sohne ein Geschütz erklärte, das Verschlußstück; der Schuß krachte und riß dem Sohn den Ober körper weg. K Auf schiefer 8akn. 22^ Roman von Reinhold Ortmann. (Fortsetzung.: 12. So raschen Schrittes war Herta über den langen, schmutzigen Hof geeilt, daß die flinke Hilde ihr kaum zu folgen vermochte. Ihre Stimme schien ein wenig zu zittern, als sie dem Kutscher der draußen wartenden Droschke ihre Wohnung nannte, und die Art, wie sie sich dann mit geschlossenen Augen in eine Ecke schmiegte, war ziemlich gleichbedeutend mit der ausdrücklichen Erklärung, daß sie zum Plaudern sehr wenig aufgelegt sei. Wohl zehn Minuten lang ließ sich Hilde dies merkwürdige Benehmen gefallen, dann aber konnte sie eine Frage, die ihr offenbar sehr auf dem Herzen lag, doch nicht länger unterdrücken. „Du wirst dich also nun wohl von Bruno Meinardi modellieren lassen, Herta? Und die Sitzungen werden immer in seinem Atelier statt finden?" Die junge Frau fuhr auf und noch einmal wechselte jäh die Farbe ihrer Wangen. „Nein, das eine so wenig als das andre. Ich habe mir's überlegt. Für eine bloße Geburtstagsüberraschung würde es mir auch zu kostspielig werden." „Es freut mich, daß du es aufgegeben hast," erklärte Hilde aufrichtig. „Abgesehen von allem andem, habe ich nun einmal kein besonderes Vertrauen in das Talent dieses vielgepriesenen Künstlers." „Aber du hegst eine desto größere Meinung von seinem Bruder, nicht wahr? Ich muß gestehen, liebe Hüde, daß ich dein Benehmen gegen diesen Herrn nicht gerade sehr passend gefunden habe." „Es ist nicht hübsch von dir, Herta, mir einen solchen Vorwurf zu machen. Ich habe wahrhaftig nichts Sträfliches getan. Herr Meinardi durfte für verschiedene Unarten, deren ich mich früher schuldig gemacht, eine Genug tuung von mir verlangen, und ich habe gem die Gelegenheit wahrgenommen, sie ihm zu geben." In diesem Augenblick hielt der Wagen vor Richard Sievekings Hause. Leichtfüßig sprang das junge Mädchen zuerst aus dem Wagen. „Ich mache das kleine Stück, das mir noch bleibt, lieber zu Fuß," erklärte sie, „in dem engen dumpfigen Wagen kommt man sich ja vor, wie in einem Gefängnis." Sie nickte der Schwester lächelnd zu und eilte davon. Herta aber suchte ihr Zimmer auf und ließ sich, ohne erst Hut und Jackett abzulegen, wie zu Tode ermattet in einen der zierlichen Sessel sinken. Was ihr da widerfahren war, hatte sie vollständig aus der Fassung gebracht, als irgend ein Ereignis in ihrem bisherigen Leben. Sie hatte mit dem Feuer gespielt, tändelnd, fast gedankenlos und vollkommen sicher in der Gewißheit, daß im Augenblick der Gefahr ein Hauch ihres Mundes hinreichen würde, es zu löschen. Nun aber waren die Flammen plötzlich lichterloh emporgeschlagen und hatten sie mit gluttoten sengenden Mänteln eingehüllt, daß sie im Gefühl ihrer wehrlosen Ohiunacht nahe daran gewesen war, die Sinne zu verlieren. Bruno Meinardi hatte es gewagt, ihr mit unverhüllten, leidenschaftlichen Worten von seiner Liebe zu reden. Fassungslos, halb betäubt hatte sie den wilden Strom seiner Beredsamkeit dahinbrausen lassen, und erst als er es gewagt hatte, seinen Arm um sie zu legen, als sie seine brennenden Lippen auf ihrem Munde gefühlt hatte, war ihre Kraft zurückgekehrt, ihn abzuwehren und sich zu retten. Sie war bis an den roten Vorhang geflüchtet und hatte nach ihrer Schwester ge- rufen. Es war nachher kein Wort mehr zwischen ihr und dem Manne gewechselt worden, sie hatte ihm kein Recht gegeben, sich seines kurzen Sieges zu erfreuen, sie hatte nichts verschuldet, nichts! — und doch lastete es jetzt auf ihr wie das Bewußtsein einer schweren Verfehlung. Sie hatte seine Liebkosung nicht geduldet, aber sie hatte ihn auch nicht dafür gestraft, wie er es verdiente. Sie hatte ihm nicht die ganze Fülle ihres Zornes und ihrer Verachtung ins Gesicht geschleudert, sondern sie hatte sich schein bar ruhig von ihm getrennt, wie wenn gar nichts Besonderes zwischen ihnen geschehen wäre. Wohl sagte sie sich jetzt, daß sie nur ihrer ahnungslosen, unschuldigen Schwester wegen diese Selbstbeherrschung geübt, aber sie hatte doch nicht den Mut, mit einem runden Ja zu antworten auf die Frage, ob sie ohne die Rück sicht auf Hilde wesentlich anders gehandelt haben würde. Sie konnte sich's nicht verhehlen, daß selbst im Augenblick der ersten angstvollen Entrüstung in ihrem Herzen etwas zu seinen Gunsten gesprochen hatte — vielleicht nur eine Stimme, die vernehmlich genug gewesen war, um sich Gehör zu verschaffen. Wenn er jetzt ihrem Benehmen eine falsche Deutung gab, eine Deutung, die sie noch mehr beschimpfte, als sein verwegenes Liebesgeständnis, durfte sie sich dann wirklich noch freisprechen von jeder Schulo? Wohl gab es einen einfachen und nahe liegenden Weg, allen selbstquälerischen Zweifeln ein Ende zu machen. Sie brauchte ja nur zu ihrem Manne zu gehen und ihm alles zu er zählen. Vor acht Tagen noch hätte sie viel leicht keinen Augenblick gezögert, diesen Weg einzuschlagen; jetzt aber, bei der Entfremdung, die zwischen ihr und Richard eingetreten war, dünkte es sie namenlos schwer, ja fast un möglich, ihm ein solches Geständnis zu machen. Jedenfalls konnte sie es nicht tun, so lange noch die Erregung über das Vorgefallene in ihren Nerven nachzitterte. Später, wenn sie ganz ruhig geworden war, und wenn die Um stände es gestatteten, ja, dann würde sie es vielleicht über sich gewinnen — vielleicht! Ein leises Klopfen schreckte sie auS ihrem selbstquälerischen Grübeln auf. Das Mädchen war es, das den Kopf zur Tür hereinsteckte, um Herta zu berichten, daß Herr Sieveking eben aus dem Kontor heraufgekommen sei und nach ihr gefragt habe. Nichts konnte der Frau un gelegener kommen als der Wunsch ihres Mannes, sie gerade jetzt zu sprechen — ein Wunsch, der an und für sich ebenso ungewöhnlich war, als die Unterbrechung seiner Tätigkeit um diese Tagesstunde. Für einen Augenblick dachte sie ernstlich daran, ihm unter dem Vorwande ihrer Migräne die Unterredung zu verweigern; aber sie schämte sich dann wieder sogleich der Plötz«
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