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Vie „Ottendorfer Zeitung" erscheint Dienstag, Donners, tag und Sonnabend abends. Bezugspreis vierteljährlich t Mark. Durch die Post bezogen 1,20 Mark. Lokalzeitung für die Ortschaften Ottendorf Okrilla mit Moritzdorf und Ilmgegend. Mit wöchentlich erscheinender Sonntagsbeilage „Illustriertes Unterhaltungsblatt", sowie der abwechselnd erscheinenden Beilagen „Handel und Wandel", „Feld und Garten", „Spiel und Sport" und „Deutsche Mode". AtMahn» von bi, vormittag „ Uhr. Austritte wrrden mit ,o Pf Pir di« Spaltzetl« brrrchn« TabellartscherjSatz nach besonderem Tarif Druck und Verlag von Hermann Rühl« in Groß-Okrilla. Für dis Redaktion verantwortlich Hermann Rühle in Groß.Okrilla Nr. 1l0. Mittwoch, den 12. September 1906. 3. Jahrgang. Oertliches und Sächsisches. .Ottendorf-Okrilla, den u,. September MS. — Mitteilungen auf der Vorderseite von Ansichtspostkarten im Weltverkehr zugelassen. Ansichtspostkarten mit brieflichen Mitteilungen auf der Vorderseite sind jetzt im Verkehr mit der ganzen Welt zur Beförderung gegen die Postkartentaxe zuzulassen. Das Reichs-Postamt hat die Postämter soeben angewiesen, solche Karten auch im Verkehr nach außereuropäischen Ländern nicht mehr mit Nachporto zu belasten und derartige Karten au» außereuropäischen Ländern ohne Nachtaxt auszuhändigen, mögen sie mit Strafporto belegt sein oder nicht. Damit ist jetzt ein einheitlicher Zustand auf diesem Gebiete für die ganze Welt geschaffen. Von besonderer Bedeutung ist die Neuerung für den Verkehr mit dem Vereinigten Staaten von Nordamerika, wo der Generalpostmeister schon vor einigen Wochen eine entsprechende Verfügung erlassen hat. Bei gewöhnlichen Postkarten werden Mitteilungen auf der Vorderseite vom 1. Oktober 1907 an zugelaffen. — Eine Verordnung des Ministeriums des Innern ist den Stadträten durch die Kreis hauptmannschaften zugesertigt worden. In dieser Verordnung wird bestimmt, „daß die öffentlichen Sparkassen Sachsens vom 1. Januar ab mindestens 25 Prozent (ausnahmsweise mit Genehmigung des Ministeriums des Innern 20 Prozent) des verzinslich angelegten Ver mögens in mündelsicheren Jnhaberpapieren, und zwar mindestens 8 Prozent des Ver mögens in Schuldverschreibungen des sächsischen Staates anlegen und bis zur Erreichung dieses Besitzstandes alljährlich mindestens zwei Fünftel des UeberschuffeS ihres verzinslich angelegten Vermögensbestandes über den Bestand des Vorjahres in dem vorgeschriebenen Anteils- Verhältnisse zur Anschaffung solcher Inhaber- Papiere verwenden." Dresden. Die Gründung der Vereins brauerei. Schon seit längerer Zeit beschäftigen sich die Dresdner Gastwirte mit der Gründung einer eigenen Brauerei, um auf diese Weise ihre Interessen gegenüber der Brauindustrie wirksam vertreten zu können, da die bisher in Sachen der Dierverteuerung seitens der hier bestehenden Gastwirtsvereine geführten Ver handlungen mit den Brauereien vollständig ge scheitert sind und eine Verständigung nicht herbeigeführt worden ist. Das Projekt der Gründung einer Vereinsbrauerei stieß anfangs aus mancherlei Schwierigkeiten und der vom Aktionskomitee der vereinigten Gastwirte Dresdens und Umgegend geplanten Vereinigung aller Gastwirte zu einem festen Zusammen- ichlusse gegenüber dem Verband der Dresdner Großbrauereien wollte anfangs auch nicht ge lingen. Die unablässigen Bemühungen des genannten Aktionskomitees sind nunmehr von Erfolg gewesen. In einer Sitzung der hiesigen Gastwirte am Donnerstag ist mit 103 gegen »ur eine einzige Stimme die Gründung einer Vereinsbrauerei beschlossen worden. In die neue Gründung ist die Brauerei zum Plauenschen Lagerkeller, die als Grundlage des Neuen Vereinsunternehmens dienen wird, aus genommen worden. Auf diese Weise ist es ge- bmgen, die sich anfänglich aufgetürmten Schwierigkeiten zu überwinden. An der Gründung der Dresdner Vereinsbrauerei be teiligten sich nunmehr auch diejenigen Dresdner Wirte, in deren Betrieben in der Hauptsache stemde Biere zum Ausschank kommen. — Die für die Dauer des Umbaues der ^ugustusbrücke geplante Jnterimsbrücke, die W den bisherigen Plänen nur für eingleisigen Straßenbahn- und Fußgängerverkehr eingerichte Werden sollte, wird neuerlichem Beschlusse ge- ^°ß in solcher Breite ausgebaut, daß die Straßenbahn zweigleisig darüber geführt, die drücke auch für den Personensahrverkehr benutzt werden kann. Es entstehen dadurch Mehrkosten Höhe von 125000 Mark. Coswig. Die junge Frau, welche sich Anfang voriger Woche, als sie in einem brennenden Spirituskocher Spiritus zugießen wollte, schwer am Oberkörper, im Gesicht und und an den Händen verbrannte, ist ihren Ver- etzungen erlegen. Weinböhla. In 'einem in unmittelbarer Nähe unseres Ortes gelegenen, zur Gemeinde Oberau gehörigen Anwesen der Frau von Carlowitz Hrach am Montag Morgen in der ünften Stunde Feuer au«. Es brannte das Wohngebäude, das auch zu Wirtschaftszwecken benutzt wurde, bis auf die Umfassungsmauern nieder. Das Anwesen wurde von dem Stein bruchsbesitzer Engert bewohnt und bewirtschaftet. Meißen. Am Montag mittag gegen zwei Uhr ertönten die Sturmglocken und riefen die Feuerwehren zu einem Großfeuer, welches in >em Graba-Werke, der Vereinigten Kartonagen- abrik (Aktien Gesellschaft) gehörig, ausgebrochen war. Das verherrende Element vernichtete den Kohlenschuppen und den Lagerschuppen für Lacke, Farben, Terpentine usw. vollständig. Es gelang den mehrstündigen großen An- trengungen der ^Feuerwehr, den Brand auf einen Herd zu beschränken. Neustadt i. S. Fürchterliche Brandwunden >at sich Sonnabend abend die Dienstmagd Lina Lehmann im nahen Berthelsdorf durch )ie Unvorsichtigkeit, Petroleum zur Förderung )es Feuers zu verwenden, zugezogen. Sie kam mit der Petroleumflasche dem glimmenden Feuer zu nahe, sodaß diese explodierte. Im Nu stand das Mädchen über und über in Flammen und erlitt schwere Brandwunden. Es mußte im hiesigen Krankenhause unter gebracht werden. Sebnitz. Eine interessante Manovergeschichte hat sich vorige Woche in Hertigswalde ereignet. Kommt da bei dem Gemeindevorstande ein großer .Brief mit der Adresse „Hertigswalde )ei Sebnitz" an, nach welchem Hertigswalde von dem 32. Artillerie-Regiment (Riesa) eine Batterie mit 70 Mann und 50 Pferden auf zwei Tage zur Einquartierung erhalten soll. Die Hausfrauen und Dorfschönen rüsteten sich zum würdigen Empfange der Marsjünger. Als nun der Sonnabend Morgen heran gekommen war und die Einquartierung immer noch auf sich warten ließ, da sah der Gemeinds- vorstand mit dem Polizeidiener in banger Ahnung nochmals das voluminöse Schriftstück durch, und stehe da, die Einquartierung sollte nicht nach Hertigswalde bei Sebnitz, sondern nach Hertigswalde in der Lausitz kommen. Der betreffende Regiments oder Batterieschreiber hat offenbar die Manöoerkarte nicht richtig studiert und die Sebnitzer mit der Löbauer Gegend verwechselt. Die angesetzte Einquartierung wurde nun Sonnabend Vormittag schleunigst abgesagt, die angeschafften Vorräte mußten von den Hausfrauen anderweits verwendet werden und die Dorfschönen die so gern gesehenen Marsjunker missen. Bautzen. Von einem jähen Tode ereilt wurde am Freitag der in Callenberg bei Schirgiswalde einquartierte Sergeant Süßmilch Trompeter bei der Regimentskapelle des Husaren-Regiments Nr. 18 (Großenhain). Mit seinen Quartierwirt hatte er sich abends ins dortige „Erbgericht" begeben. Gegen elf Uhr wurde ihn plötzlich unwohl, er wollte sich deshalb ins Freie begeben, doch brach er unter der Haustür tot zusammen. Die von einem Sanitäter angewandte künstliche Atmung war erfolglos. Der hcrbeigerufene Oberarzt konnte nur den wahrscheinlich durch Herzschlag er folgten Tod des Trompeters feststellen, Sütz- milch war 28 Jahre alt und seit einem Jahre verheiratet. Zittau. Ein Landwehrmann in Zittau, der am Tage der Kontrollversammlung in einer gewerkschaftlichen Versammlung den Vorsitz führte und die Versammlung zum Schluffe zu reger Beteiligung an der Maifeier avffordete, wurde mit 14 Tagen Mittelarrest bestraft. Freiberg. Von einem Leipziger Automobilisten wurde in der Thiclestraße ein sechsjähriges Mädchen umgefahren. Den Führer des Kraft- wagens trifft jedoch keine Schuld, da das etwas schwerhörige Mädchen in den Wagen hineingelaufen ist. Das Kind ist ohne wesentliche Verletzungen davongekommen. Der Automobil fahrer hat sofort gehalten und der Mutter des Kindes, welche eine ärztliche Untersuchung ab lehnte, ein Geldgeschenk gemacht. Mittweida. Ein schwerer Unglücksfall er eignete sich am Sonnabend nachmittag in der Chemnitzer Straße. Dort war das 5 jährige Söhnchen des Maschinisten Schubert auf das Hinterrad eines Eiswagens geklettert, als sich plötzlich das Fahrzeug in Bewegung setzte. Das Kind wurde hierbei zwischen Hinterrad und Stemmletste gedrückt, wobei es so schwere Verletzungen erlitt, daß bald darauf der Tod eintrat. Trebsen. Als am Montag Abend gegen 6 Uhr der Brunnenbauer Bernhard Thieme von Trebsen die Muldenbrücke passierte, hörte er aus dem Wasser laute Hilferufe erschallen. Er kam gerade noch zur rechten Zeit, um ein kleines Kind, welches auf der Mulde einige Meter vom Ufer entfernt auf Sachen gebettet schwamm, zu ergreifen. Die Schwester des kleinen Kindes, ein neunjähriges Mädchen, war mit dem Kinderwagen unvorsichtigerweise längs der Mulde gefahren, an einer sehr abschüssigen Stelle vermochte das Mädchen den Wagen nicht mehr zu halten, er zog es mit sich in die Mulde, an welcher Stelle das Ufer steil ab fällt und es bald recht tief wird. Das Mädchen, bis an den Hals im Wasser stehend, hielt zwar den Kinderwagen noch fest und rief um Hilfe, aber der kleine etwa einhalbjährige Junge 'war vom Wasser aus dem Wagen ge hoben worden. Thieme brachte Kinder und Wagen alsbald glücklich aufs Trockene. Klingenberg-Colmnitz. Auf hisiegem Bahnhofe ist am Sonntag abend gegen elf Uhr ein Mann, im Eisenbahngleise liegend, tot aufgefunden worden. Da der Unbekannte, dem ider linke Fuß abgefahren war, eine Schußwunde im Kopfe hatte, dürfte Selbst mord vorliegen. Plauen. Die von einigen hiesigen Bürgern auf benachbarter Flur abgekaltene Hühnerjagd hat ein Opfer gefordert. Der staatliche Eich meister Julius Lorenz jr., der von dem mit beteiligten Butterhändler Gerber angeschoffen wurde, ist seinen erlittenen Verletzungen er legen. Aus der Woche. Eine Zeitlang schien es, als ob durch die Monarchenzusammenkunft auf Schloß Friedrichs- Hof, allwo der Kaiser von Deutschland und der König von England eine ganze Stunde lang vertrauliche Zwiesprache geflogen hatten, wirklich die Verstimmung zwischen den beiden Neben buhlern auf dem Weltmärkte einer Verständigung Platz machen sollte. Ja man konnte beinahe den Eindruck gewinnen, daß auch Frankreich, besten Regierung sich sin bezug auf die Zu sammenkunft von London aus hatte beruhigende Mitteilungen machen lasten, in den plötzlich ausbrechenden Verbrüderungsjubel einstimme. Aber die Begeisterung flaute leider nur allzu schnell ab- Eines Morgens konnte man in Londoner und am anderen Tage in Pariser Blättern wieder eine der früheren zwar er logenen, dafür aber um so hetzerischen Geschichten lesen. Angeblich sollen dem deutschen Kaiser in Cronberg während der Zusammenkunft Schriftstücke vorgelegt worden sein, nach denen sich deutsche Offiziere an milkärfeindlichen Um trieben in England beteiligt haben. An solche Unterstellungen sind wir nachgerade gewöhnt und sie wären nicht erwähnenswert, wrnn sie nicht diesmal einen besonderen Hintergrund hätten. Da nämlich an den maßgeblichen amtlichen Stellen über den Gegenstand oder den Inhalt der Monarchenunterredung un verbrüchliches Stillschweigen beobachtet wird, versucht man in Paris auf diese Weise die deutsche Diplomatie zum Reden zu bringen. Die Absicht, war gut, aber der Zweck verfehlt, denn die Regierungen beider Länder schweigen weiter. Wer weiß, ob man jemals erfahren wird, was in den Augusttagen 1906 nach jahrelanger Verstimmung zwischen den beiden so eng verwandten Staatsoberhäuptern ver handelt wurde. Wenn nicht alles trügt, geht übrigens die französische Republik wieder sehr erregten Tagen entgegen. Das Trennungs gesetz, daß schon so ungeheuer die Leidenschaften erregt hat, steht abermals im Brennpunkt des Interesses, seit der Papst gegen Wortlaut, Form und Ausführung energisch Stellung ge nommen hat. In geheimen Sitzungen, denen selbst die sonst überall zugelaffene Presse« Vertretung fern bleiben mußte, berieten die französischen Bischöfe die schwerwiegende Frage, ob es noch einen Weg der Verständigung mit der Regierung gibt, oder ob man den Weg der Fehde beschreiten muß, um dieMechte der Kirche zu wahren. Die Antwort wird der Regierung noch manchs ernste Stunde bereiten. — In Oesterreich-Ungarn ist das parlamentarische Leben wieder eingekehrt. DK Unterhandlungen zwischen beiden Reichshälften werden in diesen Tagen wieder ausgenommen. Zunächst finden natürlich wieder Empfänge und Audienzen beim alten Kaiser statt. In Regierungskreisen Wiens verspricht man sich allerdings von dem Ausgleichsprogramm des ungarischen Premier ministers Wekerle nicht allzuviel und es er scheint sehr zweifelhaft, ob es diesmal gelingen wird, einen Weg gemeinsamer und beide Teile befriedigender Arbeit zu finden. — Wenn die italienischen und spanischen Parlamente im November zusammentreten, werden sie über die Zustände im einigen Teilen beider Länder heiße Wortgefechte entspinnm. Wiederholt ist es in der letzten Zeit sowohl in Süditalien wie in Spanien zu Hungerrevolten gekommen und die streikenden italienischen Maisbauern werden wie die spanischen Bergarbeiter durch die Volks vertretung dringend Hilfe fordern. Bisher haben sich in beiden Ländern die Regierungen kaum um die bedauerlichen Zustände gekümmert, die die Augen der ganzen Welt auf sich ziehen. — In Amerika treten die Ereignisse auf Kuba hinter den Vorbereitungen zur neuen Präsidenten wahl zurück. Da Roosevslt als Präsident nicht mehr in Betracht kommt, so glaubte man im Auslande allgemein, daß diesmal Bryan, der schon einmal mit Unglück kandidierte, dies mal durch die Stimme des Volkes im „Weißen Hause" zu Washington als Präsident der „Union" seinen Einzug halten werde. Wie man jetzt aus amerikanischen Zeitungen ersteht, hat er augenblicklich aber auch alle Aussicht durch sein Eintreten für die Verstaatlichung der Eisenbahn verscherzt. Man wird jedoch vorsichtig abwarten müssen, denn im Lande der unbegrenzten Möglichkeiten arbeitet insbesondere zur Zeit der Wahlen der Dollar mit un heimlicher Gewalt und Genauigkeit. Vielleicht bringt er den in der Gunst seiner Wähler ge fallenen Kandidaten, doch noch durch. — In Deutschland ist noch immer die Kolonialfrage die bange und schwebende. Nachdem Prinz Hohenlohe von dem Posten des Leiters der Kolonialabteilung zurückgetreten ist und dem ehemaligen Direktor der Darmstädter Bank Herrn Dernburg Platz gemacht hat, hofft man in manchen Kreisen wenigstens auf eine Halb wegs befriedigende (finanzielle Genesung. Die „Skandalaffären" sind noch beim Untersuchungs richter und — Herr v. Podbielski? Ja, zur Stunde weiß kein Mensch, was mit ihm wird. Es scheint aber, daß er sich von all den Erschütterungen nicht hat „vor den Bauch ge stoßen" lassen und somit den Tippslskkchturm überdauern wird. Wie lange freilich die Schicksalsparze noch seinen ministeriellen Lebens faden spinnt, ist eine andre Frage.