Volltext Seite (XML)
Die ,Gttendorfer Zeitung" erscheint Dienstag, Donners- tag und Sonnabend abends. Bezugspreis vierteljährlich 4 Mark. Durch die Post bezogen 4,20 Mark. Annahme »,a Inseraten bi, »ormtttag 4, Uh». ^Inserate werden mit 40 ps °für dl« Spaltzeile berechn» LabellarischerzSad nach besonderem Laris Lokalzeitung für die Ortschaften Ottendorf Okrilla mit Moritzdorf und Umgegend. Mit wöchentlich erscheinender Sonntagsbeilage „Illustriertes Unterhaltungsblatt", sowie der abwechselnd erscheinenden Beilagen „Handel und Wandel", „Feld rnd Garten", „Spiel und Sport" und „Deutsche Mode". Druck und Verlag von Hermann Rühle in Groß-Okrilla. Für die Redaktion verantwortlich Hermann Rühle in Groß-Okrilla Nr. 107. Mittwoch, den 5. September 1906. 5. Jahrgang. Ortsfchätzungsausfchutz, die staatliche Schlschtviehvrrstcherung betr. Für die Zeit vom 1- Juni 1906 bis mit 31. Mai 1909 sind vom Unterzeichneten gemäß § 7 des Gesetzes vom 2. Juni 1898, die staatliche Schlachtviehversicherung betr., nach verzeichnete Herren als Mitglieder bez. Stellvertreter in den Ortsschätzungsausschuß gewählt worden: a. Mitglieder: Gemeindevorstand PirnballM, Ottendorf-Moritzdorf als Vertreter der Gemeinde, Gutsbesitzer Trust Mißbach, Ottendorf-Moritzdorf, Gutsbesitzer Trust Zumpe, Ottendorf-Moritzdorf, Amtstierarzt Oskar Almke, Königsbrück. b. Stellvertreter: Gutsbesitzer Friedrich Pietzsch, Ottendorf-Moritzdorf, Gutsbesitzer Trost Kergmn«, Ottendorf-Moritzdorf, Gutsbesitzer Kerman« Leuthold, Ottendorf-Moritzdorf, Lierarzt Karl Neumann, Radeberg. Ottendorf-Moritzdorf, am 25. August 1906. Der Gemeinderat. Orrtliches und Sächsisches. Mttendorf-D Killa, den 4. Septen,der 490s. — Angeschossene Rebbühner, die von dem Schützen oder besten Hunde nicht gefunden werden, eignen sich zuweilen nichtjagdberechtigte Personen an. Es sei deshalb daran erinnert, daß unerlaubtes Aneignen von Wild strafbar, und daß es Pflicht ist, den Fund angeschossenen oder verendeten Wildes dem Jagdpächter an zuzeigen. — Verordnung über Trichinose. Das Kgl. Ministerium de» Innern bat neuerdings zur Bekämpfung der Trichinose angeordnet, daß künftig beim Vorkommen von Trichinose sorg fältige Untersuchungen über Herkunft und Mäster de» trichinösen Tieres von den Polizei behörden und Tierärzten geflogen, das Resultat den Bezirkstierärzten mitgeteilt und von diesen Nachweisungen an die Kommission für das Veterinärwesen eingesandt werden sollen. Klotzsche-Königswald. Das Etablissement Kurhaus ging am Montag durch Zwangs versteigerung in den Besitz des Privatmann Roick in Dresden für ^das Meistgebot von 156250 M. über. Da Herr Roick seine eigene Forderung von ungefähr 53000 M. nur an- dot, beträgt der Erwerbspreis 210 000 Mark. Geschätzt war das 26 Ar große Grundstück einschließlich Inventar auf 240193 M. 25 Pf. die hypothekarische Belastung betrug 200000 M. Kamenz. Ein eigenartiges Unglück betraf hier Freitag abend einen Landbriefträger. Mit dem Rade von einem Bestellgange zurückkehrend, fuhr er einen Mann an, wobei ihm eine von diesem getragene Sense mit solcher Wucht das Ellbogengelenk durchschnitt, daß der Unterarm ziemlich abgetrennt wurde. Der Briefträger mußte in das Friedrichstädter Krankenhaus in Dresden überführt werden. — Von einem noch nicht ermittelten Rad fahrer wurde der 50 jährige Arbeiter Wirt aus Wiesa so unglücklich überfahren, daß er wenige Stunden darnach an den erlittenen Verletzungen verstarb Zittau. Ein schweres Unglück wurde am Sonnabend abend in der 7. Stunde durch un vorsichtiges Hantieren mit einer Schußwaffe verursacht. Der 22 Jahre alte Baugewerk schüler Riedel aus Leipzig hatte seinen Freund den bei der Familie Franze, Mandauerberg 1, wohnenden 18 Jahre alten Baugewerkschüler Parthey aus Markranstädt besucht, Er brachte einen Revolver mit, den er sich von einem Bekannten geliehen hatte. Die jungen Leute hantierten nun mit der Waffe, und Riedel nahm schließlich auch eine Patrone und lud den Sechsläufigen Revolver einmal probeweise, Parthey saß ihm dabei an einem Tisch schräg- gegenüber. Als Riedel mit der geladenen Waffe nun eine unvorsichtige Bewegung machte, ging plötzlich der Schuß los. Die Kugel drang dem Parthey in die linke Brustseite und streifte die Lunge. Man bemühte sich sofort um ärztliche Hilfe. Herr Dr. Tetzner war alsbald zur Stelle. Er untersuchte den Verletzten und verband ihn. Von einem Transport nach dem Krankenhause ist vorläufig Abstand genommen worden. Parthey befindet sich in Pflege bei seinen Wirtsleuten. Am Sonntag abend war sein Zustand befriedigend. Es ist begründete Hoffnung vorhanden, daß die Sache noch ver hältnismäßig glücklich ausläust. Die Kugel tonnte noch nicht entfernt werden. Dem un glücklichen Schützen nahm die Polizei die Waffe ab, er blieb aber auf freiem Fuße. Die in Markranstädt bei Leipzig wohnende Mutter des Verletzten wurde sofort von den traurigen Vorfall in Kenntnis gesetzt. Die beiden Beteiligten besuchen die hiesige Baugewerken schule feit Ostern. ^'Zittau- Aus dem Fenster der Kaserne ge stürzt hat sich der bei dem hiesigen Infanterie- Regiment Nr. 102 zu einer Uebung eingezogene Reservist Reichel, der plötzlich an Tobsucht er krankt war. Reichel hat in seiner Stube eine Anzahl Mannschaften und einen Sanitäts unteroffizier, die ihn halten wollten, infolge seiner außerordentlichen Körperkräfte von sich abgewehrt, und ist, ohne daß dies seine Kameraden verhindern konnten, aus der Stube entwichen und aus einem offenen Fenster auf das Steinpflaster des Kasernenhofes gestürzt. Er erlitt eine schwere Gehirnerschütterung, der er bald darauf erlag. Mühlberg a. d. E. Durch Spielen eines Schulknaben mit einem scharfgeladenen Revolver ereignete sich hier ein bedauernswerter Unglücks- fall. Der 12 jährige Sohn des Zimmermann August Richter hantierte mit einem Revolver, den er sich heimlich zu verschaffen gewußt hatte, herum, als sich plötzlich die Waffe entlud und die Kugel dem unvorsichtigen Kuaben die Hand glatt durchbohrte. Stauchitz. Bei einer Nacht-Uebung des 68. Feldartillerie-Regiments ging Freitag Nacht ein Gespann mit einem Geschütz in Naundorf bei Stauchitz durch. Nachdem das führerlose Gespann Casabra und Stauchitz passiert, kam es in Stösitz zu Fall- Von den Pferden mußte eines auf der Stelle getötet werden, andere wurden verletzt nach dem Garnisonorte Riesa gebracht. Borna. Die seit längerer Zeit mit einer auswärtigen Firma und dem hiesigen Stadtrate geführten Unterhandlungen wegen der Errichtung eines großen Tafelglas-Hüttenwerkes sind zu einem günstigen Abschluß gelangt. Die städtischen Kollegien haben ein zirka 15 Acker großes Areal zum Preise von 80000 Mk. erworben, das zu einem, Industrieviertel aufgeschlossen werden soll- Das Grundstück erhält ein von der Staatsbahn abzweigendes Betrtebsgleis. Oschatz. Großfeuer brach Montag nach mittag dreiviertel 2 Uhr in der Marthausschen Filzwarenfabrik aus. Das Feuer brannte ein Quergebäude der Fabrik fast vollständig aus, von einem anderen Gebäude ist der Dachstuhl niedergebrannt. Der Materialschaden ist sehr groß. Die Feuerwehren von Oschatz, Alt Oschatz und Zschölau waren zur Hilfeleistung erschienen, und es gelang ihnen gegen halb 4 Uhr des Feuers Herr zu werden. Die Fabrik beschäftigt 500 Arbeiter. Chemnitz. Ein schlechter Scherz hat Schuld an dem Tod des im nahen Furth wohnenden 20jährigen böhmischen Arbeiters Stachota. Stachota erhielt vor einigen Tagen aus seiner Heimat einen Brief, in dem ihm mitgeteilt wurde, daß seine Braut gestorben und bereits begraben sei. Seit Empfang des Briefes zeigte sich Stachota schwermütig; nunmehr er hängte er sich in seiner Wohnung. Die Nach richt von dem Tode seiner Braut war nur ein schlechter Scherz! Auerbach. Die Kgl. Amtshauptmannschaft Auerbach macht angesichts der Tatsache, daß in ihrem Verwaltungsbezirke das Kartenspiel „Tippen" in den Gast- und Schankwirtschaften wieder sehr überhand genommen hat, bekannt, daß dieses Spiel als ^Glücksspiel im Sinne ß 285 des Reichsstrafgesetzbuchs anzusehen ist, nach welcher Strafbestimmung Gast- und Schankwirte, die dieses Spiel in ihren Räumen gestatten, mit Geldstrafe bis zu 1500 Mark bestraft werden. Es wird ferner darauf hin gewiesen, daß gegen diejenigen Wirte, die sich der Gestattung des Tippens schuldig machen, unnachsichtlich mit der Konzejsionsentziehung vorgegangen werden wird. Falkenstein. In dem benachbarten Dorfe Werda verursachten spielende Kinder am Sonn abend einen Brand, durch dem das Hüttnersche Bauerngut völlig zerstört wurde. Ein Knabe namens Dressel, der Sohn eines Nachbarn, kam bei dem Versuche, die Flammen zu ersticken, ums Leben. — In Grünbach bei Falkenstein verunglückte am Sonntag der zwanzigjährige Sticker Strobel durch leichtfertigen Umgang eines Kollegen mit einem Armeegewehr. Strobel erhielt einen Schuß in den Rücken und den rechten Oberarm und mußte schwerverletzt ins Zwickauer Krankenhaus gebracht werden. Nus der Woche. Kaum hatte man sich mit dem Gedanken be freundet, daß im Lande Väterchens endlich die Ruhe eingekehrt sei — denn Räubereien aller Art, Diebstähle, Brandstiftungen und Mordtaten kommen leider täglich auch in den übrigen europäischen Staaten vor — da kommt die Kunde aus Petersburg von einem fürchterlichen Attentat gegen den Premierminister Stolypin. Der Premierminister entging zwar dem Anschlag indes wurden außer seinen Familienmitgliedern zwanzig Personen schwer verwundet und dreißig Menschen getötet. Wenn sich eines Tages die Wut der „Terroristen" gegen den verflossenen Leiter des Ministeriums Goremykin gewandt hätte, so wäre es, wenn nicht entschuldbar, so doch begreiflich gewesen. Goremykin war ein Mann von starker Faust und wie einige be haupten von blutlechzendem Sinn. Im Falle Stolypin steht man vor einem unlösbaren Rätsel. Es ist nicht zu verwundern, wenn der Zar, obwohl sein Ministerpräsident nach dem Attentat versprach, auf der Bahn der Reformen zu verbleiben, und der Freiheit immer größeren Spielraum lasten zu wollen, wieder seinen alten Berater Trepow Gehör schenkt. Durch einen kaiserlichen Erlaß wurden nämlich die Aus nahme-Gesetze für das ganze Rustenreich für ein Jahr verlängert. Es ist unter den ob waltenden Umständen auch nicht ausgeschlossen, daß der Zar seine langgehegte Absicht, Trepow mit dem Ministerpräsidtum zu betrauen, unter dem Eindruck der letzten Bluttaten nun endlich zur Ausführung bringt. — Wie in Rußland, so stehen auch auf dem Balkan die Dinge überaus betrübend. Wie seit langen Jahren ist auch dieses Mal wieder das Fürstentum Bulgarien, das vom Ehrgeiz aufgestachelte, das treibende Element der ganzen Bewegung. Der alte Haß zwischen Griechen und Bulgaren, dessen Geschichte und Entstehungsursache zu be ¬ schreiben, interessant und verdienstlich wäre, lodert immer noch in Hellen Flammen. Aber das istS nicht allein, Die Oberhoheit de« Sultans drückt! Und da hat man sich schon im Vorjahre um die Königskrone beworbeu. Damals winkten die Mächte energisch ab. Der Sultan aber hatte in Mazedonien große Truppenmengen zusammengezogen, um ge gebenen Falls den* aus eigener Gnade König Gewordenen nicht nur von seinem angemaßten Herrschersitz, sondern auch aus dem Lande zu jagen. Ferdinand I. soll nicht wieder scherzen. Man weiß jetzt, daß sein verhängnisvoller Ehrgeiz den Balkan nicht zum Frieden kommen läßt, und wenn er wirklich auszieht, sein Wagemütchen an der Türkei, die ihn immer noch augenblinzelnd gewähren läßt, zu kühlen, so wird ers tun müssen, mit der festen Gewißheit, im Kampfe, wie immer er auch ver laufen mag, völlig allein zu stehen. Mehr oder minder sind augenblicklich alle europäischen Länder — wenigstens die Mitteleuropas — in die schwebenden Balkanfragen verwickelt. Und nsbesondere England, das sehr wohl weiß, in len neuen Balkanwirren gibts für die schlauen Jnselbrüder wieder etwas im Trüben zu fischen st mit allen Kräften an der Arbeit. Die Regierung hat den „beteiligten" Staaten einen Vorschlag unterbreitet, nach dem in Mazedonien und Altserbien die Selbstverwaltung eingeführt werden und Prinz Mirko von Montenegro als Gouverneur an die Spitze dieser Verwaltung treten soll. Wie englische Blätter dazu be richten, unterstützen Frankreich und Italien diesen Vorschlag lebhaft, nur Deutschland — natürlich wie immer, um die Pläne englischer Politik zu kreuzen — verweigert angeblich seine Zustimmung. — In Italien herrscht noch wie vor die lebhafte Verstimmung gegen die beiden nordafrikanischen Bundesbrüder, mit denen man vor kurzer Zeit begeistert den abessinischen Vertrag schloß. Man fühlt mehr und mehr, daß man den Kabinetten von London und Paris nur Handlangerdienste ge leistet hat. ES ist daher nicht unwahrscheinlich, daß die italienische Regierung vor der Kammer einen schweren Stand haben wird, wenn sie ihre Nordafrikapolitik rechtfertigen soll. — Im Deutschen Reiche gab es in der abgelaufenen Woche ein freudiges Fest. Unter Teilnahme vieler deutscher und fremder Fürstlichkeiten, da runter die Vertreter des Zaren, des König» von England und des Kaisers von Oesterreich, fand im Neuen Palais zu Potsdam die Taufe des jüngsten Hohenzollernprinzen statt. Möchten alle die Glückwünsche sich erfüllen, die an der Wiege des zukünftigen Kaisers zum Ausdruck kamen. — Die Affäre, die zurzeit die Gemüter in Deutschland am meisten erregt, nämlich der Fall Podbielskt, ist noch immer in der Schwebe. Der Kaiser hat noch immer keinen endgültigen Entscheid über seinen Landwtrtschaftsminister getroffen. Und während die allein zuständige Stelle bis zur endgültigen Erledigung volle Zurückhaltung wahrt, überbietet sich die gewerb- mäßige Klatschpreste an aufsehenerregenden Nachrichten. Bald heißts, Podbielski habe seineu Abschied erbeten, dann wieder, e» fiele ihm nicht ein, zurückzutreten und endlich — am Tage darauf — er habe seinen Abschied sogar schon erhalten. Natürlich werden alle Meldungen pünktlichst widerrufen, denn das Papier ist geduldig. — Noch eines bleibt dem Rück blickenden zu melden: Neues von der Revolution in Persien. Der Schah Musaff er-ed-din hatte seinem Volke eine Verfassung gegeben und alle Perser befanden sich in einem unerhörten Wonnetaumel. Wie ein Blitz aus heiterm Himmel kommt mit einem Male die Nachricht nach Europa, in Persien herrsche völlige Anarchie. Man steht vor einem Rätsel. Und wenn die Nachricht nicht ein schlechter Sommer scherz eines persischen Witzblattmitarbeiters ist, so kann man nur annehmen, die guten Perser haben sich im Taumel der Verfassungüfreude übernommen.