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Ottendorfer Zeitung : 22.08.1906
- Erscheinungsdatum
- 1906-08-22
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Privatperson
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1811457398-190608229
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1811457398-19060822
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1811457398-19060822
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Ottendorfer Zeitung
-
Jahr
1906
-
Monat
1906-08
- Tag 1906-08-22
-
Monat
1906-08
-
Jahr
1906
- Titel
- Ottendorfer Zeitung : 22.08.1906
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politische Krsnäkekau. Deutschland. * Der Kaiser ist zu kurzem Aufenthalt in Wilhelmshöhe eingetroffen. *König Eduard hat nach herzlicher Verabschiedung von Kaiser Wilhelm Cronberg verlassen und ist in Marienbad ein getroffen. * Bei der Enthüllung des Landgrafen denkmals in Homburg würdigte der Kais e r in längerer Rede die historischen Ver dienste des Hauses Hessen-Homburg. *Der englische BotschafterLascelles bezeichnete das Ergebnis der Monarchen begegnung in Cronberg im Sinne eines guten Einvernehmens zwischen beiden Völkern als einen bedeutenden Erfolg. Diese Auffassung teilen alle Persönlichkeiten, die in die Einzelheiten der Entrevue eingeweiht sind. * Der Erbprinz zu Hohenlohe- Langenburg ist unter Abkürzung der in Aussicht genommenen Dauer seines Urlaubs nach Berlin zurückgekehrt und hat die Dienstgeschäfte als Leiter des Kolonialamtes wieder über nommen. Man wird annehmen dürfen, daß die unerquicklichen Vorfälle auf dem kolonialen Ge biete zu dieser Reise den Anlaß gegeben haben. * Gerüchtweise verlautet, Landwirtschafts minister v. Podbielski werde in den nächsten Tagen sein Abschiedsgesuch einreichen. * Gegen den früheren Kolonialdirektor Dr. Stübel und den Geheimrat v. König ist, wie die ,Frs. Ztg/ meldet, seitens der Staatsanwaltschaft Berlin ein Er mittelung sv erfahr en wegen Verletzung des Dienstgeheimnisses eingeleitet worden. * Bischof Ignatius von Senestrey ist, 88 Jahre alt, in Regensburg verstorben. * Die auf einer Studienreise durch Deutsch - Ostafrika begriffenen Reichstagsab geordneten sind von Mombassa nach Nyassa abgereist. * Der Preuß. Landtagsabgeordnete Kammerherr v. Bandemer (kons.), Vertreter des Wahlkreises 1 Köslin (Lauenburg, Bütow, Stolp), ist gestorben. Osterreich-Ungarn. * In der ungarischen Koalition ist angeblich eine Gärung vorhanden. Ein Teil will eine eigene radikale Partei bilden, und das im Herbst zusammentretende Parlament soll die selbe schon fertig vorfinden. Uber den Namen ist Man noch nicht einig; ebenso noch nicht über die Einzelheiten des Programms. Jedenfalls soll aber die Koalition gesprengt werden und speziell die Unabhängigkeitspartei in zwei, ge gebenenfalls sogar drei Gruppen sich teilen. Man streitet noch darüber, ob in der neuen Partei diejenigen Elemente, welche unter Fejer- vary Regierungspolitik getrieben, Platz finden sollen oder nicht. Diejenigen, die dafür sind, wollen offenbar die alte Fortschrittspartei Fejer- varys wieder zum Leben erwecken. Das neue „Budapester Kasino", das zumeist aus Mitgliedern der Fejervarischen Fortschrittspartei gebildet ist, soll hinter dieser neuen politischen Partei stehen. Frankreich. *Die zweite Konferenz der franzö sisch e n Bi s ch ö f e, die über die praktischen Folgerungen aus dem päpstlichen Erlaß zu be raten haben wird, soll nach einer Pariser Mel dung auf einen der ersten Tage des September angesetzt werden. Die Haltung der französischen Regierung bleibt vorläufig rein abwartend; treten doch die Bestimmungen des Trennungs gesetz e s, auf die es ankommt, erst im Dezember dieses Jahres in Kraft. * Anläßlich einer Gedenkfeier an die Schlacht von Mars la tour zog General Langlois einen Vergleich zwischen der französischen Armee von 1870 und der heutigen. „Die Republik," sagte er, „ist frei von Über hebung, sie bedroht niemand, aber auch ihr Pulver wird trocken gehalten, auch ihr Schwert rostet nicht!" Darauf betonte ein andrer Redner, daß die nationalistischen und anti- nilitarisüschen Wanderredner gleich großen Schaden stiften, weil beiden bas Schlagwort gemeinsam ist: Frankreich sei verloren. Beide ertöteten den Mut in der Bevölkerung. * Die Behauptung, daß in der französischen Marine kürzlich mangelhafte Schieß ergebnisse beobachtet wurden, scheint nicht unbegründet gewesen zu sein. Wie aus Paris gemeldet wird, hat die ständige franzö sische Artilleriekommission auf Grund der von den Japanern im letzten Seekriege verzeichneten Zielerfolge und der bei den jüngsten Manövern des französischen Mittelmeergeschwaders gemachten Versuche beschlossen, der Regierung das Anbringen sogenannter Zielbrillen an großen und mittleren Kriegsschiffen zu empfehlen. England. * Die neugebildete Arbeiterpartei be absichtigt im Unterhause einen Dringlichkeits antrag einzubringen, demzufolge der Staat für die Arbeitslosen wenigstens im Winter Sorge tragen muß. Belgien. * Die sozialdemokratischen Arbeiter ganz Belgiens veranstalteten in Brüssel eine große Kundgebung zugunsten des verkürzten Ar beitstages. Einige hundert kleine Mädchen, die barfuß und in Arbeitskleidern aus den Bügeleien von Boom bei Antwerpen mitmarschierten, stellten einen eindrucksvollen Protest gegen die Kinderarbeit dar, ebenso die kleinen Mäd chen und Frauen aus den Wollspinnereien von Gent, die ohne Strümpfe in Holzschuhen daher klapperten, alle ihre Fabrikkleidung trugen und ihre Werkzeuge mit sich führten. „Wir wollen in die Schule und nicht in die Fabrik", besagte eine mitgesührte Inschrift. Der Riesenaufzug mit seinen Musikkapellen und vielen roten Fahnen und Aufschriften vollzog sich in musterhafter Ordnung, obwohl er 1°/« Stunden dauerte. Spanien. *Der Ministerrat beschloß, beim Zu sammentritt der Cortes ein neues Wehrgesetz einzubringen. Ruhland. * In Warschau kam es aus unbekannten Gründen zu blutigen Zusammen st ößen zwischen Straßenpassanten und Polizei. Die Zahl der getöteten bezw. schwerverwundeten Personen soll annähernd 240 betragen. Etwa 40 davon sind Polizisten. In Plozk wurde eine Bombe geworfen, wodurch fünf Polizisten ge tötet wurden. Balkanstaaten. * Der Sultan ist, Konstantinopeler Nach richten zufolge, wieder beim Selamlik erschienen. Anläßlich des Thronbesteigungsfestes am 31. August hat der Sultan die Begnadigung aller solcher Sträflinge, die bereits zwei Drittel ihrer Strafe verbüßt haben, befohlen. Außerdem wurden auf des Sultans Befehl alle diejenigen Gefangenen, die in Schuldhast interniert waren, aus den Gefängnissen entlassen und die kaiser liche Zivilliste angewiesen, alle Schulden dieser Freigelassenen zu bezahlen. Die türkischen Blätter müssen veröffentlichen, diese Gnadenakte seien anläßlich der Wiedergenesung des Sultans erfolgt. * Die Lage der Griechen in Bulgarien gestaltet sich unter dem Druck der griechenfeind- lichen Agitation immer bedenklicher. Wie der ,Frkf. Ztg/ aus Belgrad gemeldet wird, passieren tagtäglich viele griechische Familien Serbien, die aus Bulgarien nach der Türkei und Griechen land auswandern, da sie neue Gewalttätigkeiten von feiten der Bulgaren befürchten. Die Flücht linge erzählen, der bulgarische Pöbel werde fort während von Agitatoren gegen die Griechen auf gereizt und drohe mit einer allgemeinen Nieder- metzelung der Griechen. Amerika. *Der Ministerrat von Kolumbien hat einstimmig den kürzlich von seinem Gesandt schaftsposten bei den Ver. Staaten abbemfenen Mendoza Perez für einen Vaterlandsverräter erklärt. Diese Erklärung findet ihren Grund darin, daß Mendoza über die zwischen den beiden Ländern schwebenden Verhandlungen Veröffent lichungen gemacht hatte. * In Havanna ist ein Komplott zur E r- mordung des Präsidenten Palma von Kuba entdeckt worden. Im Palast und im Schatzamt wurden die Wachen verdoppelt und andre Vorsichtsmaßregeln getroffen. Calixto Garcias Sohn und andre Führer der Nevolu ttonspartei werden streng überwacht. Erdbebenkatastrophe in Wie. Ein verheerendes Erdbeben hat die auf strebende Handelsstadt Valparaiso in Chile in Südamerika zum größten Teil zerstört. Wie seinerzeit in San Francisco, halfen nach der Katastrophe ausgebrochene Feuersbrünste das grausige Werk der Verwüstung vollenden. Hunderte von Menschen sollen getötet und ver letzt worden sein. Die ersten Meldungen, die über New Aork in Hamburg einlaufen, besagten, daß Valparaiso zum großen Teil in Trümmern liegt und sich alle Schrecken des Erdbebens von San Francisco wiederholen. Brände wüten in ver schiedenen Teilen der unglücklichen Stadt. Das Erdbeben wurde in ganz Chile und Argentinien wahrgenommen und dauerte die ganze Nacht von Donnerstag zu Freitag. Alle telegraphischen Linien nach dem Innern Chiles sind zerstört. Die ganze Größe des Unglücks läßt sich daher noch nicht übersehen. In Valparaiso sind Hunderte von Menschen unter den Ruinen begraben. Das Erdbeben trat ein, als alle Theater und CaM gefüllt waren. Die mexikanische Kabel-Gesellschaft meldet, daß ihr Dienst entlang der Westküste von Südamerika unterbrochen ist. Durch das Erdbeben in Chile hat auch die Stadt Los Santos schwer gelitten. Von argen tinischen Städten ist besonders schwer geprüft die Stadt Mendoza, wo unbestätigten Nachrichten zufolge viele Menschen umgekommen sein sollen. In Buenos Aires herrschte wegen des Erdbebens große Panik, doch sind die Zerstörungen un bedeutend. Die Pariser Familien, die mit Chile und Argentinien in Beziehungen stehen, sind in großer Sorge. Die Erdbeben in Valparaiso sind von der Ham burger Erdbebenstation genau verzeichnet worden, und nach diesen Aufzeichnungen wiederholten sich die Erdbeben während mehrerer Stunden. Die sofortige Anzeigung des Ereignisses ist der Tat sache zu danken, daß die hiesigen Apparate, be sonders der ausgezeichnete WiechertscheHorizontal- pendel, eine außerordentliche Empfindlichkeit be sitzen, so daß alle irgendwie bedeutenden Erd beben registriert werden, so auch das kalifornische und kalabrische. Ja, bei dem letztgenannten Erd beben waren am Wiechertschen Pendel sogar die Aluminiumschreibfedern zerbrochen; so heftig war ihre Bewegung. Valparaiso ist die Hauptstadt der gleich namigen Provinz, am Großen Ozean gelegen, und die blühendste Hafenstadt von Chile, mit etwa 160 000 Einwohnern. Sie besitzt ein großartiges Zollhaus, riesige Speicher, Schiffs werften, Eisenbahnwerkstätten und steht in regel mäßigem Dampferverkehr mit Europa. Schon einmal, im Februar des Jahres 1835, zer störte ein heftiges Erdbeben den größten Teil der Stadt. Man wird erst weitere Nachrichten abwarten müssen, ehe sich das Unglück in seinen Folgen übersehen läßt. Von unä fern. Der Kaiser begnadigte die wegen mili tärischen Aufruhrs zu je fünf Jahr Zuchthaus verurteilten Heizer Reinhard, Buchholz, Beuthner, Loenz und Deutschmann vom Linienschiff „Braunschweig" zu gleichfristigem Gefängnis. Die Heizer hatten die Tat kurz vor ihrer Ent lassung m der Trunkenheit begangen. Die bayrische Spielerangelegenheit vor Gericht. Die alte Festungsstadt Landau bildete am Ende der Woche den Schauplatz der ersten jener Gerichtsverhandlungen, die im An schluß an die jüngst erfolgten Enthüllungen über das Leben und Treiben einer ganzen Anzahl Angehöriger der ersten Kreise Bayerns in München und andern Städten noch stattfinden werden. Den Anstoß zu den verschiedenen Gerichtsverfahren bildet der in Florenz unternommene Selbst mordversuch des Reichsrats Grafen Preysing. Der Angeklagte Leutnant Kurt Mühe wurde vom Vergehen des versuchten Betruges frei gesprochen, dagegen wegen Betruges und wegen Belügens der Vorgesetzten zu 15 Tagen Ge fängnis und Dienstentlassung verurteilt. Bei der Strafabmessung wurde davon ausgegangen, daß der Angeklagte noch sehr jung und un erfahren ist, und daß er aber in außerordentlich leichtsinniger Weise gewirtschaftet habe. Die Jugend und Unerfahrenheit des Angeklagten müsse als strafmildernd angesehen werden, als strafverschärfend käme aber die Höhe der Summe in Bettacht, um die es sich bei den Wechseln handelte. Eine Gefängnisstrafe von 14 Tagen erschien wegen des Betruges für angemessen, wegen Belügens der Vorgesetzten wurde aus drei Tage Stubenarrest erkannt. Die Strafe wurde auf 15 Tage Gefängnis zusammengezogen. Da außerdem bei Verurteilung wegen Betrugs Degradation zulässig sei, wurde auf Dienstent lassung erkannt. über den Atlantischcn Ozeanim Ballon. Ein deutscher Luftschiffer namens Joseph Werther plant, den Atlantischen Ozean im Ballon zu überfliegen. Eine Anzahl reicher Ballonsports freunde in New Hork haben ihm die nötigen Mittel zu seiner transatlantischen Luftteise zur Verfügung gestellt. In Atlantic City, dem reizenden Badeort an der Küste von New Jersey, läßt Werther ein großes Ballonhaus errichten, von dem aus der Aufstieg in den letzten Tagen des September erfolgen soll. Der wagehalsige Aeronaut ist erst 28 Jahre alt, hat jedoch seine Pläne so überzeugend auszu arbeiten gewußt, daß feine Freunde nicht den geringsten Zweifel in die Durchführbarkeit seines Unterfangens setzen. Er will in dem Hauptballon eine Anzahl Hilfballons sowie in Müssigkeit verwandeltes Gas mit sich führen, das er mit Hilfe von geeigneten Chemikalien in den gasförmigen Zustand zurückführen will, wenn sich die Not wendigkeit der Füllung der Hilfballons ergibt. Wegen Unterschlagung von 7000 Mk. Schiffsgsldern ist gegen den früheren Ober zahlmeister Linse des Linienschiffes „Weißen burg" die Untersuchung eingeleitet worden. Der Verhaftete wurde zunächst zur Beobachtung seines Geisteszustandes einer Irrenanstalt überwiesen. Ein schweres Gewitterunglück ereignete sich in dem Dorfe Bargloh. Auf dem Felde arbeitete der Landmann Jeddebrok und dessen 18jähriger Sohn mit zwei Pferden. Durch einen Blitzstrahl wurden der Sohn und die beiden Pferde sofort getötet und der Vater gelähmt. Unter Zigeunern. Steckbrieflich verfolgt wird wegen Mordes der Zigeuner Peter Johann Dollis, auch Telid genannt, der kürzlich in einem Zigeunerlager bei Schlüchtern (Hessen) aus Eifer sucht den verheirateten Zigeuner Ferdinand Laubinger erschossen hat. Tödliche Eisenbahnunfälle. In Duis burg wurde ein Rangierer, auf dem Bahnhof in Weisdorf ein Heizer uns aus der Eisenbahn strecke Essen-Dortmund ebenfalls ein Heizer überfahren; alle drei wurden sofort getötet. Vergiftungserscheinungen stellten sich bei einer in Bochum wohnenden Familie nach dem Genüsse von Salat ein. Der hinzugerufene Arzt stellte fest, daß verdorbenes Salatöl benutzt worden ist. Der Ehemann, die Frau und ein Kind liegen schwer krank danieder. Ein bestialischer Vatermord. Der Wirtschaftsbesitzer Ziegler in Plan (Böhmen) erschlug nach kurzem Streite auf dem Felde seinen 68 jährigen Vater und ließ den Leichnam liegen. Am Abend kehrte der Unhold an den Tatort zurück, befestigte am Halse des Toten eine eiserne Kette und schleifte den Leichnam dreiviertel Stunden über Stock und Stein durch Wald und Feld nach einem an der Straße nach Plan gelegenen Teiche und versenkte ihn dort in das Wasser. Hierauf begab er sich nach Hause und erzählte dort, daß sein Vater spur los verschwunden sei. Die Gendarmerie machte sich auf die Suche nach dem Vermißten und fand bald darauf seine Leiche. Ziegler wurde verhaftet, er hat vor dem Untersuchungsrichter seine scheußliche Tat bereits eingestanden. K Huf schiefer kakn. Roman von Reinhold Ortmann. (Fortsetzung.) Schon das Befremden in Hertas Blick hätte ihrem Gatten als Antwort genügen können. „Wer gewiß. Darf ich erfahren, was dich veranlaßt, daran zu zweifeln?" „JK meinte, daß du der Plattheit und Oberflächlichkeit der Leute, die uns da die Ehre ihrer Gegenwart schenken, herzlichst überdrüssig sein müßtest. Es ist doch kaum ein Vergnügen, in der Gesellschaft fader Schwätzer und eitler Komödianten allwöchentlich einige Stunden zu vergeuden." Eine Wolke des Unmutes legte sich über Hertas Gesicht. „Ich weiß nicht, wen du damit meinst," sagte sie scharf, „und ich will nicht mit dir darüber streiten, ob es geschmackvoll ist, so von seinen Gästen zu sprechen. Daß dir alle diese Männer, bereu Interessen auf rein geistigem Gebiete liegen, nicht sehr sympathisch sind, kann ich ja begreifen. Aber du kannst doch nicht von mir verlangen, daß ich deshalb auf den Um gang mit ihnen verzichte. Ich bin nun einmal nicht danach veranlagt und erzogen, im Verkehr mit Krämern und Börsenleuten Befriedigung zu finden." „Ich erinnere mich nicht, dir jemals solchen Verkehr zugemutet zu haben, Herta. Wer mir scheint, daß auch unser häusliches Behagen unter bieser beständigen Ausdehnung unsres Bekannten kreises zu leiden anfängt. Bleibt dir doch kaum noch eine ruhige Stunde, die du mir schenken könntest, und sehe ich dich doch nicht mehr anders als ermüdet und abgespannt von den An strengungen, die deine gesellschaftlichen Pflichten dir auferlegen." Er hatte auch das ohne merkliche Erregung gesprochen; aber sein Blick war doch wie in er wartungsvoller Bitte auf sie gerichtet. Und Herta hätte die stumme Sprache seiner Augen ver stehen müssen, wenn sie es nicht gerade jetzt ver mieden hätte, ihn anzusehen. „Vielleicht begehe ich ein großes Unrecht, in dem ich mich dagegen sträube, schon jetzt in meinen vier Wänden zu versauern," gab sie leichthin zurück. „Aber ich kann nun einmal nicht gegen meine Natur. Und ich denke, wir werden von diesem sogenannten häuslichen Be hagen noch mehr als genug haben können, wenn wir für andre Arten deS Amüsements zu alt und zu stumpf geworden sind. Daß alle kleinen Freuden meines Lebens mit dem Tage meiner Verheiratung für mich zu Ende sein sollten, war doch wohl, als du mich zur Frau nahmst, deine Absicht nicht!" Sie stand schon auf der Schwelle; aber sie wartete hoch aus Höflichkeit noch einen Augen blick, um ihrem Gatten Gelebenheit zu einer Antwort zu geben. Richard Sreveking hatte je doch eines der herumliegenden Bücher ausge nommen und darin zu blättern begonnen. Auf so überzeugende Gründe wußte er offenbar nichts zu erwidern. Da öffnete dann Herta mit einem kurzen „Gute Nacht" die Tür und begab sich in ihr reizend aus gestattetes, lauschiges Boudoir. 5. „Herr Löwengaard ist zwar augenblicklich stark beschäftigt, aber wenn es sich wirklich nur um ein paar Minuten handeln sollte, so läßt er den Herrn Doktor bitten, hier einzutreten." Dieser Bescheid, mit dem der Diener aus dem Arbeitskabinett des Hausherrn zurück gekehrt war, klang nicht übertrieben verbindlich. Mancher würde vielleicht sogar etwas Ver letzendes darin gefunden haben. Doktor Maxi milian Geißler aber behielt seine heitere und zuversichtliche Miene. Er trat in den steif und prunkvoll ausgestatteten Salon, dessen Tür der Diener geöffnet hatte, und bettachtete aufmerk sam die Bilder und Nippes, bis Iustus Löwen gaard erschien. Mit leichter Handbewegung auf einen Sessel deutend, erkundigte sich der stattliche Mann mit dem mächtigen Haupte in kühler Höflichkeit nach des Doktors Begehr. Dieser aber eröffnete die Unterhaltung mit der ganzen Sicherheit und Unbefangenheit eines Menschen, der fest ent schlossen ist, sich zum Herrn der Situation zu machen. „Ich nahm mir schon gestern im Salon Ihrer Frau Tochter die Freiheit, Sie auf meinen heutigen Besuch vorzubereiten. Es schien mir dort nicht der richtige Ort, um eine ge schäftliche -Angelegenheit zu - besprechen. Ich habe nämlich den Wunsch, Sie für ein sehr aussichtsreiches Unternehmen zu interessieren. Als der Begründer zahlreicher Aktiengesellschaften wissen Sie ja ebensogut als ich. daß es nur die Vereinigung der Kräfte ist, die zu großen Zielen führt." „Darf ich vielleicht bitten, Herr Doktor, mir i in möglichster Kürze —* „Gewiß, ich will Sie nicht langweilen. Also das Unternehmen, von dem ich spreche, ist eine neue, pikante Montags-Zeitung, deren erste Nummer ich im Verlauf der nächsten Woche herauszugeben gedenke, ganz nach dem Vorbild der kleinen, amüsanten Pariser Boulevardblätter. Eine brillante Idee, nicht wahr? Etwas Der artiges hat bei uns noch gar nicht existiert." „Die Idee mag Wohl gut sein, aber ich weiß nicht, inwiefern Sie gerade mich dafür interessieren wollen, Herr Doktor." „Auf die einfachste und nächliegende Art, mein verehrter Herr Löwengaard I Sie sollen gewissermaßen mein Geschäststeilhaber werden, indem Sie mich mit einem kleinen Kapital sub ventionieren." Löwengaard hinderte ihn daran, weiter zu sprechen. „Ich bedaure aufrichtig, daß Sie sich mit Ihrem Anttage an die falsche Adresse ge wandt haben. Ich verstehe nichts vom Zeitungs wesen, und ich beteilige mich mit meinem Gelbe grundsätzlich nur an solchen Geschäften, von denen ich etwas verstehe." Maximilian Geißler hätte nicht freundlicher und zufriedener aussehen können, wenn ihm statt dieser kurzen Abweisung die bereitwilligste Zusage geworden wäre. „Ein sehr gerechtfertigtes Bedenken, falls ich Ihnen etwa zumuten wollte, mir auch Ihren Geist und Ihre Arbeitskraft sür mein Blatt zu leihen. Aber ich bin nicht so unbescheiden. Mit den sechstausend Mark, deren ich für den Augen blick bedarf, ist die Sache abgetan. Sie brauchen sich um gar nichts zu kümmern und erhalten alljährlich Ihren Anteil am Gewinn. Das
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