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Ottendorfer Zeitung : 26.08.1906
- Erscheinungsdatum
- 1906-08-26
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Privatperson
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1811457398-190608261
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1811457398-19060826
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1811457398-19060826
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Ottendorfer Zeitung
-
Jahr
1906
-
Monat
1906-08
- Tag 1906-08-26
-
Monat
1906-08
-
Jahr
1906
- Titel
- Ottendorfer Zeitung : 26.08.1906
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poUMcke ArmÄlckau. Deutschland. * Der Kaiser hat bestimmt, daß das einst von der Kaiserin Friedrich angeregte Denkmal für die Landgräfin Elisabeth auf dem Fer- vinandsplatze in Homburg v. d. H. zur Auf stellung gelangt. * Der Reichskanzler hat das General kommando des Gardekorps um möglichste Be schleunigung der Angelegenheit Fischer ersucht. * Uber den Beginn der diesjährigen Flotten- manöverin der Nordsee wird jetzt be kannt, daß die große Manöverflotte in Verfolg der am 3. September in der Ostsee ihren An fang nehmenden Übungen am 8. September in der Nordsee eintrifft und dort sofort mit ihren Übungen beginnt. X Ein Truppentransport aus Deutsch-Südwestafrika ist an Bord des Dampfers „Hans Woermann" im Ham burger Hafen eingetroffen. Er besteht aus 197 Unteroffizieren und Mannschaften. Unter den Helmkehrenden befanden sich 53 Typhus- Rekonvaleszenten und 4 Verwundete. Leider war ein TeU der Rekonvaleszenten noch nicht kräftig genug, um sofort die Bahnfahrt nach ihrer Heimat zu ertragen, weshalb die Leute zunächst dem Lazarett zugeführt werden mußten. — Ein weiterer Truppentransport wird am 28. d. mit dem Dampfer „Professor Woermann" in Ham burg erwartet. * In einer Meldung aus Südwest- Afrika sind über die Verfassung, in der sich gegenwärtig unsre im Süden des Schutzgebietes operierenden Truppen befinden, recht betrübende Andeutungen enthalten. Da ein Ende des Kleinkrieges gegen die noch im Felde stehenden Hottentottenbanden einstweilen gar nicht abzu sehen ist, eröffnen sich für die Zukunft der Schutztruppe sehr unerfreuliche Aussichten. Der schlechte Ernährungszustand der Truppen im Süden, entstanden durch geringen Nachschub auf den wenig leistungsfähigen Etappenstraßen und dadurch eingetretenen Mangel än Proviant und Hafer, läßt die braven Kämpfer nur langsam vorwärts kommen; trotzdem hatte Hauptmann Bech ein erfolgreiches Ge fecht gegen Hottentotten und Bon- delzwarts, in dem Leutnant v. Heyden gefallen ist. Österreich-Ungarn. *Der frühere ö st err eicht sch-ungarische Reichskriegsminister General von Krieghammer ist im Alter von 74 Jahren in Ischl gestorben. Der Verstorbene war ein unversöhnlicher Gegner des Frhrn. v. Beck, jetzigen Premierministers. Die Feindschaft der nicht im Generalstab zusammen wirkenden Männer ging so weit, daß die Ausbildung der Armee darunter litt. Frankreich. * In bezug auf die Kundgebung der bel gischen Bischöfe erklärte Ministerpräsident Sar - rien im Generalrat von Macon, die Regie rung werde das Trennungsgesetz in vollem Umfange zur Ausführung bringen. Das Amtsblatt veröffentlichte bereits den ersten Teil des Verzeichnisses der Kirchengüter, die an Kultusgemeinden und zwar an protestantische und jüdische, überantwortet werden. Die Israe liten haben zurzeit nur im Departement Vosges eine Kultusgemeinschaft gebildet. * Der unter dem Verdacht der Teilnahme an einem anarchistischen Komplott in Marseille verhaftete italienische Schuh macher Cyrillo Francesco hat sich bisher ge weigert, dem Untersuchungsrichter Auskunft zu geben. Die Polizei ist jetzt der Ansicht, daß das Attentat nicht gegen den Präsidenten Falliöres, sondern gegen den König von Italien vorbereitet wurde. Italien. "Der Papst plant, wie in vatikanischen Kreisen verlautet, eine völlige Neugestal tung der französischen Kirche und zwar wird beabsichtigt, 15 neue Bischofssitze zu schaffen. Die Oberleitung soll einem päpstlichen Legaten mit dem Sitze in Paris übertragen werden. Luxemburg. *Die Negierung hat seitens inter essierter Industrieller die Zusicherung der Leistung von Kostenbeiträgen zu dem geplanten Bau eines Moselkanals erhalten. Die fran- zösischeRegierung beabsichtigt, den Kanal von der Grenze bis Longwy auszudehnen. Rustland. *Ein Erlaß des Kaisers an den Großfürsten Nikol ai Nikolajewitsch spricht die Genugtuung des Kaisers aus über die vor zügliche Haltung der Truppen im Lager von Krasnoje Selo. Die Truppen hätten trotz des anstrengenden Dienstes, den die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung im Laufe des Winters und selbst während der für die Lagerübungen festgesetzten Sommerzeit notwendig machte, im ganzen wie im einzelnen eine ausgezeich nete Ausbildung erhalten, die besonders auch während der Manöver zutage ge treten sei. *Für die Deutschen in den balti schen Provinzen scheint eine Zeit neuer Schrecken und Gewalttaten anbrechen zu sollen. Die im eigentlichen Rußland reichlich erprobte Methode des revolutionären Kleinkrieges wird jetzt auch nach Livland und Kurland ver pflanzt, und weder Polizei noch Utilitär, noch der dort von den Behörden geduldete Selbst schutz sind imstande, den Mordbuben das Hand werk zu legen. In vier Tagen fanden in Liv land 25 schwere Raubanfälle statt, bei denen viele Menschen ihr Leben einbüßten. Daß es übrigens im Zarenreiche durchaus nicht ruhig ist, geht aus einer amtlichen Feststellung hervor, laut welcher in der letzten Woche in Rußland 72 politische Morde an Amtspersonen verübt, 42 Beamte schwer verwundet wurden. Ferner wurden 120 Bomben gefunden, 12 Ge heimdruckereien entdeckt, 13 Kron-Schnapsbuden und 18 Staatskassen beraubt, wobei 22 An gestellte getötet und verwundet wurden. Aus politischen Gründen wurden 276 Personen ver haftet. Balkanstaaten. *Wie aus Konstantinopel gemeldet wird, ist der Sultan nach fortgesetzt ge machten offiziellen Versicherungen vollkommen hergestellt. Nach vertraulich gemachten privaten Angaben bedarf sein veraltetes Blasenleiden jedoch noch ernster ärztlicher Behandlung, der Sultan bedürfe großer Schonung, doch sei sein Zustand zurzeit absolut gefahrlos. * Die Pfortehat der mazedonischen Finanzverwaltung einen Vorschuß von 80 000 Pfund angewiesen. * Der bulgarische Ministerrat be willigte eine halbe Million Frank für die Bul garen in Mazedonien. Dies ruft den besten Eindruck bei den mazedonischen Führern hervor. Man erklärt, diese verhältnismäßig kleine Unter stützung habe eine große Bedeutung zur Hebung des makdobulgarischen Selbstbewußtseins und zur Stählung im nationalen Kampfe. (Schon früher bewilligte die Regierung nach der Nieder werfung des mazedonischen Aufstandes eine Million Frank zur Wiederherstellung zerstörter bulgarischer Behausungen.) Amerika. * In die Bewegung der Parteien für die bevorstehenden Ko n g r e ß w ah l en in den V er. Staatey hat Präsident Roosevelt durch eine eingehende Darlegung seiner politischen An schauungen und Absichten in Form einer an ein Kongreßmitglied gerichteten Note eingegriffen. Wiederum stellt er den Kampf gegen die Aus wüchse des Gro ßkapitalismus in den Vordergrund, verteidigt das bestehende Schutz zollsystem und fordert die Mitarbeit des Volkes in der auswärtigen Politik, deren prak tische Hauptaufgaben er in der Ausführung des Panama-Kanals und Vermehrung der Flotte erblickt. * Die Republik Kuba wird der ihr von den Ver. Staaten nach der Besiegung Spaniens verliehenen Freiheit nicht froh. Kürzlich wurde die Entdeckung eines Komplotts gegen den Präsidenten Palma gemeldet; jetzt stellt sich heraus, daß eine allgemeine revolutio näre Erhebung geplant war, die nun auch teilweise zum Ausbruch gekommen ist und schon zu blutigen Kämpfen geführt hat. Die Negierung gibt amtlich zu, daß ein Kriegszustand besteht und daß die Lage überaus ernst ist. Wie es scheint, richtet sich die Bewegung in erster Linie gegen die auf Kuba ansässigen Bürger der Ver. Staaten. Afrika. *Über die Grenz st reitigkeiten im Kongogebiet äußert sich ein Brief von der Kongoküste vom 17. Juni 1906 wie folgt: Die Festsetzung der Grenze im hiesigen Kamerun gebiet ist noch immer nicht erfolgt. Der um strittene Ort Minvul wird als deutsches Gebiet angesehen. Deutsche Patrouillen durchziehen das Gebiet. Weiße wie Schwarze werden für Ver gehen auf diesem Gebiet von deutschen Behörden abgeurteilt. Trotzdem beansprucht Frankreich jetzt den Ort für sich. Die Schlichtung des Streites wird wahrscheinlich einer gemischten Kommission überwiesen werden. Japan. * Der Vizegouverneur der Bank von Japan, Takahashi, tritt eine Reise nach Eng land und Amerika an, um über die Ausgabe einer Regierungsanleihe von 160 Mil lionen Mark für die Operationen in der Man dschurei und, wenn die Verhältnisse günstig liegen, gleichzeitig über die Ersetzung der alten Anleihen durch neue zu geringerem Zinsfüße zu verhandeln. Japan wird übrigens den ganzen ihm gehörenden TeU der mandschurischen Bahn Ende September dem allgemeinen Ver kehr übergeben. Die japanische Regierung hat China nochmals auf das Fehlen von Zoli st a t i o n e n an der Nordgrenze der Man dschurei aufmerksam gemacht. Bulgarien beruhigt tick. Die bulgarische Regierung scheint sich doch endlich darauf besonnen zu haben, daß sie ver pflichtet ist, unter allen Umständen in ihrem Lande für Ruhe zu sorgen. Denn wie der ,B. B.-C/ berichtet, kehrt unter den energischen Maßregeln der Regierung nach und nach wieder Ruhe ein. Seit der Rückkehr des Ministers des Innern, Petkow, nach Bulgarien kann kein Zweifel darüber bestehen, daß die Behörden Versuche zu weiteren griechenfeindlichen Ausschreitungen mit energischer Hand niederschlagen werden. Bisher wagten die Behörden nicht, den griechenfeind lichen Kundgebungen mit dem nötigen Nachdruck entgegenzutreten, weil diese Bewegung unter der Bevölkerung großen Anhang hat. Nach den letzten Vorfällen in mehreren Städten, speziell in Anchialos, welche die Entrüstung aller politi schen Kreise Hervorgemfen haben, ist die Regie rung fest entschlossen, die strengsten Maßregeln gegen alle Ausschreitungen zu treffen und gegen die Schuldigen die ganze Härte des Gesetzes walten zu lassen. Die ,Vetscherna Poschtw veröffentlicht Äußerungen Petkows, welchen folgendes zu entnehmen ist: Der Haß gegen die Griechen ist all, da die Bulgaren Jahrhunderte hindurch Verfolgungen seitens der Griechen zu erleiden hatten. Dazu gesellten sich in der letzten Zeit neue Ursachen der Ver bitterung: die Untaten der griechischen Banden in Mazedonien, die verstärkten Intrigen der griechischen Geistlichkeit und das Vorgehen des Patriarchats. Bisher ließ sich der Bulgare in seinen politischen Handlungen von seiner gesunden Vernunft leiten und überwand die verletzten Gefühle. Aber die letzten Greueltaten in Mazedonien, sowie der neue Fehler, den das Patriarchat mit der Entsendung des Bischofs Neophytos nach Varna beging, haben die Erregung des Volkes aufs höchste gesteigert. Man darf auch nicht ver gessen, daß an der jetzigen Bewegung Mazedonier beteiligt sind, welche selbst unter den Greueln der griechischen Banden gelitten haben. Diese Elemente reißen leicht die übrige Bevölkerung mit. Die Regierung ist sich aber dessen bewußt, daß sie für die Ordnung und Ruhe des Landes die Verantwortung trägt und daß durch Aus schreitungen, Gewalttaten und Zerstömng fremden Eigentums der bulgarischen Sache ein schwerer Schaden zugefügt wird. Als verantwortlicher Minister und als Beschützer der Interessen der bulgarischen Sache und der Ehre des Staates habe ich — so sagte Herr Petkow — alle Maß nahmen getroffen, damit den Ausschreitungen ein Ende gesetzt werde. Und ich erkläre, daß ich auf das Wagnis hin, meine Popularität zu ver lieren, meine Pflicht bis zum Ende erfüllen und es nicht zulaffen werde, daß Bulgarien durch unbändige und unverantwortliche Elemente kom promittiert wird." Tatsächlich hat die Regiemng denn auch alle Maßregeln getroffen, daß die griechenfeindlichen Kundgebungen der Bevölkemng nicht mit weiteren Ausschreitungen verbunden werden. Im Hinblick auf die dieser Tage in Philippopel ver anstaltete allbulgarische Versammlung hatte sich der Kriegsminister dorthin begeben, um die militärischen Maßnahmen zu beaufsichtigen. Ferner wurde der dortige Stadtkommandant General Iwanow, der beschuldigt ward, sich ge weigert zu haben, nötigenfalls auf Exzedenten zu schießen, durch General Andrew ersetzt. Von j^ak unck fern. » Die erste ländliche Volkshochschule, nach dänischem Muster eingerichtet, wird in Schleswig-Holstein am 1. November in Albers dorf, einem größeren Kirchdorf auf der Ditt- marschen Geest, eröffnet werden. Sie soll der erwachsenen Jugend Gelegenheit geben, sich für das praktische Leben auf dem Lande weiter aus zubilden. Die verschiedenen Erwerbsklassen finden dabei gleichmäßig Berücksichtigung. Die jungen Handwerker, die die Schule besuchen, sollen in den Stand gesetzt werden, ihre Meisterprüfung abzulegen. Die Dauer des Kursus ist auf fünf Monate festgesetzt. Die Verhaftung des Lotterie-Kollek teurs Fischer in Altona hat zwei weitere Fest nahmen seilens der Hamburger Polizei zur Folge gehabt. Es handelt sich hierbei um eine Frau und einen Kontoristen, die verdächtig sind, an den Lotterieschwindeleien beteiligt zu sein. Beide sind seinerzeit mit Fischer von Kopenhagen nach Altona gekommen, wo sie in der dortigen Filiale beschäftigt wurden. Die unterschlagenen Gelder, die Fischer zweifellos für sich verbraucht hat, belaufen sich auf mehr als 20 000 Mk. Die Zahl der Geprellten soll 7000 betragen: sie haben für ein bestelltes, aber nicht erhaltenes Los der Königsberger Schloßlotterie einen Ver lust von 3,30 Mk. zu beklagen. Fischer gab bei seiner Vernehmung an, die Gelder teilweise für Drucksachen, teilweise zur Deckung seiner Schulden verwendet zu haben. Eine Anzahl junger Leute, die von ihm mit Adressenschreiben beschäftigt wurden, haben sich aus der Polizei gemeldet, um ihren Lohn in Empfang' zu nehmen, der ihnen denn auch von den bei Fischer vorgefun denen Barbeträgen ausgezahlt wurde. Den Bart ausgerissen hat eine Frau iv Köln auf der Rheinbrucke einem Manne, der sie in unmenschlicher Weise prügelte. Sie faßte ihn mit beiden Händen in den Vollbart und riß M zum größten Teile aus. Der Mörder Salbey geisteskrank? Der angebliche Schriftsteller Salbey in Erfurt, der, wie vor einiger Zeit mitgeteill wurde, die Fahr kartenverkäuferin G. aus verschmähter Liebe er schoß und sich dann selbst eine leichte Ver wundung beibrachte, wird demnächst nach Halle a. d. S. transportiert werden, zwecks Beobachtung seines Geisteszustandes in einer dortigen Irren- Anstalt. Mit Tollkirschen vergiftet. Ein vier jähriges Kind, das in den Anlagen in Frankfurt am Main Tollkirschen gepflückt und davon ge gessen hatte, starb unter Vergiftungserscheinungen. Einbruch in ein Kloster. Im Nonnen kloster des lothringischen Dorfes Rettel wurde ein Einbruchsdiebstahl verübt. Die Diebe sägten die eisernen Stäbe eines Fensters durch und ge langten so in das Innere. Unter Anwendung eines Dietrichs gelangten sie in das Zimmer der Oberin. Nachdem sie diese gebunden und ihr einen Knebel in den Mund gesteckt hatten, raubten sie die Kasse mit rund 600 Mk. Inhalt, nahmen aus der zum Kloster gehörigen KiE verschiedene Wertgegenstände mit und entflohen- A Auf lckiefer Kabn. 9) Roman von Reinhold Ortmann. (Foraetzuttg.i 6. Der von zahlreichen jungen Herzen mit heißer Sehnsucht erwartete Tag des Rosenfestes war herangekommen. Herta Sieveking befand sich schon seit achtundvierzig Stunden in bei nahe fieberhafter Aufregung, denn sie war ja dazu ausersehen, den strahlenden Mittelpunkt dieses Künstlerfestes zu bilden. Sie wußte, daß ebenso viele neidische und mißgünsüge, als bewundernde Blicke auf ihr ruhen würden, und sie sagte sich, daß dieser bedeutsame Abend nur dann zu einem wirklichen Triumph für sie wer den könne, wenn es ihrer sieghaften Schönheit und Anmut gelang, alle hämischen Zungen ver stummen zu machen. Darum hatte sie sich's nicht verdrießen lassen, halbe Tage bei ihrer Schneiderin zuzubringen, unbekümmert darum, ob ihr Gatte daheim auf ihre Rückkehr wartete. Sie war erschöpft und todmüde von diesen end losen Konferenzen und von den Proben des Festspiels nach Hause gekommen, um sich sofort in ihr Zimmer zurückzuziehen und, wenn Richard Sieveking dann etwa noch einen Bersuch gemacht hätte, sich ihr freundlich zu nähern, so hätte sie ihn mit nervöser Ungeduld gebeten, ihr Ruhe zu gönnen. Seit dem frühen Morgen dieses Tages nun war sie ganz unsichtbar gewesen. Er hatte das Mittagessen allein einnehmen müssen, denn sie war um diese Zeit mit den Vorbereitungen für 'hre Festtoilette beschäftigt. Um acht Uhr — so war es verabredet — sollte Richard bereit sein, mit ihr nach dem Künstlerhause zu fahren, denn als Mitwirkende mußte sie sich schon eine Stunde früher ein finden, als die zuschauenden Gäste. Bis dahin hatte sie sich jede Störung in ihrer so überaus wichtigen Beschäftigung verbeten. Sie bemühte sich denn auch kaum, ihren Unmut zu verbergen, als ihr Gatte trotz dieser bestimmten Weisung bereits kurz vor sieben Uhr in das Ankleidezimmer trat. Sie trug noch ihr weißes, spitzenbesetztes Negligö, aber ihr präch tiges Haar war bereits zu einer kunstvollen griechischen Frisur geordnet und mit Blumen geschmückt, so daß der große Toilettenspiegel schon jetzt ein Bild von bezaubernder Lieblichkeit zurückstrahlte. Sicherlich war sie sich auch des Eindrucks, den ihre junge Schönheit auf jedes empfängliche Auge machen mußte, vollauf be wußt, und es durste sie deshalb wohl be fremden, daß über Richard Sievekings Gesicht ein fast wehmüttger Schatten glitt, als er sie ansah. „Entschuldige mein Eindringen, liebe Herta," sagte er, und seine Stimme, die freilich niemals sehr laut war, klang eigentümlich gedämpft und verschleiert. „Ich war dazu gezwungen, weil ich an deine freundliche Nachsicht wegen des heutigen Abends appellieren muß. Es hat sich etwas sehr Unangenehmes ereignet. Ich habe eine geschäftliche Mitteilung erhalten, die es mir unmöglich macht, dich in einer Stunde auf dies Fest zu führen/ Herta, der die Zofe eben noch eine Rose im Haar befestigt hatte, wandte sich heftig nach ihm um. „Was sagst du? Du kannst mich nicht dorthin begleiten? Ja, wie soll ich denn das verstehen?" „Ich muß mich sofort auf den Weg machen, um mit einigen meiner Geschäftsfreunde Rück sprache zu nehmen. Und ich fürchte, das wird sich nicht in so kurzer Zett abtun lassen." Auf einen gebieterischen Wink der Herrin verschwand die Zofe aus dem Ankleidezimmer. Als sich Herta jetzt ihrem Gatten zuwandte, unterdrückte sie sichtlich nur mit Mühe einen Ausdruck der Entrüstung. „Wegen eines Geschäftes also? Und ist es dein voller Ernst?" „Die Angelegenheit ist von großer Wichtig keit, liebe Herta, und sie duldet auch durchaus keinen Aufschub." Ihre Antwort bestand nur in einer gering schätzigen Bewegung des hübschen Köpfchens. Nach Verlauf einiger Sekunden sagte sie: „So werde ich denn genötigt sein, allein zu fahren! Und wann darf Wh dich erwarten?" „Ich vermag in diesem Augenblick nichts zu bestimmen. Und es könnte geschehen, daß mir die Entwickelung der Dinge überhaupt ver bietet, das Fest zu besuchen." Herta sah ihn starr an. Eine Helle Zornes- flamme entzündete sich in ihren sonst allezeit lachenden Augen. „Wärest du wirklich imstande, mir eine solche Beleidigung anzutun? Und nur, well du fürchtest, daß dir irgend ein Profit entgehen könnte? — Ah, das ist in der Tat mehr, als ich trotz aller meiner bisherigen Erfahrungen von dir erwartet hätte." Auch ihrer ausbrechenden Heftigkeit gegeD» über bewahrte Richard Sieveking seine eriD Ruhe. „Es handelt sich keineswegs um einen Prosit. Und es fällt mir wahrlich nicht leicht, dich i» deinem Vergnügen zu beeinträchtigen. Aber B geschieht nicht zuletzt um deinetwillen, wenn ich darauf bedacht bin, vor allem meine Pflicht B erfüllen." Sie machte eine ungestüm abwehrende Geste. „O, keine Redensarten, ich bitte dich um GotteS- willen! Hoffentlich wirst du ja noch rechtzeitig einsehen, daß dein Fortbleiben einfach eine Un möglichkeit ist. Ich könnte als verheiratete Frau doch nicht allein auf einem Feste bleibe^ das man beinahe ein öffentliches nennen muß. „Wenn dir das einleuchtet, liebe Herta, so wirst du mir vielleicht das Opfer bringen, es nach Schluß der Aufführungen wieder zu ver laffen. Ich würde dir dafür —" Aber sie ließ ihn gar nicht ausreden. „Läuft es darauf hinaus? Hast du dir diesen außer ordentlichen Zwischenfall nur bestellt, um mir die Freude zu verderben? O, du brauchst gar nichts zu sagen, ich lasse mich nicht täuschen. Daß du mir dieses Vergnügen mißgönntest, wußte ich längst. Du hattest eben nur nicht den Mut, es mir durch ein Machtwort zu versagen. Und nun müssen deine Geschäfte, die ich natürlich nicht kontrollieren kann, den billigen Vorwand heraeben, mich deinen heimlichen Wünschen ge fügig zu machen. Aber ich will nicht — ich will nicht! Ich habe mich nicht verheiratet, um mein Leben wie eine Klosterfrau zu ver trauern."
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