Volltext Seite (XML)
polttikke Aunälckau. Deutschland. * Der Kaiser weilte am 4. d. nach Be endigung seiner Nordlandreise zu eintägigem Besuch in Potsdam. Die Anwesenheit des Monarchen galt hauptsächlich der Begrüßung seines am 5. d. gerade einen Monat alten Enkels und dessen Eltern. *Der Kaiser traf am 6. d. auf dem Truppenübungsplatz Munster ein und wohnte den Übungen der dort zusammengezogenen beiden Kavallerie-Divisionen bei. * Kaiser Wilhelm richtete an den Erz bischof Dr. Fischer ein Danktelegramm, weil dieser seine Erlaubnis zur Öffnung des Sarkophags Karls des Größen'gegeben habe. ? *Die- Anklagerede des Prinzen Georg in der bayrischen Reichs- !ratskammer hat anfangs zwar großes Aufsehen hervorgerufen, in parlamentarischen Kreisen rechnete man sogar mit einer Minister krisis, doch einen Tag nach der prinzlichen Aede, als man den Vorfall genauer und kühler ^betrachtete, war in beiden Häusern des Landtags bereits ein Umschwung eingetreten. Minister Graf v. Feilitzsch wurde von dem in der Reichsratsfitzung anwesenden Prinzen sehr freundlich gegrüßt und damit scheint der Auf sehen erregende Zwischenfall endgültig erledigt zu sein. *Jn Esaß-Lothringen stehen wich tige Personal-Veränderungen bevor. Wie verlautet, gedenken außer dem Statt halter Fürsten zu Hohenlohe-Langenburg auch die Unter st aatssekretäre Zorn v. Bulach und Dr. Petri zurückzutreten, für deren Nach folger Bezirkspräsident Graf Zeppelin-Aschhausen und Ministerialdirektor v. Puttkamer gelten. ' * Bei der Stichwahl zum Reichstag in Rintelen - Hofgeismar wurde der Deutschsoziale Herzog mit sehr erheblicher Mehrheit an Stelle des verstorbenen gleichfalls deutschsozialen Grafen Reventlow gewählt. Er vereinigte auf sich rund 9100 Stimmen, während dem Sozialdemokraten Vetterlein mnd 4500 zu fielen. Frankreich. *llber die Marinebauten hat sich der Marineminister Thomson in einem Gespräch geäußert. Er erklärte, daß die fran zösische Marine sowohl ihre Verteidigungsmittel durch Erbauung immer vollkommener Torpedo boote und Unterseeboote vergrößere, als auch den Geschwadern ihren Gefechtswert erhalten müsse. Der Minister steht in lebhaften Ver handlungen, um für die vom Parlament be willigten und in Auftrag zu gebenden 6 Panzer schiffe eine kleine Verzögerung in dem Beginn des Baues zu erlangen, um alle bis dahin gemachten Fortschritte zu benützen. England. * Das Unterhaus hat sich bis zum 23. Oktober vertagt, nachdem das Etatsgesetz in dritter Lesuug angenommen worden ist. In der Generaldebatte vor der Vertagung führte der Staatssekretär des Auswärtigen Str Edward Grey in bezug auf die Lage in Ägypten aus, daß' es nicht zu vermeiden sei, daß durch die Streifigkeiten mit der türfischen Regierung dort Beunruhigung hervorgerufen Würde. Betreffs der Bagdadbahn erklärte der Staatssekretär, daß, wenn die Deutschen eine Beteiligung andrer Mächte wünschten, ge- gebendnfalls Zeit genug sei, die Frage zu erörtern, ob und welche Mächte daran teil nehmen sollten, und unter welchen Bedingungen dies zu geschehen hätte. — Auch das Ober haus hat am 4. d. die Beratung des Etats- gesetzes in allen Lesungen erledigt. Schweiz. * Anarchist Bertoni ist inZürich wegen eines Verherrlichungsartikels auf den Königs mörder Presci und Aufforderung zu neuen Mordtaten verhaftet worden. Am 29. Mai 1900 stand Bertoni als Schweizer Bürger bereits wegen einer zum Monarchen mord auf reizenden Broschüre vor Gericht, ward aber'frei- geiprochen. Inzwischen ist nun seit 1. Juli d. die neue Strafnovelle zum Anarchisten gesetz in Kraft getreten, wonach Bertoni samt den übrigen verhafteten Anarchisten sicher hängen bleibt. Italien. *Für den zurückgetretenen Unterrichts minister Fusinato ist Rava zum Minister ernannt worden. Portugal. * Der neue Ministerpräsident Franco erfreut sich offenbar bei der Bevölke rung keiner besonderen Beliebtheit. Als er am 4. d. nach vollzogener Einweihung des Wahl lokals seiner PaAei das Klubhaus verließ, wurden aus der Menge auf ihn und seine Be gleiter Steine geworfen. Es heißt sogar, daß jemand auf das Trittbrett des Wagens des Ministerpräsidenten zu klettern versucht haben soll, mit der Absicht, den Ministerpräsidenten tätlich anzugreifen. Es sei dem Angreifer ge lungen zu entkommen. Rußland. * Die Lage wird an leitender Stelle sehr günstig beurteilt, obwohl die Nachrichten, die täglich einlaufen, nichts Erfreuliches und Be ruhigendes melden. Wie es scheint, hat die Regierung in aller Eile ein Gewalt regiment hergestellt. Mit äußerster Strenge werden die Kriegsgerichte gehandhabt. Das bereits in Tätigkeit befindliche Kriegsgericht in Sweab.org wird 700 Artilleristen, 300 Infante risten und 100 Mann Marinetruppen abzu urteilen haben. Es ist noch nicht entschieden, ob die dem Zivil angehörenden Teilnehmer an dem Aufruhr aus Finnland vor einen russischen oder einen finnländischen Richterstuhl gestellt werden. In Helsingfors ist die Ruhe wieder hergestellt, die sozialdemokratische „Rote Garde" zerstreut und der Generalstreik beendet. In Kronstadt sind 300 Rädelsführer des letzten Aufstandes vom Kriegsgericht zum Tode verurteilt und bereits hingerichtet worden. Unter ihnen befinden sich viele Zivil personen, darunter auch das ehemalige Mitglied der Reichsduma Michailirzenko, bei dem ein Plan der Festungswerke gefunden wurde. Trotz der Niederwerfung der Revolten in Sweaborg und Kronstadt herrscht im Generalstab der Marine noch gegenwärtig große Besorgnis, daß sich jene Ereignisse in Sebaitopol wiederholen, wo es unter der Besatzung gärt. — Der Streik in Petersburg nimmt allmählich größere Ausdehnung an. Immer mehr Arbeiter legen die Arbeit nieder und die Zahl der Streikenden beläuft sich bereits auf mehr denn 66 000. Indessen ist der Streik noch keines wegs allgemein, und es fragt sich, ob es den Agitatoren gelingen wird, den Stillstand aller Betriebe zu erreichen. * Das Mitglied des Reichsrates D. F. Samarin erhielt die Ernennung zum Oberprokurator des russischen heiligen Synods. Balkanstaatcn. * Die antigriechische Bewegung auf dem Balkan ergreift immer weitere Kreise und nimmt fortgesetzt schärfere Formen an. Nachdem bereits in Rumänien die griechen- feindliche Stimmung zu einem Abbruche der diplomatischen Beziehungen zu Griechenland ge führt hat, haben die fortgesetzten Reibereien zwischen der griechischen und bulgarischen Be völkerung nunmehr auch in Bulgarien den Haß gegen die Griechen -so gesteigert, daß die öffent liche Meinung das schärfste Vorgehen gegen sie von der Regierung fordert. In Sofia fand eine von 20 000 Menschen besuchte Massen kundgebung gegen Griechenland statt, auf der der Abbruch der diplomatischen Beziehungen ge fordert wurde, falls die Einfälle griechischer Banden in Bulgarien fortdauern sollten. Amerika. * Der kürzlich zur Botschaft erhobenen ameri kanischen Gesandtschaft in Tokio wird in Washington besondere Wichtigkeit beigelegt, weil durch den Botschafter Wright Unterhand lungen zwecks einer Revision der Zollverträge stattfinden. Afrika. *Jn Marokko ist ein bedrohlicher Auf- stand ausgebrochen. Rebellen, auf deren Fahnen die Worte „Marokko für die Marokkaner" stehen, strömen unter der Führung halb souve räner Vasallen um Marakesch zusammen, und der Prinz Abdul Hafid wird von ihnen auf gefordert, sich zum Gegensultan ausrufen zu lassen. Die Lage spitzt sich in bedrohlicher Weise zu. Japan. *Jn der Kriegsakademie zu Tokio fand eine außerordentlich feierliche und eindrucks volle Gedächtnisfeier für den in Groß- Lichterfelde bei Berlin verstorbenen General Meckel statt. Oberpriester der Aintos sprachen Gebete, General Jgushi rühmte die hohen Ver dienste des unvergeßlichen Generals um die japanische Armee. Der Kriegsminister General- stabschef Marschall Nogi, Mitglieder der deut schen Botschaft und hundert japanische Offiziere legten auf den Altar vor Meckels bekränztem Bildnis grüne Zweige nieder. Eine deutsche Uolonialarmee. Für die Errichtung einer deutschen Kolonial armee tritt ein neues „Generalstabswerk über den Hererokrieg" mit aller Entschiedenheit ein. Besonders die großen Organisationsschwierig keiten beim Hinaussenden von Verstärkungen zum Entscheidungskampf am Waterberg haben diese Erkenntnis gefördert. Es heißt darüber in dem genannten Werke: „Auch die neue Verstärkung der Schutztruppe wurde aus Freiwilligen des" Landheeres auf gestellt. Die Formierung dieser Freiwilligen aufgebote war Sache des Oberkommandos der Schutztruppen. Da dieses indes den dauernd sich steigernden Anforderungen seiner ganzen, nur auf kleine Verhältnisse zugeschnittenen Organisationen noch nicht gewachsen sein konnte, wurde bestimmt, daß die Aufstellung aller weiteren Verstärkungen nebst der Beschaffung des Bedarfs an Pferden und — den Anforde rungen des Oberkommandos der Schutztruppen entsprechend — auch eines Teils des Kriegs materials durch das preußische Kriegsministerium zu bewirken sei. Durch diese Neuordnung war die Abwickelung der schwierigen und umfang reichen Organisationsgeschäfte zwar sichergestellt, allein die Schaffung einer mehrköpfigen Ver waltung hatte auch viele Hemmungen und Ver zögerungen im Gefolge. Nicht weniger als fünf Behörden waren an den Arbeiten beteiligt und hatten sich in vielen Fragen untereinander zu verständigen: der Kolonialabteilung fiel die Verrechnung der ge samten Kosten, dem Reichsmarineamt die Ver waltung des Mariueexpeditionskorps zu; das Kriegsministerium und das Oberkommando der Schutztruppen teilten sich in die Organisation und Verwaltung der Verstärkungen für die Schutztruppe, und dem Chef des Generalstabes der Armee war die Leitung der Operationen übertragen. Bei der Bildung und Verwendung der aus Freiwilligen des ganzen Heeres zusammen gesetzten Verstärkungstruppen traten zudem alle Mißstände hervor, die in der Eile geschaffenen Neuformationen stets anhaften und anfangs ihren kriegerischen Wert herabdrücken. Bei dem dringlichen Bedarf war es indessen nicht mög lich, die Truppe vorher innerlich zusammenzu schweißen und mit der Eigenart der kolonialen Kriegführung vertraut zu machen; man war gezwungen, die aus der Heimat nachgeführten Verstärkungen in unfertigem Zustande an den Feind zu bringen. Das Fehlen dauernd vorhandener, für über seeische Zwecke stets verwendbarer Truppen, einer Art Kolonialarmee, wurde," so schließt die Betrachtung, „in dieser Zeit von allen Seiten besonders unangenehm empfunden, und die zu tage tretenden Mißstände lehrten, das; das Reich eine Kolonialtruppe in der Heimat dringend nötig hat, um den Anforderungen überseeischer Machtentfaltung genügen zu können." Mk Mä fern» Der Kronprinz als Schützenkönig. Beim. Schützenfest zu Esens bei Wilhelmshaven war der beste Schuß durch Herrn Senator Hinrichsen für den Kronprinzen abgegeben worden. Man sandte diesem ein entsprechendes Telegramm. Nun ist in einem Schreiben des Hofmarschall amtes mitgeteilt worden, daß der Kronprinz die Königswürde annehme. Dem Schreiben ist eine Medaille beigegeben, die das Porträt des Thronfolgers trägt. 34S Menschen ertrunken. Der von Barcelona kommende Dampfer „Sirio" mit etwa 800 Mann an Bord scheiterte bei den Hormigas-Jnseln in der Nähe von Kap Palos und sank schnell. Die Mehrzahl der Aus wanderer sind Italiener, die andren Spanier. Die Zahl der Ertrunkenen wird auf 300 ge schätzt. Die Geretteten befinden sich auf Kap Palos in Mischer Lage; es fehlt ihnen an Lebensmitteln und Keidungsstücken. Mehrere Fischer sind bei Rettungsversuchen umgekommen. Die Strandung des Dampfers erfolgte abends um 5 Uhr, das Schiff sank mit dem Hinter teile sofort. Die an Bord befindlichen Personen versuchten sich in Booten und mittels Seilen, die ihnen von Land aus zugeworfen wurden, zu retten. Unter den Ertrunkenen befindet sich ein brasilianischer Erzbischof. Mehrere Leichen sind bereits geborgen. Eine Frau, deren drei Kinder ertranken, wurde irrsinnig. — Die Behörden haben sich nach Kap Palos begeben, um den Schiffbrüchigen Hilfe und Lebensmittel zu bringen. An Bord eines Dampfers, der Hilfe leistete, wurden 80 Verletzte aufgenommen. Die Schuld an dem Unglück wird dem Kapitän beigemessen, der Selbstmord begangen hat. Als Strafgefangener in die Heimat zurück. In Hamburg ist mit dem Dampfer „Prinzessin" aus Kamerun der 1867 in Pader born geborene Egbert Ditmer eingetroffen, der wegen schwerer Mißhandlung von Schwarzen und wegen Urkundenfälschung vom Obergericht in Dar es Salam zu 8^ Jahr Zuchthaus ver urteilt wurde, die er in Celle verbüßen soll. Attentat auf einen Schnellzug. Der Schnellzug Nr. 40 Hamburg—Kiel wurde bei Neumünster mit Steinen beworfen, wodurch die Fenster eines Personenwagens zertrümmert wurden. Verletzt ist niemand, die Täter sind entkommen. Gattenmord. Der Barbier Gustav Rieger in Horneburgs Kreis Stade, wurde in seiner Wohnung mtt durchschnittener Kehle ermordet aufgefunden. Als Mörderin wurde die eigene Ehefrau des Mannes verhaftet und ins Amts gerichtsgefängnis in Buxtehude eingeliefert. Der Grund zu der gräßlichen Tat ist unbekannt. Bei einer Explosion eines Azetylen- kessels auf einem Neubau in Hochneukirch, die durch eine brennende Tabakspfeife veranlaßt Ivar, wurde einem 17 jährigen Arbeiter die Schädeldecke abgerissen. Späte Hochzeit. Zn Göhlenau wurde ein sebr altes Brautpaar getraut. Die Braut ist 72 Jahre, der Bräutigam 70 Jahre alt, eine „alte Jugendliebe". Eine Schülcrtragödie. In Metz erschoß sich ein Gymnasiast, der Sohn des Gemeindc- schullehrers Kieffer in Ars-Mosel, weil er bei der Versetzung von Sekunda nach Prima sitzen blieb. . . i Das Geständnis des Mörders. Der Bäckcrknecht Heinr. Maaß, der unter dem Ver dacht der Ermordung und Beraubung der Witwe Rasmussen verhaftet worden ist, legte vor dem Polizeimeister in AarhuS ein umfassendes Ge ständnis ab. Er hat die Witwe Rasmussen von Aarhus nach Angeln gelockt und dort er drosselt. Das Sparkassenbuch wurde blutbefleckt in seiner Wohnung vorgefunden. Eine Aufsehen erregende Diebstahls geschichte wird aus Bordeaux berichtet. Die Haussuchung bei einem der reichsten Männer der Stadt ergab die Auffindung einer großen Anzahl von Gegenständen, die aus dem Natur historischen Museum der Stadt Bordeaux ent wendet wurden. Der sofort Verhaftete legte ein reumütiges Geständnis ab. Er habe für seine Privatsaminlung gestohlen, doch sollten nach seinem Tode die von ihm gemachten großen Ankäufe sowie die entwendeten Gegen stände der Stadt zufallen, beziehungsweise zurück erstattet werden. O Auf schiefer Lab:;. Lsj Roman von Reinhold Ortmann. IForNetzmigv Löwengaard hatte eine Brieftasche hervor gezogen und suchte unter den Kassenscheinen, die darin sichtbar wurden. „Man muß den Mut nicht verlieren. Es kommen auch wieder bessere Tage. Und einst weilen gestatten Sie mir wohl, Ihnen eine kleine Beihilfe —" Mit fast heftig abwehrender Bewegung erhob Helmbrecht den Arm. „Nichts mehr davon, Herr Löwengaard! Ich wollte lieber mit meinen Kindern verhungern, als daß ich mich dafür noch einmal bezahlen ließe. Ich weiß ja, daß ich Sie nicht mehr im Stiche lassen darf, nach dem ich Ihnen zum ersten Male diesen Dienst erwiesen. Aber ich nehme kein Geld mehr als Belohnung an. Ich will das Verbrechen nicht als Gewerbe betreiben." „Aber so regen Sie sich doch nicht auf, mein Vesteri Es war durchaus nicht meine Absicht, Sie zu beleidigen. Ich werde die Kleinigkeit also für Sie aufheben, falls Sie eines Tages anders darüber denken sollten." Er steckte die Brieftasche wieder ein; der Buchhalter aber raffte seinen Hut auf und ging zur Tür, düster blickend und in gebeugter Hal tung, mit schleichenden, mühseligen Schritten. Löwengaard barg von den beiden Briefen den einen auf seiner Brust, mit dem andern aber kehrte er in das Arbeitszimmer zurück, wo der Oberstleutnant so eifrig über den Papieren saß, Laß er seinen Eintritt kaum bemerkte. Erst als der andre mit einem Stuhl rückte, erhob er den Kopf. „Diese Summe hier kann doch unmöglich die Gesamtheit Ihrer Jahresauslagen darstellen," sagte er. „Ich begreife nicht, daß damit die Ansprüche eines leichtlebigen jungen Mannes, der noch dazu Mitglied einer vornehmen Stu dentenverbindung ist, befriedigt sein sollten. Auch von dem Reitpferd, dessen vorhin Er wähnung geschah, habe ich nirgends etwas gefunden." „Das erklärt sich sehr einfach. Der Braune ist ein Geschenk von mir und wird in meinem Stalle unterhalten, wenn Cäsar auch der Meinung sein mag, daß es auf seine Kosten geschieht. In Wahrheit könnte ich es natürlich nicht verantworten, ihm solchen Luxus aus seinem, meiner Verwaltung anvertrauten Ver mögen zu gestatten. „Und alles andre? Die Ausgaben für seine kostspieligen studentischen und sonsügen Vergnügungen? Sie fließen auch aus Ihrer Tasche?" „Aber natürlich! Ich durfte das pädago gische Experiment, von dem wir vorhin ge sprochen, doch nur auf meine Kosten unternehmen. Mein Neffe bezieht von mir einen Zuschuß zu seinem Taschengelde, der ausreichend ist, alle seine Bedürfnisse zu befriedigen und dessen wahre Herkunft er weder jetzt noch künftig zu erfahren braucht." „Das ist ja eine sehr großartige Handlungs weise, und man muß ein sehr reicher Mann sein, um sich solche Liebhabereien zu gestatten. Daß ich über den Wert Ihrer Erziehungsmethode darum nicht besser denke als zuvor, wollen Sie mir trotzdem nicht verübeln." „Ich hoffe Sie zu meinen Ansichten zu be kehren, wenn erst die Tatsachen für mich zeugen. Doch bleiben wir bei den Geschäften! Hier ist der beglaubigte Auszug aus dem Konto, das von dem Bankhause Schröder und Werkenthin auf den Namen meines Neffen geführt wird. Als das Depot errichtet wurde, erhielten Sie ein genaues Verzeichnis der vorhandenen Effetten, Rentenbriefe und Hypotheken-Doku- mente. Es handelt sich also um die Feststellung, ob der vorliegende Auszug mit jenem Ver zeichnis übereinsfimmt. Sie haben es vermut lich mitgebracht?" „Allerdings!" rief der Oberstleutnant, „hier ist es!" „Nun wohl, dann ist uns ja die Revision ziemlich leicht gemacht, übrigens bin ich auch bereit, Ihnen sämtliche Wertpapiere inner halb weniger Stunden im Original vorzulegen, wenn Ihnen dieser Ausweis trotz seiner Be glaubigung durch drei Unterschriften nicht ge nügen sollte. Es kann mir nur durchaus er wünscht sein, daß die Prüfung meiner Recht schaffenheit eine möglichst gründliche und strenge ist." Etwas verwundert blickte der Oberstleutnant auf, und es war ein fühlbarer Klang von vor nehm kühler Abweisung in seinen Worten, als er erwiderte: „Daran, daß es sich um eine Prüfung Ihrer Rechtschaffenheit handeln könnte, habe ich bisher überhaupt nicht gedacht, Herr Löwengaard. Ich bin hierher gereist, weil meine Pflicht als Gegen vormund mir solche Revisionen vorschreibt, nicht, weil ich das Vermögen meines Mündels für gefährdet halte. Dieser Ausweis, der ja, wie ich sehe, vom heutigen Tage datiert ist, genügt mir vollkommen. Ist es Ihnen genehm, werden wir sofort mit der Vergleichung beginnen." 2. Mit festem, energischen Federzug hatte der Oberstleutnant v. Franhius seinen Namen unter die Erklärung gesetzt, daß er die Rechnungen, wie die Vermögensaufstellung geprüft und in voll kommener Ordnung gefunden habe. Unmittelbar nachher zog er seine Uhr und stand auf. „Aber Sie wollen doch nicht schon fort?" sagte Löwengaard. „Zum Mittagessen wenigstens bleiben Sie unter allen Umständen noch mein Gast." Doch der Oberstleutnant lehnte die Ein ladung auf eine ziemlich bündige Weise ab. Er wollte im Laufe des Nachmittags einige seiner alten Kameraden aufsuchen und schon am Abend die Heimreise antreten. Noch erging sich Julius Löwengaard in Versicherungen des Bedauerns, als ihr Gespräch durch das unvermutete Er scheinen einer jungen Dame unterbrochen wurde, die mit großer Lebhaftigkeit und ohne jede vor herige Anmeldung in das Zimmer stürmte. Sie war in eine sehr elegante Stratzentoileite gekleidet und zählte sicherlich noch nicht mehr als einundzwanzig Jahre. Nur die Rundung der hübschen Formen ließ die junge Frau m ihr vermuten, während das allerliebste frische Gesichtchen mit den Hellen, blaugrauen Augen und dem auffallend kleinen, kirschroten Mund