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Vie .Ottendorfer Zeitung" erscheint Dienstag, Donners, tag nnd Sonnabend abends. B ezugspreis vierteljährlich I Mark. Durch die Post bezogen 1,20 Mark. Annahme »»> Inseraten bi» vormittag „ Uh»4 »Inserate werden mit w Pf fLr di» Spaltzrll« berechn» Labellarischer'Satz nach b»sond»r»m Tarif Lokalzeitung für die Ortschaften Gltendors-Gkrilla mit ENoritzdorf und Umgegend. Mit wöchentlich erscheinender Sonntagsbeilage „Illustriertes Unterhaltungsblatt", sowie der abwechselnd erscheinenden Beilagen „Handel und Wandel", „Feld und Garten", „Spiel und Sport" und „Deutsche Mode". Druck und Verlag von Hermann Rühle in Hroß-Gkrilla. Für die Redaktion verantwortlich Hermann Rühle in Groß-Dkrilla Nr. 95. Mittwoch, den 8. August 1906. 5. Jahrgang. DM- Gefunden wurde innerhalb des hiesigen Ortes ein 6l6lä1ü8«beli6n mit Indalt. Der Verlierer wolle sich behuss Wiedererlangung im Otzmoinützamt hier melden. OttvnäorL-ZloritLäoi'k, am 2. August 1906. Der Genreindevorftand. Keseholzreichen. Zwecks Aufstellung des Verzeichnisses über Personen, die ein Leseholzzeichen für 1S06/V7 bedürfen, wird den Interessenten anheim gegeben, sich im hiesigen Gemeindeamts bis 15. August dieses Jahres zu melden. Später eingehende Bewerbungen bleiben unberücksichtigt. Ottkuäork-ZIorilLäork, am 3. August 1906. Der Getneindevorstand. OerMches und Sächsisches. (Vttendorf-Vkrilla, den 7. August MS. — Die Macht der großen Hitze, unter der die Menschheit und die Tierwelt nicht minder als die Früchte auf den Feldern und in den Gärten fast eine Woche hindurch litten, ist ge brochen, kräftige und zahlreiche Gewitter, an manchen Orten bis zu drei an einem Tage, haben uns die ersehnte Abkühlung endlich ge bracht. Trotzdem sist es den meisten von uns noch warm genug und die Folgen der Gluthitze werden sich noch einige Zeit lang bemerkbar machen. Ja, das war eine Hitze! Hoffentlich überfällt sie uns nicht noch einmal mit solcher Gewalt, wenn wir auch noch mit warmen, ja heißen Tagen rechnen müssen befinden wir uns doch noch in der Hundstagszeit. — Die Postkarten-BlockS (je 10 Karten), die von der Postverwaltung seit kurzem ein« geführt sind, werden vom Publikum wider Er warten verhältnismäßig nur wenig gekauft. Man nimmt an, daß diese Erscheinung darauf zurückzuführen ist, daß die Einrichtung im Publikum noch nicht genügend bekannt ist. Das Reichs - Postamt hat die Postanstalten neuerdings angewiesen, Postkarten in Blockform an das Publikum fortan nur aus ausdrückliches Verlangen zu verabfolgen. Dresden. Der Sekretär des israelitischen Gemeindeamtes Josef Bendiner erschoß sich am Sonnabend nachmittag in seinem Büreau. Ueber das Motiv zu der Tat ist nichts be kannt. B. war erst seit 2 Wochen verheiratet. — Mit 11700 Mark geflüchtet ist ein Buchhalter mit Namen Lauck, der in einem großen Geschäfte Berlins angestellt war. Der Ungetreue erhielt am Sonnabend 5700 Mark in barem Gelde und einen Scheck, auf den er 6000 Mark eihob. Den ganzen Betrag sollte er bei der Deutschen Bank in Berlin hinter legen, steckte ihn jedoch in seine eigene Tasche Und verschwand damit. Lauck ist 25 Jahre alt 174 Zentimeter groß und schlank gewachsen. Er stammt aus Dresden, spricht die sächsische Mundart, hat ein bartloses Gesicht und kurz geschorenes, hellblondes Haar und trug zuletzt einen halbdunklen Jackettanzug. Neustadt i. S. Als der Wirt des Aus flugsortes Götzingerhöhe, Anton Kindermann, gestern vormittag sich mit dem Pflücken von Kirschen beschäftigte, fiel er plötzlich von der Leider und blieb leblos auf dem Erdboden liegen. Ein Hirnschlag hatte seinem Leben ein Ende bereitet. Sebnitz. Der Mord an dem Gastwirt Külbel aus dem Hochbusch bei Sebnitz und die beiden Raubanfälle, welche am nächsten Tage in der Nähe von Sebnitz verübt worden waren, sind, wie das „Grenzblatt" mitteilt, nunmehr vollständig aufgeklärt. Der Mörder Michel ha! sich jedenfalls weil er ein Entweichen nicht Mehr für möglich hielt, der irdischen Gerechtigkeit durch Selbstmord entzogen. Seine Jntität mit dem bei Zschieren aus der Elbe gezogenen Leich nam ist von seiner eigenen Familie festgestellt, so daß die Erörterungen wegen des Mordes mmmehr abgeschloffen sind. Die Räuber sind dagegen in den Personen eines gewissen Kirsten aus Hoshainersdorf und eines gewissen Zinke aus Kritzschwitz einwandfrei ermittelt, da Kirsten n dessen Begleitung sich Zinke befunden hat, )ie Tat eingestanden hat. Beide sind an das Landgericht Bautzen abgeliefert worden, nach dem sie in Mügeln festgenommen waren. Jeder Grund zur Beunruhigung ist daher für die Besucher unserer Sächsischen Schweiz nun mehr wcggefallen. Zeiß Holz. Btt dem am 4. August nach mittags stattgesundenen Gewitter hat gegen halb 7 Uhr der Blitz in das Wohnhaus des Gemeindevorstandes Jurisch in Zeißholz ein geschlagen und gezündet. Das Feuer konnte flücklicherweise bald wieder gelöscht werden. Der Gelläudeschaden beläuft sich auf ca 200 M. Auch ist eine Kuh im Werte von 240 Mk. im Stalle erschlagen worden. Der Kalamitose erleidet fühlbaren Schaden, da er nicht versichert hat- Borna. Im nahen Zedtlitz ereignete sich am Sonnabend nachmittag ein recht bedauer licher Unglücksfall. Ein leerer Erntewagen überfuhr auf der Mühlgrabenbrücke ein 2 Jahre altes Kind des Kutschers Lindner, das dort eingeschlafen war. Das Kind war sofort tot. Colditz. Im nahegelegenen Zschetzsch schlug bei dem in unserer Gegend ausgetretenen Ge witter der Blitz in das Wohngebäude des Waldarbeiters und Wirtschaftsbesitzers Ziegner, welches,niederbrannte. Glauchau. Wie überall in Sachsen, tso tobten auch hier am Freitag und Sonnabend abend eine Anzahl Gewitter. Während die jenigen des Freitags trotz ihrer Heftigkeit nur geringen Schaden anrichteten, war dasjenige, das Sonnabend in denfpäteren Nachmittagsstunden austrat, von starkem Sturm und Hagelschlag begleitet, die mancherlei Unheil im Gefolge hatten. Was der Sturm verschonte, das zer störte der in seinem Gefolge befindliche Hagel schlag. Die Größe von Taubeneiern erreichend zerschlug er an den in der Stadt und im Freien befindlichen Gebäuden vielfach Fenster scheiben. Besonders war dies der Fall in der mechanischen Weberei von Taschls Nachfolger Restaurant „Bellevue" und in der Lichtensteiner Straße. In der städtischen Obstplantage hatten besonders die Birnen unter dem Hagel zu leiden. — Den Kampf gegen die Ringbrauereien beabsichtigten auch hier diejenigen Gastwirte aufzunehmen, die ihre Unabhängigkeit von den Brauereien bewahrt haben. Sie hielten hier im Hotel „Stadt Leipzig" eine Versammlung ab, an der etwa 30 Wirte aus der Stadt und der Umgegend teilnahmen. Irgendwelche Be Müsse faßten sie noch nicht, es soll vielmehr noch einmal versucht werden, auf gütlichem Wege ein Einvernehmen mit den Brauereien zu erzielen. Schlägt dieser Versuch fehl, dann soll es einer anderen Versammlung oorbehalten bleiben, geeignete Repressalien zu ergreifen, wie z. B. Beteiligung an einer ringfreien Brauerei oder Gründung einer Genosse nschafts- irauerei. Auf jeden Fall ist der Bierkonsum in letzter Zeit hier sehr zurückgegangen. Olbernhau. Als ein Arbeiter bei dem Teiche an der Schusterschen z olzschneiderei vorbeiging, gewahrte er auf dem Wasser einen Sirohhut, den er herausfischen wollte. Dabei ließ er auf einen Kindesleichnam, der als der 3 jährige Sohn des Fabrikarbeiters Arnold er mittelt wurde. Der Kleine ist jedenfalls dem Ufer zu nahe gekommen und dabei hinein gefallen und ertrunken. Zwickau. Der Streik der Maurer ist nach 14 wöchiger Dauer am Sonnabend beendet worden, Die Maurer erlangten 10 stündige Arbeitszeit und 40 Pfennige Stundenlohn. Seither wurden 35, seit dem Streik 38 Pfg. Stundenlohn ge- ahlt. Reichen bach i. V. Ein Unwetter schwerster Art ist am Freitag abend in der 10. Stunde über Reichenbach und Umgegend nieder- gegangen. Gegen 9 Uhr abends zog nach einem außerordentlich schwülen Tage von Süd westen her unter unaufhörlichem Blitzen und Donnern ein Gewitter am Himmel herauf, das von Minute zu Minute an Heftigkeit zunahm und von einem orkanartigen Stumme begleitet war. Der Sturm legte sich u. a. besonders gegen das große, hinter dem Amtsgericht aus einem freien Platze stehenden Zirkuszelt des Dompteurs Charles. In dem Zirkus wurde gerade Vorstellung gegeben und es mochten ca. 600 Personen anwesend sein, als das Gewitter so heftig auftrat, daß es wegen der bestehenden Gefahr geraten erschien, den Zirkus trotz strömenden Regens und Sturmes zu räumen. Eine Viertelstunde später stürzte das große Zirkuszelt, vom Sturme erdrückt, in sich zusammen. Balken, Taue und Gestänge und der ebenfalls mit eingedrückte, in der Arena errichtete schwere Gitterkäfig zur Vorführung der Raubtiere bildeten ein wüstes Durcheinander. Einige Personen, die sich des Sturmes und Regens wegen nickt hinaus gewagt hatten und am Eingänge des Zirkus standen, erlitten bet dem Einstürze leichte Verletzungen, sonst ist die Katastrophe noch verhältnismäßig glücklich ab gelaufen. Dir von dem Zirkus gehaltenen Raubtiere, Löwen und Eisbären, befanden sich während des Einsturzes sicher verwahrt in ihren schweren Wagenkäfigen. Dem Besitzer des Zirkus trifft ein Schaden von mehreren Tausend Mark. Auch sonst hat das Unwetter in unserer Stadt und Umgegend schweren Schaden angerichtet. Aus der Woche. Nach der Dumaauslösung war's im Reiche Väterchens zunächst einige Tage still. Hatte man in den Reihen der Revolutionäre sich be dacht, hatte man überlegt, was unter den ob waltenden Verhältnissen zu tun sei? Es scheint fast so, denn die Maßregeln, die unter dem Druck des durch die Auflösung des jungen Parlamentes geschaffenen Verhältnisses ergriffen wurden, lassen daraus schließen, daß man lange und eingehend die kommenden Schritte überlegt hat. Von nun ab sieht man in dem Vordringen des revolutionären Freiheitsgedankens ein ein heitliches uno klares Ziel: Kampf gegen die Regierung unter allen Umständen. Dazu kommt daß der Aufruhr bereits das Militär ergriffen hat. An allen Enden und Ecken des Zaren reiches sind die Truppen in Hellem Aufruhr zumal in Finnland sieht es böse aus. Die Aufständischen haben sich dort einer Festnng (Sweaborg) bemächtigt und kämpften mit den treu gebliebenen Truppen einen tagelangen entscheidungslosen Kampf. In Kronstadt wird gemeutert, in Kiew haben die Soldaten den Gehorsam verweigert bis zu dem Augenblick, da ihnen die Offiziere versprachen, ihren Forderungen Gehör zu verschaffen. Und tat sächlich haben diese Kiewer „lieben Jungens" Aussicht, nicht nur alle ihre politischen Forderungen erfüllt zu sehen, sondern sie sind auch auf dem besten Wege dazu, an die Stelle des vor einigen Tagen degradierten, aus der Nähe des Zaren verbannten Preobraschensky« Regiments zu rücken. Der Zar hat jetzt mehr )enn je in seiner Umgebung absolut treue und zuverlässige Soldaten notwendig; denn wenn man Londoner Gerüchten glauben darf, so ist Nikolaus nur mit knapper Not einer Palast revolution aus dem Wege gegangen, die an geblich unbedingt ausgebrochen wäre» wenn der Zar nicht seine Unterschrift unter das Auf« ösungsdekret gesetzt hätte. Väterchens Lage ist wenig bedauernswert. — In den Parlamenten Oesterreich-Ungarns stört kein Mißklang, keine Regierungsbcfragung, keine notpeinliche Debatte den sommerlichen Frieden. Die beiden Minister Präsidenten haben beim Kaiser Franz Joseph eine mehrstündige Audienz gehabt uud dann an der allgemeinen Familientafel teilgenommen; aber diese Höflichkeitsbezeichnungen fördern leider nicht die Sache des so notwendigen Ausgleiches zwischen den beiden widerhaarigen Reichshälften Daß der greise Kaiser unter solchen Umständen nur mit gemischten Gefühlen an die Debatten >es kommenden Winters denken kann, läßt sich »-greifen, und die Gerüchte, er wolle auf Ungarns Krone verzichten, treten immer be- timmter auf. — In England hat man sich in )er abgelaufenen Woche endlich entschlossen, )em einst gewaltsam eroberten Transvaal eine Verfassung zu geben. Wie es heitzt, soll die neue, längst versprochene und nie gegebene Ver« ässung alle Beteiligten — also auch die Buren — mit Befriedigung erfüllen. Die Londoner Blätter, die sonst immer die leistungS- ähigsten sind, wenn es sich um FriedenSgesänge Mdelt, konnten sich auch bei dieser Gelegenheit wieder einmal ein kleines Tintenattentat nicht ersparen. Die „Times" bemerkten zu der neuen Verfassung, sie sei der Anfang einer gänzlichen Auslieferung der ehemaligen Buren« republicken an Deutschland. Da die englischen Blätter, wenn es sich um Anrempelungen Deutschlands handelte, selten eine Grundlage hatten, noch seltener aber den Schatten eines Beweises beibringen konnten für mancherlei kühne Behauptungen, fo überrascht dieses kühne Phantasiestück keineswegs, nur zeigt es uns« daß alle schönen Reden von Völkerverbrüdernng und ewigen Frieden keinen Zweck haben, wenn ihnen keine Taten folgen. — Deutschland hat in der sommerlichen Gluthitze eine arge Nuß zu knacken. Der deutsche Michel hat in den Julitagen des Jahres 190S Blicke in die Kolonialpolitik getan, die ihm geradezu gräßliche Dinge enthüllt haben. Nicht allein, daß zu« verlässigen Nachrichten zufolge das Verfahren gegen den Exgouverneur Jesko v. Puttkamer eine schlimme Wendung zu nehmen droht, nicht allein, daß das gesamte Kolonialamt aus ge wissen Rücksichten einer fast peinlich sorgfältigen Neubesetzung unterzogen werden muß, al» drittes im fürchterlichen Bunde kommt noch hinzu, daß man hinter eine Bestechungöangelegenheit ge« kommen ist, die alle Mißwirtschaft weit in den Schatten rücken würde, wenn sich die an die Verhaftung des Majors Fischer geknüpften Vermutungen als gerechtfertigt erweisen. Unsre Kolonialangelegenheiten werden jetzt einer gründ lichen Durchsicht unterzogen werden, denn auf Wunsch des Kaisers, der sich persönlich für die Sache interessiert, soll vor aller Oeffentlichkeit alles aus dem Dunkel ans Licht gerückt werden. — In Rio de Janeiro tagt der allamerikanische Kongreß. Natürlich spielt die Friedensfrage eine Hauptrolle, selboerständig werden Ver brüderungslieder gesungen. Allamerika I.Ganz Amerika ein Land im ewigen Frieden. S'ist eine klingende Botschaft, aber es wird wenige geben, die daran zu glauben vermögen. Die kleinen Staaten werden vorläufig in Amerika weiter raufen, wie der Streit in uud um Mazedonien eine Notwendigkeit des europäischen politischen Lebens geworden ist.