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Die „Gttendorfer Zeitung" erscheint Dienstag, Donners, tag und Sonnabend abends. Bezugspreis vierteljährlich t Mark. Durch die Post bezogen ,,2V Mark. Annahme »ea Inseraten bis vormittag „ Uh».^ ^Inserate werden mit zo ps für die Spaltzetle berechn« TabellarischersSatz nach besonderem Laris Lokalzeitung für die Ortschaften Ottendorf Okrilla mit Moritzdorf und Umgegend. Mit wöchentlich erscheinender Sonntagsbeilage „Illustriertes Nnterhaltungsblatt", sowie der abwechselnd erscheinenden Beilagen „Handel und Wandel", „Feld und Garten", „Spiel und Sport" und „Deutsche Mode". Druck und Verlag von Hermann Rühle in Groß-GSrilla. Für die Redaktion verantwortlich Hermann Rühle in <8roß-Vkrilla Nr. 92. Mittwoch, den 1. August 1906. 5. Jahrgang. Oerttiches und Sächsisches. Vttendorf-Gkrilla, den Zu Juli MS. — Aus Anlaß der am 1. Juli erfolgten Portoerhöhung im Orts- und Nachbarorts verkehr war bekanntlich zur Erleichterung des UebrrgangS angeordnet worden, daß für alle im Monat Juli eingelieferten Postkarten, Drucksachen, Warenproben und Geschäftspapiere de» Ort», und Nachbarortsverkehrs, die von dm Absendern irrtümlich nach den alten Tox- sätzen frankiert werden, lediglich der fehlende einfache Portobetrag zu erheben sei: es sollte bei diesen Sendungen weder eine Verdoppeluug des Fehlbetrages noch eine Abrundung auf eine durch fünf teilbare Pfennigsumme statt« finden. Im Interesse unserer Leser sei noch mals darauf hingewiesen, daß mit Ende dieses Monats die für den Uebergang erlassenen Bestimmungen außer Kraft treten, und daß vom 1. August ab die allgemeinen Bestimmungen gelten, Für eine vom Absender irrtümlich mit 2 Pfg. frankierte Postkarte wird hiernach vom l. August ab der Adressat 10 Pfg. Strafporto tu entrichten haben. Die Auflieferer der Post sendungen werden daher gut tun, künftig auf di« richtige tarifmäßige Frankierung im Orts- UNd Nachbarortsverkehr mit der größten Sorg falt zu achten! — Zur Verbilligung der EisenbahntranSport- kosten hat der Zentralverband deutscher Indu strieller dem preußischen Eiscnbahnminister ein besuch um Aufhebung der Anschlußfracht, welche di« Inhaber von Privatanschlüssen zu entrichten haben, ferner einen Antrag auf Herabsetzung der Abfertigungsgebühren für alle Massengüter unterbreitet, die auf Gleis- Unlagen der Abnehmer oder Empfänger ver laden oder entladen werden. In der Be« gründung wird gesagt, daß solche Maßnahmen jur Verbilligung der Massengüter und somit jur Steigerung des Verbrauchs und ihrer Herstellung führen würden, sodaß auch die Eisenbahnen keinen Schaden, sondern noch Borteil hätten. Auck sei mit Rücksicht auf den immer schwieriger werdenden Wettbewerb der brutschen Industrie auf dem Weltmarkt die beantragte Verbilligung der Transportkosten dringend wünschenswert. Dresden. Am Montag erregte ein 3d Wagen langer Güterzug auf der Strecke Dresden-Bodenbach großes Aufsehen, da 29 seiner Wagen fe zwei schwarze Fahnen heraus- ^steckt hatten. Es handelte sich um einen Transport von Pulver, sowie Patronen für Maschinengewehre, der für die bulgarische Regierung bestimmt ist, und die aus Tanger- Mr kamen. In jedem Wagen waren 124 Kisten diese« Materials enthalten. — Auf der Radrennbahn verunglückte der bekannte Rennfahrer Rosenlöcher beim Trainieren badurch, daß er von seinem Schrittmacher an- 8ksahttn und zu Boden geschleudert wurde. Der Gestürzte mußte vom Platze getragen Werden. Er erlitt bedeutende Verletzungen am Kopfe und rechten Oberschenkel. Ein nicht ungefährlicher Brand brach OM Montag früh gegen 3 Uhr im Treppenhaus Hintergebäudes Friedrichstraße 51 aus. Do «r zu spät bemerkt worden war, hatte er Mn «ine ziemliche Ausdehnung erlangt, als b'o Feuerwehr eintraf. Die erste Meldung schielt diese auch nicht aus dem Grundstück l?lbst, sondern durch den Feuermelder Schäfer-, Waltherstraßc, den ein Gendarm, der den Borken Rauch von der Schäferstraße aus be- ^^kte, in Tätigkeit gesetzt hatte. Der Brand auf noch unaufgeklärte Weise in einem im Seiten Stock unter der Bodentreppe be- ovdlichen verschlagenen Raum, in dem sich ver- Mnedener Rummel befand, entstanden und Me die Bodentreppe und drei Bodenkammern Wie die Vorsaaltüren zu den beiden im ^iten Stock befindlichen Wohnungen in Drand gesetzt. Von der einen Mielpartei hatte Made noch die Frau des Mieter» mit einem Kind Zeit gehabt, über die Treppe ins Freie zu gelangen, während dem Manne, der noch einiges zusammcnraffen wollte, der Rückzug ab geschnitten wurde. Er sprang auf ein etwa 4 Meter tiefer gelegenes Dach eines seitlichen Anbaues und kam glücklich davon. Die ander: Partei war in ihrer Wohnung geblieben und wurde auch, da hier keine Gefahr vorlag, von den über zwei Hakenleitergänge vorge- ):ungenen Löschmannschaften dort belassen und beruhigt. Währenddessen war die Feuerwehr mit mehreren Schlauchleitungen vorgegangm. Die Gefahr war bald beseitigt. Die Boden treppe und die Bodenkammern mit einer großen Menge Winterfenstcrn, Möbeln, Betten usw. wurden völlig zerstört, der Dachstuhl beschädigt. Durch die vom Treppenhaus durch die zerstörten Türen in die Wohnungen gedrungene Glut wurden auch hier verschiedene Möbel beschädigt die nur zum Teil versichert sind. Radeburg. Am Sonntag Abend einha>b 12 Uhr erscholl in unserer Stadt Feueralarm. Es brannte das in der Dresdnerstraße gelegene Wohnhaus des Kunsttischlers Herrn Karl Schiefner. Dieses wie das nachbarliche Wohnhaus des Herrn Ernst Kluge konnten nicht erhalten werden. Das Feuer fand, da beide Häuser ältere Gebäude und Brandgiebel nicht vorhanden waren, gute Nahrung Ein Glück war es, daß Windstille herrschte, da bei der durch die sonnigen, heißen Tage bewirkten Trockenheit sonst leicht noch mehr Gebäude dem Feuer zum Opfer hätten fallen können. Die Entstehungsursache des Brandes war bis jetzt noch nicht möglich festzustellen. Versichert haben nur die beiden Hausbesitzer, wohingegen drei kleine Mielspartcien nicht versichert sind und, da bei dem schnellen Umsichgreifen des Feuers nicht alles gerettet werden konnte, an ihrem geringen Mobiliar immerhin bedeutenden Schaden erleiden. Siebenlehn. Auf dem Grundstück des Esfigsabrikanten Moritz Plee brannte ein Hinter- und Nebengebäude vollständig nieder. Das Wohnhaus konnte durch die Feuerwehr gerettet werden. Freiberg. In einer der letzten Nächte verübten hier mehrere russische Studierende der Bergakademie dadurch Unfug, daß sie von den auf dem Obermarkte befindlichen Ständen der Grünwarenhändler einen Handwagen wcgfuhren. Ein hinzukommender Schutzmann veranlaßte, als die Uebcrmütigen mit dem Wagen vor einem Restaurant hielten, di- Zurückbeförderung des Vehikels an Ort und Stelle, was erst nach längerem Zögern ge schah. ES wurden schließlich die Personalien der Beteiligten durch zwei Schutzleute festgestellt. Dabei versetzte einer der Gestellten dem einen Beamten einen derartig heftigen Faustschlag ins Gesicht, daß das künstliche Gebiß in Trümmer ging, während der zweite einen anderen Beamten direkt ins Gesicht spie. Der erstere wurde verhaftet. Jedenfalls um gegen dieses Vorgehen der Polizei zu demonstrieren, versammelten sich andern Tags abends gegen 11 Uhr etwa 150 Studierende, Inländer und Ausländer, auf dem Obermarkt und sie ver übten einen weithin hörbaren Skandal. Natürlicherweise fand sich auch bald eine Menge Neugieriger ein, sodaß der Auflous immer mehr anwuchs. Der Aufforderung der Polizeibeamten, auseinander zu gehen, wurde nur mit Widerstreben Folge geleistet. Auch wurden die Polizisten verhöhnt. Es gelang jedoch, die Namen mehrerer der Haupt beteiligten festzustellen. Der Skandal setzte sich hierauf in den Straßen fort, da die Studenten unter lautem Gejohle sich verteilten und durch die verschiedenen Straßenein- mündungen vom Obermarki abzogen. Der Lärm dauerte etwa 2 Stunden. Zittau. Einem tragischen Geschick ist seit Sonnabend früh in der Werkstätte der Fabrik mechanischer Musikwerke von A. G. Haupt der 45 jährige Werkführer Apelt zum Opfer gefallen Der Vater des Firmeninhabers, ein 80jähriger Greis, kam in die Werkstätte und bat den genannten Werkführer, ihm ein Tesching zu laden, weil er einen Staar schießen wolle. Der Werkführer entsprach diesem Wunsche, und als der alte Mann die Werkstätte verließ, entlud ich das Teschin aus noch nicht aufgeklärter Ursache. Hierbei drang Apelt das Projektil unmittelbar über dem linken Auge in den Kopf, o daß er lautlos zusammenbrach, und nach etwa einer Stunde verschied. Nach einer anderen Version soll der Schuß schon während des Ladens losgegangen sein. Eibenberg. Hier brannte die Scheune )es Schmiedemeisters Neubert vollständig nieder; das Wohnhaus wurde gerettet. Der Schmiede lehrling Weber gestand ein, beim Heuholen die Scheune angezündet zu haben. Vermutlich geschah dies aus Rache. Plauen. In dem vogtländischen Orte Taltis wütete in vergangener Nacht ein großes Schadenfeuer, welches in einer Scheune des Päßschen Gasthofes entstanden war. Die Scheune brannte völlig nieder, auch das Saal gebäude wurde erfaßt. Das Feuer sprang Zarin auf das Hofmannsche Gut über- Das Gut mit allen Gebäuden, großem Wohnhaus Stallungen und Scheunen wurden dem„Vogtl. Anz." zufolge vollständig eingeäschert. Auch wurden die ganze Heuernte, Gerätschaften, zwei Schweine, 20 Hühner nnd mehrere Tauben ein Raub der Flammen. Auch im Päßschen Gasthof kamen zwei Schweine in den Flammen um. Das Feuer wütete bis gestern morgen. Der Schaden ist groß. Man vermutet Brand stiftung. In der Scheune, in der das Feuer herauskam, hat ein Lumpensammler genächtigt. Aus der Woche. Das Ereignis der abgelaufenen Woche war natürlich die Duma-Auslösung. Seit Wochen schon schien nach Lage der Dinge im Zaren reiche solcher Staatsstreich unvermeidlich; als aber der stille Morgen widerhallte vom Rufe der Nachrichtenhändler: „Die Duma aufgelöst!,, war man doch erschreckt. Nummehr erschien die Blutherrschast und die Revolution, kurz eine Wiederkehr der französischen Greuel un vermeidlich geworden. Aber die Machthaber in Peterhof, die nicht abgelaffen hatten, dem Zaren Schreckbilder vom Schwanken seines Thrones vorzumalen, hatten doch richtig vermutet. Da in den größeren Städten, insbesondere aber in Petersburg, Warschau, Moskau und Odessa, durch starke Truppenaufgebote dafür Sorge ge tragen war, daß jeder gewaltsame Widerstand mit blutiger Waffe gebrochen werden konnte hatte der Zar das Recht für sich. Es mag dahin gestellt bleiben, ob Zar Nikolaus nach kluger und stiller Erwägung der Sachlage, oder in Angst vor einem gewaltsamen Uebergriff der täglich dreister sich gebärdenden Duma, oder gar, wie Londoner Blätter wissen wollen, unter dem Druck des Großfürsten Nikolai Nikola jewitsch, der dem Kaiser mit einer Palast revolution gedroht haben soll, falls er nicht die Volksvertreter davonjagt, gehanhelt hat. Soviel jedoch ist sicher, daß Nikolaus nach langem Schwanken im Augenblick, da über 20000 Mann unter Waffen standen, um augen blicklich gewaltsam jeden Widerstand zu brechen, den Schritt tat der ihm noch der geei gncte er scheinen mußte, um alles beim alten zu erhalten. Der Staatsstreich des Zarentums mußte seinem Ansehen bei den Wohlgesinnten schaden. Die Folgen blieben auch nicht aus. — Wenn nach in Rußland alles ruhig blieb, wenn selbst die wütensten Revolutionäre angesichts der waffen- starrenden Stadt Peters des Großen dringend zur Ruhe mahnten und sogar von einem friedlichen und unblutigen Generalstreik abrieten im Ausland verstimmte die Heimsendung der Volksvertreter um so mehr, als sie in einem Augenblick geschah, als man begann, auf eine ruhigere und bessere Zeit im Zarenreich zu hoffen, eine Zeit, die nur herbeigekehrt werden kann, wenn dem Volke die Möglichkeit zur Mitregentschaft gegeben ist, Aus diesem Gesichts punkte heraus hat der englische Premierminister Campbell-Bannerman gelegentlich einer Ansprache an die Delegierten der in London tragenden interparlamentarischen Konfererz der geschloffenen und verflossenen Duma einen warmen Nachrnf gewidmet, der mit den begeisterten Worten chloß: „Die Duma ist tot, es lebe die Duma!" Hoffentlich geht sein Wunsch in Erfüllung, woran man in eingeweihten Kreisen begründete Zweifel hegt. — In Frankreich schwieg, als man die Nachricht von der Dumaauflösung er hielt, sogar einen Augenblick der Dreyfusrummel. Die erste und schwerste Sorge war der Gedanke an das an Rußland verliehene Geld. Mit Recht schrieb der „TempS" : Die Kurse stürzten an der Börse, wie eine Zeitlang in Frankreich die Minister. Je mehr aber in Rußland das Zarenregiment sich der verzweiflungsvollen Wut Zer Menge überlegen zeigte, je mehr trat auch im Lande der westlichen Bundesgenoffen die Ruhe ein. Die Kurse wurden wieder fest! — In Oesterreich-Ungarn sind die Verhandlungen auf einem toten Punkt angelangt. Als man Ich überzeugt hatte, daß man weder im eigenen Hause noch mit dem des Reichsnachbars zu einer beide Teile befriedigenden Verständigung kommen konnte, hat man im österreichischen Abgeordnetenhause noch schnell einige neben sächliche Vorlagen durchgepeitscht und sich dann auf ungewisse Zeit vertagt. So schläft nach dem diplomatischen auch das parlamentarische Leben ein. — Aber die Zeitgeschichte steht nicht still. Mit unhörbarem Ruck dreht sie in jeder Sekunde ihr Merkchen weiter. Die Bilder wechseln stündlich. Insbesondere der neu geschaffene Dreibund zwischen England, Frankreich und Italien, Abessinien betreffend, sieht in je dem Augenblick anders aus. Während man vor wenigen Wochen in allen Tonarten singen und reden hören konnte, daß nummehr für Meneliks Reich eine neue Epoche beginnt, haben sich die Abessinier inzwischen besonnen und wollen von der neuen Dreibundfreundschaft nichts wissen. Das ist an sich nicht schlimm Meneltk wird künftig nach den Angelegenheiten seines Reiches sowie nach seinen Wünschen nicht mehr viel gefragt werden. Aber Italien steht schmollend abseits vom neuen Bunde, weil es sich leider erst zu spät überzeugt, datz e» trotz „Algeciras" und verwandter Gunst bezeugungen im Abessinienabkommen von Frank reich übers Ohr gehauen worden ist. Es mag sich trösten! Frankreichs BundeSgenoffenschaft und Englands Freundschaft hebt den Schmerz schon auf. — In Asien macht die Gruppierung der Staaten schnelle Fortschritte. Wie damals auf dem Kriegsschauplatz der blutgetränkten Mandschurei, sind auch jetzt die kleinen Japaner überall. Sie organisieren in Siam das Militär, regeln in der Mandschurei die Ver waltung, richten in China Fortbildungsschulen ein, gründen in Korea Faktoreien, Bibliotheken und eine Kriegsschule. Und durch die Lande braust ein Ruf wie Donnerhall: „Asien den Asiaten." — Dieser Schlachtruf tönt auf der andern Seite unsrer Mutter Erde mit kleiner Aenderung ebenfalls. In Rio de Janeiro ist der allamerikanische Kongreß eröffnet wordrn unter dem Motto: „Amerika den Amerikanern." Die Leuchten, die auf das Vorrecht ihrer Prärie pochend, alles anpumpen, wa» über ihren Weg läuft, ob sie in Venezuela, Guatemala, San Salvador oder Honduras wohnen, freuen sich diebisch über diesen Schlachtrufi Der mächtige Uncle Sam (die Ver. Staaten) nimmt nun alle kleinen Staaten in. Feinen Arm und dann mögen die Europäer kommen! Und dabei denkt man in Europa immer noch an Abrüstung. Auch im Sommer, wo gewöhnlich nichts passiert, ist's doch nirgends ulkiger wie auf der Welt ist der Widerspruch doch nirgends so zu Hause wie auf unsrer lieben Mutter Erde.!