Volltext Seite (XML)
Vie .Gttendorfer Zeitung" erscheint Dienstag, Donners- tag und Sonnabend abends. B ezugspreis vierteljährlich , Mark. Durch di« Post bezogen 1,20 Mark. Lokalzeitung für die Drtschaften Gttendorf-Dkrilla mit Moritzdorf und Umgegend. Mit wöchentlich erscheinender Sonntagsbeilage „Illustriertes Unterhaltungsblatt", sowie der abwechselnd erscheinenden Beilagen „handel und Wandel", „Feld und Garten", „Spiel und Sport" und „Deutsche Mode". Annahme »on Inseraten bi, »»»mittag ,, Uhr.j jJnseratr werden mit w Pf ffir di» Spaltzetle berechn« LabellartschersSatz nach besonderem Laris Druck und Verlag vor. Hermann Rühle in Groß-Okrilla. Lür die Redaktion verantwortlich Hermann Rühle in Groß-Dkrilla Nr. 88. Sonntag» den 22. Juli 1906. 5. Jahrgang. Einhebung der Beiträge zur land- u. forst wirtschaftlichen Vrrufsgrnoffenschast betr. Die Heberolle nebst Auszug aus dem Unternehmer-Verzeichnis der land- und forst wirtschaftlichen Betriebe liegt von heute ab 2 Wochen lang zur Einsicht der Beteiligten im Gemeindeamt hier aus. Ottendorf-Moritzdorf, am 19. Juli 1906. Der Gemeindevorstand. Oertliches und Sächsisches. Vttendorf-Vkrilla, den 2s. Juli ^os. - Unter dem Vorsitz des Herrn Geheimen Rates Freiherrn von Salza und Lichtenau trat am Freitag der Bezirksausschuß der Königlichen Amtshauptmannschaft Dresden. Neustadt zu seiner zwölften diesjährigen Sitzung zusammen. In dieser Sitzung fand das Orts- gesetz der Gemeinden Cunnersdorf, Gomlitz, Großokrilla, Grünberg. Hermsdorf, Kleinokrilla, Lausa mit FriederSdorf, Leppersdorf. Liegau. Lotzdorf. Lomnitz, Ottendorf mit Moritzdorf, Schönborn, Seisersdors, Wachau und Weixdorf Nebst den stelbständigen Gutsbezirken Liegau, Lotzdorf. Lomnitz. Seisersdors und Wachau, die Ausschließung säumiger Abgabenpflichtiger von öffentlichen Vergnügungsorten in Gemäßheit des Gesetzes vom 21. April 1884 betreffend ge nehmigt. — Die Blinddarm-Entzünduug hat im Laufe der jüngsten Jahre eine so ausgedehnte Ver breitung gefunden, daß sie geradezu als eine Volkskrankheit bezeichnet werden muß. Tas war die Meinung der Medizinischen Gesellschaft, die zur Beschlußfassung über Maßnahmen zur Bekämpfung der Krankheit in Berlin eine Sitzung abhielt, welcher auch der Staatssekretär Graf Posadowsky beiwohnte. Die anwesenden Medizinischen Autoritäten waren über einstimmend der Meinung, daß man gegen die gefährliche Krankheit ein spezifisches Mittel noch nicht besitze und in allen ernsteren Fällen die chirurgische Behandlung daher angezeigt sei. Wir möchten hieran eine Warnung knüpfen. Es ist jetzt die Kirschenzrit. Ein achtlos verschluckter Kirsch kern kann bei seiner Wanderung in den Darm sehr leicht in den sogenannten Wurmfortsatz des BlingdarmS gelangen und dort die gefährliche Entzündung Hervorrufen. Dieser Fortsatz, das degenerierte Ueberbleibsel eines früheren Organs, ist zu nicht» weiter in der Welt da, als die schlimme Krankheit der Blinddarmentzündung hervorzurufen, die dann etntritt, wenn ein fester Körper in ihn hineingelangt. Also Vorsicht beim Kirschenessen! Blasewitz. Ein schwerer Unglückssall, dem zwei Menschenleben zum Opfer fielen, ereignete sich am Donnerstag mittag an der Buhne vor dem Hotel Vcllevue. Der etwa siebenjährige Schulknabe Pfützner spielte hier und fift dabei in den an dieser Stelle sehr rasch fließenden, tiefen und ein sogenanntes Drehloch bildenden Elbstrom. Ein Mann, der mit einem kleinen, der Sprache noch nicht mächtigen Kinde an der Elbe daherkam, sprang dem versinkenden Knaben nach, geriet dabei in wn Wasserwirbel und ging dabei unter. Während der Knabe, an dem zwei Aerzte erfolglos Wiederbelebungs versuche ausstellten, bald gefunden wurde, suchte Man vergeblich nach dem untergegangenen Mann. Das jammernde Kindchen des Er trunkenen wurde nach dem Gemeindeamt gebracht, während die Leiche des Knaben, des jüngsten unter sechs Geschwistern, den bedauernswerten Eltern übergeben wurde. Wilsdruff. Ausschluß der Oeffentlichkeit bei Trauungen. Die jedem Gesitteten wider- llche Gewohnheit vieler Leute, bei Trauungen als vollkommen Unbeteiligte sich in die Kirche zu drängen, um ihre Neugier zu befriedigen, hat schon in vielen Orten zu dem Ausschluß der Oeffentlichkeit bei Trauungen geführt. Der hl-sige Kirchenvorstand hat um infolge wieder holter Anregung beschlossen, die Oeffentlichkeit bet den Trauungen auszuschließen. In Zukunft sollen an die Brautpaare bez. Brauteltern vom Kirchenvorstand Eintrittskarten in beliebiger Anzahl abgegeben werden,wofür 10 Psg. für das Stück, mindestens aber I Mk. zu entrichten ist. Die Verteilung solcher Karten liegt in den Händen der Brautleute bez. Brauteltern, die natürlich auch die Kosten hierfür zu tragen haben. (Auch in unserm Ottendorf,, Moritzdorf nebst den noch in den Kirchensprengel gehörigen Gemeinden wäre eine solche Maßnahme im Interesse der Würde einer solcher Handlung ebenfalls mit großer Freude zu begrüßen; denn es ist auch in hiesigen Gemeinde der in Rede stehende Mißbrauch, nur der puren Neugier wegen sich bei Trauungen in die Kirche zu drängen, sehr verbreitet. Gommern. Am 5. Juli verletzte hier der Arbeiter Ramisch seinen Arbeitögenossen Bauer durch Revolverschüsse und versuchte sich dann zu töten, indem er sich die Pulsader ausschnitt und einen Schuß in den Leib beibrachte. Der Mörder, dessen Tat auf Eifersucht zurück geführt wird, ist nunmehr aus dem Johanniter- Krankenhaus in Dohna-Heidenau nach Dresden gebracht und (an das Landgericht abgeliefert worden. In einer Krankenzelle wird er nun völlig zur Genesung gebracht und dann gegen ihn das Strafverfahren eingeleitet werben. Das Opfer seiner Tat, der böhmische Arbeiter Bauer, befindet sich noch im Johanniter- Krankenhaus in Pflege. Pirna. Gestern Nachmittag bemerkte in dem jetzt hochgehenden Elbstrome in der Nähe des Prasserschen Kranes der Dachdeckcrgehilfe Böhmer einen treibenden Hut. Er sah gleich zeitig, wie einige Knaben davonltefen, die dort gespielt hacken. Beim Näherkommen gewahrte er dann einen vom Strome ergriffenen Knaben Sofort sprang Herr Böhmer nach Ablegen des Rockes ins Wasser und es gelang ihm auch, den Knaben zu erfaßen. Dieser war bereits bewußtlos, kam aber wieder zu sich. Sebnitz. Unsere Stadt befindet sich in gewaltiger Aufregung: sind doch binnen 24 Stunden ein Mord und zwei Raubanfälle hier zu verzeichnen. Der Mord ist an dem Bergwirt Karl Külbelt vom Hochbusch, einem Bergrestaurant zwischen Sebnitz und Lichtenhain verübt worden. Külbert kam am Freitag abend gegen ft, 9 Uhr zu Wagen von aus wärts zurück. Inzwischen hatte sich ein einzelner Gast eingefunden, der wiederholt nach dem Wirt sich erkundigte. Külbelt spannte sein Pferd aus und holte aus der Küche das Futter für dasselbe. Kurz bevor er den Stall er reichte, wurde er von einigen Revolverschüssen, die der auf dem Hofe erschienene Gast auf ihn abgegeben hatte, getroffen. Der Unglückliche stürzte nieder, raffte sich aber wieder auf und suchte die Küche auf. Dort erhielt er noch einige Schüsse von den Unbekannten, worauf der bedanernswerte Diann tot zusammenbrach. Der Ermordete stand erst im 30. Lebensjahre und hinterläßt Frau und Ktnd. Während des Attentats auf ihren Mann flüchtete die Frau mit dem Dienstmädchen, woraus auch der M öi der das Weite suchte. Man vermutet in dem Mordbuben einen aus HertigSwalde bei Sebnitz gebürtigen, von Berlin aus wegen Unterschlagung von 200 Mark gesuchten jungen Menschen, der vor mehreren Tagen auch eine seinem Onkel in HertigSwalde gehörige Scheune angezündet haben soll. Bis jetzt ist es noch nicht gelungen, des Mörders habhaft zu werden. — Im Laufe des Freitags Vor mittag wurde auf der Straße zwischen Sebnitz und Neustadt ein Radfahrer, der abgestiegen war und im Chaussegraben rastete, von einer Person gestellt, zu der sich noch eine zweite Person alsbald hinzugesellte. Die zwei Burschen forderten den Radfahrer zur Heraus gabe seines Geldes auf und auf die Antwort des Ueberfallenen, daß er kein Geld bei sich habe, setzte einer der Angreifer dem Manne einen Revolver vor die Brust und drückte los. Zum großen Glück versagte jedoch die Waffe und die Attentäter entflohen, da Hilfe für den Ueberfallenen nahte. Weiter bettelten am Freitag nachmittag zwei Personen bei einem einsam im Walde, dicht bei der Stadt wohnenden Herrn um ein paar Stiefeln. Als der Herr aus dem Hause heraustrat, gab einer der Bettelnden einen Revolverschuß auf ihn ab, Die Stärke des Hosenträgers minderte glücklicherweise die Wirkung des Schusses, so daß der Getroffene nur leicht verletzt wurde. Die Täter entflohen sodann. Man nimmt an, daß es dieselben Personen sind, die auch den Radfahrer überfielen, während man glaubt, daß der Mörder nicht zu ihnen gehört. Die Polizei entfaltet eine fieberhafte Tätigkeit, um der Verbrecher habhaft zu werden. Meißen. Eine Demonstration gegen die Brausteu-r hat anscheinend am letzten Sonn tage in Meißen stattgefunden. Wenigstens er tönt von dort folgender melancholische Klage ruf: „Die Erhöhung der Bierpreise in unserer Stadt hat in einem einzigen Falle zu einer sehr bedeuteuden Einschränkung des Verbrauchs geführt. Am vergangenem Sonntag besuchten die Dresdner Gewerkschaften in starker Mit gliederzahl die wein- und bierfröhliche Bischofs stadt und was glaubt man, was die Gäste dort getrunken haben? Achttausend Flaschen Limonade! Jessen. Den eifrigen Bemühungen des hiesigen Distriksgendarms ist es gelungen, den Urheber des am Sonntage ausgebrochenen Scheunenbrandes beim Gutsbesitzer Kießling zu ermitteln und festzunehmen. Durch annonyme Briefe wurde der Verdacht bestärkt, daß der daselbst bedienstete Osterjunge Georg Prockscha der Brandstifter sei. Vor acht Tagen wurden dem Gutsbesitzer Kießling zwei neue Pferdedecken gestohlen. Die Nachforschungen ergaben, daß nur Prockscha der Dieb sein konnte. Dieser hat auch die Tat eingestanden und ist in das Amtsgericht Meißen eingeliefert worden. Er ist schon als Schulknabe gerichtlich bestraft worden. Mutzschen. Durch einen Defekt des Wasser bassins in der Obergasse ist das Wasser der Wasserleitung in den Keller des Seyfartschen Wohnhauses getreten und es hat den Grund aufgeweicht, wodurch das Seyfartsche, sowie auch das Kurzesche Wohnhaus Riffe erhalten haben, sodaß die Türen nicht mehr schließen. Das Seyffartsche Wohnhaus ist abgesteift worden Eine Abteilung der Freiwilligen Feuerwehr hat mittelst einer Spritze das Wasser aus dem Keller herauögepumpt. Leipzig. Troße Streiks verschlingen be kanntlich enorme Summen in unglaublicher kurzer Zeit. Das sieht man wieder an der jetzt bereits über 13 Wochen dauernden Lohn bewegung im Steindruckergewerbe. Der Gesamt schaden beläuft sich auf mindestens 2 Millionen Mark. Wenn auch die aussperrenden und die in den Streik versetzten Firmen denen viele Aufträge liegen geblieben oder verloren gegangen sind, hieran mit etwa einer Millionen beteiligt sind, so entfällt doch auf die Gehilfenschaft der Verlust von einer Million Mark. Rund eine halbe Millionen haben, wie die Gehilfen in ihren Organen selbst zugeben, die Streik unterstützungen beanspucht, die andere Hälfte kommt auf den Verdienstausfall, den etwa 4500 Arbeitslose während der Unterstützung-» dauer zu erleiden hatten. Die nutzlose Ver geudung dieser Riesensumme hätten die Gehilfen durch die Errichtung einer Tarifgemeinschaft, analog dem Buchdruckertarif, leicht vermeiden können. Markranstädt. Ein Infanterist, der sich unlängst von seinem Regiment in Halle heimlich entfernt hatte, wurde von drei Soldaten im Mühlenholze bei Kötschau ergriffen, wo auch sein Seitengewehr gefunden wurde. Chemnitz. Der Bierkrieg ist am Mittwoch abend in sechs außerordentlich stark besuchten sozialdemokratischen Versammlungen beschlossen worden. Der „Kampf bis aufs Messer" wurde proklamiert. In einer zur Annahme gelangten Resolution verpflichteten sich die „Genoffen", nur noch in Lokalen zu verkehren, deren Wirte zur sozialdemokratischen Fahne schwören, und Bier nur dann zu trinken, wenn es zum alten Preise verabreicht wird- Anderenfalls solle man sich mit Selt-rSwaff-r, Limonaden, Kakao usw. begnügen. Die Wirte haben bekanntlich beschlossen, für 0,4 1 Lager« und Böhmisch« Bier 17 Pf. zu verlangen. Die Mehrzahl nill aber diesem Beschlusse nicht Folge leisten sondern nur 16 Pf. verlangen. — Der Bierkrieg in Permanenz wurde von der Arbeiterschaft in Chemnitz in sechs zum Teil wegen Ueberfüllung polizeilich abgesperrten Versammlungen, die am Mittwoch Abend in verschiedenen Teilen der Stadt abgehalten wurden. Der Beschluß der Vereinigten Gast« und Schankwirte, für 0,4 Liter Lager- oder Böhmisch-Bier den Preis auf 17, für Schnitte (ft» Liter) aber auf 12 Pfennige festzusetzen, wurde scharf kritisiert, und in einer in allen Versammlungen angenommenen Resolution wird der Bierkrieg in aller Form erklärt. So lang« soll überall da, wo ein PreiSauffchlag statt gefunden hat, auf den Genuß des Bieres ver zichtet werden, bis der Aufschlag wieder zurück gezogen wird. Die sozialdemokratische Partei leitung und das Gewerkschaftskartell wurden beauftragt, sofort intensivere Schritte zu unter nehmen, wenn die Brauereien von den Preis erhöhungen nicht zurücktreten sollten. Sie, nicht die Konsumenten, seien die tragfähtgen Schultern, die vom Gesetzgeber mit der Steuer belegt werden sollten. Einige Wirte gaben auch das Bier zu dem alten Preisen ab; wo das nicht geschah, wurden alkoholfreie Getränke verlangt, doch hatten diese einen geringeren Absatz zu verzeichnen als früher das Bier. Auf den AuSgang des Bierkrieges ist man sehr gespannt, zumal auch vom Boykott ge sprochen wurde und eine Anzahl Wirte den Beschluß bereits durchbrochen haben, den sie kaum gefaßt hatten. Annaberg. Von einem tragischen Geschick ist der erste Hauptgewinn der hiesigen Gastwirts gewerbe Ausstellung, ein Pianio, daß ein Maurer Sp. aus Geyersdorf gewonnen hat, ereilt. Der glückliche Gewinner hatte als praktischen Mann den Gegenstand seines Glückes zu einem annehmbar Preise weiterverkauft. Ala er das Klavier am Dienstag früh dem Käufer zustellen wollte, siel es unweit von der Ausstellung vom Wagen, sodaß es ganz erhebliche Riffe und Sprünge erlitt. Die Reparaturkosten werden wahrscheinlich nunmehr einen großen Teil der Kaufsumme ausmachen, sodaß vom Gewinn nicht viel übrig bleiben wird- Plauen. Die künftigen Bierpreise werden auch hier lebhaft erörtert. Die Vereinigung der Gastwirte und der Restaurateur haben zwar noch keine entscheidende Stellung zu dem Beschlusse der Brauereien des Vogtlandes genommen, da mit den Brauereien eine volle Uebereinstimmung nicht erzielt worden ist. Die Gastwirte und Restaurateure beabsichtigen jedoch, den Preis der heimischen Biere um je einen Pfennig für das Glas zu erhöhen, sodaß also leichtes Lager dann 13 Psg. dunkles 16 Pfg. und Pilsner 16 und 17 Psg. kosten würde. In einer Versammlnng soll demnächst die Notwendigkeit des Preisausschlageö begründet werden.