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über de» Zusammenbruch einer Bahn überführung in Berlin wird amtlich ge meldet: Am 18. d. wurde eine eiserne Pendel säule der Überführung eines Nebengleises des Anhalter Personen-Bahnhofs über das Hallesche User durch An Lastfuhrwerk durch die Schuld des Kutschers umgefahren. Unter dem Gewicht eines in diesem Augenblicke die Brücke passierenden Leerzuges senkte sich der der Mittelstütze beraubte Hauptträger. Verletzungen von Personen sind nicht vorgekommen und es liegt nur eine leichte Beschädigung des eisemen Überbaues vor, die Arbeiten für die Hebung des Hauptträgers sind bereits in Angriff genommen, so daß die Brücke in wenigen Tagen wieder betriebsfähig sein wird. Die Reitpeitsche des Kronprinzen wird für einen Gardedukorps recht unangenehme Folgen haben. Sie ist ein Verlobungsgeschenk der Kronprinzessin und hat einen goldenen Griff nebst Widmung. Dem Kronprinzen wurde sie vor etwa 8 Tagen bei der Durchfahrt durch Ferbitz aus dem Automobil herausgeschleudert, ohne daß er es bemerkte. Erst bei der Ankunft im Marmorpalais wurde er seinen Verlust ge wahr und ließ eingehende Nachforschungen nach der Peitsche anstellen, welche ergaben, daß ein Ferbitzer Knabe gesehen hatte, wie eine Garde dukorps sie ausgenommen hatte. Eine Revision der Mannschaftsspinden in der Kaserne beförderte bei einem Gefreiten die Reitpeitsche ans Tages licht. Er erklärte, daß er zwar gewußt habe, daß sie dem Kronprinzen gehöre, aber gerade des halb wollte er sich dieselbe zum Herbst als teures Andenken mit in seine Heimat nehmen. Zuvor wird aber der Gardedukorps ein noch teureres Andenken an seine Militärzeit bei „Vater Philipp" wegen Fundunterschlagung er halten. x Teilweise Begnadigung eines Loko motivheizers. Der Heizer Graf in Inster burg, der wegen Mitschuld an dem Eisenbahn unglück bei Weynochen von der Strafkammer in Tilsit zu sechs Wochen Gefängnis verurteilt worden war, ist vom Kaiser zu einer Woche Gefängnis begnadigt worden. Bei demZusammen- stoß, den der Unfall verursachte, fanden der Lokomotivführer Beeck und der Heizer Schedler ihren Tod, außerdem wurden drei weitere Eisen bahnbeamte, sowie neun Reisende verletzt. Der Sachschaden betrug etwa 80 000 Mk. Die eigentliche Schuld an der Katastrophe wurde neben dem getöteten Lokomotivführer Beeck dem Heizer Graf zur Last gelegt. Wieder ein überfall in einem Eisen bahnzuge. In dem Zuge Nr. 814 auf der Strecke Magdeburg — Blumenberg — Staßfurt wurde ein räuberischer Überfall verübt. Ein polnischer Arbeiter hatte im Wartesaal in Blumenberg gesehen, daß ein Reisender sein Geld zählte. Beide waren während der Fahrt Vann in einem Abteil vierter Klasse allein zusammen und auf der Strecke zwischen Blumen berg und Egeln überfiel der Arbeiter mit offenem Messer den Mitreisenden. Nur durch das Erscheinen des Schaffners wurde ein schlimmer Ausgang verhindert. Der Schaffner meldete in Egeln den Vorfall, von wo dieser nach Staßfurt weitergegeben wurde. Dort wurde der Räuber, der bis dahin vom Zugpersonal be wacht worden war, von der Polizei in Empfang genommen. In einem Abteil 1. Klaffe vom Tode ereilt wurde im Nachmittagsschnellzuge auf der Strecke zwischen Stralsund und Saßnitz ein Mühlenbesitzer aus der Gegend von Neu-Nuppin. Der Bedauernswerte wurde von dem die Fahr karten revidierenden Zugführer entseelt aufge funden. Die Untersuchung durch einen im Zuge mitfahrenden Arzt ergab als Todesursache Herz schlag. Man fand bei dem Toten einen Jagd schein und etwa 500 Mk. Bargeld. Die Leiche wurde bei der Ankunft des Zuges in Saßnitz einstweilen in der Halle des dortigen Friedhof's untergebracht. Für SO Mark Pclzfelle beschlag nahmt. Die Hamburger Kriminalpolizei ver haftete eine aus sechs Personen bestehende Hehler- und Diebesbande. Bei einem Pro duktenhändler in der Bernhardstraße wurden für dreißigtauiend Mark wertvolle Pelzfelle beschlag nahmt. Grubenunglück. Auf der Zeche Karl Friedrich bei Bochum stieß bei der Personen beförderung ein mit 25 Bergleuten besetzter Korb so stark auf, daß mehrere Bergleute schwer, einige leicht verletzt wurden. Auf der Suche nach einem Mörder. Die Kriminalpolizei in Danzig hat in Zoppot seit einigen Tagen ständig mehrere Beamte stationiert, da die Vermutung besteht, daß der flüchtige Mörder und Einbrecher Franz Köhler, der in Leipzig den Schutzmann Tag erschossen hat, sich mit seiner Geliebten nach einem der östlichen Badeorte gewandt hat. X über den traurigen Ansgang einer Liebelei wird aus Kosten in Posen folgendes gemeldet: Der Lehrer Kranz aus der benach nun seine Genossen ein Steinbombardement gegen diese und schlugen sämtliche Fenster der Fabrik ein. Mehrere Polizisten wurden verletzt, und erst das hinzugezogene Militär konnte die Ordnung wieder Herstellen. ob. Der Eiffel-Turm bleibt. Der Eiffel- Turm sollte nach Pariser Meldungen im Jahre 1910 verschwinden. Nun hat jedoch die Kom mission des Magistrats von Paris beschlossen, die Entscheidung über die Zukunft des Eiffel turms um 5 Jahre zu verschieben. Die in der Nähe wohnenden Hausbesitzer sind über den Entschluß hocherfreut, weil der Eiffelturm die Blitzgefahr vermindert. Mit dem Kreuze der Ehrenlegion wurden ausgezeichnet Sara Bernhardt, die ZUM Zlljammeubrüch Ser Bahnüberführung in Berlin. barten Ortschaft Donatowo hafte mit der Land wirtstochter Wendl ein Liebesverhältnis ange knüpft. Weil die Eltern des Mädchens die Liebelei nicht billigten, überfielen die Brüder den Lehrer und mißhandelten ihn derart, daß der Unglückliche bald darauf seinen schweren Ver letzungen erlag. In den Flammen umgekommen. Bei Neustadt in Schlesien ist die Lohmühle ab gebrannt, wobei ein Mann und zwei Kinder den Tod in den Flammen fanden. Zusammeuftoft eines Straffenbahn wagens mit einem Personenzug. In der Kattowitzer Vorstadt Zawodzie stieß ein Straßen bahnwagen bei einer Kreuzung mit dem nach Beuthen fahrenden Personenzug zusammen. Der Motorführer und Schaffner sowie eine Anzahl Passagiere wurden leicht verletzt. Der Unfall ist dadurch entstanden, daß die Eisenbahnschranke nicht rechtzeitig geschlossen war. Unaufgeklärter Todesfall. In Fraureuth ist das 14'/z Jahre alte Dienstmädchen Paula Partsch unter Vergiftungserscheinungen gestorben. Am Sonntag nachmittag war es noch in Zwickau gewesen und dort anscheinend gesund zurück- gekehrt. Die Untersuchung wurde sofort ein geleitet und die gerichtliche Öffnung der Leiche vorgenommen. Da für einen Selbstmord jede Veranlassung fehlte, neigt man zu der Annahme, daß das Mädchen einem Verbrechen zum Opfer gefallen ist. Kundgebung streikender Arbeiter in Temeswar. In Temeswar (Ungarn) veran stalteten mehrere hundert streikende Arbeiter der Südungarischen Hutfabrik vor dem Fabrik gebäude, weil die Direktion ihre Forderungen nicht bewilligte, eine Kundgebung. Zur Aufrecht erhaltung der Ruhe wurde die ganze Polizei aufgeboten. Während der Kundgebung stürzte ein Arbeiter infolge Herzschlages plötzlich zu sammen. In dem Glauben, der Mann sei von Beamten niedergeschlagen worden, eröffneten bedeutende französische Schauspielerin, und Xavier Privas, der zum Liederfürsten von Montmartre ausgenifene Kabarettsänger. ek. Wenn man plaudert. In Zürich saßen vor einigen Tagen mehrere Männer in einem Restaurant beim Kartenspiel, und einer der Spieler erzählte, daß vor wenigen Jahren einer seiner Freunde euren Mitspieler, der ihn geärgert habe, aus Wut getötet hätte. Da er zählte ein andrer Mtspieler — der in Usta wohnt — er selbst habe vor mehreren Jahren in Rosenheim (Bayem) beim Kartenspiel jemand erschlagen. Er erzählte sogar Einzelheiten seiner Tat und wies die Mahnungen seiner Freunde, so etwas nicht in einem öffentlichen Lokal zu er zählen, mit den Worten zurück: „Das sind doch alte Geschichten!", und ihm könne in der freien Schweiz nichts geschehen. Ein Herr am benach barten Tisch hatte jedoch das Gespräch gehört und der Polizei telephoniert, die einige Minuten später erschien und den unvorsichtigen Plauderer verhaftete. Alfred Veit, der verstorbene afrika nische Diamantenkönig, war bei einer Gesell-, schäft mit 100 000 Dollar versichert, auf die er 55 000 Dollar Prämien gezahlt hat. Die ,Evening Sun' erzählt von einem geheimen Roman des Verstorbenen. Danach ist in ein geweihten Kreisen bekannt, daß Best im Jahre 1890 außerdem eine Versicherung über mindestens 70 000 Dollar zugunsten von „Elizabeth Bennet", einer englischen Schau spielerin, in London nahm. Über das Ver mögen Veits werden stark voneinander ab weichende Ziffern gegeben. Es wird von 180 bis auf 600 Millionen Mark geschätzt. Die Erbschaftssteuer wird dem Schatzamt zufallen. Es wird hierbei daran erinnert, daß Veit zur zeit des Burenkrieges erklärte, er sei nicht naturalisierter Engländer, sondern habe sein deutsches Bürgerrecht behalten. Es ist deshalb möglich, daß ein erheblicher Teil seiner Hinter lassenschaft von der englischen Erbschaftssteuer freibleibt.. Eine texanische Stadt durch Erdbebe« vernichtet. In Texas ist die etwa zweitausend Seelen zählende Ortschaft Socorro durch Erd stöße vollkommen zerstört worden. Seit Sonntag morgen wurden 52 Erdstöße in Socorro (Texas) verspürt und die aus zweitausend Einwohnern bestehende Stadt gleicht jetzt einer Ruine. Die Bewohner leben andauernd in verzweiflungs vollem Schrecken und entfliehen auf der Santa-Fö- Bahn. Doch auch auf den Zügen sind sie nicht ihres Lebens sicher, weil die Erde in großen Massen bröckelt und auf das Gleis fällt. Das Wasser in den warmen Quellen ist seit Beginn der Erdstöße um zehn Grad gestiegen. Im ganzen Rio Grande-Tal halten die Erdstöße an und die Bewohner müssen auf freiem Felde kampieren. Überschwemmungen in Japan. In den mittleren Gebieten von Japan sind große Überschwemmungen eingetreten. Die Eisenbahnen sind unterbrochen. Die Gegend von Kofu ist in einen ungeheuren See verwandelt. Eine große Anzahk Menschen ist umgekommen. Man glaubt, daß der Sachschaden sich auf mehrere Millionen Jen beläuft. Die Bevölkerung hat zu tausenden in Tempeln und Theatern Zuflucht gesucht. Viele sind auf die Dächer von Häusern geflüchtet und rufen um Hflfe. Zn Matsumoto sind etwa 4000 Gebäude überschwemmt. Die Kupfer bergwerke stehen unter Wasser. GerickwkaUe. Koburg. Eine verzweifelte Flucht aus dem Gerichtssaal verübte die Ziegeleiarbeitersehefrau Mai aus Cortendorf. Als der Staatsanwalt wegen schwerer Urkundenfälschung 1*/? Jahre Gefängnis beantragt und der Gerichtshof sich zur Beratung zurückgezogen hatte, erschien der Frau die Strafe so ungeheuerlich, daß sie Reißaus nahm. Sie stürzte aus dem Saal, lief die Treppe hinab und flüchtete über den Theaterplatz in das Haus der Hofwein- handlnng Ortel, wo sie sich auf dem Boden versteckte. Als ein Polizeisergeant sich ihrer be mächtigen wollte, stürzte er über seinen eigenen Säbel, während die Frau von neuem davonlics. Auf der Straße wurde sie dann von einem andern Polizisten cingcfangcn. In den Gerichtssaal zurück gebracht, mußte sic das auf ein Jahr Gefängnis^ lautende Urteil vernehmen und wurde dann wegen Fluchtverdachts sofort in Hast genommen und ins Gefängnis gebracht. 88 Pose«. K. u. Gen. waren auf Grund einer Polizeiverordnung angeklagt und verurteilt worden, weil sie Wochcnmarktartikel auf einer öffentlichen Straße angekauft hatten, ein solcher Ankauf soll nur auf dem Wochenmarkt erfolgen. Gegen das Urteil des Landgerichts legte K. Revision beim Kamuioracricht ein, das unter Aufhebung der Vorentscheidung auf Freisprechung erkannte, da eine solche Vorschrift un gültig sei; eine derartige Beschränkung des Handels betriebes erscheint nicht zulässig. In dieser Be ziehung kommen nur die Bestimmungen der Gewerbe ordnung in Betracht. Ferner aber haben auch Marktforderungen nicht das Recht, dem Handel und Wandel außerhalb des Marktplatzes Beschränkungen aufzuerlegen. Sie können nicht einmal einen markt ähnlichen Verkehr außerhalb des Marktplatzes ver bieten, noch viel weniger den ambulanten Handel. Der Verkehr außerhalb des Marktplatzes wird von dem Markte und seiner Marktordnung an sich nicht be rührt. Eine Marktordnung, die darüber hinausgeht, ist ungültig; sie ist erst recht ungültig, wenn sie es tut, um der Gemeinde eine Mehreinnahme durch Erhebung von Marktstandsgeld zuzuführen. Ein Marktzwang, Wonach die Gewerbetreibenden den Markt besuchen müssen, darf nicht eingeführt werden. Vunles Allerlei. Schlechtes Gewissen. Tante: „Ich will dir zu deinem Geburtstage eine Freude be reiten, Oskar, muß aber zuvor noch deinen Lehrer fragen, wie du dich aufführst." — Kleiner Oskar: „Weißt du, Tante, wenn du mir wirklich eine Freude machen willst, so frag' ihn lieber nicht!" (.Luft. Weit-.) Der Grund. Junger Ehemann: „Das Essen schmeckt mir aber ganz und gar nicht!" — Frau: „Da hast du's, habe ich dir nicht gleich in der Buchhandlung gesagt, du solltest das bessereKochbuchnehmen?" (,Donb.g -- bemerkt Baumbach mit dumpfer Stimme und fährt mit der Hand über die Augen, als träume er. „Der Mann wurde ermordet. Und sie — ich vergesse —" „Nein, nicht ermordet!" ruft Bruno mit er hobener Stimme, wie um den Freund zur Wirk lichkeit zurückzurufen. „Es unterliegt gar keinem Zweifel, daß er sich selbst vergiftet — nur das Urteil reinigte sie nicht von jedem Verdacht, so wie die es wünschen mochten, die sich für sie kümmerten." Plötzlich bricht die Erinnerung über Georgs Geist herein. Er entsinnt sich jener Nacht, wo ihm der Freund den Prozeß und seine Memung auseinandersetzte. „Diejenigen, die sich um sie kümmerten!" ruft er schrill. „Ja, ich erinnere mich. Da mals dachte ich so — heute denke ich noch so. Du liebtest sie!" Und vor dieser Anklage schweigt Bruno Stauffer einen Augenblick. Dann blickt er nicht nach Georg, sondern nach Gertrud, und auf den fragenden Blick ihrer bekümmerten Augen gibt er diese Antwort: „Ich bewunderte sie und hatte Mitleid mit ihr," spricht er ruhig. „Vielleicht war ich nahe daran, sie einmal zu lieben — es ist fünf Jahre her - aber obgleich ich sie am Tode ihres Gatten für vollkommen unschuldig hielt, wußte ich doch auch, daß sie ein Geheimnis hatte, das sie vor mir verbarg. Als ich sie bat, mir ihr Vertrauen zu schenken, wies sie mich ab — und ich verließ sie. Ich habe sie seit jenem Tage nicht mehr gesehen, bis ich sie hier wieder fand. .Und jetzt." seine Stimme klang leidenschaftlich, „jetzt, anstatt sie zu lieben, möchte ich sie eher hassen, weil sie zwischen uns getreten ist." Auf Gertruds Antlitz liest er das Glück, die Lindemng, die Zärtlichkeit, die ihr diese Worte gebracht. Baumbach aber wendet sich ab, sinkt in seinen Lehnstuhl, streckt die Arme auf dem Schreibtisch aus und vergräbt darin sein Gesicht. In der Stille, die folgt, hören sie einen unterdrückten Seufzer. Stauffer tritt einen Schritt vorwärts und blickt den Freund mit bebenden Wippen an. Doch rasch wendet er sich wieder ab. Unter der Türe bleibt er noch ein mal stehen, streckt die Hand aus und drückt Gertruds Rechte einen Augenblick in seiner. Sie schauen sich ins Auge, dann geht er stillschweigend davon und läßt sie mit dem Bruder allein. 10. Am folgenden Morgen Nach der Szene in Georgs Arbeitszimmer erhebt sich Bruno Stauffer nach unruhigem Schlaf müde und matt. Halb angekleidet schickt er sich an, seine Koffer zu packen, als er Plötzlich vom Hofe her das Auf schlagen von Pferdehufen vernimmt. Er weiß oder ahnt, daß es Georg Baumbach ist, der bereits nach der Villa Solitüde hinübergeritten ist, um Frau Forster zu sprechen. Noch wundert er sich, was wohl das Resultat ihrer Auseinandersetzung sein mag, als auch schon hastig an der Tür ge klopft wird, und ehe er noch Zeit hat, zu ant worten, tritt Georg ein. Sein Gesicht ist müde, bleich und verzerrt; er schließt die Türe, geht gerade auf Bruno zu und streckt ihm die Hand entgegen. „Ich habe dich um Verzeihung zu bitten," sagt er mit einer Stimme, die wie sein Gesicht gealtert zu sein scheint. „Ich Ivar außer mir gestern abend — außer mir vor Schmerz und Elend. Du tatest bloß, was recht und billig, und ich war im Unrecht und erschwerte dir deine Aufgabe." Stauffer ergreift die Hand uud hält sie einen Augenblick, sagt aber nichts. Er kann nicht. Es gibt Zeiten, wo dem Manne die Worte nicht so leicht von ben Lippen fließen. „Du verstehst, Bruno," sagt Baumbach, die Hand sinken lassend. „Es kam alles so plötzlich über mich und war darum so hart. Ich ver traute ihr von ganzem Herzen und liebte sie, wie ich nie ein Weib zu lieben meinte." Er geht nach dem Fenster. „Wenn sie mir verstaut, mich nicht hinter gangen hätte, ich hätte an sie geglaubt und sie gegen die ganze Welt verteidigt — aber sie knnnte sich mir nicht anvertrauen." „Trotz alledem," versetzt Bruno mit klarer, ruhiger Stimme, „ist sie kein schlechtes Weib, sie ist bloß eine Frau, die unglückliche Umstände in eine so verzweifelte Lage brachten, daß sie genötigt war, ihre Zuflucht zur Täuschung zu nehmen oder bis zum Tage ihres Todes den Makel jener schrecklichen Berühmtheit, den sie nicht verdient, mit sich herumzustagen. Ich weiß, daß, als sie hierher kam, ihr einziger Wunsch war, sich in der Einsamkeit und Ver gessenheit zu begraben, und daß es nur deine Zuneigung und Gertruds Freundschaft waren, die sie ihrer Weltabgeschiedenheit entrissen Gewiß war es ein törichtes Verlangen, ein wilder Wunsch, dich unter solchen Umständen zu heiraten. Aber wenn du nun alles weißt, ist es dir nicht möglich, ihr zu verzeihen?" Noch vor wenigen Augenblicken hätte er gar nicht geglaubt, daß er einen solchen Appell an seinen Freund richten konnte. Jetzt wird er ihm entrissen, fast gegen seinen Willen, und nicht aus Mitleid für Frau Forster, sondern für seinen Freund. „Die ganze Nacht hindurch," sagt Baum bach, „habe ich mir das auch vorgehalten. Als der Morgen dämmerte, faßte ich meinen Ent schluß. Ich beschloß, sie aufzusuchen — ihr eine Gelegenheit zu bieten, sich zu erklären — sich gleich zu rechtfertigen, daß sie mich hintergangen. Ich ging sogar so weit, zu denken — wie du selbst gedacht — es wäre möglich, ihr zu verzeihen, meine Liebe alle Hindernisse besiegen zu lassen. Aber jetzt — jetzt ist aller vorbei. Sie st fort." „Fort?" „Ich wartete bis halb acht Uhr," fährt Baumbach im gleichen dumpfen , schweren Tone fort. „Früher konnte ich nicht gehen; als ich aber nach der Villa kam, fand ich sie verlassen. Während der Nacht hatte sie das Nötigste zusammengepackt, und in Begleitung ihrer alten Dienerin ist sie einige Minuten vor sieben mit dem Zuge abgereist. Ich erhielt den Schlüssel des Hauses von dem Gärtner, der es vor ihrem Hierherkommen bewachte. Ich durch stöberte alle Zimmer — nirgends ein Zeichen, nirgends eine Spur ihrer Gegenwart. Sie Hane es genau so verlassen, wie sie es vor zw: Jahren gefunden hatte/' EF s (Fortsetzung folgt.)